10 Forderungen für ein Aktionsprogramm gegen den Rechtsruck

von Flo Weitling und Lia Malinovski, November 2024

Die Ampel-Koalition ist zerbrochen, Donald Trump wieder zum US-Präsident gewählt, das 1,5 Grad Ziel überschritten, der Genozid in Palästina hält an und das Abschieberegime der EU und BRD schreitet voran: kurzum, die Situation ist scheiße. Wie wir am Erfolg der AfD beobachten können, profitieren davon Rechte und Konservative. Wir sind konfrontiert mit einem gesamtgesellschaftlichen, internationalen Rechtsruck.

Mit diesen 10 Forderungen wollen wir eine Auseinandersetzung darüber starten, wie das Aktionsprogramm einer Bewegung aussehen muss, die einen erfolgreichen Kampf gegen den Rechtsruck führt. Wir laden alle ein, gemeinsam in Diskussion zu treten und dem Aufbau einer solchen Bewegung näher zu kommen.

1. Holen wir uns unsere Zukunft zurück: Gegen Kürzungen und Sozialabbau!

In Deutschland ist das wirtschaftliche Wachstum nahe 0. Der Staat pumpt massig Geld in Unternehmen, um diese zu retten. Wenn das nicht reicht, antworten die Bosse mit Massenentlassungen wie bei VW, und Sparplänen im sozialen Bereich – besonders bei Schulen und Jugendzentren.

Das ist nicht erst seit gestern so. Seit 2008/2009 hat sich die Wirtschaft weltweit kaum erholt, und diese Krise hat den Rechtsruck angeheizt. Viele von uns haben Angst vor dem sozialen Abstieg. Hier setzt der Sozialchauvinismus von Regierung und Medien an. Uns soll weisgemacht werden, dass die Krise kein Resultat unseres Wirtschaftssystems sei, sondern die Konsequenz von arbeitsunwilligen Bürgergeldempfänger:innen. Derselben Logik folgen Rechtspopulist:innen, die „leichte“ Antworten auf die Misere geben: Ausländer:innen, Arbeitslose und Linke seien schuld.

Um eine erfolgreiche Bewegung aufzubauen, müssen wir auf die sozialen Probleme der Menschen eingehen und den Kampf gegen rechts mit dem Kampf gegen Sozialabbau, Massenentlassungen und Privatisierung führen, kurz gesagt: gegen die soziale Krise! Das bedeutet, keine Illusionen in Kompromisse zu haben, um „den Wirtschaftsstandort Deutschland“ zu fördern. Diese Art der Politik heißt Sozialpartner:innenschaft und hat die letzten Jahre große Proteste bei Kürzungen und Sparmaßnahmen verhindert.

Deshalb sagen wir:

  • Gegen jede Entlassung: Produktion umstellen für eine nachhaltige Verkehrswende und Arbeitsplätze erhalten – unter Kontrolle der Beschäftigten, Expert:innen und der Umweltbewegung! Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich statt Stellenabbau!
  • Schluss mit Armut: Weg mit Bürgergeld, Mindesteinkommen für alle, gekoppelt an die Inflation!
  • Schuldenbremse? Abschaffen! Wir zahlen eure Krise nicht: Massive Investitionen in die soziale Infrastruktur, unter Besteuerung der Reichen!

2. Massenhaft und militant: Gemeinsam gegen den Rechtsruck!

Wenn wir uns dem Rechtsruck erfolgreich entgegenstellen wollen, müssen wir eine andere Politik als die der letzten 10 Jahre fahren, denn die hat die AfD nicht aufgehalten. Das Bundesverfassungsgericht anzubetteln, die AfD zu verbieten, bringt nichts. Nicht nur, dass solche Verbote auch gegen linke Kräfte eingesetzt werden: Wir sind es, die was ändern müssen, nicht irgendwelche Verfassungsrichter:innen. Wenn wir erfolgreich gegen die AfD kämpfen wollen, müssen wir die Gründe beseitigen, aufgrund derer sie so stark geworden ist!

Vereinzelt werden wir nicht gegen eine rassistische Regierung, eine wachsende AfD und vermehrte Straßengewalt wehren können. Es wird nicht reichen, im Sumpf der “radikalen” Linken alle paar Wochen eine Antifa-Kundgebung oder Demo zu organisieren.

Es braucht Einheit unter den Organisationen der Arbeiter:innenklasse, seien es Parteien oder Gewerkschaften und Organisationen der Unterdrückten, ob migrantische Personen, queere Personen oder Frauen. Das nennen wir die Einheitsfront. Uns ist bewusst, dass z.B. Die Linke, die SPD und Migrantifa nicht die gleichen Ziele haben, aber alle müssen sich gegen den Rechtsruck wehren, denn sie sind direkt von dessen Auswirkungen betroffen. Wir dürfen nicht auf unseren Unterschieden verharren. Ein solches Bündnis ist vor allem ein Aktionsbündnis um konkrete Forderungen. Dabei ist zentral, dass man andere Partner:innen offen für ihre Positionen und ihr Verhalten kritisieren darf! Wir verstehen das Unbehagen, das viele spüren, mit Kräften zusammenzuarbeiten, die für ihr Elend mitverantwortlich sind, wie die SPD in der Regierung. Gleichzeitig zeigte die Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag in Essen, dass die Mobilisierung von Gewerkschaften und reformistischen Parteien die Massen auf die Straße bringen kann, die es braucht, um effektiven Widerstand zu leisten. Wir müssen diese Kräfte in Bewegung zwingen und den Kampf für soziale Forderungen offen mit antirassistischen Forderungen verbinden, um klar zu machen: Wir lassen uns nicht spalten, Rassismus nützt nur Reichen!

Dabei dürfen wir keine Kompromisse mit bürgerlichen Kräften eingehen. Lose Floskeln von Vielfalt, Toleranz und „Demokratie verteidigen“ bringen uns nicht weiter. Der Kampf gegen die AfD wird zum Scheitern verurteilt sein, wenn er sich nur gegen diese eine Partei richtet. Wir lehnen die „Einheit der Demokrat:innen“ ab, denn mit FDP und CDU gegen die AfD zu „kämpfen“ bedeutet, dass soziale Verbesserungen auf der Strecke bleiben.

3. Gegen jede Abschiebung: Staatsbürger:innenrechte für alle, dort wo sie leben!

Ohne Zweifel ist die Hetze gegen Migrant:innen und Geflüchtete der stärkste Ausdruck des Rechtsrucks. Die Diskriminierung gegenüber Menschen steigt, denen muslimischer Glaube zugeschrieben wird. Der 7. Oktober und die Attacke in Solingen werden genutzt, um den politischen Diskurs rassistisch zu vereinnahmen. Die Forderung, „kriminelle Ausländer:innen” abschieben, gehört mittlerweile zum guten Ton der Politik. Die Ampel setzt um, was die AfD fordert und errichtete letztes Jahr ein härteres Abschieberegime, sodass wir dieses Jahr 30% mehr Abschiebungen erleben mussten. Der Antisemitismus und die rassistische Hetze von aufschäumenden Rechten und Faschist:innen steigen an. Zugleich wird der Antisemitismus-Begriff verwässert, um diesen als politische Waffe gegen Palästina-Solidarität zu nutzen.

Das führt dazu, dass nicht die Unternehmer:innen und Politiker:innen als Verursacher:innen unserer Misere gesehen werden, sondern ein alternatives Feindbild in Gestalt von Geflüchteten und Migrant:innen erschaffen wird. Durch diese Spaltung und Verschleierung der Verhältnisse können sich die Arbeiter:innen nicht zusammentun, um sich gegen Massenentlassungen, niedrige Löhne, Krise und Co. zu verbünden, da sie zu beschäftigt sind, sich gegeneinander die Schuld für ihre Lage zuzuschieben.

Deswegen müssen wir dafür kämpfen, dass für alle Menschen, die hier leben oder hierherkommen, die Grundrechte gelten. Wir sagen: Kein Mensch ist illegal! Offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle!

4. Frauen- und Queerunterdrückung entgegentreten: Gleiche Rechte für alle!

Femizide nehmen zu, queere Personen werden auf offener Straße angegriffen und hunderte Faschist:innen mobilisieren gegen CSDs. Queere Personen sind ein Feindbild der „natürlichen Ordnung“ der bürgerlichen Kleinfamilie, welche die Rechten als Ideal hochhalten, womit sie die Frauenunterdrückung zementieren.

Gleichzeitig wird die rassistische Hetze von AfD und Co. als Einsatz für Frauenrechte dargestellt. Dabei interessiert sie sexistische Gewalt nur, wenn sie von Migrant:innen ausgeübt wird, wobei sie alle anderen Teile der Frauenunterdrückung leugnen und in ihrer Politik verschärfen. Weder gehen sie die Doppelbelastung durch Care-Arbeit an, noch den Gender Pay Gap. Dadurch werden Frauen brutaler von der Krise getroffen: Entweder werden sie in die Hausarbeit geschoben oder in prekäre Beschäftigungen. Ein Kampf gegen den Rechtsruck muss ein Kampf für gleiche Rechte und gleiche Bezahlung für alle sein!

5. Antidiskriminierungsstellen und Selbstschutz

Um uns vor Alltagsdiskriminierung und rechten Angriffen zu schützen, müssen wir dafür eintreten, Organe des Selbstschutz aufzubauen! Zu oft haben Staat und Polizei bewiesen, dass sie keine Angriffe der Rassist:innen, Sexist:innen und Queerfeind:innen verhindern werden: durch die Ermordung von Oury Jalloh, die Verdeckung der Taten des NSU oder das Niederschlagen von antifaschistischen Mobilisierungen.

Daher braucht es Strukturen für Betroffene von sozialer Unterdrückung, an den Orten, wo wir uns täglich aufhalten, den Schulen, Unis und Betrieben! Damit diese im Interesse der Unterdrückten handeln, müssen sie demokratisch gewählt und unabhängig von Staat, Schul- und Unileitung oder Bossen sein. Sie müssen praktische Organe sein, welche z.B. Lehrkräfte aus dem Unterricht schmeißen, Kommiliton:innen zur Aufarbeitung ihres Verhaltens zwingen oder Präventionsworkshops in Betrieben abhalten. So setzen wir der individuellen Demütigung einen kollektiven Kampf entgegen.

Darüber hinaus haben uns die Mobilisierungen gegen CSDs, die Angriffe auf Migrant:innen oder unsere Demos gezeigt, dass das nicht reicht. Wir müssen uns gegen die Gewalt der Rechten, die bald in neuen Baseballschlägerjahren münden könnte, gemeinsam wehren! Dafür braucht es Selbstverteidigungsstrukturen, die es unseren Geschwistern ermöglichen, nicht wehrlos solchen Angriffen ausgesetzt zu sein.

6. Unsere Schulen, Unis und Betriebe gehören uns!

Bei denen, die zurzeit das Sagen haben, wird das auf Widerstand stoßen. Um gegen rassistische Lehrinhalte anzukommen und gegen übergriffige Profs vorzugehen, müssen wir die Kontrolle über unsere Schulen, Unis und Betriebe erkämpfen!

Warum sollten wir nicht selbst bestimmen, was an den Orten passiert, an denen wir einen so großen Teil unseres Lebens verbringen? Warum sollten wir nicht entscheiden, wer zu Podiumsdiskussionen an unseren Schulen eingeladen wird, welche Vorträge an unseren Unis abgehalten werden und welche Rassist:innen sich von unserem Campus fernzuhalten haben? Warum sollten wir auf irgendwelche Manager:innen hören, wenn wir am besten wissen, was zu tun ist?

Um dahin zu kommen, müssen Aktionskomitees aufgebaut werden, welche sich vor Ort gegen Ungerechtigkeiten auflehnen und dafür streiten, dass wir selbst Entscheidungen treffen dürfen über die Probleme, die uns in unserem Alltag betreffen.

7. Klimaschutz auf dem Nacken der Reichen!

Da die Politik der Ampelregierung auf dem Rücken der Armen ausgetragen wird und keine effektiven Maßnahmen gegen die Klimakrise durchführt, befeuert sie den Rechtsruck und bringt uns keinen Schritt voran, unsere Umwelt zu retten. Letztlich ist sie nicht mehr als eine Interessenvertretung von RWE und Co. Gegenüber der Klimakrise, welche unsere Lebensgrundlage bedroht, antworten die Rechten mit Leugnung und Hetze gegen die Klimabewegung. Die zu Recht kritisierbaren Initiativen wie das Heizungsgesetz werden ausgenutzt, um jegliche Anstrengungen gegen die Katastrophe als Teufelswerk zu bezeichnen.

Unter einer AfD-geführten Regierung wird der Kampf für Klimagerechtigkeit noch schwieriger sein. Deshalb müssen die verbleibenden Kräfte der Klimabewegung sich dem Kampf gegen den Rechtsruck anschließen, um zu einer geeinten, starken Kraft zu werden. Somit muss ein Kampf gegen rechts einer für eine soziale Umweltpolitik sein, welche sich die notwendigen Mittel für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen von den Reichen holt und nicht weiter die Arbeiter:innen belastet. Wir müssen Forderungen gegen die Umweltkrise aufwerfen, das heißt: Verbesserungen statt Verbote! Wir wollen kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, finanziert durch die Besteuerung der Reichen!

