Linksjugend: Die Chance auf Internationalismus ergreifen – den Zionismus beenden

von J.J. Wendehals, Oktober 2025

Die Sumud Flotilla wurde gekidnappt, der Genozid in Gaza geht jeden Tag weiter. Jugendliche auf der ganzen Welt gehen auf die Straße, streiken und blockieren. In Deutschland, während man vergeblich auf eine Solidarisierung mit der Sumud Flotilla wartet, hat gestern die Jugendorganisation der LINKEN ein Statement veröffentlicht: Sie bekunden ihre Unterstützung von Trumps 20-Punkte-Plan. Dieser oft fälschlich als “Friedensplan” bezeichnete Kolonialisierungsplan ist die neueste Idee des US-Imperialismus, wie Gaza langfristig entrechtet und fremdbestimmt bleiben kann: Der Widerstand in Gaza soll entwaffnet werden, die Regierung entmachtet und stattdessen ein von Trump und seinen “Partnern” kontrolliertes Regime installiert werden. Was in Wahrheit dahintersteht: Der US-Imperialismus versucht, in der gesamten Region eine Ordnung aufrechtzuerhalten, die es ihm ermöglicht, weiterhin Bodenschätze und Arbeitskraft auszuplündern.

Linksjugend solid hingegen sieht hier “konkrete Sicherheitsmaßnahmen”, “politische sowie administrative Reformen” und “wichtige Schritte in Richtung Deeskalation und humanitärer Hilfe”. Nebenbei bemerkt wird mit dieser affirmativen Übernahme von Begriffen aus dem Vokabular der Imperialisten hier nicht nur das palästinensische Volk verhöhnt, sondern im Grunde genommen jeder antikoloniale und antiimperialistische Kampf. “Sicherheitsmaßnahmen” heißt immer militärische Intervention zur Sicherheit der Profite und Interessen des imperialistischen Kapitals. “Administrative Reformen” sind in Halbkolonien immer nur dann gute Reformen, wenn sie Marionettenregime an der Macht halten, die jeglichen Widerstand gegen den imperialistischen Raub unterbinden. Und “Deeskalation” und Entwaffnung heißt hier nur eine Umverteilung der Waffen – aus den Händen der Widerstandskämpfer:innen in die der Unterdrücker:innen.

Es gibt eine Reihe weiterer Feigenblätter, hinter denen die Solid ihre Parteinahme auf Seiten des Genozids verstecken möchte. Wie schändlich übrigens, dass hier trotz Beschlusses des letzten Bundeskongresses (BuKo) nach 2 Jahren ein Genozid immer noch nicht als ein solcher benannt wird, sondern von “militärischen Operationen” die Rede ist. Putin wäre stolz.

1. “Das Sterben muss aufhören”

Das ist natürlich richtig. So richtig, dass es sogar der Pfarrer in der Kirche sagt. Sozialist:innen jedoch werden nicht bei Moralbekenntnissen stehenbleiben. Sie werden nicht die eine Form bürgerlicher Herrschaft einer anderen vorziehen wegen eines unglaubwürdigen Versprechens nach Frieden oder “Menschlichkeit”. Sozialist:innen haben kein Vertrauen in eine kapitalistische Regierung und schon gar nicht in die von Trump oder Netanyahu. Solange dieser Besatzerstaat die Waffen in der Hand hält, werden Palästinenser:innen sterben.

2. “Die Palästinenser:innen werden einbezogen”

Dass es als Großzügigkeit dargestellt wird, wenn “ein palästineneisches Komitee aus hamasfernen Akteur*innen und Expert*innen” (sic!) irgendwie auch mitreden darf, ist eigentlich eine Frechheit. Fast so frech wie wenn man Israel anpreist, weil es sich dazubereiterkläre, entwaffneten Kämpfer:innen “sogar das Recht einzuräumen, den Gazastreifen zu verlassen”. Es wird also von jeglichen Palästinenser:innen im Vorhinein verlangt, dass sie ihre Hamasferne (was auch immer das bedeuten soll) zuerst beweisen, ehe sie dabei “einbezogen” werden, was mit ihrem Land passiert. So reaktionär die Hamas auch politisch ist, stellt sie weiterhin die größte Kraft im palästinensischen Widerstand dar. Das macht sie unweigerlich zum Anziehungspunkt für viele Menschen in Gaza, welche sich gegen Besatzung, Vertreibung und Genozid wehren wollen. Dass es einen politischen Kampf innerhalb dieses Widerstands gegen sie um die Führung braucht, ist für uns als Linke außer Frage. Das kann aber eben nicht heißen, an die politische Betätigung der Palästinenser:innen Vorbedingungen zu stellen und diese von oben herab einzuschränken.

3. “Es ist nur eine Übergangslösung”

Sorry to break the news, aber Übergangsregierungen sind schon immer ein Trick der Herrschenden gewesen. Warum sollten sie denn die Macht irgendwann abgeben? Und an wen überhaupt? Und wer soll dann überprüfen, dass auch alle Palästinenser:innen “hamasfern” bleiben? Spätestens seit Oslo hat die Zwei-Staaten-Lösung ja ohnehin ihre Glaubwürdigkeit verloren, aber das hier ist auch nochmal eine ganz besonders schlechte Variante davon.

Es ist in diesem Text nicht der Platz dafür, aber wir haben es an anderer Stelle ausführlicher behandelt: Palästina wird frei sein, sobald es einen(!) sozialistischen, säkularen, multiethnischen Staat gibt. Sobald den über 9 Millionen palästinensischen Geflüchteten ein Recht auf Rückkehr gewährt wird und sobald alle imperialistischen Räuber vertrieben sind – ob USA, Deutschland, EU oder andere.

Wie weit soll der Pluralismus noch gehen?

So ein Statement zu lesen, kann vielleicht verwundern, wenn man an die vielen Genoss:innen auch von der Solid denkt, mit denen wir schon Seite an Seite gegen den Genozid auf die Straßen gegangen sind. Wir sehen auch anhand der vielen Kommentare unter dem Beitrag, wie wenig Rückhalt diese unsozialistische Positionierung noch in der solid hat. Es treten hier zwei Probleme von Solids Pluralismus ans Licht. Einmal, dass es keine bindenden Beschlüsse gibt, die so etwas verhindern. Und zweitens, dass z.B. ein marxistisches Verständnis von Imperialismus gar nicht auf breiter Basis entstehen kann, solange überhaupt nicht der Anspruch besteht, als Organisation politische Antworten, ein umfassendes Programm zu entwickeln, hinter dem sich alle Mitglieder und Organisationsgliederungen versammeln. Und das verhindert eben eine überzeugende Perspektive für Jugendliche, sogar wenn mal nicht gerade auf Donald Trump reinfällt.

An die kritischen Landesverbände, Basisgruppen und Solids:

Gut, wenn ihr euch schon einmal distanziert habt von dem Trash. Jetzt mit beruhigtem Gewissen zurück auf Twitter gehen, wäre aber schade. Notwendig wäre es, auch auf Bundesebene einen politischen Kampf zu führen und nichts in der Organisation den Anti-Deutschen oder den “Beide-Seiten-sind-in-der-Verantwortung” Leuten zu überlassen. Statt sich aber nur zufällig auf der gleichen Seite bei Abstimmungen auf dem BuKo wiederzufinden, braucht Opposition Organisierung, um zielgerichtet vorgehen zu können. Deswegen sollten sich Revolutionär:innen in der Solid auf Basis eines gemeinsamen Programms zu einer revolutionären Fraktion zusammenschließen, welche um die Führung in der Linksju-gend kämpft. Mehr dazu könnt ihr in unserem Artikel „Was können Revolutionär:innen in der Solid tun?“ lesen.

Es ist Zeit, endgültig mit der Staatsräson zu brechen: Positioniert euch als Gesamtorganisation konsequent gegen den Genozid, für die sozialistische Ein-Staaten-Lösung. Und lasst den Worten Taten folgen: eine Kampagne in den Schulen, Unis, Betrieben. Für Aufklärung über die Besatzung statt prozionistischer Propaganda. Gegen alle Waffenlieferungen, militärische, wirtschaftliche oder ideologische Unterstützung Israels. Und gegen Trumps scheiß 20-Punkte-Plan!




Zwischen Ohmacht und Rechtsrutsch: Was können Revolutionär:innen in der Linksjugend tun?

von der Revolution Leitung, aus der REVOLUTION Zeitung von Juli 2025, 7 Minuten Lesezeit

Bei den Bundestagswahlen konnte die Linkspartei massiv Punkten und befindet sich in einem überraschenden Aufschwung. Über 50.000 neue Mitglieder und 8% bei der Wahl gehen auch an der Linksjugend Solid nicht vorbei. Diese neuen Mitglieder bringen frischen Wind in die Segel der verknöcherten Strukturen, was sich an der Annahme der JDA-Antisemitismusdefinition beim letzten Parteitag widerspiegelt. Was vielversprechend klingt, wirft aber die zentrale Frage auf den Plan, für welche Politik wollen Solid und Die Linke einstehen? Denn die Vergangenheit darf nicht einfach vergessen werden, dass die Linke und die Solid Totgesagt wurden hatte einen Hintergrund. Es konnten Mobilisierungen nicht genutzt werden, es wurde wenig selber initiiert und inhaltliche Punkte wurden schwammig gesetzt. Für Revolutionär:innen stellt sich also auch die Frage, wie das verändert werden kann.

