Antideutsche Angriffe in Leipzig

von Sonti M, zuerst veröffentlciht in der Infomail 1270 der Gruppe Arbeiter:innenmacht, 20. November 2024

„Nie wieder Gaza!“ oder „Ihr habt den Krieg verloren!“ – Das sind Parolen, die Antideutsche bei einer Demonstration von Students for Palestine in Leipzig am 8. November lautstark skandierten. Sie mobilisierten, um sich als Hüter:innen des linken Stadtteils Connewitz zu inszenieren, doch der Rassismus ihrer Parolen und ihre Aktionen zeigen, wofür sie stehen. Wer „Nie wieder Gaza!“ ruft, zeigt nicht nur der deutschen Regierung, dass die ihre Staatsräson gut bei einem/r aufgehoben ist, sondern reiht sich ein in Aussagen, die auch israelische Faschist:innen tätigen. Und nicht nur ihr Gedankengut trieft von Rassismus – ihre Aktionen zeigen, wie scheinheilig ihr angeblicher Kampf gegen Antisemitismus doch ist.

Denn auch wenn es in den letzten Jahren nur vereinzelt Ausfälle seitens der antideutschen – vermeintlichen – Linken gab, wie der Angriff auf eine Leipziger Moschee am 13.12.2021, ereigneten sich in den letzten Monaten gleich mehrere verzweifelte Versuche, „Präsenz zu zeigen“. An einen Angriff auf ein migrantisches Hausprojekt mit Schweinefett Ende Oktober 2023 reihten sich in den letzten Monaten Farbanschläge auf linke Orte, die sich nicht scheuen, Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu zeigen, und zuletzt sogar direkte körperliche Angriffe wie bei einer Führung des Studi-Kollektives der Leipziger Linken oder bei einem Infostand von Students for Palestine vor der HTWK, einer Hochschule nahe Connewitz, am 30. Oktober 2024.

Wer sind diese Antideutschen?

Ursprung der „antideutschen Linken“ war der während und nach der Wende neu aufgekommene Nationalismus, der in Anschlägen auf Institutionen für Geflüchtete, wie die in Rostock-Lichtenhagen 1992, gipfelte. Das anfänglich ehrliche Entsetzen der Antideutschen über Rassismus geriet schnell zu bloßen Lippenbekenntnissen.

Die kapitalistische Wiedervereinigung war eine historische Niederlage der Arbeiter:innenklasse, wo die Krise der bürokratischen Herrschaft in der DDR und die demokratische Massenbewegung erfolgreich auf das Fahrwasser von Marktwirtschaft und bürgerlicher Demokratie gelenkt werden konnten. Für die Antideutschen zeigte sie jedoch weit mehr. Der deutsche Nationalismus und Imperialismus wären qualitativ reaktionärer als die anderer bürgerlicher Staaten, die Lohnabhängigen in Deutschland seit dem Sieg des Faschismus voll integrierter Teil einer „nationalen Volksgemeinschaft“ gewesen, die auch nach 1945 ungebrochen in Ost und West fortbestanden hätte. Daher wäre auch jede Klassenpolitik in Deutschland unmöglich.

Hoffnung auf Veränderung gäbe es hier nicht, sondern allenfalls durch zwei Staaten, die in einer Welt des Irrsinns Freiheit und Demokratie gegen Antisemitismus und völkischen Nationalismus verteidigen würden – die USA und Israel.

Beim Einmarsch der USA und anderer westlicher Staaten in den Irak während des Golfkrieges 1991 ergriffen die Antideutschen die Seite der USA, unterstützten die Bombardements und Invasion und warfen der Kohl-Regierung allen Ernstes vor, die Anstrengungen der USA im „Befreiungskampf“ zu hintertreiben! Nachdem sich viele Palästinenser:innen mit dem Irak solidarisierten, gerieten auch sie in den Fokus der Antideutschen. Sie wurden als „antisemitisches Kollektiv“ gebrandmarkt und diffamiert und Israel schon während der ersten Intifada ein Blankoscheck zu jeder Unterdrückung der Unterdrückten ausgestellt. Später wurde diese rassistische Ideologie auf die gesamte arabische und muslimischer Bevölkerung ausgedehnt. Seither legen Antideutsche Wert auf die Sicherung und Verteidigung der israelischen Besatzung.