8. Kein Cent, keinen Menschen dem Militär!

Das Fehlen von Geldern für Schulen und Rente erklären die Rechten durch die Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen. Tatsächlich wird dieses fehlende Budget in Aufrüstung und Militarisierung gesteckt: Wir erinnern uns alle an das Sondervermögen von 100 Milliarden.

Begleitet wird das dadurch, dass die Trommel des Nationalismus gerührt wird. Versteckt hinter Floskeln wie „Verteidigung der Demokratie“ wird auf die Vaterlandsverteidigung der deutschen Nation gesetzt, was den Rechten in die Hände spielt.

Dafür wird direkt bei der Jugend angesetzt: In Bayern werden vermehrt Jugendoffiziere an Schulen geschickt, um fürs Sterben zu werben. Unter dem Ziel, Deutschland kriegstüchtig zu machen, werden demnächst verpflichtende Fragebögen an 18-Jährige verschickt. Unter einer noch rechteren Regierung wird die Wehrpflicht nicht auf sich warten lassen. Wir sagen: Bundeswehr raus aus den Schulen! Schluss mit Waffenlieferungen nach Israel! 100 Milliarden für Bildung und Soziales!

9. Gegen die Einschränkung demokratischer Rechte!

Auch im Inland wird aufgerüstet. In den letzten Jahren wurden unsere demokratischen Rechte eingeschränkt, z.B. durch Demonstrationsverbote beim Antifa-Ost-Verfahren, die Auflösung des Palästina-Kongresses und die Einschränkung des Streikrechts beim Kitastreik in Berlin. Zur Durchsetzung dessen werden die Befugnisse und die Militarisierung der Polizei ausgeweitet.

Wir müssen uns gegen den Trend zum Autoritarismus und gegen die Angriffe auf unsere Freiheit wehren. Zudem müssen wir die Ausweitung demokratischer Rechte erkämpfen und für das volle Recht auf politischen Streik eintreten.

10. Für bundesweite Schul- und Unistreiks, begleitet von politischen Streiks!

Um diese Forderungen durchzusetzen, reicht es nicht, sie auf Banner zu schreiben, auf eine Demo zu gehen oder einen Parteitag zu blockieren. Zunächst müssen wir die Menschen dort erreichen, wo sie sich täglich aufhalten, beim Job, im Vorlesungssaal oder auf dem Schulhof. Wenn wir es schaffen, an diesen Orten Komitees aufzubauen, die unseren Widerstand koordinieren und eine Verankerung schaffen, können wir durch Streiks Druck aufbauen, stark genug, um unsere Ziele zu verwirklichen!

Wenn wir unsere Anstrengungen koordinieren, werden wir es schaffen Sozialkürzungen, Massenentlassungen und Abschiebungen zu verhindern, sowie Klimaschutz durchzusetzen. Dann haben wir die Kraft, um unsere Geschwister kollektiv vor Angriffen zu verteidigen und dem Rechtsruck den Gar aus zu machen. Darüber hinaus müssen wir gemeinsam international Widerstand organisieren, indem wir den Schulterschluss mit jenen finden, die an anderen Orten der Welt von den Auswirkungen des Rechtsrucks und der Krise getroffen werden.

Wenn ihr das auch so seht oder mit uns darüber diskutieren wollt, schreibt uns und lasst uns gemeinsam den Schritt angehen, eine Bewegung der Jugend und der Arbeiter:innen gegen Rechtsruck und Krise aufzubauen!




Rechtsruck aber niemand auf der Straße?

Von Stephie Murcatto, Oktober 2024

Die AFD befindet sich auf einem historischen Höhenflug. Mit ihrer rechten Rhetorik dominiert sie die deutsche Politik, alle anderen Parteien passen sich an, die CDU rückt mit Friedrich Merz als Kanzlerkandidat und dem neuen Grundsatzprogramm weiter nach rechts und SPD und Co. lassen sich auf eine Diskussion über massive Abschiebewellen ein und fördern diese auch als Teil der Bundesregierung. Bei den letzten Landtagswahlen hat die AFD historische Erfolge erzielt und die Niederlage der Regierungsparteien hat sich verfestigt. Während sich die SPD noch einigermaßen behaupten konnte, sind Grüne und FDP in die Bedeutungslosigkeit abgerutscht. Das Bündnis Sahra Wagenknecht, eine rechte Abspaltung der Linkspartei, lässt sich ähnlich wie Bundeskanzler Olaf Scholz auf eine rechte Abschiebedebatte ein und fördert diese aktiv.

Während vor einem halben Jahr noch Hunderttausende gegen die AFD auf die Straße gingen, sind die Straßen heute leer und still. Das meiste, was man sieht, sind die paar hundert üblichen Linken, die sich zu Antifa-Protesten auf der Straße versammeln. Größere Proteste und antirassistische Mobilisierungen gegen die rassistische Abschiebewelle der Bundesregierung hat es bisher nicht gegeben, ebenso wenig wie größere Mobilisierungen gegen die rassistische Rhetorik der AFD, die gerade mit Slogans wie „millionenfach abschieben“ ihren Wahlsieg in Brandenburg feiert. Die einzige größere Mobilisierung in den letzten Monaten, schaffte die #Widersetzen-Struktur, die vor allem durch die Mobilisierung innerhalb der Gewerkschaften einen großen Protest gegen den AfD-Parteitag in Essen organisierte. Die Jugend, die lange als linke Kraft in Erscheinung trat, orientiert sich zunehmend nach rechts und zur AFD. Rassistische Übergriffe auf migrantische Menschen häufen sich und werden in nächster Zeit wohl nicht weniger sondern eher mehr. Man fragt sich, wann wohl das nächste Hanau sein wird.

Aber warum ist niemand auf der Straße? Und warum gewinnt die AfD?

In Deutschland herrscht Krise. Die Reallöhne sinken immer weiter, große Unternehmen wie VW oder die Deutsche Bahn müssen massiv Arbeitsplätze abbauen. Die Inflation lässt die Preise steigen, und Sozialleistungen werden zunehmend gestrichen. Es wird massiv abgeschoben, demokratische Rechte wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit werden eingeschränkt. All dies geschieht im Kontext mit einer schwachen Linken, die nicht in der Lage ist, gesamtgesellschaftliche Alternativen zum derzeitigen Regierungskurs aufzuzeigen und für soziale Verbesserung und gegen Abschiebungen auf die Straße zu gehen. Dabei fällt immer wieder auf, dass auf aktuelle Probleme und Krisen die Linke keine konkreten Antworten und Lösungsansätze parat hat. Das spielt der AfD in die Hände. Die AfD schafft es, sich als oppositionelle Anti-Regierungspartei darzustellen, während sie in Wirklichkeit nur eine massive Verschärfung der aktuellen Politik der Regierung vertritt.

Die Kräfte, die noch Vertrauen innerhalb der Massen der Arbeiter:innenklasse genießen und eine Alternative zur AfD aufzeigen könnten, verraten ihre Basis. Reformistische Kräfte wie die SPD oder linksliberale Parteien wie die Grünen verfolgen eine Strategie des sogenannten „strategischen Wählens“. Ihr politischer Kampf beschränkt sich darauf, Menschen für Wahlen zu mobilisieren – oft nicht einmal mit ihrem eigenen Programm. So wird beispielsweise in bestimmten Bundesländern oder Regionen dazu aufgerufen, SPD oder gar CDU zu wählen, auch wenn man diese programmatisch gar nicht unterstützt, um der AfD „strategisch“ Wahlerfolge zu verwehren.

Das grundlegende Problem dieser Strategie liegt darin, dass sie auf der Logik des „kleineren Übels“ basiert: Die AfD ist schlimm, und die Ampel oder eine CDU-Regierung ist weniger schlimm – deshalb müsse man für diese stimmen, da es keine echte Alternative gebe. Doch diese Logik verkennt das eigentliche Problem: Es geht nicht darum, wie sich alles etwas langsamer verschlechtert, sondern wie es für die arbeitenden und unterdrückten Menschen tatsächlich besser werden kann. Auch die Beschränkung auf Wahlen als Strategie übersieht, dass Wahlen allein die AfD nicht aufhalten können und dass Wahlen an sich keine Verbesserungen bringen.

Wenn es dann größere Mobilisierungen von SPD, Grünen und Co. gibt, die richtig und wichtig sind, werden diese nach der gleichen Logik des kleineren Übels zur Unterstützung der aktuellen Regierungspolitik genutzt. Dazu wird eine „Brandmauer“ gegen die AfD zur Verteidigung „unserer“ Demokratie aufgebaut, unter der sich alle Demokrat:innen gegen die undemokratische AfD versammeln und gemeinsam mit einem klassenübergreifenden Programm protestieren sollen. Unter den Teppich gekehrt wird natürlich, dass SPD, Grüne und Co. selbst demokratische Rechte abbauen, Sozialleistungen kürzen und rassistische Abschiebepolitik ganz ohne die AFD durchsetzen. So wichtig es ist, dass SPD, Gewerkschaften und andere Organisationen der Arbeiter:innen, der Klasse und der Unterdrückten zu Protesten gegen die AfD aufrufen, so wichtig ist es auch, dass dies mit einem klassenunabhängigen Programm im Interesse der Arbeiter:innen und der Unterdrückten passiert.

Häufig wird im Zusammenhang mit dieser sogenannten Brandmauer ein Verbot der AfD gefordert. Dabei wird darauf vertraut, dass der bürgerliche Staat die Probleme für einen löst, anstatt die AfD gesellschaftlich zu bekämpfen, indem der Nährboden für rechte Ideologien ausgetrocknet wird. Aber bekanntlich trifft eine Ausweitung der repressiven Mittel letztlich immer die gesellschaftliche Linke, also würde ein AfD-Verbot am Ende auf uns zurückfallen. Dazu wird ein Verbot der AfD den gesellschaftlichen Rechtsruck nicht aufhalten und 30% der Wähler:innen werden nicht aufhören, rechts zu sein, wenn man ihre Partei verbietet. Die Politiker:innen und Unterstützer:innen der AfD werden sich einfach ein neues Zuhause in einer anderen Partei suchen oder so eine Partei gründen, dass diese nicht unmittelbar wieder verboten wird, und so sind wir wieder beim selben Problem, dass 30% der Wähler:innen sie unterstützen. Genau deshalb brauchen wir eine gesellschaftliche Bewegung gegen rechte Ideologie und für soziale Verbesserungen statt der Scheinlösung eines AfD-Verbots.

Aber was können wir tatsächlich tun?

Um wirklich gegen die AfD kämpfen zu können, müssen wir uns gemeinsam mit anderen Kräften unter klaren, gemeinsamen Forderungen zusammenschließen. Als kleine linke Gruppe können wir eigenhändig keine grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen herbeiführen. Wir müssen dazu aufrufen, gemeinsam mit den großen Kräften der Arbeiter:innenklasse – wie zum Beispiel der SPD, Linkspartei aber auch den Gewerkschaften und vor allem deren Jugendorganisationen – eine gemeinsame Einheitsfront zu bilden, um die AfD zu zerschlagen und gesellschaftliche Verbesserungen zu erreichen, damit wir der AfD ihre soziale Basis entziehen. Das bedeutet aber auch, dass wir deren Führungen unter Druck setzen müssen, gemeinsam mit uns und allen anderen fortschrittlichen Kräften der Arbeiter:innen und Unterdrückten unter klaren Forderungen gegen die AfD zu kämpfen – vorausgesetzt, sie sind wirklich die Antirassist:innen, als die sie sich darstellen, und wollen tatsächlich im Interesse der Arbeiter:innen und Unterdrückten handeln.

Dieser Kampf kann nicht nur über Wahlen geführt werden; er muss auf der Straße, durch Massenmobilisierungen und durch Streiks stattfinden – zum Beispiel, um die AfD dort aufzuhalten, wo sie an der Regierung ist, oder ihre Parteitage zu blockieren. Doch das Ziel darf nicht allein in diesen Kämpfen bestehen. Es geht darum, die Lage der Arbeiter:innen und der Jugend zu verbessern und gegen die Krise anzukämpfen. Dabei dürfen wir nicht davor zurückschrecken, die aktuelle Regierung klar zu kritisieren.

Wir müssen klare Forderungen aufstellen, unter denen wir gemeinsam im Interesse der Arbeiter:innen und Unterdrückten kämpfen können. Antirassistische Forderungen und Forderungen nach sozialen Verbesserungen sollten dabei im Vordergrund stehen. Besonders die Frage der Abschiebungen ist derzeit relevanter denn je. Unser praktischer Vorschlag für Forderungen ist dabei:

100 Milliarden für soziales und Bildung, besteuert durch die Reichen, sowie Stopp aller Entlassungen.

Keine Abschiebungen, weg mit den Asylgesetzverschärfungen. Für offene Grenzen und Staatbürger:innenrechte für alle.