Organisierende Klassenpartei

Die aktuelle politische Lage ist von Krisen geprägt. Die Krise des deutschen Imperialismus führt zu Militarisierung, der Rechtsruck – ob AfD-Umfragewerte, Abschottungspolitik, Abschiebungen oder der Aufschwung der Nazijugenden – schreitet weiter voran und die Merzregierung plant immer weitere Angriffe auf die Arbeiter:innen und Jugend mit Kürzungen für die Bildung, bei Jugendclubs und anderen Freizeitaktivitäten. Die Lebenshaltungskosten steigen ins Unermessliche. Wenn Die Linke sich als „organisierende Klassenpartei“ versteht, dann muss sich das auch in ihrer Jugendorganisation widerspiegeln. Es reicht einfach nicht, nur bei Protesten mitzumachen, die Solid muss sich selber als Kraft verstehen, die diesen initiiert – das wirft jedoch Fragen auf, wofür sie eigentlich steht. Um die Aufgaben der aktuellen Zeit zu bewerkstelligen und auf die politische Situation eine Antwort zu geben, braucht es eine klare politische Analyse und Methodik, die aufzeigt, wie man die kommenden Angriffe nicht nur abwehrt, sondern die Kämpfe dahin führt, dass konkrete Verbesserungen erkämpft werden. Ansonsten werden wir aus der Defensive nicht rauskommen. Konkret bedeutet das, Bündnisse zu schmieden mit den Gewerkschaften und anderen linken Jugendorganisationen, mit einem politischen Plan und konkreten Forderungen. Diese könnten sein:

  • Klassenkampf der neuen Regierung und dem Generalangriff: Gegen Agenda 2030! Gegen Aufrüstung und Militarisierung! Gegen Rechtsruck und Rassismus! Für internationale Solidarität!
  • Klassenkämpferische Politik auf der Straße und in den Gewerkschaften: Bruch mit der Sozialpartner:innenschaft!
  • Gegenmacht aufbauen: Nein zum Reformismus, für eine revolutionäre, internationalistische Kampfpartei!

Für eine revolutionäre Fraktion in der Solid und Linkspartei!

Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Solid von heute auf morgen einfach so ändert. Um so wichtiger ist es, dass wir uns als (subjektive) Revolutionär:innen zusammenschließen zu einer Fraktion. Diese darf nicht auf dem Stadium einer losen Vernetzung bleiben wie es der BAK Klassenkampf aktuell ist, sondern muss ein politisch-inhaltlicher Zusammenschluss sein, der nicht bloß in der Solid, sondern auch in der Linkspartei agiert. Die Basis davon muss eine tiefe Diskussion und Auseinandersetzung mit Antimilitarismus, Internationalismus und dem Subjekt der Veränderung, sowie Klarheit über den Charakter der Linkspartei als reformistische Arbeiter:innenpartei sein. Sicherlich ist es illusorisch zu glauben, aktuell alle Teile einer solchen Fraktion hinter ein klar revolutionäres Programm zu vereinen, doch ein Pluralismus wie er in der Linken/solid vorherrscht, ist zu gewissem Grad schädlich, was sich bei Themen wie Palästina oder Iran besonders zeigt. Die Fraktionierung muss sich beim BuKo in Kampagnenvorschlägen und LVVn widerspiegeln und auch in die Linkspartei versuchen hineinzuwirken. Dabei dürfen wir keine Angst davor haben, dass Gelder gekürzt werden!

Es kann sich lohnen, vom Organizing zu lernen, die positiven Elemente mitzunehmen und auf Schulen und Ausbildungsplätze zu übertragen – allerdings muss klar sein: Organizing ist ein Mittel, keine Strategie!

Die Solid könnte im Themenfeld Antimilitarismus Kampagnen gegen die Bundeswehr an Schulen machen. Dabei könnte jedes Mitglied sich zum Ziel setzen, 2-3 Klassengenoss:innen in der Schule dazu zu interviewen und anschließend in Aktion zu bringen. Dabei müssen konkrete Forderungen zur Situation vor Ort mit der gesamtgesellschaftlichen Dynamik verbunden werden (bspw. „kein Werben fürs Sterben – Bundeswehr raus aus unseren Schulen! Wir bestimmen, wer an unsere Schule kommt!“). Neben dem Aspekt der Organisierung vor Ort, muss sich die Solid auch zur Aufgabe machen, ihre eigene Mitgliedschaft zu schulen. Woher kommt Krieg? Was sind die Antworten der Arbeiter:innenbewegung? Wie kommen wir zu einer breiten Antikriegsbewegung? Die Linke muss diese Kampagnen unterstützen, gleichzeitig muss die Solid als kämpferischerer Teil der Linken die Mutterpartei herausfordern – inhaltlich und praktisch – und so den Weg für eine Klassenkämpferische Partei bereiten. Sie muss sich gegen jegliche Aufrüstung (inklusive sogenannter Verteidigungsfähigkeit) des deutschen Imperialismus richten und dem imperialistischen Projekt der EU die Perspektive der vereinigten sozialistischen Staaten von Europa entgegensetzen und die Abgeordneten, die im Bundesrat den Weg für die Hochrüstung des deutschen Imperialismus geebnet haben, zur Rechenschaft ziehen.
Auch zu Palästina müsste die Solid mit ähnlichen Kampagnen arbeiten. Forderungen müssten sich gegen das Kuffiya-Verbot in Berlin, die Israel 1948-Bröschüre, die an Neuköllner Schulen verpflichtend werden sollte, und die Repression gegen Palästinasolidarität richten. Es braucht die Forderung nach der Niederlage Israels und der USA im Krieg gegen den Iran und im gesamten Nahen Osten und das Recht auf Widerstand seitens der Unterdrückten. Das bedeutet auch den Kampf gegen den Pazifismus der Mutterpartei und deren Perspektive einer „vernünftigen, gerechten“ imperialistischen Politik, die sie als gesamtes nicht bekämpft.

Probleme der linken Fraktion

Mit dem BAK Klassenkampf hat die Linksjugend im vorletzten Jahr erstmals seit Jahren eine dediziert linke Plattform bekommen. Der Anspruch des BAKs ist die politische Ausrichtung der Solid entschieden nach links zu bewegen. Dieses Vorhaben ist in jedem Fall zu begrüßen und in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Intervention auch in der Zusammenarbeit mit anderen progressiven linken Organisationen mündete und der gemeinsame politische Kampf erfolgreich Früchte trug.

Zugleich hat sich jedoch gezeigt, dass der BAK in seiner Funktion als Sammelbecken seine politischen Positionen immer weiter differenzierte und es zu einer zunehmenden Verwässerung der Linie des Arbeitskreises kam. Die anfängliche Einheit und gezielte Ausrichtung haben sich zunehmend zu einem losen Zusammenschluss linksoppositioneller Ideen gewandelt. Um die Linksjugend jedoch grundlegend zu verändern und ihre politische Stagnation zu überwinden, braucht es mehr als das. Dazu gehört auch, dass man den linksreformistischen und zentristischen Fraktionen der Linksjugend ein inhaltliches Programm entgegensetzt, welches die Funktion und Stellung der Solid als Ganzes reflektiert. Angesichts des Aufschwungs der Partei ist es notwendig, das Wegducken vor der Realität seitens der Partei- und Verbandsspitzen anzuprangern und mit einem revolutionären Programm vom Reformismus wegzubrechen. Die Debatte um die Strategie des Verbands ist zentraler Bestandteil dabei: Bleiben wir beim Haustürwahlkampf, Demobesuchen und Hoffen auf den Parlamentarismus oder bauen wir eine Widerstandskraft der Arbeiter:innenklasse auf, die den Angriffen der Regierung und dem Kapital den Kampf ansagt?

Schlussfolgerung: Was ist also die Aufgabe von Revolutionär:innen?

Zentral ist es also, aktiv die Debatte über Strategien zu suchen. Der Reformismus wird sich nicht von selbst entlarven, wir brauchen konkrete Taktiken und müssen in Neuformierungsprozesse eingreifen. Eine Arbeit innerhalb des Verbands ist nur dann sinnvoll, wenn der Reformismus konsequent kritisiert und praktisch bekämpft wird. Es gilt insbesondere den reformistischen Apparat der Solid und Linkspartei anzugreifen und durch die tägliche Arbeit als Bewegungshemmend zu entlarven.

Die Politik, die die Linke macht wird entscheiden, ob und wie erfolgreich die kommenden Angriffe der neuen Regierung abgewehrt werden können. Viele sind eingetreten mit der Hoffnung, dass die Partei diese Kämpfe führt und mit Illusionen in den bürgerlichen Staat. Die Aufgabe für Revolutionär:innen ist also mit diesen Leuten im gemeinsamen Kampf Erfahrungen zu sammeln und vom Reformismus und damit auch von Partei und Verband wegzubrechen. Es geht darum, die kommenden Angriffe abzuwehren – nur danebenstehen und erzählen, dass die uns eh verraten werden, reicht nicht, weil sich Reformismus scheinbar natürlich reproduziert im Kapitalismus und wir uns so nur selbst isolieren.

Es gilt den Kampf zu führen für inhaltliche Positionen und für eine revolutionäre Fraktion in der Linksjugend Solid sowie der Linkspartei! Wir laden euch dazu ein, mit uns darüber zu diskutieren und gemeinsam aufzubauen!




Die Implosion des Reformismus in Bolivien

von Mara Kuja, September 2025 – 7 Minuten Lesezeit

Die Wahlen 2025 in Bolivien haben es noch ein Letztes mal deutlich gezeigt: der Reformismus ist gescheitert, die Partei MAS (Bewegung zum Sozialismus) ist zersplittert und die Wirtschaft hat mit einer starken Inflation zu kämpfen. Die Sozialistische Partei konnte dieses Jahr nur 3% der Stimmen holen und im Oktober wird entschieden, welche von 2 reaktionären Kräften die Führung des Landes übernehmen wird. Nicht ohne Grund spricht man in revolutionären Kreisen auch vom „Fluch des Reformismus“. Aber wie konnte es überhaupt zu solch drastischen Krisen kommen, wenn der Reformismus doch vermeintliche Verbesserungen für die Arbeiterklasse vorsieht? Wenn er in Bolivien doch zunächst eine relativ wohlhabende „Mittelschicht“ schuf? Und inwiefern war eine solche Entwicklung bereits vorhersehbar?