Hochburg Leipzig

In Leipzig bildeten sie bis vor einigen Jahren einen nicht unerheblichen Teil der Linken. Besonders der Stadtteil Connewitz galt als antideutsche Hochburg. So gab es eine antideutsche Vorbereitungsgruppe, die am Versuch, eine „antinationale“ Strömung zu initiieren, beteiligt war. Auch heute wird der Stadtteil im Süden Leipzigs noch von Antideutschen für sich beansprucht, wie die Angriffe auf den Stadtrundgang und Students for Palestine zeigen. In Connewitz befindet sich außerdem das „linke“ Kulturzentrum Conne Island, welches im Laufe der Jahre wieder und wieder bewiesen hat, auf wessen Seite es steht und mit wem es zu kooperieren bereit ist.

Vor einigen Jahren durfte Thomas Maul, Journalist der „ideologiekritischen“ Zeitschrift Bahamas, der für seine rassistischen und sexistischen Aussagen schon lange bekannt ist, dort Lobgesänge auf die AfD als einzige konsequente Kraft gegen Antisemitismus kundtun.

Des Weiteren herrscht im Conne Island ein strenges Kufiyaverbot – angeblich sei diese mit Ausgrenzung, Gewalt und Diskriminierung verbunden –, während Imperialismus und Krieg hingenommen werdenund vor einigen Jahren sogar Plattform für das Werben für Freiwilligendienste im israelischen Militär geboten wurde. Geschlossen hinter der deutschen Regierung zu stehen, die einen Genozid an einem besetzten Volk unterstützt, lässt eben die Fassade des Antirassismus’ und Hasses auf Deutschland zunehmend bröckeln und das wahre Gesicht zum Vorschein treten.

Ihr ganzer Existenzzweck besteht in der Verteidigung des westlichen Imperialismus und der postkolonialen Unterdrückung. Sie stellen eine „radikale“, reaktionäre kleinbürgerliche Strömung dar, die deutlichst gegen jede Klassenpolitik kämpft und den Imperialismus verteidigt. In den „deutschen“ Besonderheiten dieser „antinationalistischen“ Strömung werden Masse und Klasse als reaktionäre Grundformen begriffen. Jegliche „Personifizierung“ wird als „Verkürzung“ der Kapitalismuskritik dargestellt, die letztlich antisemitisch sei.

Ihre Antisemitismusdefinition entspricht der, die nun auch die Bundesregierung für die neue Antisemitismusresolution herangezogen hat: die der IHRA mit der Erweiterung, die Israel als jüdisches Kollektiv versteht und somit jegliche Kritik am Staat als antisemitisch brandmarkt. Das bedient selbst ein antisemitisches Stereotyp. Jüd:innen werden mit dem zionistischen Staat, der soeben einen Genozid an dem von ihm besetzten Volk begeht, gleichsetzt. Antideutsche sind keine Linken! Zum Glück werden sie aber weniger und ihre gewalttätigen, reaktionären Aktionen sind ein, wenn auch durchaus gefährlicher Ausdruck davon.

Warum werden sie weniger?

Die Gründe sind dabei vielfältig:

a) Wenig Rückhalt in der Bevölkerung

Die Palästinasolidarität ist seit dem Beginn des Genozids in Gaza deutlicher sichtbar. Doch nicht nur das. Auch in der Öffentlichkeit ist nach einem Jahr Krieg und Zerstörung ein Stimmungsumschwung erkennbar. 70 % der deutschen Bevölkerung halten den Terror der israelischen Regierung in Gaza für unverhältnismäßig. Viele gehen auf die Straße und leisten Widerstand gegen Israel und dessen Verbündete, welche Widerstandleistende mit immer mehr Repressionen überziehen. In Deutschland ist zuletzt die neue Antisemitismusresolution verabschiedet worden, die weitere und härtere Maßnahmen legitimiert. Dicht hinter dem deutschen Staat und dessen Räson: die Antideutschen – mittlerweile eine Minderheit in der deutschen Linken, die sich in der Defensive sieht und mit Gewalt und vor allem auch Denunziation um ihren Einfluss ringt.

b) Anpassung an den bürgerlichen Staat

Viele Antideutsche sind mittlerweile in die Sphäre der Verschwörungstheorien oder des Rechtspopulismus abgedriftet, andere arbeiten für den bürgerlichen Mainstream und propagieren ihre Ideologie im Parlament oder schreiben rassistische und staatstragende Artikel für Zeitungen wie Die Welt.