Rechtsruck da bekämpfen, wo er auf kommt: Für Antirassistische Basisstrukturen in Schule, Uni und Betrieb sowie Selbstverteidigungsstrukturen

Vor Ort müssen wir Kämpfe führen und Komitees aufbauen, um gemeinsam für dieselben Forderungen zu kämpfen. Gerade diese Komitees können zur Basis für größere Streiks und eine breitere Bewegung gegen den Rechtsruck und den Rassismus werden. Wir müssen Antidiskriminierungsstellen vor Ort einrichten, denn wie wir täglich sehen, breitet sich der Rassismus in der Gesellschaft immer weiter aus.

Zudem müssen wir weiterhin für unsere demokratischen Rechte kämpfen, die zunehmend eingeschränkt werden – sei es das Recht auf freie Meinungsäußerung in Bezug auf den Genozid in Gaza oder das Versammlungs- und Streikrecht, das immer stärker beschnitten wird.

Genau solche Kämpfe müssen jedoch zusammengeführt werden. Deshalb schlagen wir vor, dass alle Menschen, die etwas gegen die AfD unternehmen wollen, zur Widersetzen-Strategiekonferenz vom 1. bis 3. November in Leipzig zu kommen, um sich dort praktisch zu vernetzen und erste Schritte zum Aufbau einer großen antirassistischen Bewegung zu setzen.




Zeit für was Neues? Zeit für eine kämpfende Jugend!

Offener Brief an „Zeit für was neues“/Ex-Grüne Jugend

Liebe Aktivist:innen von “Zeit für was Neues”,

als wir vor einigen Tagen von eurer Entscheidung nicht nur euer Amt als Vorstand der Grünen Jugend niederzulegen, sondern gleich die Grüne Partei zu verlassen hörten, war das sicher eine Überraschung. Doch definitiv ist es eine begrüßenswerte, welche wie wir denken einen richtigen Impuls setzt. Der Bruch mit dem Militarismus, der Abschiebepraxis, Sparpolitik und der Politik gegen den Klimaschutz der Grünen Partei, war ein längst notwendiger Schritt nach links!

Wir als kommunistische Jugendorganisation REVOLUTION, wollen deshalb mit diesem Schreiben euren wichtigen und richtigen Schritt diskutieren und für die Bündelung der Kampfkraft der Jugend appellieren!

Krise und Rechtsruck

Wie auch ihr in eurer Erklärung (1) darlegt, sehen wir ebenso, dass wir uns in einer Zeit der Krise befinden. Das sieht man z.B. an dem Aufstieg der AfD, welche wie ihr zutreffend darlegt von der Krise der Linken profitiert, da sie sich dadurch als radikale Opposition und Partei „des kleinen Mannes“ inszenieren kann. Aber auch dadurch, dass in der völligen Abwesenheit einer Taktik dagegen vorzugehen, alle anderen Akteure des Parteienspektrums sich von dieser hertreiben lassen und in den Chor von rassistischer Hetze und rechter Politik mit einstimmen. Wir können das aber auch an den Kriegen und Konflikten überall auf der Welt, sowie an der Aufrüstung auch hier in der BRD sehen. Genauso, wie bei den brutalen Angriffen auf die Jobs der Arbeiter:innen bei VW. Wir beobachten das an der weiteren Einschränkung demokratischer Rechte, ob beim Versammlungsrecht, Organisationsverboten, willkürlicher Polizeigewalt und vielem mehr. Unsere maroden Schulen, schließenden Jugendclubs und Spielplätze sprechen eine deutliche Sprache für die massiven sozialen Kürzungen, die die Ampel durchführt, um die Profite der Unternehmer:innen zu retten und die Bundeswehr „kriegstüchtig“ zu machen. Diese ganzen Probleme können aber nicht getrennt betrachtet werden. Denn sie sind Auswirkungen der tiefen Krise eines Systems, welches nie für uns gemacht war, weswegen diese auch gemeinsam bekämpft gehören. Die Notwendigkeit, Widerstand gegen die Politik der deutschen Regierung und ihren potentiellen Nachfolgern zu organisieren, ist dringlicher denn je!

Als Jugendlichen kommt uns dabei als eine der kämpferischsten Kräfte der Gesellschaft eine besondere Rolle zu, dadurch dass wir nicht so eingebunden in die lähmenden Prozesse dieser Gesellschaft und weniger gebrochen durch ausbleibende Erfolge der Bewegungen dagegen sind. Die Jugend birgt ein Potenzial in sich, eine Bewegung gegen Krise, Rechtsruck und Krieg mitanzuführen! Während uns die Zahlen der jugendlichen Wähler:innen der AfD bei den vergangenen Landtagswahlen schockiert haben, zeigt sich gleichzeitig, dass sich linke Jugendliche immer mehr nach Antworten im Kampf gegen den Rechtsruck und nach einer konkreten praktischen Perspektive sehnen. Dies wird auch daran deutlich, dass kommunistische Jugendorganisationen wie wir aktuell anwachsen, aber auch daran, dass sich Teile der Grünen Jugend oder auch der Jusos nach links bewegen und auch in Solid eine Polarisierung zwischen revolutionären und opportunistischen Flügeln abzeichnet. Unsere Aufgabe ist es nun gemeinsam Antworten auf diese Fragen zu formulieren. Lasst uns die progressiven Teile der Jugend zusammenzuführen und ihrem Rassismus und ihrer Krise unseren geeinten Widerstand entgegenstellen!

Doch wie geht’s weiter?

Angesichts des rasanten Aufstieges der Rechtspopulist:innen in Europa, angesichts der dramatischeren Folgen von Klimawandel und Umweltzerstörung, angesichts des fortschreitenden Sozialabbaus und der Aufrüstung nach Innen und nach Außen können wir uns als linke Jugendliche keine Lagerkämpfe und kein Sektierertum mehr leisten. Wir verstehen euren beachtlichen Schritt mit der Partei zu brechen, als eine Chance Bewegung in verhärtete Fronten zu bringen und die Kraft von uns Schüler:innen, Studies und Azubis gegen AfD, Abschiebungen, Umweltzerstörung, Sozialabbau, Krieg und Krise zu bündeln. Dabei müssen wir ein neues Verhältnis von Partei und Bewebung diskutieren und dürfen nicht die Fehler wiederholen, wie sie aktuell in der Linkspartei vorherrschen. Als linke Kraft reicht es nicht aus, sich an aktuelle Bewegungen hintenranzuhängen, sich solidarisch zu zeigen und Infrastruktur zu organisieren. Wenn es wie aktuell keine Massenbewegung gegen den Rechtsruck gibt, müssen wir uns auch selber trauen, diese zu initiieren und ihr mit eigenen konkreten Forderungen den Weg zu weisen.

Deswegen rufen wir euch dazu auf, eure Neuorientierung nicht hinter verschlossenen Türen zu führen. Wir denken, um aus eurer Abspaltung, einen Moment zu schaffen, das orientierungslosen Jugendlichen die Hand reicht und bei dem sich die linke Jugend umgruppiert und eine stärkere vereinte Kraft geschaffen wird, braucht es eine gemeinsame Debatte, wie wir dabei vorgehen wollen!

Ein Kongress, der alle linken Jugendliche dazu aufruft, zusammenzukommen um gemeinsam darüber zu diskutieren, wie wir uns gegen die Krise und die Angriffe der Herrschenden verteidgen und unsere Interessen als Jugend erkämpfen können, wäre ein erster wichtiger Schritt dahin. Dabei sollten wir über gemeinsame Forderungen abstimmmen und konkrete Schritte im Kampf dafür vereinbaren. Ziel könnte also ein Aktionsprogramm der vereinten Jugend sein, das Antworten auf die drängensten Fragen der Zeit sowie eine konkrete Kampfperspektive, bei der jede:r sich anschließen kann, formuliert.

Dadurch können wir eine Basis schaffen, mit der wir große Teile der Jugend für einen gemeinsamen Kampf gegen Rechtsruck, Krieg, Umweltzerstörung und Krise organisieren. Auf Grundlage dessen wäre es für uns möglich in den Schulen, Unis und Betrieben die Jugend zu mobilisieren! So können wir es schaffen, eine breite Bewegung aufzubauen. Ein wichtiges Etappenziel sollte dabei ein flächendeckender Schul- und Unistreik zur Bundestagswahl 2025 sein, der sich auf Aktionskomitees in unseren Schulen und Unis stützt. Wir wollen nicht mehr passiv zuschauen, wie die blaue Säule in den Wahlauswertungssendungen immer weiter steigt und steigt. Es wird Zeit für eine eigene progressive Stimme der Jugend, die sich nicht als falsch verstandene „Einheit der Demokrat:innen“ der rassistischen Politik von Ampel, CDU oder BSW unterordnet, sondern eine unabhängige Perspektive linker Selbstorganisation bietet. Wir fordern:

1. Hundert Milliarden für unsere Schulen, Unis Jugendclubs und Krankenhäuser statt Aufrüstung – finanziert durch die Besteuerung der Reichen!

2. Gegen alle Abschiebung aus Schule, Uni und Betrieb! Außerdem gleiche Rechte und Bildung für alle!

3. Kein Raum der AfD auf Podiumsdiskussionen in unseren Schulen und Unis – Wer ein oder ausgeladen wird, entscheiden wir!

Gemeinsam können wir es schaffen zu einer Kraft werden, die sich nicht nur gegen Krise und Angriffe verteidigt, sondern auch in die Offensive übergehen kann und uns eine Welt frei von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpft!

Und jetzt direkt?

Auch wenn wir denken, dass diese Schritte notwendig sind, heißt das nicht, dass wir erst dort anfangen können. Deswegen rufen wir euch auf, am 1.-3. November nach Leipzig zu fahren und bei der Widersetzen-Konferenz euch gemeinsam mit uns für Schulstreiks einzusetzen, um auch dort Schritte hin zu einer starken Jugendbewegung zu gehen!

Wir laden jeden von euch ein, mit uns in Diskussion darüber zu treten, wie wir weiter agieren können!

mit solidarischen Grüßen

REVOLUTION

(1) https://zeitfuerwasneues2024.de/




Sexualkunde und Rechtsruck: Wie hängt das zusammen?

Von Erik Likedeeler, April 2024, REVOLUTION Zeitung 2/2024

Vor Kurzem haben wir an der Christian-Morgenstern-Schule in Hamburg eine Kampagne gestartet, um dafür zu kämpfen, dass dort ein richtiger Sexualkundeunterricht eingeführt wird – denn das ist an Waldorfschulen nicht immer gegeben.

Zusammen mit der queeren Schulgruppe der CMS haben wir ein Banner auf dem Schulhof aufgehängt, mit Plakaten auf das Thema aufmerksam gemacht und auf den Toiletten Boxen aufgestellt, damit die Schüler:innen ihre eigenen Wünsche an den Unterricht auf Zettel schreiben und hineinwerfen können.

Mit dem aktuellen Rechtsruck steht die Qualität der Bildung und Aufklärung über Liebe, Beziehungen und Sexualität wieder einmal auf der Kippe, auch an den staatlichen Schulen. Aber warum ist das eigentlich so?

Welches Bild von Sexualität und Familie vertreten Rechte?

Das Bild, das Rechte von Familie und Sexualität vertreten, ist überschaubar: Sex soll am besten zwischen weißen, heterosexuellen Menschen stattfinden, die entweder verheiratet sind oder in einer ehe-ähnlichen, monoamoren (max. 2 Personen lieben sich gegenseitig) Beziehung leben. Dabei soll der Mann eine aktive Rolle ausüben und die Frau sich passiv seinen Wünschen unterordnen. Ein Recht darauf, Nein zu sagen, soll es für sie nicht geben.

Zweck ist es, die bürgerliche Kleinfamilie aufrecht zu erhalten. Das heißt: Männer arbeiten Vollzeit, während Frauen zuhause bleiben und sich um den Haushalt und die Kinder kümmern.

Sexualpraktiken, die nicht unmittelbar der Fortpflanzung dienen, werden beschämt und tabuisiert. Wenn Rechte Verhütung als Luxus bezeichnen, Abtreibungen verbieten und Konsens für Quatsch erklären, dann dient auch das diesem Idealbild.

Rechte beziehen sich auf die Vorstellung eines „Volkes“ in einem Nationalstaat, dessen Interessen es zu vertreten gälte. Auch wenn sie das nicht so offen sagen, stehen sie mit dieser Ideologie im Dienst des Kapitalismus.

Denn sowohl der Nationalstaat als auch die vergeschlechtlichte Arbeitsteilung ist für dessen Profitmaximierung notwendig. Deshalb kommt es in Zeiten von Krisen, z.B. Corona, Krieg oder Finanzkrise, immer wieder zum Erstarken rechter Kräfte, bzw. zum Rechtsruck in bürgerlichen Parteien.

Natürlich sind Rechte nicht damit einverstanden, dass sich auch all die Menschen fortpflanzen dürfen, die nicht in das Idealbild der bürgerlichen Familie passen. Queere Eltern oder Alleinerziehende soll es in ihren Augen gar nicht geben, denn die würden die angeblich „natürliche“ Rollenaufteilung infrage stellen.

Auch behinderten Menschen wird es abgesprochen, Kinder bekommen zu dürfen, da Rechte sie als Belastung für ihr „Volk“ einstufen und sie als Sündenbock nutzen, wenn das profitorientierte Gesundheitssystem an seine Grenzen kommt. Deshalb werden zahlreiche behinderte Menschen gegen ihren Willen sterilisiert.