Geschichte Boliviens

Um die Entwicklung in Bolivien nachvollziehen zu können, muss man zunächst einmal Boliviens Vergangenheit verstehen. Bolivien ist wie viele andere Südamerikanische Länder eine spanische Kolonie gewesen. Durch Befreiungskämpfe wird das Land Anfang des 19. Jahrhunderts unabhängig. Bereits hier zeigt sich deutlich der Kampfgeist der bolivianischen Bevölkerung. Im 20. Jahrhundert kommt es zu Konflikten zwischen Großgrundbesitzern und Arbeiter:innen, von da an ist Bolivien von Klassenkämpfen geprägt, die sich durch das gesamte Jahrhundert ziehen werden. Immer wieder kommt es zu Reformen und immer wieder werden diese vom Militär rückgängig gemacht. Bereits hier zeigt sich ein zentrales Problem des Reformismus deutlich: Reformen, welche zu stark gegen die Interessen der herrschenden Klasse gehen, werden von dieser mit Gewalt verhindert. Militär sowie andere staatliche Organe handeln immer zuverlässig im Interesse dieser Klasse. 1952 kommt es schließlich zu einer nationalen Revolution, eine linke Partei gewinnt die Wahlen, zwar kommt es zu einem erneuten Militärputsch, doch eine Revolte aus Studierenden, Arbeiter:innen und Teilen der Armee selber verhindert eine erneute Militärdiktatur. Jedoch scheitert auch diese Regierung aufgrund ihres reformistischen Charakters, weil sie am Ende doch Kapitalinteressen umsetzt. Ab 1964 kommt es erneut zu einer Militärdiktatur, diese wird erst 1982 enden. Diese Reaktion wird hierbei im erheblichen Maße von der USA unterstützt, die ihre imperialistische Kontrolle über den ganzen Kontinent mit aller Gewalt aufrecht zu erhalten versuchen. In dieser Zeit wird Che Guevara in Bolivien ermordet, Guerilla Truppen kämpfen um die Befreiung des Landes und es kommt zu einem wirtschaftlichen Verfall. Nach dem Ende der Militärherrschaft folgen Privatisierungen, wie in vielen lateinamerikanischen Ländern, als vergeblicher Versuch die Wirtschaft wieder aufzubauen. Insgesamt hat das gesamte 20.Jahrhundert in Bolivien zwar den Kampfgeist der bolivianischen Arbeiterklasse bewiesen, aber auch gezeigt, dass es mehr als einen reformistischen Ansatz braucht. Das Militär handelte im Interesse der Bourgeoisie, die Klassenverhältnisse blieben gleich und durch das ständige Zurückrudern und Anpassen an Kapitalinteressen verarmte schließlich die Bevölkerung des Landes und die Wirtschaft brach zusammen. Eigentlich hätte man hier bereits feststellen können, dass es mehr als einen reformistischen Ansatz braucht und doch wird dieser im 21. Jahrhundert fortgeführt.

Ein erneutes Scheitern

2005 gewinnt Evo Morales die Wahlen in Bolivien, mit seiner Partei der MAS. Doch er hat einen scheinbar taktischeren Ansatz als seine Vorgänger im 20. Jahrhundert: Er enteignet den Energiesektor und beginnt Handelsbeziehungen mit Venezuela und Kuba. Die Verstaatlichung teurer Rohstoffe bringt dem Land extra Einnahmen, so lassen sich Sozialprojekte finanzieren. Auch setzt sich Morales für den Schutz der Koka Bauern und indigener Arbeiter:innen ein, auch da er ist der erste bolivianische Präsident mit indigener Herkunft ist. Großgrundbesitzer dürfen nun nur noch Landflächen bis zu einer gewissen Obergrenze besitzen. Indigene Dörfer bekommen Landflächen zugeschrieben. Durch diese extra Einnahmen und Umverteilung schafft Bolivien innerhalb der Arbeiter:innenklasse eine wohlhabendere Mittelschicht, die Wirtschaft boomt und die Armutsrate sinkt. Auch der Analphabetismus geht zurück durch Bildungsreformen und staatliche Schulen. 2009 führt Morales eine neue Verfassung ein, zum Schutz der Arbeiter:innenklasse, indigener Völker und um die Verstaatlichungen sind nun entgültig festgelegt. Trotzdem bleiben die Eigentumsverhältnisse gleich, die Kapitalistenklasse bleibt bestehen, die Arbeiter sind vielleicht ein bisschen zufriedener, ausgebeutet werden sie jedoch trotz besserer Löhne. Auch das ist ein signifikanter Teil des Charakters des Reformismus. Er behandelt Symptome, nicht das Kernproblem des Kapitalismus. Der Reformismus ist allein deswegen zum Scheitern verurteilt und auch Evo Morales wird dies spätestens im Jahr 2019 zu spüren bekommen. Als er erneut antreten will, entgegen seiner eigenen Verfassung, zwingt ihn das Militär zum Rücktritt und es kommt zu einer reaktionären Übergangsregierung. Die nun bestehende Regierung kann sich jedoch nicht lange halten, es kommt zu Protesten aus der Arbeiter:innenklasse, diese werden zwar brutal niedergeschlagen, die MAS gewinnt ihren Einfluss am Ende aber zurück. Doch nicht mit Morales an der Spitze. Luis Arce, ein ehemaliger Banker, leitet die Partei von nun an. Nicht im Interesse von Morales, denn Arce stellt nun auch formell Kapitalinteressen ins Zentrum: er möchte offen mit Großkonzernen zusammenarbeiten. Während Morales einen wortradikalen Linkspopulismus vertritt, steht Arce auch nach außen hin für einen gemäßigten Reformismus. Die Partei zersplittert letztendlich in zwei Pole: Arce und Morales Unterstützer:innen. Auch bahnt sich eine erneute Wirtschaftskrise an. Die Inflation in Bolivien steigt, die einzigen staatlich gesicherten Preise sind die Gaspreise, doch dieses ist nichtmehr verfügbar da die Regierung nicht in neue Gasprojekte investiert und sich Gasimporte nicht leisten kann. Ein erneuter Beweis für ein Versagen des Reformismus, da nur Teile der Industrie verstaatlicht und keinerlei zentrale Planung etabliert wurde.

Als die Wahlen 2025 anstehen, kündigen Morales sowie Arce an sich nicht wieder aufstellen zu lassen, die MAS ist durch innere Konflikte geschwächt, die Arbeiter:innenklasse wurde erneut durch die reformistische Praxis verraten und hat mit einer immer weiter steigenden Inflation zu kämpfen, der Reformismus beweist sich erneut als ewiger Fluch.

Reaktionärer Umschwung

Das kommt reaktionären Kräften zugute, diese können einen „gescheiterten Sozialimus“ perfekt für ihren Populismus nutzen und so gewinnen zwei rechte Parteien 2025 die Wahlen, die MAS holt nur 3%. Ein von ihr abgespaltener Kandidat 8%. Evo Morales ruft dazu auf, die Wahl zu boykottieren, das machen zwar auch zahlreiche Wähler:innen, ob wegen Morales oder einfach aus Desillusionierung ins ganze politische System bleibt jedoch unklar. Der Reformismus im 21 Jahrhundert ist erneut implodiert. Aber nicht unvorhersehbar, Boliviens Geschichte hat bereits im 20 Jahrhundert gezeigt, warum der Reformismus zum Scheitern verurteilt ist hinausläuft und warum es revolutionäre Perspektiven braucht, um das kapitalistische System zu überwinden. Die Partei MAS hat sich wegen der bleibenden Kapitalinteressen, selbst zerfressen. Die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse wurden nicht gebrochen, weswegen auch das Militär immer wieder im Interesse der Bourgeoisie handelte. Die Arbeiterklasse wurde trotz Symptomlinderungen ausgebeutet und auch das Beschränken der Enteignungen auf den Energiesektor wurde der MAS letztendlich zum Verhängnis

eine Antikapitalistische Perspektive

Trotz alle dem hat sich auch der Kampfgeist der bolivianischen Arbeiter:innenklasse und ihr Wille zur grundlegenden Veränderung in den vergangenen Jahrhunderten gezeigt. Sie darf den Kampf nicht einfach aufgeben, vielmehr ist wichtig, dass sich Revolutionär:innen jetzt zusammentun und die Fehler der MAS aufzeigen.

Die MAS muss mit der Bourgeoisie brechen, um Arbeiter:innen und andere unterdrückte Gruppen real vertreten zu können. Aber auch dann darf die MAS nicht bloß auf Wahlen setzen. Es braucht eine revolutionäre Partei welche Übergangsforderungen stellt und für eine Regierung aus Räten – bestehend aus Arbeiter:innen, Jugendlichen, Indigenen und anderen marginalisierten Gruppen – kämpft!

Diese Räte müssen, umgesetzt durch Milizen der Arbeiter:innen und Unterdrückten, den bürgerlichen Staat zerschlagen, der stets im Interesse des Kapitalismus handeln wird und muss! Revolutionäre müssen auf den Weg dahin Druck auf die MAS ausüben einen solchen Weg zu beschreiten, dürfen sich jedoch keine Illusionen in diese machen, sondern müssen bereit sein mit ihr brechende Arbeiter:innen in eine neue, eine revolutionäre, Arbeiter:innenpartei aufzunehmen. Eine solche braucht das bolivianische Proletariat um Bolivien von seiner eigenen Bourgeoisie sowie imperialistischen Mächten zu befreien! Das ist auch wichtig um ein reales Vorbild für Völker mit ähnlichen Problemen in Südamerika aber auch für Revolutionär:innen weltweit darzustellen. Um diesen aufzuzeigen, dass der Kampf noch nicht verloren ist sondern seit Jahrzehnten falsch geführt wird. Denn „Die Ideen einer Zeit, waren stets die Ideen der herrschenden Klasse“ und damit darf die herrschende Klasse nicht die Bourgeoisie bleiben, wenn im Interesse der Arbeiter:innen gehandelt werden soll.

Doch genau diese Verhältnisse bleiben durch den Reformismus bestehen. Darum ist er ein Fehlschluss, ein ewiger Fluch der die Linke Geschichte prägt und die Arbeiter:innenklasse immer wieder aufs neue verrät.




Grundlagen des Marxismus: Was ist die Einheitsfronttaktik?

aus Mai 2024, Revolution Zeitung 2/2024

Das linke und antikapitalistische Spektrum ist vielseitig in ihren Zielen und Taktiken, ihren Schwerpunkten und Organisationsstrukturen. Hin und wieder finden sich für Großaktionen wie Demos Bündnisse zusammen, aber leider scheint die Zusammenarbeit nach dem gemeinsamen Projekt oft wieder zu enden. Dabei sind nur durch die verschiedenen Gruppen, die sich den Aufwand von Organisation und Mobilisation geteilt haben, überhaupt so viele Leute aufgetaucht. Diese Großveranstaltungen sind oft die Momente, die uns zeigen wie viel wir als Klasse erreichen können, wenn wir uns zusammen anstrengen, und es sind die Erfahrungen, die uns Mut und Hoffnung geben, die uns motivieren überhaupt politisch aktiv zu sein.