Dieses Zurückziehen vieler Zionist:innen in das komfortablen Umfeld von Institutionen lässt auf der Straße nur noch vereinzelte verzweifelte Antideutsche zurück, die der Polizei gerne Arbeit abnehmen.

c) Internationaler Druck in der Linken

Ein positives Beispiel für internationalen Druck gegen die Irrwege der deutschen Linken ist der aktuelle Stand des Conne Island. Viele Künstler:innen und Besucher:innen haben diesem nicht nur den Rücken gekehrt, sondern auch eine Kampagne gestartet, es zu boykottieren. Was wirkt, denn der Laden steckt nun in Geldschwierigkeiten und versucht, die letzten Kräfte der Antideutschen zu animieren, um es mit Hilfe von Spenden zu retten. Die verzweifelten Versuche, mit Hilfe von Angriffen, Gegendemonstrationen und Spenden ihren politischen Einfluss zurückzugewinnen, bezeugen, wie zurückgeblieben und scheinheilig das Gedankengut der Antideutschen doch ist. Ihr angeblicher Hass auf Deutschland ist längst der Anbetung seiner zur Staatsräson verklärten Israelsolidarität gewichen.

Was tun gegen die „linken“ Zionist:innen?

Wir dürfen uns von den wenigen Übriggebliebenen sowie von Staatsapparaten nicht einschüchtern lassen. Indem wir weiterhin die imperialistischen Interessen kämpfen, entlarven wir den offenen Rassismus der Regierung sowie der Antideutschen. Lasst uns unsere Wut weiterhin auf die Straßen tragen, gegen wahren Antisemitismus von rechten Kräften in Deutschland und den Genozid sowie die israelische Besatzung kämpfen.




Jugendtreffen in Berlin: Antirassismus braucht Bewegung!

Am Samstag, den 9. Januar werden sich insbesondere jugendliche AktivistInnen aus dem Bundesgebiet am Rande der Luxemburg-Liebknecht Konferenz in Berlin treffen. Zu dem Treffen, welches sich mit der Frage beschäftigt, wie wir eine bundesweite antirassistische Jugendbewegung aufbauen können, hatte das Berliner Bündnis „Refugee Schul-und Unistreik“ auf die Initiative von REVOLUTION hin eingeladen.

Auch wenn das Treffen kurzfristig einberufen ist, die Ereignisse allein der ersten Januarwoche zeigen, dass der Gang der Dinge heute schneller vonstatten geht: Der Vorfall von Köln und die skandalöse Reaktion der bürgerlichen Presse, der Regierungsparteien, sowie der AFD und der rassistischen Bewegung. Zahlreiche Messerattacken und Übergriffe auf MigrantInnen und Linke, wie das Linkspartei- und solid Mitglied Julian Kinzel. Das Kippen der öffentlichen Meinung in Teilen der Gesellschaft, wie ein Blick auf die sozialen Netzwerke zeigt.

Die Rassisten und Faschisten um PEGIDA, sowie Parteien von AFD, NPD und die RECHTE verfügen über eine bundesweite Bewegung, und sie sind sich ihrer selbst äußerst bewusst.

Die radikale Linke in der Bundesrepublik ist gefordert. Die Herausforderung besteht nicht nur in der Lösung strategischer Fragen, wie der antirassistische Kampf geführt werden kann. Unmittelbar ist es vor allem unerlässlich die lokale Isolation der antirassistischen Aktivitäten zu durchbrechen. Verbunden damit steht auch die Notwendigkeit die humanitäre und soziale Hilfe, die viele Linke und linke Organisationen aktuell leisten, mit einer politischen Bewegung Seite an Seite mit den Geflüchteten zu verbinden.