Warum Kinder und Jugendliche Aufklärung brauchen

Rechte tun häufig so, als wären Kinder und Jugendliche reine, unschuldige Wesen, die vor der „woken“ Ideologie geschützt werden müssten. Damit meinen sie im Grunde alles, was die Diversität der Gesellschaft auf positive Weise widerspiegelt, wie zum Beispiel das Behandeln von LGBTIA+ im Unterricht. Anstatt uns über unsere eigene Sexualität bestimmten zu lassen, reden sie von „Grooming“. Mit dieser Begründung wurden in US-amerikanischen Schulen zahlreiche Bücher mit vermeintlich „frühsexualisierenden“ Inhalten verboten.

Doch die Realität sieht anders aus: Eine Menge Jugendliche haben gern Sex und probieren sexuelle Handlungen aus, völlig egal, ob sie in der Schule darüber aufgeklärt wurden oder nicht. Sex ist für viele Jugendliche ein wichtiger Teil des Lebens und ihnen Informationen darüber vorzuenthalten oder Abstinenz zu fordern, ändert daran nichts.

Das würde höchstens dafür sorgen, dass Grenzüberschreitungen begünstigt werden, weil das Konsensverständnis fehlt, oder dass es zu mehr ungewollten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Infektionen wie HPV kommt, weil die Verhütung weggelassen wird.

Außerdem ist es eine bittere Tatsache, dass auch Kinder und Jugendliche von sexualisierter Gewalt betroffen sind, sowohl durch Gleichaltrige als auch durch Erwachsene. Wenn wir die gesellschaftlichen Tabus nicht abbauen, dann werden Betroffene nicht in der Lage sein, Körperteile und Handlungen konkret und ohne Scham zu benennen. Und wie sollen sie dann jemals in der Lage sein, sich zu wehren oder um Hilfe zu bitten?

Wir sind außerdem dagegen, Kinder mit Lügen vom Storch abzuspeisen, nur, weil Lehrpersonen und Erziehungsberechtigte sich damit schwertun, Fortpflanzung kindgerecht zu erklären. Solche Märchen dienen nicht dem Kindeswohl, sondern nur dem Schamgefühl der Erwachsenen. Kinder für blöd zu verkaufen hält sie innerhalb der bürgerlichen Kleinfamilie in einer unmündigen und abhängigen Rolle gefangen.

Was muss passieren?

Um zu verhindern, dass Kinder und Jugendliche unzuverlässige Informationen von Freund:innen oder aus dem Internet beziehen müssen, muss Sexualkunde ein verpflichtender Bestandteil des Unterrichts sein, an jeder einzelnen Schule!

Deshalb fordern wir einen zeitgemäßen Sexualkundeunterricht, der alles abdeckt, was Jugendliche wirklich interessiert. Dazu gehört z.B. die korrekte Darstellung der Anatomie, denn in zahlreichen Lehrbüchern ist immer noch nicht die Klitoris korrekt abgedruckt. Nur, wenn Jugendliche ihren eigenen Körper kennenlernen dürfen, können sie sich selbst und ihre Bedürfnisse verstehen und darüber tabulos kommunizieren. Aber auch verschiedene sexuelle Praktiken und entsprechende Verhütungsmethoden müssen Teil des Lehrplans sein, vor allem abseits von Heterosexualität wird momentan viel zu wenig aufgeklärt. Schüler:innen und Lehrer:innen sollten gemeinsam entscheiden dürfen, welche Themen sie im Unterricht behandeln wollen.

Letztlich muss nicht nur der Sexualkundeunterricht von Schüler:innen mitgestaltet werden, sondern es braucht eine umfassende Bildungswende, damit auch in den anderen Unterrichtsfächern keine rechten Geschlechterrollen mehr vermittelt werden.




Die Jugend nicht den Rechten überlassen!

von Jona Everdeen, September 2024

Innerhalb diesen Jahres kam es zu einer massiven Zunahme rechter Gewalt. Die Anreise zu einer Antifademo wurde am Ostkreuz, mitten im hippen Berlin-Friedrichshain, von Faschisten angegriffen, mehrere Antifas verletzt. Gegen die CSDs in Bautzen und Leipzig kam es zu Gegenprotesten durch Rechtsradikale, wobei diese in Bautzen in einem großen Mob durch die Stadt zogen. Auffällig bei den rechten Banden: Sehr viele der Angreifer:innen sind keine alten Nazikader, sondern Jugendliche. Doch warum folgen immer mehr Jugendliche rechter Agitation? Und was können wir gegen den Rechtsruck in der Jugend tun?

Die Rechte Szene formiert sich neu

Das traditionelle Bild des Neonazis mit der Bomberjacke und den Springerstiefeln gehört nun bereits seit längerer Zeit der Vergangenheit an. Teilweise durch linke Gegenprotesten, aber auch aufgrund innerer Zersplitterung und Perspektivlosigkeit, brach in den späten 00er und frühen 90er Jahren der Großteil der alten Rechten Szene und ihrer Subkultur zusammen, blieben lediglich einzelne Splitter davon sowie eine große Menge an alternden politisch inaktiven Faschos zurück. Die NPD erfuhr dann mit dem Aufstieg der AfD, die den Großteil ihres Wähler:innenpotentials verschlang, ihren (vermeintlichen?) Todesstoß.

Doch die darauffolgende relative Ruhe sollte nicht lange wehren. Mit dem 3.Weg wurde bereits 2014 eine neue Organisation gegründet, der es gelang, aus Teilen der NPD und der alten Kameradschaftsszene eine schlagkräftige faschistische Kraft auf die Beine zu stellen, die sich ideologisch auf ein strasseristisches Programm stützt. Mehr dazu in unserem Artikel „Der 3.Weg – Faschos und wie man sie bekämpfen muss“. Deutlich jünger als die faschistische Kleinstpartei selber ist jedoch ihre Jugendorganisation, die Nationalrevolutionäre Jugend (NRJ). Diese bildet inzwischen den dynamischsten Teil der Organisation und vor allem ihren militanten Kern. Die NRJ ist in Berlin für mehrere Angriffe und Einschüchterungen gegen Linke Aktivist:innen und Projekte verantwortlich, unter anderem wohl auch hauptsächlich für den Angriff auf die Antifas am Ostkreuz. Während es jedoch um die NRJ, zumindest in Berlin, nach einer staatlichen Razzia bei ihren Kadern etwas ruhiger geworden zu sein scheint, blieb die Ruhepause für Antifaschist:innen aus. Bereits kurz danach, beim Berliner CSD, trat eine andere Rechte Jugendorganisation auf den Plan: „Deutsche Jugend Voran“ (DJV).

Zusammen mit „Jung und Stark“ (JS) ist die DJV eine Art Vorfeldorganisation der Jungen Nationalisten (JN), der Jugendorganisation der eigentlich totgeglaubten NPD/Die Heimat. Vor allem auf sozialen Medien wie Instagram versuchen diese beiden (pseudo-)Strukturen zum Sammelbecken für sich nach rechts orientierende Jugendliche zu werden. Und zwar bislang mit Erfolg. Während die Mobilisierung gegen den Berliner CSD eher lächerlich wirkte und die 25 Jungfaschos außer einer Polizeikontrolle nicht viel zu sehen bekamen, sah es in Bautzen ganz anders aus: Dort gelang es einer von DJV und JS angeführten Nazimeute den CSD erheblich zu stören und zu bedrohen, auch weil die Sächsische Polizei damit kein Problem zu haben schien. Wie groß das Personenpotential von DJV und JS Stand jetzt ist, ist schwer zu sagen. Allerdings gibt es inzwischen in mehreren, vor allem ostdeutschen Städten Ortsgruppen und es ist davon auszugehen, dass dieses Phänomen nicht einfach wieder verschwinden wird. Auch muss beobachtet werden, inwiefern diese neuen rechten Jugendkräfte mit der NRJ zusammenarbeiten werden. Zumindest in Berlin haben sie wohl bereits gemeinsame Aktionen durchgeführt wie eben den Angriff am Ostkreuz. Allerdings ist das Verhältnis zwischen JN und NRJ wohl auch, zumindest wenn man den sozialen Medien von Mitgliedern dieser Organisation glauben schenkt, stark von Konkurrenz geprägt. Erwähnung finden muss außerdem noch die Anfang des Jahres gegründete „Elblandrevolte“ aus dem Raum Dresden. Diese kann de facto als Dresdener Ortsgruppe der JN betrachtet werden, vefügt aber, wohl auch aufgrund der scheinbaren organisatorischen Unabhängigkeit, über ein sehr großes Kontaktumfeld über die Strukturen der NPD/Heimat Jugendorganisation hinaus, und tritt sehr militant auf.

Hinzu kommt auch noch die JA, die Jugendorganisation der AfD, deren Mitglieder ebenfalls bei der Anti-CSD Mobilisierung in Bautzen anwesend waren, die allerdings nicht im selben Maße wie die offen faschistischen Organisationen in Erscheinung tritt sondern eher im rechten Wahlkampf und in sozialen Medien agiert. Doch die wichtigste Frage für uns: Wie gelingt es diesen Kräften überhaupt Jugendliche für faschistische Ideologie und Praxis zu mobilisieren?

Was zieht Jugendliche so an?

Die verstärkte Mobilisierung Jugendlicher durch rechte bis faschistische Kräfte, reiht sich ein in den gesellschaftlichen Rechtsruck, der im Zuge der schwelenden Krise massiv an Fahrt aufgenommen hat. Da das kapitalistische System nicht mehr in der Lage ist, seine Widersprüche selber zu lösen, und durch die Führungskrise der Arbeiter:innenbewegung und Linken eine schlagkräftige Bewegung fehlt, die eine reale Alternative zum System aufzeigen und erkämpfen könnte, gelingt es zunehmend rechtspopulistischen und teils faschistischen Kräften ihre nationalistischen, rassistischen und sexistischen Ideologien als „Lösung“ zu präsentieren. Die reale Unzufriedenheit über die heuchlerische und in erster Linie neoliberale Politik von Kräften wie den Grünen oder den Demokraten in den USA versuchen sie zu einem Kampf gegen „die Woken“ zu formen, die sie jedoch nicht deswegen angreifen, weil sie letztendlich den Interessen des Kapitals dienen, sondern wegen ihrer queerfreundlichen, antirassistischen und ökologischen Fassade.

Diese Ideologie wirkt zunehmend auch anziehend auf Jugendliche, insbesondere in ökonomisch abgehängten, eher ländlich geprägten Regionen. Diese Jugendlichen leiden besonders stark unter der Krise, haben entweder gar keine Perspektive oder nur die, ihr ganzes Leben für einen miesen Lohn harte Knochenarbeit verrichten zu müssen. Kein Wunder, dass das unzufrieden macht. Anders als in größeren Städten gibt es jedoch in Cottbus, Stralsund oder Bautzen kaum bis keine linken Strukturen, die eine Perspektive für diese Jugendlichen bieten könnten. Die vorhandenen reformistischen Strukturen wie SPD oder Linkspartei haben sich bereits durch ihre reformistische und fadenscheinige Politik bereits diskreditiert. Dadurch werden diese Jugendlichen häufig empfänglich für die Ideologie die Rechten. Diese verweist auf Rückbesinnung zu den traditionellen Werten wie Heimat und Familie, welche Stabilität geboten hätten, die durch die moderne „woke“ Ideologie zerstört worden sei. Damit wird die Unzufriedenheit umgelenkt, indem man ein rosiges „Früher“ zeichnet und die Sehnsucht danach dann in Traditionalismus und Nationalismus münzt.

Und auch das Auftreten der Rechten bis Faschisten wirkt ansprechend auf viele, vor allem männliche, abgehängte Jugendliche. So wird mit sportlicher Aktivität, vor allem Kampfsport oder Wandern, eine Möglichkeit geboten, in Kontakt mit anderen zu treten und der Anonymität und Vereinsamung zu entkommen. Durch das Suggerieren, man sei etwas Besonderes, weil man Deutsche:r sei und für „sein Vaterland einsteht“, wird Jugendlichen eine Identität gegeben, an der sie sich in der Krise festhalten können. Und durch die Ideologie des Kampfes gegen „die Woken“ und „die Ausländer“ wird ein Feindbild geschaffen, auf das die Enttäuschung und Wut über die eigene Perspektivlosigkeit gelenkt werden kann.

Rechte und Soziale Medien

Ein weiterer Faktor, der beim Rechtsruck unter Jugendlichen nicht vernachlässigt werden darf, ist die Rolle von Social Media. Insbesondere auf TikTok sind rechte Kräfte die politisch dominantesten. So hat die AfD eine höhere Präsenz auf TikTok als alle anderen Parteien zusammen. Eine gute Möglichkeit, sehr junge Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Gerade auch in ländlichen Regionen, wo Social Media häufig die einzige Quelle für Politisierung darstellt.

Auch noch rechtere Kräfte, wie eben DJV und JS, mobilisieren ihre Unterstützer:innen zu großen Teilen über soziale Medien und verbreiten dort ihre rechte Hetze.