Um diese Energie effektiver zu nutzen und Ziele unserer Klasse zu erreichen, wurde die Einheitsfronttaktik entwickelt. Die Einheitsfront handelt direkt und geballt und stellt einen drastischen Gegensatz zu den leeren Versprechen der reformistischen Parteien dar. Wenn ihre „Brandmauer gegen rechts“ sich tatsächlich nur als eine schöne Redewendung entpuppt und kein Handeln folgt, erkennen mehr Arbeiter:innen, dass diese Strukturen unsere Gesellschaft nicht vor Gefahren wie dem Faschismus schützen können. Deswegen geht es bei der Einheitsfronttaktik auch nicht um intensive ideologische Überschneidung mit den Bündnispartnern, sondern um das Ernstnehmen einer Bedrohung und dem zielstrebigen Handeln auf der Basis einiger Kernprinzipien, über die man sich einig ist.

Was ist eine Einheitsfront?

In einer Einheitsfront kommen verschiedene Organisationen der Arbeiter:innenklasse zusammen, um ein bestimmtes Ziel zu verfolgen und diesem mit praktischen Aktionen näher zu kommen. Dabei arbeiten die Organisationen über inhaltliche Grenzen hinweg, ohne dabei die Kritik an den Positionen der anderen zu verstecken. Das Ziel der Einheitsfront sollte es sein, möglichst große Teile der gesamten Klasse in sich zu organisieren, um eine möglichst große Schlagkraft zu haben. Ein klassisches Beispiel für Einheitsfronten sind Gewerkschaften: Sie organisieren große Teile der Beschäftigten in einem Bereich über inhaltliche Auseinandersetzungen hinweg mit dem Ziel, möglichst gute Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Für uns als Revolutionär:innen ist die Einheitsfront deshalb so zentral, weil wir damit aus unserer Isolation von der Klasse ausbrechen können und reformistische Organisationen in der Praxis als Hindernis für die Interessen der Arbeiter:innen entlarven können. Außerdem sind sie ein besonders effektives Mittel, um die Interessen der Arbeiter:innen durchzusetzen.

Getrennt marschieren, vereint schlagen!

Damit die Einheitsfront ihren Zweck erfüllt und wir uns als Revolutionär:innen nicht darin verlieren, sondern Menschen für unsere Politik begeistern können, wurden verschiedene Prinzipien der Einheitsfront entwickelt. Sie lassen sich auf die Metapher „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ herunterbrechen. Damit werden die zwei wichtigsten Punkte der Einheitsfronttaktik aufgegriffen: Organisatorische und propagandistische Unabhängigkeit und Einheit in der Aktion zur Erreichung eines Ziels. Reformistische Kräfte zeichnen sich dadurch aus, immer wieder die Interessen unserer Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer Stellung in der Gesellschaft zu verraten. Die richtige Anwendung der Einheitsfronttaktik zeigt sich dann, wenn Revolutionär:innen es schaffen, die reformistischen, anarchistischen, zentristischen, etc. Kräfte und deren Taktiken zu entlarven. Dafür ist die organisatorische Unabhängigkeit super wichtig, denn nur so können wir überhaupt ordentliche Kritik formulieren und die Reformist:innen in der Praxis entlarven. Um aber auch den Zweck der Einheitsfront zu erreichen, beispielsweise einen Rechten Aufmarsch aufzuhalten und eine linke/proletarische Perspektive entgegenzustellen, muss die Einheit in der Aktion gegeben sein.

Dass der Begriff Einheitsfront so selten fällt, obwohl es eigentlich eine notwendige Taktik ist, liegt daran, dass große reformistische Strukturen näher an bürgerlichen Parteien stehen und lieber „nach bürgerlichen Regeln spielen“ als „radikalere“ und kämpferische Alternativen in Betracht zu ziehen. Außerdem besteht die berechtigte Angst, dass die reformistischen Führungen die Kontrolle über „ihre“ Basis verlieren könnten. Es ist also unsere Aufgabe, solche Einheitsfronten aufzubauen und die reformistischen Führungen in diese zu zwingen, wenn sie nicht von sich aus mitarbeiten. Dafür müssen wir die Führung unter Druck setzen, zum Beispiel indem wir die Basis gegen sie mobilisieren. Dabei kann es von Vorteil sein, selbst in der Organisation, beispielsweise einer Gewerkschaft, Mitglied zu sein, um einfacheren Zugang zur Basis zu haben.

Aber die Einheitsfront ist nicht nur eine Taktik für abstrakte Notlagen in der Zukunft. Der aktuelle Rechtsruck in Deutschland und Europa lässt rechte Hetze hochkochen und führt in eine ungewisse Zukunft. Viele Menschen, besonders mit Migrationshintergrund oder betroffen von Armut machen sich Sorgen wie sehr sich ihre Lage noch verschlechtern wird mit dem Kurs den rechte und moderate Strömungen in Deutschland gerade anstreben. Deswegen ist es notwendig, mit einem breiteren Spektrum an Organisationen zusammenzuarbeiten, denn in der Masse liegt die Schlagfähigkeit. Außerdem zeigt uns der Rechtsruck, wie wichtig es ist, die Massen für kommunistische Politik zu überzeugen, denn nur revolutionäre Politik kann den Rechtsruck und dessen perfide Auswirkungen effektiv bekämpfen und ein für alle Mal beenden.




Grundlagen des Marxismus: Linker Populismus

Mit der Aufmerksamkeit und der Polarisierung rund um Sahra Wagenknecht ist der Vorwurf des „Linke Populismus“ wieder laut geworden. Doch was genau ist das, und warum sollten wir darüber sprechen? In diesem Artikel werden wir den Begriff des Linkspopulismus erklären, wie ihn unsere Jugendorganisation definiert, und welche Auswirkungen er auf unsere politische Arbeit hat.

Zunächst nochmal: Es ist wichtig, über Politische Strategien zu debattieren, denn sie sind letztendlich der Kern jeglicher politischen Bewegung. Solche Auseinandersetzungen helfen uns dabei, ideologische Überschneidungen zu identifizieren, unsere revolutionären Programme zu stärken und die richtigen Taktiken und Forderungen auszuwählen. Sie ermöglichen es uns auch, politische Erscheinungsformen zu erkennen und angemessen mit ihnen in unserer politischen Arbeit umzugehen.

Verständnis des Linken Populismus

Der Kern des Linke Populismus‘ ist ein Praxis, der darauf abzielt, eine politische Frontlinie zwischen zwei konstruierten Polen zu ziehen. Diese beiden Pole stellen dabei aber nicht wie im Marxismus ein verwobenes Klassenverhältnis als Grundlage eines gesellschaftlichen Systems dar, sondern werden als ein plumper Gegensatz dargestellt, in der Regel zwischen „dem Volk“ und „den Eliten / Reichen / Politiker:innen“ heruntergebrochen werden. Vereinfacht gesagt geht es darum, eine Frontlinie zwischen einem guten „Wir“ und einem bösen „Die“ aufzubauen, wobei es in der Charakterisierung dieser Kollektive eher um die individuellen Eigenschaften wie Ehrlichkeit, Fleiß und Schlauheit geht als um ein Verständnis der politisch-ökonomischen Dynamik. Mit dieser einfachen Opposition streben linke Populist:innen eine kollektive Identifikation an, die zumindest zeitweise sehr mobilisierend sein können. Diese erweitert in ihrer Argumentation, wie es beispielsweise die linkspopulistische Theoretikerin Chantal Mouffe ausdrückt, die Politik über reine Klasseninteressen hinaus. Jedoch rückt hier die Frage nach dem Verhältnis zwischen der Arbeiterklasse, den Kapitalist:innen und den Kleinbürger:innen in den Hintergrund. Der Fokus auf diese Klassenverhältnisse ist es, den Theoretiker:innen des Linkspopulismus besonders häufig an anderen Strömungen der Arbeiter:innenbewegung kritisieren. So werfen sie Marxist:innen vor, sie würden einen „Klassenessentialismus“ betreiben, also dass man dogmatisch in der politischen Theorie und Praxis alles auf die Klassenzugehörigkeit runterbricht. Diese Kritik wird damit begründet, dass durchdachte sozialistische Programme zu eingeschränkt seien, da sie jegliche Politik zu stark auf dem im Kapitalismus existierenden Klassenwiderspruch ausrichteten. Sie sehen eine Vereinfachung des Konzeptes als ein „Wir“ gegen „Die“ als eine vielversprechende Möglichkeit an, Massen von linker Politik zu überzeugen. Eine konkrete Analyse der Klassenwidersprüche ist für uns jedoch der zentralste und notwendigste Bestandteil dabei, eine wirksame politische Programmatik zu entwickeln, da diese die ökonomische und politische Grundlage der Gesellschaft bilden.

Das Ziel des linken Populismus ist nach seinen Befürworter:innen die Wiederherstellung und Vertiefung der Demokratie, indem man „dem Volk“ dazu behilft, seine eigentlich per Definition zustehenden Macht auszuüben, meist in der Form, die linkspopulistische Partei als deren Sprachrohr zu wählen. Die Vorstellung des „Volkes“ wird dabei eben nicht an objektiven Klassenunterschieden festgemacht, sondern kann je nach Auslegung als sozialer Schicht, Milieu oder politische Interessengruppe definiert sein. Diese Konstruktion des „Volkes“ kann somit auch mit reaktionären Positionen wie Nationalismus und (sozialem) Chauvinismus einhergehen und tut dies in der Praxis auch immer wieder, siehe Sahra Wagenknechts Befürwortung von Asylrechtsverschärfungen.

Ein weiteres Merkmal des Linkspopulismus ist die Konzentration auf einzelne Themen und die Verwendung von einfachen Erklärungen, die oft von emotionalen Elementen getragen werden. Dies kann eine effektive Methode sein, um die Massen zu mobilisieren, birgt jedoch auch das Risiko, dass politische Diskussionen oberflächlich und undifferenziert werden. Außerdem wird es dadurch schwieriger für die Arbeiter:innen, ihre objektive Lage im Kapitalismus zu erkennen und somit ein Klassenbewusstsein zu entwickeln. Das wollen aber Linkspopulist:innen ja auch gar nicht, denn es geht vornehmlich darum, gewählt zu werden.