Doch das wird bekanntermaßen nicht ohne Konflikte, automatisch oder den Druck der radikalen Linken geschehen. Es bedeutet ebenfalls Position gegenüber Parteien wie der LINKEN, sowie der SPD und den Gewerkschaften zu beziehen. Es kann uns nicht gleichgültig sein, dass die Organisationen, die einen Großteil der politischen ArbeiterInnenklasse in Deutschland organisieren unter dem „Druck der Ereignisse“ weiter nach Rechts gehen, wie die Äußerungen von Heiko Maas, der die Abschiebung „krimineller Asylanten“ begrüßt oder Bernd Riexinger, der sich im Bezug auf Köln bedauernd über die Schuldenbremse äußert – nicht etwa weil weniger Geld für soziales und soziale Integration ausgegeben würde, sondern weil es 16´000 PolizistInnen weniger gibt, die für „Sicherheit sorgen“. Es muss uns darum gehen, diese Organisationen unter Druck zu setzen sich gegen die rassistische Bewegung aktiv zu betätigen, die linken oder kritischen Kräfte zu stärken. Machen wir uns keine Illusionen, nur dann ist in der aktuellen Situation auch eine Massenbewegung gegen die RassistInnen und FaschistInnen möglich.

Das ein wachsendes Bedürfnis unter radikalen und sozialistischen Jugendlichen besteht, gemeinsam zu handeln, zeigen die zahlreichen Zusagen zu dem Treffen. VertreterInnen von Organisationen und Bündnissen aus Berlin, Dresden, Hamburg, Köln, Essen, Frankfurt am Main und Magdeburg haben ihr Kommen angekündigt. Auch VertreterInnen von Organisationen wie REVOLUTION, der SDAJ, Rebell, der Linksjugend solid, als auch dem VVN-BDA werden an dem Treffen teilnehmen.

Dieses Treffen wird mit Sicherheit nur ein kleiner Schritt sein. Aber es könnte ein bedeutender werden, insofern sich die Anwesenden auf konkrete, gemeinsame Schritte für die kommenden Monate einigen könnten. Die Anzahl der Städte und Vertretenen Organisationen wäre ausreichend, um eine Strahlwirkung zu entfalten, weitere Kräfte zu gewinnen.

Wir von REVOLUTION wollen uns daher auf dem Treffen für die Gründung eines bundesweiten antirassistischen Jugendbündnisses aussprechen, das gemeinsam bundesweite Mobilisierungen vorantreibt. Das sich auf die Koordinierung unterschiedlicher antirassistischer Kampagnen an Schulen, Universitäten und in den Gewerkschaften einigt, als auch Druck macht, um zentrale Großproteste zu organisieren. Es gelten gleich zwei Herausforderungen, einerseits das Blockieren und Zurückdrängen rassistischer und faschistischer Mobilisierungen, andererseits – und davon gab es im vergangenen Jahr viel zu wenig – linke Großmobilisierungen gegen die bestehenden rassistischen Asylgesetze und die entwürdigende Behandlung der Geflüchteten.

Als einen konkreten Aktionstag schlagen wir daher einen Termin in der Schulwoche vom 18.-22. April vor, an dem wir gemeinsam einen bundesweiten Schulstreik, als auch Demonstrationen und Kundgebungen organisieren sollten. Ebenfalls sollte es bereits gemeinsame und vermehrte Absprachen und Aktionseinheiten aller beteiligten in den Monaten bis April geben.

Als politische Grundlage einer gemeinsamen Plattform wollen wir folgende Forderungen in die Diskussion am Wochenende bringen:

• Volle demokratische und politische Rechte, volle Staatsbürgerrechte für Alle.
• Nein zu Grenzkontrollen, Residenzpflicht Einreise- und Aufenthaltsbeschränkungen, volle Bewegungsfreiheit für alle Geflüchteten!
• Für das Recht auf Arbeit und die gewerkschaftliche Organisierung aller Geflüchteten, keine Kompromisse bei Mindestlohn und sozialer Sicherung! Für freie Bildung und die sofortige Abschaffung aller Extragebühren für Deutschkurse und Bildungsangebote für Geflüchtete!
• Nein zu dem menschenunwürdigen Lagersystem! Enteignung leerstehenden Wohnraums zur Unterbringung von Geflüchteten und den massiven öffentlichen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus statt Privatisierung!
• Sofortige Beendigung aller Kriegseinsätze in Mali, Syrien, Afghanistan, Irak, Kosovo, dem Mittelmeer und vor dem Horn von Afrika, Schluss mit den deutschen Rüstungsexporten und der deutschen Aufrüstung!
• Für das Recht auf Selbstverteidigung gegen Polizeigewalt, rassistische und faschistische Angriffe!

Jugendkonferenz gegen Rassismus | Berlin | Samstag | 09. Januar | Admiralstraße 17 | 14.00 bis 18.00 Uhr |

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, auch kurzfristig kann für Unterbringung gesorgt werden.

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