Um dagegen anzukämpfen ist es nötig, dass auch wir die Medien, auf denen wir selber uns privat sowieso viel herumtreiben, für politische Propaganda nutzen! Dass wir unsere Inhalte und unsere Mobilisierungen auf Insta, TikTok und Co. verbreiten, um Jugendlichen eine reale und solidarische Perspektive aus der Misere aufzuzeigen!

Es brauchte eine Perspektive von Links!

Die Unzufriedenheit vieler Jugendlicher, die sich die Rechten zu Nutze machen, ist, anders als das „Bündnis der Demokrat:innen“ es gerne verkündet, absolut berechtigt! Insbesondere in ökonomisch abgehängten Regionen vor allem Ostdeutschlands, wo es für uns kaum Möglichkeiten gibt, weder beruflich noch freizeittechnisch. Und darum reicht es eben nicht aus, bloß auf „Moral“ zu verweisen, welcher von vielen Jugendlichen völlig zurecht als Teil des Problems wahrgenommen wird. Stattdessen müssen wir Jugendlichen aufzeigen, dass das System selber das Problem ist und nicht ihre migrantischen oder queeren Mitschüler:innen oder Ausbildungskolleg:innen! Und dass die Rechten mit ihrer Hetze in Wahrheit im Interesse des Systems handeln, das sie verbal angreifen und beschimpfen. Nämlich indem sie die Unterdrückten auf Basis rassistischer oder sexistischer Kategorien spalten und durch Nationalismus gegeneinander aufhetzen.

Wir müssen stattdessen eine Perspektive aufzeigen, wie wir das Problem an der Wurzel packen. Wie wir auf den Rechtsruck mit einer Gegenoffensive von links antworten. Nämlich in dem wir uns an den Orten organisieren, an denen wir uns sowieso, gezwungen vom System, tagtäglich aufhalten müssen: In der Schule, an der Uni und im (Ausbildungs-)Betrieb! Dort müssen wir Strukturen schaffen, die unsere Wut in Widerstand umwandeln und dem System den Kampf ansagen! Dabei die Faschos aus der Schule werfen und antifaschistischen Widerstand leisten gegen den Rechtsruck unter Schüler:innen und Lehrer:innen! Wir müssen aufzeigen, dass eine bessere Zukunft für uns alle möglich ist und wir dafür kämpfen müssen! Mit Streiks an Schule, Uni und Betrieb – Gegen das kapitalistische System und seine Verwalter:innen, ganz gleich ob grün, schwarz, blau oder braun!




Nach Solingen: Rassismus entgegentreten!

Von Yorick F., September 2024

Am Freitag, den 23. August wurde um 21:37 das „Volksfest der Vielfalt“ in Solingen angegriffen. Drei Personen starben bei dem Angriff mit einem Messer und acht weitere wurden verletzt, vier davon schwer. Alle Verletzten sind jetzt glücklicherweise außer Lebensgefahr. Am Tag darauf stellte sich ein Tatverdächtiger der Polizei selbst.

Wir verurteilen das tragische Attentat zutiefst und unser Mitgefühl gilt den Opfern und deren Angehörigen. Doch müssen wir vor allem über das Nachspiel der Tat sprechen. Namentlich die bereits weitestgehend angetretene Kampagne zur innenpolitischen Verschärfung, weiteren Aufrüstung und die rassistische mediale sowie politische Reaktion.

Reaktion der Herrschenden

Das Ganze wird vor allem damit begründet, dass der aktuelle Tatverdächtige nach dem „Dubliner Übereinkommen“ eigentlich bereits nach Bulgarien abgeschoben hätte werden sollen, da er dort das erste Mal EU-Boden betrat. Damit soll suggeriert werden, dass Straßengewalt ein „importiertes“ Problem sei, welches durch Abschiebungen und die Streichung aller Sozialleistungen irgendwie überwunden werden würde. Doch das ist empirisch schlicht falsch, drohende Abschiebungen und gestrichene Sozialleistungen sind beides Maßnahmen welche sogar einen gegenteiligen Effekt haben, da sie Menschen in psychische Ausnahmesituationen bringen. Gleichzeitig gab es in den Tagen nach dem Attentat mehrere Messerangriffe von deutschen Täter:Innen, die jedoch zu keinem medialen Aufschrei geführt haben. Doch das wissen die, die entscheiden ganz genau, denn ihnen geht es nicht drum irgendwen vor Gewalt zu schützen. Es geht ihnen darum, ihr imperialistisches Projekt nach außen und nach innen abzusichern. Dazu dient diese Spaltung der Arbeiter:Innenklasse, wonach der Verlust des Jobs oder die scheiß Arbeitsbedingungen eben nicht die Schuld von dem Boss, sondern von den Geflüchteten sein sollen. Das führt dazu, dass man sich nicht zusammentut um sich gegen Politiker:innen und Bosse zu vereinigen. Auf der anderen Seite dient es auch dazu, außenpolitische Gräueltaten wie die Unterstützung des Genozids in Gaza zu rechtfertigen. Antimuslimischer Rassismus stellt sicher, dass durch Waffenproduktionen die Profite der deutschen Kapitalist:Innen gesichert sind.

Das Ausmaß der Reaktion auf Solingen zeigt sich auch nochmal wenn die Grünen von einer „Zeitenwende im Inneren“ sprechen. Ein klarer Bezug zu Olaf Scholz ausgerufener „Zeitenwende“ der Außenpolitik nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Die Konsequenz war 2022 das Sondervermögen von 100 Milliarden für die Bundeswehr. Die kommenden innenpolitischen Maßnahmen sind dementsprechend als eine Aufrüstung des Inneren zu verstehen.

Die Radikale Rechte

Hier wird deutlich, dass der Rechtsruck eben nicht seinen Ursprung in der AfD und ihrem Erstarken hat. Vielmehr ist er unter anderem ein Resultat der Interessen des deutschen Imperialismus, welcher sich beim Kampf um die Neuaufteilung der Welt behaupten will und somit selbst nach Rechts rückt, was die AfD natürlich dankend als Wasser auf ihren Mühlen annimmt. Diese greift nämlich, wie eigentlich die gesamte Extreme Rechte, die imperialistische Ideologie, insbesondere den vorherrschenden antimuslimischen Rassismus und die Militarisierung auf und radikalisiert diese. Dass sie dabei auch Teile der Arbeiter:Innen mitreißt, liegt an der frappierenden Schwäche der Linken, eine praktische Antwort auf die vielfältige Krise des Kapitalismus anzubieten, woraus sich eine tiefe und seit Jahrzehnten anhaltende Führungskrise der Arbeiter:Innenklasse ergibt.

Bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen hat sich gezeigt, dass Solingen ein weiteres Erstarken der AfD begünstigt hat, was für Linke und Migrant:Innen sowie andere Unterdrückte eine deutliche Gefahr darstellen dürfte- wenn auch unter anderen bürgerlichen Parteien wie den Grünen oder der CDU, die Sicherheit von Unterdrückten nicht wirklich mehr gegeben ist. Gleichzeitig blieb, wie zunächst befürchtet, eine breite militante rechte Mobilisierung, anknüpfend an die Aufmärsche rund um die CSDs in u.a. Bautzen und Magdeburg, zunächst aus. Das bedeutet aber nicht, dass rassistische Ausschreitungen, wie vergangenen Monat in England gesehen, zukünftig vom Tisch wären. Es bleibt zu erwarten, dass evtl. auch weiterhin Solingen bei Gelegenheit einen Mobilisierungspunkt der Rassist:Innen darstellen wird.

Wie dagegen ankämpfen?

Uns muss klar sein, dass der Kampf gegen Straßengewalt und religiösen Fundamentalismus vor allem einer für soziale und demokratische Rechte ist. Geflüchtete, die traumatisiert von Krieg und Verfolgung nach Europa fliehen, werden hier der permanenten Bedrohung durch Abschiebung ausgesetzt, in Massenunterkünften auf engstem Raum mit anderen Traumatisierten zusammengepfercht. Auch migrantisierte deutsche Staatsbürger:Innen, welche muslimisch gelesen werden, stellt man angesichts des Genozids in Gaza unter Generalverdacht und sie werden gedrängt, sich zur deutschen Staatsräson zu bekennen. In diesen Kanon reiht sich die aktuelle Debatte ein. Sie behaupten, dass v.a. Muslim:Innen oder jene, die sie als Muslim:Innen wahrnehmen, fremd in „unserer“ Kultur seien, sie müssen angeblich mit harter Hand zwangsintegriert oder abgeschoben werden.

Die rassistische Spaltung nimmt hierzulande eine Qualität an, der sich Gewerkschaften und die Arbeiter:Innenbewegung nicht verschließen dürfen. Sie fürchten sich jedoch davor, den Kampf gegen den aufkommenden Rassismus in den eigenen Reihen zu führen. Die neue Qualität droht, zur Normalisierung von Hetzjagden zu verkommen. Was wir brauchen, sind Kampagnen gegen antimuslimischen Rassismus an Schule, Uni und im Betrieb, die sich für offene Grenzen und volle Staatsbürger:Innenrechte für alle hier Lebenden einsetzen und der bürgerlichen Abschottungspolitik den proletarischen Internationalismus entgegenstellt. Wenn der rechte Mob vor Geflüchtetenunterkünfte mobilisiert, dann braucht es massenhaft organisierten Selbstschutz, demokratisch aufgebaut durch alle Organisationen der Arbeiter:Innen und Unterdrückten. So kann die Arbeiter:Innenbewegung die gezielte Isolierung von Geflüchteten durchbrechen und der rechten Gefahr etwas entgegenstellen!

Doch letztendlich braucht es Organisierung in Schule, Uni und Betrieb um gegen das Aufschäumen der Rechten und des Rassismus anzukämpfen. Dieser Kampf muss ein gemeinsamer für soziale Verbesserung sein, um den Rechten den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Denn sozialer Abstieg oder zumindest die Angst davor, führt in Zeiten der Krise dazu, dass bei den Rechten nach Antworten gesucht wird, wenn wir es nicht schaffen eine echte Alternative zu ihrem System der Ausbeutung und Unterdrückung aufzubauen. Lasst uns daher diesen Kampf gemeinsam führen und an den Orten wo wir täglich sein müssen aktiv werden!

Wir fordern:

  • AfD zerschlagen: Für eine Einheitsfront aus Schulstreiks, Massenaktionen und politischen Streiks gegen AfD, Abschiebungen und Sparpakete!
  • Schluss mit überfüllten Sammelunterkünften und sozialer Isolation! Volle demokratische Teilhabe und Staatsbürger:Innenrechte für alle!
  • Hunderte Milliarden für unsere Schulen, Jugendclubs, Wohnungen und Krankenhäuser statt Aufrüstung und finanziert durch die Besteuerung der Reichen!
  • Keine Abschiebung aus unseren Schulen – Rassismus und Staatsräson raus aus unseren Klassenzimmern!
  • Für demokratische und rechenschaftspflichtige Selbstverteidiungkomitees der Arbeiter:Innen und Unterdrückten! Von Jusos bis Migrantifa, alle rein da – nur mit der größtmöglichen Einheit können diese unsere Geschwister effektiv vor den Angriffen der Rechten schützen!




4 Wege, wie die AfD uns die Schulen zur Hölle machen will

von J.J. Wendehals, September 2024

Angepasst, arbeitsam und deutsch: So stellt sich die AfD die perfekten Schüler:innen vor. Daher sollen die Schulen in ihren Träumen auch so umgebaut werden, dass jegliche Freiheit und Solidarität einem Ende gesetzt wird. Damit Ihr für die nächste Debatte mit Lehrkräften und Schüler:innen ein paar Argumentationshilfen habt, haben wir uns durch das Wahlprogramm der AfD und ein paar ihrer Reden gequält und vier zentrale Aspekte der AfD-Bildungspolitik zusammengetragen.

1. Segregation statt gemeinsamen Lernens

Die AfD erkennt an, dass es im deutschen Bildungssystem Probleme gibt (auch wenn sie immer so eine befremdliche Betonung auf das Wort „deutsch“ legen). Allerdings machen sie dafür nicht deren tatsächliche Ursachen wie z.B. den Mangel an staatlichen Investitionen verantwortlich, sondern „Kinder von Ausländern“, die angeblich den deutschen Kindern die Bildung klauen würden. Aus dieser rassistischen Verdrehung von Tatsachen leiten sie die Forderung ab, uns in „deutsche“ und „nicht-deutsche“ Schüler:innen aufzuteilen und getrennt zu unterrichten. In Wirklichkeit existiert ja jetzt schon viel zu viel Segregation in der Schule sichtbar anhand der „Willkommens“klassen. Doch allein die AfD will dies auf die Spitze treiben und phantasiert von einer Höchstquote von 10% migrantischen Schüler:innen pro Klasse. Letztendlich soll dies auf verschärfte Benachteiligung hinauslaufen, indem die wenigen Ressourcen ungerechter verteilt werden. Dabei ist (zugeschriebene) Migrationsgeschichte nicht das einzige Kriterium, anhand dessen wir weiter gespalten werden sollen: Auch Schüler:innen mit Behinderung will die AfD noch weiter aus dem regulären Schulunterricht herausdrängen und in „Förder“schulen mit prekären Berufsaussichten abstellen. Was wir ja eigentlich bräuchten, wäre wirkliche Inklusion: Dass wir gemeinsam unterrichtet werden und voneinander lernen können. Die existierenden Ansätze von Antidiskriminierungsstrukturen müssen weiter aufgebaut und unter Selbstverwaltung gebracht werden. Und Schüler:innen, die z.B. sprachliche, therapeutische oder sonstige Begleitung benötigen, müssen diese kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Das dafür notwendige Geld will die AfD jedoch lieber den Bossen und dem Grenzschutz geben.