Die populistische Bewegung oder Partei

Der Aufstieg von Parteien und Bewegungen, die sich zumindest linkspopulistischen Ansätzen bedienen, hat in den letzten Jahren durchaus großen Raum auf der politischen Bühne eingenommen. In Südamerika spielen linkspopulistische Kräfte schon lange eine recht große Rolle. Als europäische Beispiele sei hier die griechische Partei SYRIZA zu nennen, die nach dem Wahlsieg im Jahr 2015 den griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras stellte, sowie die Partei PODEMOS in Spanien, welche ebenso 2015 und auch später bei Parlamentswahlen zweitweise große Erfolge erzielte. Das jüngste Beispiel einer großen Partei ist sicherlich La France Insoumise rund um Mélenchon, der immerhin 22% bei der letzten Präsidentschaftswahl in Frankreich erringen konnte. Und was ist mit Sahra Wagenknecht? Definitiv trägt das ihr bisher vorgestelltes Programm linkspopulistische Züge, aber ist deutlich unklarer und enthält auch viel Konservativismus bis Nationalismus. Ob letztendlich die Partei, die dem Bündnis Sahra Wagenknecht nachfolgt, überhaupt als Ganzes als linkspopulistisch einzuschätzen ist, bleibt abzuwarten, sobald diese sich überhaupt konstituiert haben und klar ist, welche Kräfte dabei inhaltlich und organisatorisch mitmischen.

Die linkspopulistischen Elemente dieser Kräfte zielen dann darauf ab, Massen zu mobilisieren. Sie lehnen klassenbasierte Politik ab, versuchen aber den Raum zu füllen, der von der klassischen Sozialdemokratie zurückgelassen wird, da die Lohnabhängigen sich immer stärker von diesen abwenden. Das wird vor allem dann möglich, wenn das Vertrauen von Teilen der Arbeiter:innenklasse, aber auch der kleinbürgerlichen Bevölkerung und den Mittelschichten, in die parlamentarische Demokratie schwindet. In Zeiten politischer und wirtschaftlicher Krisen suchen sie nach Alternativen, die etablierte Formen der bürgerlich-demokratischen Herrschaft und die sie unterstützenden Parteien in Frage stellen. Linkspopulistische Parteien und Bewegungen scheinen in diesen Momenten eine solche Alternative zu bieten. Klare Frontlinien, einfache Forderungen und Vorschläge, die direkte Nöte der Menschen und politische Missstände adressieren, verschaffen ihnen, zumeist kurzweiligen, Aufschwung und Unterstützung der Wähler:innenschaft. Es kann auch gar nicht nachhaltig sein, denn die Beschränkung und Flachheit der politischen Theorie und Praxis führt meist zu einer höchstens reformerischen Politik, die nicht dazu in der Lage ist, die eigentlichen Probleme durch die Überwindung der Kapitalismus aufzulösen. Der versprochene Umschwung bleibt aus.

Verbindung des Populismus zu unserer politischen Arbeit

Der Linkspopulismus hat in den großen linken Parteien weltweit großen Einfluss. Natürlich gibt es Forderungen in bestimmten Kämpfen, die auch mit unseren Positionen als trotzkistische Jugendorganisation vereinbar sind. Durch diese gemeinsamen Positionen können Linkspopulist:innen und ihre Organisationen sowohl für uns als auch für andere revolutionäre Gruppen und Parteien temporäre Partner:innen darstellen. Dabei kritisieren wir den Linken Populismus und seine Strategie jedoch scharf, insbesondere seiner Missachtung des zentralen Klassenwiderspruchs, welche weitreichende Konsequenzen in Bezug auf Forderungen und Taktiken hat.

Die Bewegungen, die dem Linkspopulismus zuzuordnen sind, haben in den letzten Jahren einen nicht unwichtigen Platz auf der politischen Bühne gefunden und können insbesondere in Zeiten des Vertrauensverlusts in etablierte reformistische Parteien aufblühen. Dabei haben sie jedoch wie in Griechenland, Spanien oder mehreren Ländern Lateinamerikas, bereits gezeigt, dass ihre Taktik keine wirkliche Lösung für die Krisen des Kapitalismus bieten kann. Tsipras musste am Ende vor der Troika kapitulieren, da er nicht bereit war, mit der nationalen Bourgeoisie zu brechen und eine Arbeiter:innenregierung zu schaffen. Die peronistische Opposition in Argentinien verhält sich im Kampf gegen Mileis radikale Angriffe sehr zurückhaltend, da sie nicht bereit ist, den Arbeiter:innen eine radikale Antikrisenpolitik in ihrem Interesse anzubieten und nicht mit der bürgerlichen Politik brechen will. Dennoch müssen wir als kommunistische Jugendorganisation genau auf die Entwicklung linkspopulistischer Organisationen schauen und diesen Zusammenarbeit anbieten, wo das sinnvoll ist. Gerade auch um die inneren Widersprüche des Linkspopulismus zu vertiefen und deren Mitgliedern aufzuzeigen, dass ein klares Benennen des Klassengegensatzes und eine Politik im Interesse des Proletariats, die einzige Möglichkeit sind, die Krise tatsächlich zu lösen.




Wagenknechts neue Partei: Alle für „unser Land“?

von Martin Suchanek, Oktober 2023, zuerst erschienen in der Infomail 1234 der Gruppe Arbeiter:innemacht,

„Unser Land ist in keiner guten Verfassung.“ So beginnt das Gründungsmanifest des „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW), das allen „Wirtschaftliche Vernunft“, „Soziale Gerechtigkeit“, „Frieden“ und „Freiheit“ verspricht. Schließlich verdiene „unser Land“ „eine selbstbewusste Politik, die das Wohlergehen seiner Bürger in den Mittelpunkt stellt“.

Und diese versprechen Wagenknecht und 15 weitere Abgeordnete und Politiker:innen der Linkspartei, die mit dem offenen Brief „Warum wir Die Linke verlassen“ ihren Austritt aus der Partei erklären. Die 16 hätten immer wieder argumentiert, „dass falsche Schwerpunkte und die fehlende Konzentration auf soziale Gerechtigkeit und Frieden das Profil der Partei verwässern.“ Ihre Positionen hätten keinen Platz mehr in der Partei gefunden.

Vorweg: Begriffe wie Kapitalismus, Imperialismus, Sozialismus, Arbeiter:innenklasse, Klassengesellschaft oder links kommen im Gründungsmanifest des „Bündnis Sahra Wagenknecht“, das am 23. Oktober auf der Bundespresskonferenz vorgestellt wurde, erst gar nicht vor.

Wirtschaft

Dafür gibt der Text einen Vorgeschmack, wohin die Reise politisch und programmatisch gehen soll: „Mehr Innovation, Bildung und bessere Infrastruktur. Für eine starke und innovative Wirtschaft“ – so die Überschrift des ersten von vier Schwerpunktthemen.

Darin wird ein Zeichen des Niedergangs „unserer“ Wirtschaft präsentiert, wie es auch von jeder anderen Partei im Bundestagspartei kommen könnte, ob nun AfD, CDU/CSU oder der Ampel. Die Rahmenbedingungen für Industrie und Mittelstand hätten sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert, beklagt das BSW.

Woran liegt es? „Von Konzernen beeinflusste und gekaufte Politik und das Versagen der Kartellbehörden haben eine Marktwirtschaft geschaffen, in der viele Märkte nicht mehr funktionieren.“ Und die Lösung? Echter, also fairer Wettbewerb, wie es ihn angeblich mal unter Ludwig Erhard und Willi Brandt gegeben hätte.

„Wir streben eine innovative Wirtschaft mit fairem Wettbewerb, gut bezahlten sicheren Arbeitsplätzen, einem hohen Anteil industrieller Wertschöpfung, einem gerechten Steuersystem und einem starken Mittelstand an. Dafür wollen wir Marktmacht begrenzen und marktbeherrschende Konzerne entflechten. Wo Monopole unvermeidlich sind, müssen die Aufgaben gemeinnützigen Anbietern übertragen werden.“

Dass die Konkurrenz selbst zur Zentralisation und Konzentration des Kapitals führen muss, davon will die ehemalige Marxistin Wagenknecht längst nichts mehr wissen. Statt dessen folgt der Griff in die Mottenkiste des kleinbürgerlichen Antimonopolismus, der hofft, mit staatlichen Regulierungen die Entwicklungsdynamik des Kapitals lenken zu können. Es handele sich um eine Wirtschaftspolitik, in deren Zentrum der vorzugsweise deutsche Mittelstand stehe: „Wir brauchen Zukunftsfonds zur Förderung innovativer heimischer Unternehmen und Start-ups und nicht Milliardensubventionen für Konzerne aus Übersee.“ Gegen staatliche Förderungen des Privatkapitals ist also nichts weiter einzuwenden, solange es nicht aus Übersee kommt, sondern deutsch und innovativ ist.

Soziale Gerechtigkeit

Auf der Stärke der heimischen Industrie und des privaten Mittelstandes würden laut BSW „mehr Solidarität, Chancengleichheit und soziale Sicherheit“ fußen, die in einem „starken gesellschaftlichen Zusammenhalt“ münden sollen.

Eine hochproduktive Wirtschaft brauche schließlich gut bezahlte, hoch motivierte Arbeitskräfte mit sicheren Arbeitsbedingungen, guter Infrastruktur und Sozialstaat. Solcherart könne der „soziale Zusammenhalt“ garantiert werden, denn schließlich hätten alle – Unternehmen wie Beschäftigte – etwas davon. Denn: „Unser Ziel ist eine faire Leistungsgesellschaft mit echter Chancengleichheit und einem hohen Grad an sozialer Sicherheit.“ Schließlich dürfe der persönliche Wohlstand „keine Frage der sozialen Herkunft“, „sondern muss das Ergebnis von Fleiß und individueller Anstrengung sein.“ Das Märchen vom Tellerwäscher, der es zum Millionär bringen könnte, darf natürlich beim BSW nicht fehlen.

Freiheit

Wenn alle in der echten deutschen Marktwirtschaft ihr gutes Auskommen haben, würde es schließlich auch mit der Freiheit wieder richtig klappen, verspricht der Abschnitt „Verteidigung der persönlichen Freiheit. Für die Stärkung unserer Demokratie“.

Dann wäre endlich Schluss mit „Cancel Culture, Konformitätsdruck und der zunehmenden Verengung des Meinungsspektrums“. Allerdings nicht für alle: Zuwanderung und Migration müssten schließlich begrenzt werden, denn die Freiheit, die das BSW verspricht, gibt es nur für jene, die dem deutschen Sozialstaat zumutbar sind. „Das gilt aber nur, solange der Zuzug auf eine Größenordnung begrenzt bleibt, die unser Land und seine Infrastruktur nicht überfordert, und sofern Integration aktiv gefördert wird und gelingt.“ Und – daran lässt Sahra Wagenknecht schon lange keinen Zweifel mehr – dieser Punkt sei längst überschritten und daher stimmt die neue vorgebliche Oppositionspartei gleich in den Chor all jener ein, die praktisch täglich neue rassistische Gesetzesverschärfungen fordern.

Frieden

Bleibt noch der Ruf nach einem „neuen Verständnis der Außenpolitik“ in der Tradition von Willi Brandt und Michail Gorbatschow. Das BWS gibt sich betont pazifistisch: „Die Lösung von Konflikten mit militärischen Mitteln lehnen wir grundsätzlich ab.“ Ob imperialistische Intervention, Verteidigung des nationalen Selbstbestimmungsrechts – für BWS ist alles gleichermaßen schlecht.

Auch wenn es zu Recht die Aufrüstung der NATO anprangert, so bleibt sein Programm vollkommen utopisch. Schließlich muss auch in der Welt des BSW der Weltfrieden irgendwie garantiert werden. Aber wie? Inmitten des Kampfes um die Neuaufteilung der Welt zwischen imperialistischen Mächten strebt es eine „neue Ära der Entspannung und neue Verträge über Abrüstung und gemeinsame Sicherheit an“. Die imperialistische Ordnung soll – ganz wie der Kapitalismus – nicht bekämpft, sondern nur reguliert werden – und zwar vorzugsweise von jenen Mächten, die heute die Welt dominieren.

Deutschland soll dabei aktiv mitmischen, ja voranschreiten. So erfahren wir vom BSW: „Europa benötigt eine stabile Sicherheitsarchitektur.“ Natürlich mit Bundeswehr. Diese hätte schließlich den „Auftrag, unser Land zu verteidigen. Für diese Aufgabe muss sie angemessen ausgerüstet sein.“

Soziale Marktwirtschaft als Heilsversprechen

So endet das BSW bei den Heilsversprechen der „sozialen Marktwirtschaft“. Es bleibt im Grunde sogar weit hinter den Formulierungen der alten Sozialdemokratie oder von Teilen der Linkspartei wie der Bewegungslinken zurück, die über Verstaatlichungen oder „Vergesellschaftung“ eine langwierige Transformation zu einer neuen Gesellschaft versprachen oder versprechen. Selbst von diesen reformistischen Sonntagsreden will das BSW nichts wissen. Es setzt vielmehr auf echten, fairen Wettbewerb, damit der „Mittelstand“ endlich wieder Deutschland voranbringt.

Statt reformistisch eingehegter, im Grunde bürgerlicher Arbeiter:innenpolitik, die immerhin noch den Klassengegensatz formal berücksichtigt, kennt die neue Partei keine Klassen. Das Großkapital wird nicht als Kapital kritisiert, sondern der Verzerrung des Wettbewerbs angeklagt, der eigentlichen Quelle allen Übels.

Daher stellt es den Monopolen und insbesondere den ausländischen Großkonzernen die Einheit des „Volkes“, vom mittleren und kleinen Unternehmen bis zum prekär Beschäftigten entgegen. Von einer „richtigen“ Wirtschaftspolitik könnten dann alle profitieren, vorausgesetzt, der Staat würde sich um die „wirklichen Menschen“ und nicht um „Randgruppen“ kümmern und auch die Zahl der Menschen auf ein „vernünftiges“ Maß durch effektive Einreiserestriktionen begrenzen.

Dieses Weltsicht, diese politische Heilserwartung entspricht der „Vernunft“, genauer der Klassenlage, deutscher Kleinbürger:innen und Mittelschichten. Links und oppositionell ist daran – nichts.




Abschlusserklärung der Konferenz für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und [’solid]

Bis 150 Menschen diskutierten auf der Konferenz „15 Jahre Solid und Linkspartei – Welche Organisation für den Klassenkampf?“ über die Notwendigkeit eines revolutionären Bruchs mit der Linkspartei und dem Reformismus. Im Folgenden veröffentlichen wir die Abschlusserklärung der Konferenz, die von einer Mehrheit von zwei Dritteln der Anwesenden angenommen wurde, und die Minderheitsresolution. Die Mehrheitsresolution basiert auf einem Entwurf der Revolutionären Internationalistischen Organisation / Klasse Gegen Klasse. Die Minderheitsposition wurde von vier Genoss:innen einbracht wurde und von der Gruppe Arbeiter:innenmacht und von REVOLUTION unterstützt.

Gegen die Logik des geringeren Übels: Für den Aufbau einer von Staat und Kapital unabhängigen revolutionären sozialistischen Kraft der Arbeiter:innen, der Jugend, der Frauen, LGBTQIA+ und Migrant:innen!

1. Die Partei DIE LINKE und ihre Jugendorganisationen, die Linksjugend [’solid] und Die Linke.SDS, sind gescheitert. Seit 15 Jahren vertiefen sie stetig ihre Perspektive der Mitverwaltung des kapitalistischen Elends. In 13 Regierungsbeteiligungen haben sie Abschiebungen, Zwangsräumungen, Privatisierungen, Polizeigewalt und vieles mehr mitverantwortet. Die Partei, all ihre Hauptströmungen – egal ob der “Reformer”-Flügel um Dietmar Bartsch, die Bewegungslinke oder der Wagenknecht-Flügel – und ihr gesamter Apparat sind fest in den deutschen Staat verankert. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise, angesichts der Stärkung der AfD und der extremen Rechten sagen wir: Nur eine sozialistische Perspektive, die die Interessen des Kapitals wirksam angreift, kann eine Antwort auf die Probleme der Ausgebeuteten und Unterdrückten geben. Deshalb brechen wir mit der Strategie der Linkspartei und ihrer Jugendorganisationen und erklären unseren Austritt.

2. Das Scheitern der Linkspartei ist kein Zufall oder Produkt widriger Umstände, sondern eine Konsequenz ihrer gesamten Strategie. Sie ist eine strategisch auf Wahlen und Parlamentssitze ausgerichtete Partei, um auf diesem Weg an die Regierung des bürgerlichen Staates zu gelangen. Jegliche Veränderung geht laut dieser Strategie von Regierungs- und Parlamentsposten aus. Daran ändert auch nichts, dass eine kleine Minderheit der Partei Regierungsbeteiligungen “kritisch” sieht, ebenso wenig einzelne “linkere” Ortsgruppen ihres Jugendverbands. “Rebellisch regieren”, wie es die Bewegungslinke immer wieder vorschlägt, ist nur eine linkere Rhetorik für denselben Vorschlag. Die Mobilisierung und Organisierung auf der Straße oder in den Betrieben, Schulen und Universitäten ist in dieser Sichtweise nur ein Druckmittel, um parlamentarische Mehrheiten zu erlangen. Unsere Perspektive ist dem radikal entgegengesetzt: Das strategische Zentrum für die Veränderung der Gesellschaft – d. h. für die Enteignung des Kapitals und die Errichtung einer Arbeiter:innenregierung in der Perspektive einer weltweiten sozialistischen Revolution – ist der Klassenkampf; parlamentarische Positionen können diesen lediglich unterstützen, nicht ersetzen. Gegen die Unterordnung unter die Interessen des Kapitals setzen wir die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse vom Kapital, von der Regierung und von den Bürokratien der Gewerkschaften und der NGOs, die sie stützen.

3. Wir stellen uns gegen den deutschen Imperialismus und gegen die Ampelregierung, die die größte militärische Aufrüstung seit Jahrzehnten vorantreibt. Sie erkauft im Bündnis mit den Gewerkschaftsbürokratien und den Bossen mit kleinen Zugeständnissen das Stillhalten der Massen angesichts der Krise – in der Perspektive werden aber die Ausgebeuteten und Unterdrückten nicht nur hierzulande, sondern auch international für die militärische “Zeitenwende” zahlen müssen. Die Militarisierung nach außen geht auch einher mit einer Stärkung des Repressionsapparats nach innen, wie nicht zuletzt die Razzien und Präventivhaft gegen die “Letzte Generation” zeigen. In diesem Kontext lässt die Regierung auch den letzten Anschein von Klimaschutz fallen, wie die anstehende Räumung von Lützerath im Interesse des Energiekonzerns RWE zeigt – ein weiterer Beweis dafür, dass der “grüne Kapitalismus” unmöglich ist.