2. Selektion, Leistungsterror und Vernachlässigung

In dem Albtraum von Schulsystem der AfD profitieren aber nicht einmal diejenigen Schüler:innen, die deren völkisch-rassistischen Idealen von „gesund“ und „deutsch“ entsprechen. Stattdessen unterliegen diese einem erbarmungslosen Selektionsdruck. Die AfD verehrt das mehrgliedrige Schulsystem und dazu ist ihr der hohe Anteil an Schüler:innen, denen nach der Schule der Weg zu einem Studium offen steht, ein Dorn im Auge. Wenn es nach ihr ginge, bliebe der Besuch des Gymnasiums einer elitären Minderheit vorbehalten, während der Großteil nur zu einer verkürzten Schullaufbahn an der Realschule zugelassen wäre, in der zudem noch ein Teil des Unterrichts in den wissenschaftlichen Fächern durch verpflichtenden Unterricht in Handarbeiten wie Holz- und Metallbearbeitung, Elektrotechnik oder Haushaltslehre ersetzt werden soll. Welches von diesen Fächern dann für Mädchen gedacht sein soll, ist bei einer so sexistischen Partei wie der AfD nicht schwer zu erraten. Um die Selektion zu vereinfachen und Schulleistungen quantifizierbarer und vergleichbarer zu machen, soll das Notensystem ausgebaut werden und verpflichtend ab der zweiten Klasse gelten. Generell soll der Leistungsdruck weiter erhöht werden. Dahinter steht die Ansicht, dass z.B. die schlechten Ergebnisse der deutschen Schüler:innen bei der Pisa-Studie einfach durch unsere Faulheit und mangelnde Disziplin zu erklären sei. Als Rechtfertigung leugnet die AfD auch den Zusammenhang von Bildungschancen und dem sozialen Hintergrund. Stattdessen hegt sie abstruse Vorstellungen von angeblichen genetischen Ursachen für unterschiedliche Leistungen bei Schüler:innen. In Wahrheit ist das biologistischer Unsinn! Ob deine Eltern viel Geld, Zeit oder selbst eine akademische Ausbildung haben, spielt die eigentliche Rolle, nicht Gene oder so etwas. Aus diesem Grund sind wir für ein eingliedriges Schulsystem, gleiche Bildung für alle und die Abschaffung des Notensystems!

3. Mehr Jugendunterdrückung im Unterricht

Um ihre übertriebenen Leistungsansprüche durchsetzen, will die AfD die Macht und Autorität der Lehrkräfte gegenüber den Schüler:innen ausbauen. Sie hat (unseres Wissens nach) bisher noch nicht öffentlich die Wiedereinführung der Prügelstrafe gefordert, „in die Ecke stellen“ soll aber schon mal in den Maßnahmenkatalog aufgenommen werden. Zudem sollen ab der zweiten Klasse Kopfnoten für „Ordnungssinn“, „Pünktlichkeit“ und „Sorgfaltsliebe“ wieder eingeführt werden. Darüber hinaus sollen die eh schon lächerlich geringen Einflussmöglichkeiten der Schüler:innenvertretungen weiter beschnitten werden. Bitte lasst uns mit euren komischen, preußischen Fascho-Tugenden in Ruhe, nicht unsere mangelnde Disziplin ist das Problem, sondern dieses System! Wir leben und lernen, wie wir wollen!

4. Reaktionäre Wende in den Unterrichtsinhalten

In den Lehrplänen will die AfD die wenigen mühsam erkämpften Fortschritte alle zunichte machen. Im Geschichtsunterricht soll „ein positiver Bezug zur deutschen Geschichte“ hergestellt werden, d.h. die deutschen Kolonialverbrechen, die Kriegstreiberei und der monarchistische Despotismus des Kaiserreichs sollen verherrlicht werden, der Holocaust und die Barbarei des Faschismus unter den Teppich gekehrt. Sexualkunde in der Grundschule soll abgeschafft werden zur Verhinderung einer vermeintlichen „Frühsexualisierung“ und sich später darauf konzentrieren, dass den „deutschen“ Schüler:innen in der Hauptsache eingetrichtert wird, möglichst viele Kinder zu bekommen, damit ein angeblicher „Volkstod“ aufgehalten werde. Es soll verboten werden zu gendern und queere Identitäten sollen unsichtbar gemacht werden. Nicht zuletzt würde wohl auch der menschengemachte Klimawandel aus einem Lehrplan der AfD vollends verschwinden. Dies alles ist genau das Gegenteil der Veränderungen, die wir in den Lehrplänen bräuchten. Der Klimawandel müsste als eine der größten Bedrohungen für die Existenz der Menschheit ausreichend Raum bekommen, dass seine Ursachen und Lösungsansätze diskutiert werden können. Sexualität und geschlechtliche Identität abseits von hetero und cis sollte im Unterricht gleichberechtigte Gültigkeit haben. Statt darauf zu drängen, möglichst viele Kinder zu bekommen, sollte möglichst früh das Prinzip von sexuellem Konsens vermittelt werden. Und im Geschichtsunterricht schließlich muss die deutsche und europäische Kolonialgeschichte einen viel größeren Raum bekommen. Insgesamt sollten die Lehrpläne durch demokratische Strukturen unter Einbeziehung von uns Schüler:innen gestaltet werden statt von einem potentiell AfD-geführten Bildungsministerium.

Wie kommt die AfD auf ihre Forderungen?

Wenn wieder weniger Schüler:innen aufs Gymnasium und später an die Uni gehen, wenn große Teile unser Schüler:innenschaft an schlecht finanzierte Förderschulen oder „Ausländerschulen“ verdrängt werden soll, oder – wie es die AfD mit unseren ukrainischen Mitschüler:innen vorhat – ihnen der deutsche Präsenzunterricht gänzlich versagt bleiben und durch Online-Unterricht nach Lehrplan des Herkunftslandes ersetzt werden soll, dann bedeutet dies alles einen Abbau des gesamten Bildungssystems. Wenn ein Großteil von uns vermehrt in Handarbeitsfächern ausgebildet werden soll, dann heißt das auch, dass wir früher in die Produktion und damit Ausbeutung eingezogen werden sollen, insbesondere in mittelständischen, handwerklichen Unternehmen. Und wenn durch erhöhten Leistungsdruck und verschärfte Autoritäten unser Drang zur Freiheit und einer selbstbestimmten Jugend gewaltsam unterdrückt werden soll, dann bedeutet das erstens mehr „Lernleistung“ in weniger Zeit und zweitens, dass unsere Disziplin und Bereitschaft zur Unterordnung im späteren Arbeitsleben erhöht werden soll. Wir sehen hier, dass sich hinter einer mit falscher Nostalgie verklärten „Rückbesinnung auf Traditionen und bewährte Mittel“ nackte Kapitalinteressen verbergen. Hinzu kommt, dass durch unsere Spaltung in „deutsch“ und „nicht-deutsch“, in queer und nicht-queer, Mädchen und Jungen, in „leistungsstark und -schwach“ oder in behindert und nicht behindert unsere Widerstandskraft gegen die sozialen Angriffe geschwächt und unsere Klassensolidarität gebrochen werden soll.

Und wie können wir uns dagegen wehren?

Mittlerweile sollte rüberkommen, dass eigentlich niemand von uns Schüler:innen ein Interesse an den Plänen der Rechten hat. Wie wir aber bei jeder Wahl deutlicher sehen, müssen wir es selbst in die Hand nehmen, diese düstere Zukunft zu verhindern. Auf die Ampel-Regierung oder sonstige Parteien können wir uns dabei nicht verlassen, sie setzen mehr und mehr selbst schon die politischen Ziele der Rechten um. Stattdessen sollten wir uns als Schüler:innen unabhängig organisieren, um den Kampf für unsere Rechte aufzunehmen. Und wir haben dabei keine Zeit zu verlieren. Ein erster Schritt wäre es, mit einem politischen Programm gegen Rassismus und den Rechtsruck bei den Schulsprecher:innenwahlen zu intervenieren. Dies dient auch als Möglichkeit, um erstmal interessierte und aktionsbereite Leute an einer Schule zu sammeln. Danach sollten wir auch auf größere Protestbewegungen wie z.B. #Widersetzen zugehen und unsere Perspektive als Jugendliche und Schüler:innen hineintragen. Letztendlich müssen wir, um wirklich Druck aufzubauen, in der Zukunft einen Schulstreik organisieren. Im besten Fall gemeinsam mit solidarischen Arbeiter:innen und Kräften wie #Widersetzen. Wenn du uns dabei unterstützen willst, sprich uns an!




Nach den Landtagswahlen: Widerstand gegen Rechts aufbauen – in 3 Schritten!

Von Flo Weitling, September 2024

1. Auf Demos gehen!

Überall werden gerade Demonstrationen und Kundgebung gegen das Erstarken der Rechten in den Landtagswahlen angekündigt. Um die Wut über die rassistische Kampange die AfD, CDU und Co. vor den Wahlen gefahren haben und jetzt in der Regierung weiterführen werden Ausdruck zu verschaffen, ist es verständlich und absolut richtig auf die Straße zu gehen!

Durch das basteln von Schildern, malen von Bannern und lautstarkem Schreien von Parolen können wir so nicht nur der Welt zeigen, was wir von diesen Scheiß Ergebnissen halten sondern auch Leute treffen die ebenfalls unzufrieden sind mit dem Erstarken der Rechten und der Situation überhaupt.

2. Organisier‘ dich da wo du eh sein musst

Doch nur auf Demos gehen wird leider nicht reichen um effektiv was gegen die Rechten zu erkämpfen. Denn um die Menschen zu er-reichen, die nicht eh schon mit dir auf der Straße stehen, ist es wichtig nicht nur energisch mit deinen Freund:innen und deiner Familie zu diskutieren sondern am besten gleich dich da mit deinen Mitmenschen zu organisieren wo du dich tagtäglich aufhälst: also in Schule, Uni oder Betrieb! Denn in der Schule z.B. bist du schon direkt zusammen mit den Leuten die auch vom Rechtsruck und der Krise betroffen sind und das praktische ist: da sein müsst ihr so oder so.

Hier könnt ihr euch dann zusammentun um gegen Ungerechtigkeiten vor Ort anzukämpfen, sei es ein rassistischer Lehrer, eine Podiumsdiskussion mit der AfD oder das ihr verhindert das eine Mitschülerin abgeschoben wird. Darüber hinaus könnt ihr Aufklärungskampangen gegen Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit starten und das am besten damit verbinden dass ihr selbst mehr in eurem Alltag mitentscheiden könnt. Anstatt immer nur zu gehorchen was irgendwelche Menschen euch befehlen egal ob das Lehrer:in, Schulleitung, Professor:in oder Firmenchef ist. Mehr dazu, wie man sich an der Schule organisieren kann findet ihr in unserer Broschüre unter onesolutionrevolution.de/schularbeitsbroschure

3. Organiser‘ dich revolutionär!

Zuletzt brauch es um den Kampf gegen Unterdrückung, Ausbeutung, Regierung und die Rechten effektiv führen zu können aber noch mehr als nur die Schulgruppe. Denn die Rechtsbewegung in der Gesellschaft und die zuspitzende globale Krise lässt sich nicht lokal besiegen. Das Problem dahinter heißt Kapitalismus! Dieser ist international organisiert und muss daher auch international bekämpft und überwunden werden, um dem Elend ein Ende zu setzen. Doch um dass zu erreichen brauch es ein Programm, was den Weg hin zur Revolution zeichnet und eine Organisation die diesen Kampf gegen Staat und Kapital führt! Denn alleine wirst du die Übermacht von Unternehmen, Banken und Staat nicht besiegen können!

Wir als Jugendorganisation haben den Anspruch für so eine Revolution zu kämpfen die letztendlich mit all dem Scheiß von der AfD bis zu Lohnarbeit und Rassismus aufräumt. Dafür haben wir ein Programm geschrieben um einen Vorschlag zu schaffen wie der Weg dahin aussehen kann. Das kannst du auf unser Website lesen unter onesolutionrevolution.de/programm oder dir auch ein Aus-gedrucktes auf unseren Treffen holen! Falls du mit dem übereinstimmst und gegen die Rechten, Staat und Kapital aktiv werden willst, dann organisier dich bei uns und lass uns gemeinsam dafür kämpfen das Ausbeutung und Unterdrückung ein für alle Mal überwunden wird!

Schreib uns einfach und komm auf unsere Treffen oder mit uns auf Demos um ins Gespräch zu kommen! Zurzeit gibt es uns in Hamburg, München, Berlin, Stuttgart, Lüneburg, Hannover, Leipzig, Dortmund und Dresden! Wenn wir bei dir noch nicht vor Ort sind dann kannst du trotzdem bei uns Mitglied werden und wir unterstützen dich mit dem Aufbau vor Ort!




Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen: Rechtsruck geht weiter

von Valentin Lambert/Susanne Kühn, zuerst veröffentlicht in der Infomail 1263 der Gruppe Arbeiter:innenmacht, 1. September 2024

Schon nach den ersten Prognosen lässt sich ein erstes Fazit aus den Wahlen in Sachsen und Thüringen ziehen. Verwunderlich sind die Ergebnisse nicht. In Thüringen fällt das Ergebnis nach ersten Hochrechnungen (dimap, 19.59) folgendermaßen aus: AfD: 32,4 % (+9,0), CDU 23,8 % (+2,1), BSW 15,6 % (+15,6), DIE LINKE 12,9 % (-18,1), SPD 6,2 % (-2,0), Grüne 3,5 % (-1,7), FDP 1,2 % (-3,8). Für Sachsen stellt sich die Prognose wie folgt dar: CDU: 31,8 % (-0,3 %), AfD: 30,7 % (+3,2 %), BSW 12 % (+12), SPD 7,6 % (-0,1), Grüne 5,2 % (-3,4), DIE LINKE 4,1 % (-6,3), die FPD liegt bei 1,1%.

Drei Wahlsieger:innen

In beiden Ländern gibt es drei Wahlsieger:innen. Erstens natürlich die AfD, die in Thüringen zur stärksten Partei wurde und in Sachsen den zweiten Platz belegt. In beiden Ländern konnte sie vor allem bisherige Nichtwähler:innen mobilisieren. Rassismus und Rechtspopulismus schrecken offenkundig niemanden ab, im Gegenteil: Sie sind längst salonfähig in beiden Bundesländern.

Zweitens konnte sich die CDU in beiden Ländern behaupten, in Thüringen sogar leicht hinzugewinnen. Voraussichtlich kann sie in beiden zukünftig die Landesregierung anführen und weiter Fahrtwind für die Bundestagswahlen aufnehmen. Einziger Wehrmutstropfen: Sie wird zumindest in Thüringen nicht um eine Beteiligung des BSW herumkommen, in Sachsen könnte es eventuell zu einer Fortführung der CDU-SPD-Grünen-Koalition reichen.

Drittens das BSW, das in beiden Ländern gute Chancen hat, als Koalitionspartner der Konservativen in die Regierung einzutreten. An der politischen Bereitschaft von Wagenknecht und Co. fehlt es nicht, wie erste Interviews am Wahlabend zeigen.

Die Verliererinnen

Ebenso klar sind die Verliererinnen auszumachen. Die SPD blieb wie schon 2019 in beiden Ländern unter der 10-Prozent-Marke. Die Grünen schafften in Sachsen gerade so den Einzug in den Landtag, in Thüringen werden sie im zukünftigen Landesparlament nicht mehr vertreten sein. Das wohl einzig erfreuliche Ergebnis aus linker Sicht war bei diesen Wahlen das vernichtende Abschneiden der FDP, die gerade noch mehr als ein Prozent erreichte.

Doch auch DIE LINKE erlitt das erwartete Desaster. In beiden Ländern verlor sie in absoluten Zahlen mehr als die Hälfte ihrer Wähler:innen und rund zwei Drittel ihres Wähler:innenanteils.

Was bedeutet das Ergebnis?

Über die beiden Bundesländer hinaus kommt dem Ergebnis auch eine große bundespolitische Bedeutung zu.

1. Rechtsruck und Referendum für Rassismus

Die Ergebnisse verfestigen nicht nur den bundesweiten Rechtsruck der letzten Jahre. Nach den Morden von Solingen durchzog eine regelrechte rassistische Hysterie und Hetze das Land, das sich in weiteren Einschränkungen des Asylrechte, Verschärfungen von Grenzkontrollen und Erleichterungen von Abschiebungen manifestiert. Das Ergebnis von Thüringen und Sachsen stellt auch eine Art rassistisches Plebiszit dar, bei dem ausschließlich Parteien, die die Ampelkoalition bei den Themen Migration und Flucht von rechts angreifen, gewinnen konnten. Die Verluste der Regierungsparteien SPD, Grüne und FDP, die in den letzten Jahren immer wieder die rassistischen Forderungen der Rechten aufgegriffen haben, verdeutlichen dabei, dass diese Anpassung an AfD und CDU (und neuerdings auch BSW) nichts bringt. Rassistische Wähler:innen wählen dann allemal lieber das rechte oder konservative Original als die grün-liberal-sozialdemokratische Kopie.

2. Abstrafen der Bundesregierung

Doch die Verluste der Regierungsparteien haben noch einen weiteren Grund: die Regierungspolitik selbst. Schon im Wahlkampf wichen die landespolitischen Inhalte immer mehr den Debatten um die bundespolitischen Versäumnisse der Ampelregierung. Dabei profitiert von der Dauerkrise, den weltweiten Konfliktherden und den sozialen Angriffen auf die Arbeiter:innenklasse vor allem die AfD, die sich gerade im Osten als pseudoradikale, völkische und extrem chauvinistische Pseudoopposition inszeniert.

3. Die Lage in den ostdeutschen Ländern

Die Verluste für die Regierungsparteien kommen dabei sicher nicht unverdient. Auch in den Landesregierungen haben sie den miserablen Status quo verteidigt und sind beim Verfall ganzer Regionen untätig geblieben. Regieren tun sie als „Verwalterinnen“ des weitgehend deindustrialisierten Ostens, dessen Bevölkerung weiter abwandert. Bis heute gibt es hier längere Arbeitszeiten bei geringeren Gehältern und Renten als im Westen. Gerade die ländlichen Regionen leiden nicht nur unter Abwanderung, sondern sind auch in der Entwicklung der Infrastruktur abgehängt. Die selektiven Ansiedlungen von industrieller Produktion und Logistik stellen eher kommerzielle Inseln in einer benachteiligen Region dar und keine „blühenden Landschaften“.

Gerade in den ostdeutschen Parlamenten wird die weitere „Zersplitterung“ des aktuellen Parteiensystems besonders deutlich. Die SPD, aber auch die DIE LINKE büßen ihre Massenbasis ein oder haben das längst getan. Auch die CDU ist von diesem Prozess erfasst, auch wenn sie sich bei den Wahlen vordergründig als „Volkspartei“ behaupten konnte.

Es ist kein Zufall, dass dieser Prozess gerade im Osten stärker ausgeprägt ist, weil es dort eine schwächere Kapitalist:innenklasse gibt und die kleinbürgerlichen und Mittelschichten ein weniger stabiles Milieu darstellen, das weniger Vertrauen in „ihren“ Staat und „ihre“ Parteien entwickeln konnte als im Westen. Daher verfängt der Rechtspopulismus der AfD hier umso mehr. Er nährt sich zusätzlich aus der Enttäuschung und Frustration von politisch rückständigeren Arbeiter:innenschichten über die Politik von SPD und Linkspartei, für die die Grünen weniger als Alternative erscheinen als im Westen.

Die instabilere Wähler:innenbasis der „etablierten“ Parteien kommt in der aktuellen Lage nicht nur der AfD, sondern auch dem „linkskonservativen“ BSW zugute. Die AfD hat dabei zweifellos eine stabile soziale Basis gefestigt. Beim BSW wird sich in den nächsten Jahren zeigen, ob seine Erfolge von Dauer sind oder sich angesichts einer wahrscheinlichen Regierungsbeteiligung als Juniorpartner der CDU als politisches Strohfeuer entpuppen.

DIE LINKE – ein Debakel

Die Linkspartei zieht mit massiven Verlusten in den Erfurter Landtag ein. In Sachsen bleibt sie deutlich unter der 5 %-Hürde, auch wenn sie wahrscheinlich durch zwei Direktmandate in Leipzig dennoch in den Landtag einziehen kann.

Dieses Wahldebakel der LINKEN offenbart auch die Schwäche der linken Kräfte insgesamt mehr als deutlich. Auf viele Fragen wie Klimawandel, Aufrüstung, Sozialabbau, Pflegenotstand, Bildungsmisere und Perspektivlosigkeit findet sie keine überzeugende Antwort und stellt für die Massen keine radikale Alternative oder gar Opposition zum Kapital dar, auch wenn ihre Wähler:innenschaft sowohl in Sachsen wie Thüringen die politisch bewusstesten Schichten der Arbeiter:innenklasse und der Jugend darstellt, die sich subjektiv ernsthaft dem Rechtruck entgegenstellen will.

Kampf gegen rechts heißt Klassenkampf

Egal wie die Regierungsbildung in Thüringen und Sachsen ausgehen wird, so werden wir in beiden Ländern in den nächsten Jahren mit einem weiteren Rechtsruck inklusive offenem Rassismus auf den Straßen und Angriffen auf Migrant:innen, aber auch Antirassist:innen und Antifaschist:innen ausgesetzt sein.

Wer dagegen wirklich etwas bewegen will, muss bereit sein, für ernsthafte Veränderungen zu kämpfen – auch gegen Regierung und Kapital. Wer von der Brandmauer spricht, darf also zur Ursache des Rechtsrucks nicht schweigen und muss einen klaren Klassenstandpunkt vertreten.

Um das aktuelle Kräfteverhältnis tatsächlich zu ändern, müssten aktive Mitglieder dieser Organisationen aufgerufen und unterstützt werden, Versammlungen und Infoveranstaltungen zur Mobilisierung in ihren Betrieben, an Schulen und Universitäten zu organisieren und aktiv die Debatte um Rassismus und die ökonomische Krise, die diesen befeuert, zu führen. Demos – wie die Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag – können dabei als Aufhängerinnen genutzt werden. Ziel muss es aber sein, in derem Zuge Aktionskomitees aufzubauen.

Um sich positiv abzugrenzen, bedarf es klarer Forderungen. Auch wenn es die ökonomische Krise ist, die den Rechten Aufwind verleiht, so sollte man nicht glauben, dass es ausreicht, sich auf Verbesserungen auf dieser Ebene zu beschränken. Mögliche Forderungen können sein:

  • Nein zu allen rassistischen Gesetzen! Stopp aller Abschiebungen! Offene Grenzen und volle Staatsbürger:innenrechte für alle, die hier leben!
  • Gemeinsamer Kampf gegen die gesellschaftlichen Wurzeln von Faschismus und Rassismus! Gemeinsamer Kampf gegen Inflation, Niedriglohn, Armut und Wohnungsnot!
  • Mindestlohn von 15 Euro/Stunde, Mindestrente und Arbeitslosengeld von 1.600 Euro/Monat für alle!
  • Hunderte Milliarden für Bildung, Umwelt, Renten und Gesundheit statt Aufrüstung – finanziert durch die Besteuerung der Reichen!

Darüber hinaus ist es Aufgabe von Revolutionär:innen, dafür zu kämpfen, dass die Forderung nach demokratisch organisiertem Selbstschutz gegen rassistische Angriffe auf die Tagesordnung gesetzt wird. Die mittlerweile regelmäßigen Anschläge auf Politiker:innen bei Wahlkämpfen zeigen, dass das keine tollkühne Fantasie ist, sondern bittere Notwendigkeit, wenn man – insbesondere auf dem Land und im Osten der Republik – linke Politik auch tatsächlich auf die Straße tragen will.

Perspektive

Diese Forderungen müssen nicht nur aufgestellt werden, man muss auch für diese aktiv kämpfen. Doch derzeit sind die Gewerkschaften eher Teil des Problems. Ihre Führungen sind personell eng mit SPD und Linkspartei verwoben und decken zum Selbsterhalt ihres bürokratischen Apparats wie eh und je deren Politik. Damit muss Schluss sein! Wenn wir den Kampf gegen rechts gewinnen wollen, müssen wir dafür eintreten, dass diese sich nicht länger an der sozialpartnerschaftlichen Verwaltung der Krise mitbeteiligen! Sie müssen stattdessen für echte Verbesserungen kämpfen, gegen Sparpolitik und Sozialabbau und diesen Kampf aktiv mit jenem gegen Rassismus verbinden.

Das bedeutet auch, dafür einzustehen, dass Geflüchtete in die Gewerkschaften integriert werden, und sich offen gegen alle Abschiebungen und Abkommen, die die Festung Europa aufrechterhalten, auszusprechen oder nicht davor zurückzuscheuen, Enteignung unter Kontrolle der Beschäftigten als Perspektive auf die Tagesordnung zu setzen, wenn einem/r entgegnet wird, dass leider kein Geld da ist für Sozialausgaben. Doch sowas fällt nicht einfach so vom Himmel, es muss praktisch erkämpft werden. Wir treten daher für den Aufbau einer klassenkämpferischen, revolutionären Organisation ein.