4. Während­dessen stärkt sich die extreme Rechte, insbe­sondere im Innern der staatlichen Institutionen (Militär, Polizei, Justiz usw.). Der rechte Terror im Inneren ist ein Widerhall des erstarkenden Imperialismus nach außen. Die Ampel-Regierung verstärkt den staatlichen Rassismus, baut die Polizei weiter aus, schiebt Menschen in Kriegsgebiete ab und ist für den Massenmord an Außengrenzen der EU verantwortlich – und setzt somit die Politik um, die von der AfD und der extremen Rechten gefordert werden. Daher kann der Auf­stieg der Rechten nicht mit einer Logik des “ge­ringeren Übels” der Unterstützung von “linken” oder “fortschrittlichen” Regierungen bekämpft werden. Die herrschende Klasse und rechte Kräfte machen durch die bürgerlichen Medien die migrantischen Teile unserer Klasse für die Wirtschaftskrise verantwortlich. Nicht zuletzt bei der rassistischen Hetzkampagne um Silvester haben wir gesehen, dass die Medien die Abschiebung von vermeintlich “nicht-integrierbaren” migrantischen Kindern und Jugendlichen forderten.Die Reihen der multiethnischen Arbeiter:innenklasse in Deutschland sollen durch den anti-muslimischen Rassismus gespaltn werden. Es ist eine dringlichere Aufgabe denn je zuvor, sich dagegen zur Wehr zu setzen – unter anderem auch gegen die Politik der Rot-Rot-Grünen Regierung in Berlin, an der die LINKE beteiligt ist, die aus Razzien in Schischa-Bars, Racial Profiling in migrantischen Kiezen sowie Hexenjagden auf Jugendliche besteht. Wir müssen für die Abschaffung der Geflüchtetenlager und das Recht auf eine eigene und bezahlbare Wohnung kämpfen. Abschiebungen müssen gestoppt und Asylanträge anerkannt werden.Schluss mit unterschiedlichen Behandlung von Geflüchteten je nach Herkunftsland. Gegen die Logik der Spaltung von Geflüchteten durch besonders qualifizierten oder unqualifizierten Teile. Arbeitsrechte und volle Staatsbürger:innenrechte für alle Menschen, die hier leben. Auch wenn wir bei den Abgeordnetenwahlen keine unterstützenswerte Partei erkennen, kämpfen wir für das Wahlrecht aller Menschen, die hier leben. Es braucht Kampagnen in Gewerkschaften für antirassistische Forderungen und für den Ausschluss der GdP aus dem DGB, was wir als eine der Aufgaben der antibürokratischen und klassenkämpferischen Strömung sehen, die wir in den Gewerkschaften aufbauen wollen.

5. Die Kapitalist:innen und ihre Regierungen haben der Jugend nur eine Perspektive des Verzichts, des Militarismus und der Klimakatastrophe anzubieten. Wir schulden ihnen nichts! Anstelle der Logik des geringeren Übels oder der politischen Resignation wollen wir eine Jugend aufbauen, die für eine ganz andere Zukunft kämpft: Eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung, die die Ressourcen dieses Planeten nachhaltig nutzt und statt hirnloser und gesundheitsschädigender Lohnarbeit die freie Entfaltung all unserer schöpferischen und kreativen Potenziale ermöglicht. Wenn deshalb die Regierenden von einer „Zeitenwende“ sprechen und uns auf künftige Kriege im Dienste des Kapitals vorbereiten wollen, sagen wir: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus! Gerade im imperialistischen Deutschland ist es unsere Aufgabe, eine revolutionäre, antiimperialistische Jugend an der Seite der Arbeiter:innen und aller Unterdrückten aufzubauen, die sich weder dem imperialistischen Kriegsgetrommel der „Heimatfront“ und der NATO anpasst noch reaktionäre Führungen wie Putin unterstützt oder entschuldigt.

6. Wir sind der Meinung, dass die einzige Kraft, die nicht nur einen Kampf gegen die imperialistische Politik der Regierung führen, sondern tatsächlich ein Ende von Ausbeutung und Unterdrückung erkämpfen kann, die Arbeiter:innenklasse ist. Aber nicht als gesichtslose Masse ohne Ansehen von Sexismus-, Homophobie- und Rassismuserfahrung(en), sondern im Gegenteil als Klasse, die insbesondere in einem Land wie Deutschland auch sehr migrantisch ist und immer weiblicher und offen queerer wird. Sie kann aufgrund ihrer Stellung im kapitalistischen Produktionsprozess nicht nur die zentralen Hebel der Wirtschaft lahmlegen. Sondern sie kann die Gesamtheit aller unterdrückten Teile der Bevölkerung im Kampf gegen Staat und Kapital anführen. Dafür muss sie sich deren Forderungen zu eigen machen und sich selbst an die Spitze der Kämpfe gegen Sexismus, Rassismus und jegliche Form von Unterdrückung stellen, anstatt nur eine von vielen gleichrangig getrennt voneinander agierenden Bewegungen zu bilden, wie es beispielsweise die Bewegungslinke propagiert.

7. Die Trennung von Fragen der Unterdrückung (Sexismus, Rassismus, LGBTQIA+-Feindlichkeit usw.) vom Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung zementiert die Spaltung der Arbeiter:innenklasse. Diese ist für das Kapital funktional und wird vom Staat und den Bürokratien in der Arbeiter:innenbewegung aufrecht erhalten, die stets versuchen, ökonomische von sozialen und politischen Kämpfen zu trennen. Sie steht auch der Perspektive des Kampfes für eine Gesellschaft, die frei von jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung ist, unmittelbar entgegen. Deshalb haben wir nichts gemeinsam mit der populistischen Perspektive von Sahra Wagenknecht, die unter dem Vorwand einer Rückkehr zu mehr “Klassenpolitik” die Fragen der Unterdrückung herunterspielt. Die Strategie von Wagenknecht, ebenso wie die ihres französischen Pendants Jean-Luc Mélenchon und La France Insoumise ist darauf ausgelegt, die Interessen der “weißen Arbeiterklasse” mit den Interessen der imperialistischen Bourgeoisie zu vereinen. Ihre links klingenden Phrasen sind in Wahrheit nichts anderes als die Verteidigung des Standortnationalismus der Konzerne. Anstatt den Rechten das Wasser abzugraben, überlässt sie ihnen mit dieser Strategie das Feld.

8. Ihre Perspektive teilt die Linkspartei auch mit „neo-reformistischen“ oder linkspopulistischen Projekten der vergangenen Jahre wie Syriza in Griechenland, Podemos im Spanischen Staat oder La France Insoumise in Frankreich. Sie sind keine Ausdrücke des Klassenkampfes. Im Gegenteil: Sie lenken den Klassenkampf in staatstragende Bahnen um. Podemos hat ihre Opposition zur Monarchie abgelegt und setzt als Teil der spanischen Regierung derzeit die Aufrüstung und die Abschottungspolitik gegen Migrant:innen und die Zusammenarbeit mit Marokko zur kolonialen Unterdrückung der Westsahara fort. Die linksreformistische Wahlfront Syriza setzte 2015 an der griechischen Regierung die Spardiktate von IWF, EZB und EU um, obwohl sie sich vorher ausdrücklich dagegen positioniert hatte. In Griechenland zeigte sich auch, dass die EU ein imperialistischer Block ist, der den Interessen vor allem des deutschen Kapitals dient. Sozialist:innen müssen die EU als imperialistisches Projekt ablehnen, aber ohne die Perspektive der Rückkehr zum Nationalstaat – wie es beispielsweise Sahra Wagenknecht oder Jean-Luc Mélenchon vorschlagen –, sondern in der Perspektive der Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa.

9. Der Stalinismus hat die revolutionäre Tradition weltweit, aber gerade auch in Deutschland zutiefst beschädigt. Denjenigen, die heute aus der Krise der Linkspartei Schlussfolgerungen ziehen wollen, raten wir dringend, auch aus dem Erbe des Stalinismus die nötigen Lehren zu ziehen. Die Bürokratisierung der Arbeiter:innenstaaten – nicht zuletzt der DDR –, die Unterordnung von Fragen der Unterdrückung, die Unterstützung für bürgerliche Parteien im Namen der nationalen Befreiung (sowohl linkerer Varianten wie die des frühen Chavismus als auch die Unterstützung für reaktionäre Anführer wie Assad in Syrien im Namen des „Antiimperialismus“), die offene oder verdeckte Sabotage unzähliger revolutionärer Prozesse, und die absolute Geringschätzung der selbstorganisierten Demokratie der Arbeiter:innen sind nur einige Elemente, die uns dazu veranlassen zu sagen: Das ist nicht unser Sozialismus. Im Gegenteil: Eine revolutionäre Kraft in Deutschland kann nur entstehen, wenn sie dieses Erbe hinter sich lässt.

10. Angesichts der Verschärfung der Klimakatastrophe, angesichts von Krieg und Aufrüstung, angesichts von fortgesetzter Inflation und Wirtschaftskrise braucht es eine konsequente Opposition in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße. Sie muss für ein soziales Notfallprogramm kämpfen, das die kapitalistischen Profitinteressen angreift und angesichts von Krise, Krieg und Klimakatastrophe eine sozialistische Perspektive aufwirft. Für sofortige Preisstopps, für die automatische Angleichung von Löhnen, Renten, Sozialleistungen, Bafög etc. an die Inflation, für hohe Gewinn- und Vermögenssteuern, für die Enteignung von Immobilien- und Energiekonzernen in der Perspektive der entschädigungslosen Enteignung aller Großunternehmen unter Kontrolle der Arbeiter:innen, für einen sozialen und ökologischen Umbau des Energiesystems und der gesamten Wirtschaft, gegen den Krieg, Sanktionen und Waffenlieferungen, gegen die 100-Milliarden-Aufrüstung. Weder Putin noch die NATO, und gegen den Militarismus des deutschen Imperialismus.

11. Um ein solches Programm umzusetzen, müssen wir in den Betrieben, Schulen und Universitäten und auf der Straße eine Einheitsfront für den Kampf gegen die Regierung und das Kapital aufbauen. Dazu ist es notwendig, die bremsende Rolle der Bürokratien der SPD, der Gewerkschaften und NGOs zu überwinden und ihr eine Perspektive der Selbstorganisation und der Koordinierung der Kämpfe gegenüberzustellen –  für klassenkämpferische Gewerkschaften und für die Selbstorganisation der Arbeiter:innen. Nicht nur in vereinzelten Kämpfen, sondern auch als Perspektive einer politischen Alternative jenseits kapitalistischer Regierungen. Denn die Führungen unserer Gewerkschaften zeigen aktuell wieder mit der Konzertierten Aktion (regelmäßige Treffen, bei denen sie sich mit Politik, Unternehmensverbänden und der Deutschen Bank abstimmen), dass sie lieber mit der Regierung und den Kapitalist:innen schlechte Kompromisse aushandeln. Den Preis dafür zahlen wir heute als Arbeiter:innen und als Jugendliche. Aber auch die Ausweitung befristeter Verträge wurde von unseren Gewerkschaftsführungen mit unterschrieben. Gegen diese sozialpartnerschaftliche Politik versuchen wir in Streiks, Kämpfe und Bewegungen Instanzen der Selbstorganisation und der breitestmöglichen Demokratie der Kämpfenden zu entwickeln, wie beispielsweise Streikversammlungen, imperative Mandate und die jederzeitige Abwählbarkeit von Vertreter:innen. Wir wollen schon heute durch ein Bewusstsein erzeugen, dass Leute zu dem Schluss kommen: “Die Bosse und die Herrschenden brauchen wir nicht, wir nehmen die Wirtschaft selbst in die Hand und wollen den Staat stürzen.”