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Überwachungsstaat BRD

von Flo Weitling, August 2024

Zwischen Schlagstock, Handschellen und Bußgeld

Blutig geschlagene Kinder auf Berliner Straßen, Hausdurchsuchungen, verbotene Demonstrationen und Kongresse. All das gehört zur Realität eines immer autoritäreren deutschen Staates. Wir sehen schon seit einiger Zeit einen Anstieg von Repression des deutschen Staates. Dabei findet die Zunahme nicht nur durch die Härte der Schläge seiner Prügelknaben statt, sondern auch in Form von juristischer Repression. Das zeigt sich z.B. wenn du 900€ blechen musst, weil du „From the River to the Sea“ auf einer Demonstration rufst (1). Doch auch das Verbot von Organisationen wie der „Palästina Solidarität Duisburg“ (2) und der durch Einreise- und politische Betätigungsverbote verhinderte Palästina-Kongress (3) sind Ausdrücke der immer weiter voranschreitenden Einschränkung demokratischer Rechte in Deutschland wie beispielsweise der Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit, was auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem jährlichen Bericht feststellte. Sie spricht von übermäßiger Polizeigewalt und Einschränkung friedlicher Proteste. (4) Das trifft dabei nicht nur fortschrittliche Kräfte, sondern auch teilweise Reaktionäre, wie beim versuchten Verbot des Compact-Magazins oder der Beschlagnahmung der Imam-Ali-Moschee in Hamburg. (5)

Doch das ist Repressionskönigin Faeser und ihrem Innenministerium noch nicht genug: In den letzten Wochen haben sie nun zwei neue Regelungen vorgestellt, um ihren Apparaten noch mehr Werkzeuge in die Hand zu legen.

Legal einbrechen? Faeser machts möglich!

Mit dem Vorwand der „Terrorbekämpfung“ soll nämlich nun das Bundeskriminalamt (BKA) heimlich Wohnungen durchsuchen dürfen (6). Auch wenn das angeblich nur in Ausnahmefällen angewandt werden soll, stellt es eine deutliche Eskalation dar. Doch was heißt das genau?

In dem Entwurf zur Reform heißt es, dass es moderne Instrumente zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus brauche. So wie die Möglichkeit, verdeckt in Wohnungen einzusteigen, um Spy-Software in Smartphones oder Computern anzubringen. Hierbei wird man logischerweise weder davor noch danach informiert. Der Ausbau der BRD zu einem Überwachungsstaat würde damit neue Züge annehmen. Es wird zwar noch versichert, dass es sich nur um ein Mittel handelt, was im äußersten Notfall, wie im Falle von Terrorismusverdacht, eingesetzt werden wird, jedoch wird bekannterweise immer wieder der Terrorismus-Begriff ausgeweitet und genutzt um politische Gegner:innen zu diffamieren. Dadurch bleibt letztendlich die Frage offen, bei wem denn jetzt wirklich zum „Schutz vor Terrorismus“ BKA-Beamt:innen, ohne es zu wissen, auf der Couch sitzen.

Darüber hinaus trägt das, ganz im Sinne des Zeitgeistes, auch die Handschrift des antimuslimischen Rassismus, welcher nicht erst seit dem 7. Oktober immer massiver grassiert. Der „War on terror“ wird ideologisch von Rechten aber auch „demokratischen“ Kräften so weitergeführt, dass jede auf Basis äußerlicher Kriterien als muslimisch wahrgenommene Person (unabhängig davon, ob sie überhaupt muslimisch ist) automatisch unter Terrorismusverdacht steht. Und wenn man sich gegen Genozid und Unterdrückung ausspricht, ist man sowieso zumindest Terroristen-Unterstützer:in. Ob das dann aus Staatssicht schon ausreicht für die heimlichen Einbruch, werden wir sehen.

Für Staat und Medien stehen aber nicht nur Muslim:innen und Aktivist:innen aus der Palästina-Solidaritätsbewegung quasi automatisch unter Terrorismusverdacht, denn das Gleiche gilt auch für die kurdische Bewegung und die sog. „Klima-Terroristen“ der Letzten Generation.

Die vielen Gesichter von Social Media

Um auch besser überwachen zu können, ob und was die „Terrorist:innen“ denn so machen, hat sich das Überwachungsministerium vor einigen Wochen noch eine lustige Sache überlegt. Nun sollen bei Ermittlungsverfahren Videos von z.B. Überwachungskameras mit Beiträgen auf Social Media abgeglichen werden. Also in anderen Worten: Die Einführung von biometrischer Gesichtserkennung. (7) Es sollte auf der Hand liegen, dass diese Maßnahme a) realen, tatsächlich gefährlichen, Terrorismus nicht effektiv bekämpfen kann, da es die eigentlichen Ursachen des Terrorismus nicht bekämpft und b) den Repressionsorganen des Staates ein weiteres mächtiges Instrument in die Hand gegeben wird, welches dazu genutzt werden kann, jeden Mut zum Widerstand noch effektiver zu unterdrücken. Zwar wird wieder davon gesprochen, dass diese Technik nur eingesetzt werden soll, um Terrorismus und schwere Kriminalität zu bekämpfen, doch was damit am Ende gemeint ist, werden wir auch hier sehen. Nach der Durchsetzung von Abschiebungen wegen Likes auf sozialen Plattformen ist somit der digitale Raum immer weiter von Überwachung und Kontrolle durch Staat und Polizei betroffen. Das prophezeit eine dunkle Zukunft, wenn wir uns nicht beginnen, dagegen zu wehren.

Doch warum macht der Staat das?

Der Staat, den man als Herrschaftsinstrument der bürgerlichen Klasse, der Kapitalist:innen, verstehen muss, basiert auf der Aufrechterhaltung dieser Produktionsverhältnisse. Somit also darauf, dass die Arbeiter:innen ihre Arbeitskraft verkaufen und Mehrwert für die:den Kapitalist:in produzieren. Die Klasse der Arbeiter:innen hat das objektive Interesse der Überwindung dieser Gesellschaftsformation, wobei der bürgerlichen Staat versucht, sie klein zu halten, damit sie ihr Elend einfach hinnimmt. Hierzu zählt die ideologische Einbindung, welche wir jeden Tag in der Schule, wo wir, um meinen ehemaligen Politiklehrer zu zitieren, zu „treuen Demokrat:innen erzogen werden sollen“. Auch durch kleine Zugeständnisse sollen wir an den Staat und das System, was er schützt, gebunden werden.

Doch neben dem Zuckerbrot ist auch die Peitsche, in Form von Überwachung und Repression, ein Mittel, die Arbeiter:innen und Unterdrückten klein zu halten. Wenn sie Angst vor Gewalt, materiellen Verlust, sozialen Abstieg oder dem Knast haben, werden sie weniger wahrscheinlich den nächsten Aufstand organisieren oder sonst wie aus der Reihe der täglichen Verwertung fallen z.B. durch die Flucht aus der individuellen Ausbeutung durch Kriminalität. Wenn sie diesen Schritt jedoch trotzdem gehen, weil die Bedingungen zu schlimm geworden sind, sie noch zu ertragen, dienen diese Mittel dazu, alles unmittelbar und effektiv zu unterbinden.

Das im Blick lässt sich auch verstehen, warum gerade jetzt die Repression ausgebaut wird. Wir leben nämlich in einer Zeit der Krise. Menschen kämpfen mit sozialem Abstieg und die Wirtschaft stagniert, während wir eine Zuspitzung von Konflikten überall auf der Welt beobachten können.

Für die BRD spielt es also eine große Rolle, die Ausbeutung trotz ihrer Verschärfung aufrechtzuerhalten. Das bedeutet eben auch, sich gegen zukünftige Massenbewegungen und Aufstände auf den Straßen abzusichern, die das Fundament ihrer Macht angreifen und sie möglicherweise zu Fall bringen könnten, indem der Staat diese mit Repression, oder der Androhung solcher, im Keim erstickt.

Die derzeitige Ausformung dessen basiert auf dem Konzept alle „Feinde der Demokratie“ bekämpfen zu wollen. Dazu zählen (noch reaktionärere) bürgerliche Kräfte, welche die Knechtschaft unter dem Kapital anders verwalten wollen sowie Revolutionär:innen, welche dafür kämpfen, diese Ordnung abzuschaffen. Neben Angriffe auf Islamistische Kräfte gab es kürzlich auch Razzien gegen die Faschist:innen vom 3. Weg. (8) Dabei muss jedoch betont werden, dass das nicht heißt, der Staat hätte ein gleichmäßiges Interesse Revolutionär:innen wie Faschist:innen niederzuschlagen. Das sieht man auch an der Intensität, mit welcher nach über 60-jährigen Ex-RAF-Mitglieder gefahndet wird, während im Gegensatz über 600 „untergetauchte Nazis“ trotz Haftbefehl komplett unbehelligt bleiben. Denn auch wenn gerade die Diktatur der Bosse und Bänker noch eine demokratische Fassade zeigt, hat die Geschichte wiederholt gezeigt, dass diese sich nicht zu schade sind, um ihre eigene Stellung und somit das System aufrechtzuerhalten, auch zur Diktatur zu greifen und mit Faschist:innen zu paktieren. Denn auch im Faschismus werden die Arbeiter:innen geknechtet und die Kapitalist:innen werden immer reicher. Die Überwindung der Ausbeutung von Mensch durch Mensch wird für den bürgerlichen Staat und das Kapital immer eine größere Gefahr darstellen als seinen demokratischen Schein zu verlieren.

Doch auch wenn sowohl Faschismus als auch die bürgerliche Demokratie die Herrschaft des Kapitals zur Grundlage haben, wäre es falsch, bei jedem Abdriften der BRD oder anderer Staaten zum Autoritarismus direkt vom Faschismus zu reden. Denn auch die bürgerliche Demokratie ist ein Apparat zur Unterdrückung und nur weil dies in der Krise deutlicher zu Tage tritt, handelt es sich noch nicht um Faschismus. Faschismus ist eine sehr spezifische Art der bürgerlichen Herrschaft, mehr dazu aber an anderer Stelle, in unserem Artikel „Was ist Faschismus?“ (9)

Widerstand trotz alledem!

Es ist verständlich, dass sich in Zeiten von Rechtsruck, Krise und Krieg die neue Kampfansage durch den Staat in Form von engmaschiger Überwachung und Repression wie der letzte Stoß anfühlen kann. Die Lage wird immer beschissener und man fühlt sich, als stünde man einer unantastbaren Übermacht gegenüber. Doch wie groß der Gegner gerade erscheinen mag, wir müssen uns erinnern, dass wir im Interesse der Massen kämpfen und dass dieses Elend nur durch entschiedenen Kampf beendet werden kann. Wir müssen konsequent für demokratische Rechte, wie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit kämpfen, auch wenn wir wissen, dass diese im Kapitalismus stets nur so lange gelten können, wie sie das System nicht in Gefahr bringen. Wir müssen die Grenzen dieses Systems aufzeigen und warum unsere Interessen nicht innerhalb dessen umgesetzt werden können. Dabei dürfen wir uns nicht unterkriegen lassen, egal wie stark sie uns schlagen, egal wie lückenlos sie uns überwachen!

Wir fordern große linke Jugendorganisation wie Jusos, Linksjugend Solid und DGB-Jugend auf, sich mit revolutionären Kräften zusammenzuschließen, um den entschiedenen Kampf gegen diese Überwachung zu führen. Doch auch das müssen wir größer denken: Der Autoritarismus ist ein Symptom des Rechtsrucks und damit müssen wir mit dem Kampf gegen den Aufstieg der Rechten und die Krise verbinden, um letztendlich zu einer Jugendbewegung zu werden, die eine Perspektive bietet! Die zusammen mit der Arbeiter:innenklasse dafür kämpft, dass Ausbeutung und Unterdrückung ein für alle Mal ausgerottet werden!

Doch um das zu erreichen, müssen wir uns organisieren, an den Orten, an denen wir uns jeden Tag aufhalten müssen, wie z.B. der Schule. Hier verbringen wir als Jugendliche die meiste Zeit und sind umgeben von Menschen, die dasselbe durchmachen und nicht ohnehin schon in der Szene unterwegs sind. Genau an diesen Orten müssen wir beginnen, Gruppen aufzubauen, uns gegen die Ungerechtigkeiten direkt vor Ort zu stellen, um letztendlich die Keimzellen für eine solche Bewegung zu schaffen. Deshalb organisiert euch mit uns, um gemeinsam diesen Schritt zu gehen!

Quellen:

(1) https://www.tagesspiegel.de/berlin/from-the-river-to-the-sea-gericht-verhangt-erstes-strafurteil-wegen-propalastinensischer-parole-in-berlin-12153305.html

(2) https://www.land.nrw/pressemitteilung/innenministerium-verbietet-gruppierung-palaestina-solidaritaet-duisburg

(3) https://onesolutionrevolution.de/berliner-polizei-loest-palaestinakongress-auf-meinungsfreiheit-wird-zur-farce/

(4) https://taz.de/Amnesty-Bericht-zu-Versammlungsfreiheit/!6022070/

(5) https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Islamisches-Zentrum-Hamburg-legt-Klage-gegen-Verbot-ein,blauemoschee140.html

(6) https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bka-durchsuchungen-heimlich-100.html

(7) https://www.lto.de/recht/presseschau/p/2024-08-12-gesichtserkennung-faeser-basketballer-prozess-gallner-interview

(8) https://taz.de/Razzia-bei-Neonazipartei-Dritter-Weg/!6020758/

(9) https://onesolutionrevolution.de/grundlagen-des-marxismus-was-ist-eigentlich-faschismus/