12. Dies kann nur der erste Schritt hin zum Aufbau einer unabhängigen revolutionären Partei der Arbeiter:innenklasse sein. Denn mit dem Bruch mit der Linkspartei fängt unsere Aufgabe erst an: eine Organisation aufzubauen, die die fortschrittlichsten Teile der Arbeiter:innenklasse, der Jugend, der Frauen und LGBTQIA+, der Migrant:innen im Kampf für den Sturz des Kapitalismus und für die sozialistische Revolution anführen kann. Zu diesem Zweck haben wir bei dieser Konferenz begonnen, Debatten über strategische Lehren aus dem Scheitern der Linkspartei und über die Strategie für die Revolution zu führen. Diese Debatten wollen wir fortführen:

a. Als Alternative zur Anpassung an den Reformismus hat sich vor über zehn Jahren in Frankreich die Neue Antikapitalistische Partei gebildet, als Prototyp einer „breiten antikapitalistischen Partei“, die alle Strömungen links vom Reformismus, die sich als antikapitalistisch verstanden, sammeln wollte. Im Dezember 2022 hat sich die NPA infolge der Anpassung der Leitungsmehrheit an den Reformismus/Linkspopulismus gespalten. So hat sich gezeigt, dass die „breite antikapitalistische Partei“ ohne klare strategische Abgrenzung und ohne strategisches Zentrum im Klassenkampf problematisch ist. Für den Aufbau einer revolutionären Organisation ist es wichtig, daraus die korrekten Lehren zu ziehen. Das wollen wir in weiteren Diskussionen vertiefen.

b. Die Anwesenden sind sich einig, dass eine gemeinsame Intervention auf der Grundlage der in dieser Erklärung vorgelegten Eckpunkte in kommende Kämpfe möglich und nötig ist. Wir wollen:

  • in die kommende Tarifrunde des öffentlichen Dienstes (TVöD) mit einem Programm intervenieren, das die Forderung nach einem realen Inflationsausgleich erhebt und mit einem weitergehenden Programm gegen Krise, Krieg und Klimakatastrophe verbindet; die ver.di Kampagne um die TVöD-Runde mitaufbauen, gemeinsam mit der VKG in die Betriebsgruppen intervenieren und auf das Organisieren von politischen Demonstrationen an Streiktagen hinarbeiten, die ein solches Programm erheben:
  • Inflationsausgleich für alle, Anpassung aller Sozialleistungen an die Inflation, Erlass eines Mietenstopps, DWE durchsetzen.
  • Milliarden Investitionen in Gesundheit, Bildung und Klima statt 100 Milliarden in Aufrüstung, Einführung von Vermögenssteuern und Abgaben,
  • Vergesellschaftung der Energieversorgung unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und der Bevölkerung etc.,
  • Gegen die rassistische Hetze gegen unsere Kolleg:innen mit Flucht und Migrationserfahrungen und für Arbeits-und Studienerlaubnis für alle, Stopp aller Abschiebungen.
  • Solidarität mit Gewerkschaften und Arbeiter:innen anderer Länder, die unter Krise und Krieg leiden. Internationale Solidarität zwischen Arbeiter:innen, die unter gegenseitigen Sanktionen leiden.
  • in allen Kämpfen die Selbstorganisation der Arbeiter:innen unterstützen, wie bspw. aktuell in Kampf der Hebammen in Neuperlach gegen die Schließung ihres Kreißsaals.
  • angefangen mit dem Widerstand in Lützerath, mit einem sozialistischem Programm in die Klimabewegung intervenieren und Initiativen aus der Arbeiter:innenbewegung vorbereiten, um die Arbeiter:innenklasse als politisches Subjekt im Kampf gegen die Klimakatastrophe und eine demokratisch-ökologische Planwirtschaft aufzuzeigen.
  • uns an allen Mobilisierungen gegen den staatlichen Rassismus, Polizeigewalt, Abschiebungen und extremen/faschistischen Rechten beteiligen. An allen Orten besonders gegen die aktuelle rassistische Stigmatisierung von migrantischen Jugendlichen stellen.
  • uns an den Mobilisierungen um den 8.März beteiligen, darauf hinarbeiten, dass bundesweite Streikaktionen unterschiedlicher Bewegungen an diesem Tag mit einem feministischen Programm stattfinden.
  • uns an allen weiteren Mobilisierungen gegen Militarisierung und Krieg beteiligen, mit einer Perspektive der internationalen Solidarität der Arbeiter:innenklasse gegen die Agression der kapitalistischen Regierungen, für die Notwendigkeit des Kampfes der Arbeiter:innenklasse in Deutschland gegen ihre imperialistische Regierung.
  • Uns an Mobilisierungen gegen Kolonialismus zu beteiligen, mit einer bedingungslosen Solidarität mit dem Kampf der kolonisierten Völker wie in Kurdistan und Palästina für ihre Befreiung, die vom deutschen Staat insbesondere bekämpft werden. Wir treten für die Entkriminalisierung ihrer Widerstandsorganisationen und für den Stopp aller deutschen Waffenlieferungen an die Türkei, Israel, sowie anderer Länder ein.
  • angesichts des Verrats der Linkspartei am Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen, tausenden Abschiebungen, Ausbau des rassistischen Polizeiapparates, weiterer Kürzungspolitik in Gesundheit und Bildung usw. lehnen wir eine Wahlunterstützung für die Linkspartei bei der Wiederho­lung der Abgeordnetenhauswahl ab. Dagegen betonen wir die Notwendigkeit der revolutionär-sozialistischen Kandidaturen abseits der reformistischen Parteien, organisieren gemeinsam mit allen Interessierten eine Kampagne gegen die erneuten Regierungsbeteiligungen der LINKEN an RRG und setzen uns für erneute Mobilisierungen für die Enteignung der großen Immobilienkonzerne durchführen.

c. Über die konkrete Intervention in Streiks und Kämpfe hinaus wollen wir eine politische Kraft aufbauen, die den Reformismus auf allen Ebenen – auch auf der Ebene der Wahlen – konfrontieren kann. Wir wollen dabei keine prinzipienlose Fusion verschiedener Organisationen mit unterschiedlichen Strategien oder eine breite Sammlung von antikapitalistischen Aktivist:innen ohne strategische Klarheit. Der Weg zu einer größeren programmatischen und strategischen Klarheit besteht darin, in gemeinsamen Kämpfen Positionen auszutesten und Übereinkünften weiterzuentwickeln – aber auch darin, beispielsweise gemeinsame Antritte bei Wahlen mit einem Programm der Unabhängigkeit der Arbeiter:innenklasse anzustreben. Deshalb rufen die Unterzeichner:innen alle Organisationen, die dem Inhalt dieser Erklärung zustimmen, dazu auf, Schritte für den Aufbau einer gemeinsamen revolutionären Front zu gehen. Diese Front muss basieren auf gemeinsamen Erfahrungen im Klassenkampf und der politischen Intervention in Streiks, sozialen Kämpfen sowie perspektivisch Wahlen auf Kommunal-, Landes- und Bundesebene. Mit den Lehren der Erfahrungen von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind wir der Meinung, dass ein Bruch der Revolutionär:innen mit den sozialdemokratischen Verwalter:innen des Kapitalismus nicht nur notwendig, sondern unumgänglich ist.




Revolutionärer Bruch braucht Programm

Am 10. Oktober 2022 veröffentlichten junge Sozialist:innen, die in der Linksjugend solid aktiv sind, eine Erklärung unter dem Titel „Für einen revolutionären Bruch mit der Linkspartei und solid“. Wir begrüßen die Diskussion um den Aufbau einer revolutionär-sozialistischen Partei in Deustchland, an der wir uns aktiv beteiligen wollen. Hier spiegeln wir eine Erklärung von mehreren Genoss:innen, die sich begannen in solid zu politisieren und sich im Verlauf des letzten Jahres auch der Jugendorganisation REVOLUTION anschlossen. Sie stellen hier ihre Ansichten zu den Grundlagen einer neuen revolutionären Kraft zur Diskussion.

Verfasser:

Die Weltgesellschaft befindet sich wahrhaftig an einem Wendepunkt. Die Bewegungen der Lohnabhängigen und sozial Unterdrückten sehen sich mit einer grundlegend neuen Situation konfrontiert.

Mit dem Krieg in der Ukraine hat auch eine allgemeine Auseinandersetzung um die Neuaufteilung der Welt begonnen. Großmächte wie China, Russland, Indien, die USA, Japan, Deutschland, Frankreich und Großbritannien bereiten sich auf einen globalen militärischen Konflikt vor, der die gesamte Zivilisation zerstören könnte. Die Diskussion über die Gefahr eines Dritten Weltkrieg ist in den offiziellen Medien, in den Reden von Politiker:innen und im alltäglichen Gespräch kein Tabu mehr. Gerade für die Jugend gilt es, zu verhindern, dass ein dritter Weltkrieg je ausbrechen kann.

Die Klimakatastrophe ist heute. Verwüstung, Trockenheit und Feuer wechseln Fluten, Überschwemmungen und Stürme ab. Gleichzeitig erleben wir ein apokalyptisches Artensterben. Wir erleiden die Vermüllung unseres Planeten, und die Vergiftung unseres Trinkwassers und unserer Nahrung. Während allein in diesem Jahr weltweit eine Billion Dollar für den Militarismus ausgegeben wurden, bleibt die ökologische Transformation aus, die uns bürgerliche Politiker:innen und Konzerne immer wieder versprachen. (Das sind 1000000000000 Dollar oder eintausend Milliarden Dollar.) Wenn wir die Zukunft der jungen Generation sichern wollen, braucht es einen radikalen Systemwechsel.

Gleichzeitig brach mit der Corona-Pandemie auch eine außerordentliche Wirtschaftskrise des Kapitalismus aus. Die Lohnabhängigen, kleine Bauern, die kleinen Gewerbetreibenden, sowie die städtische und ländliche Armut werden unter dieser Krise erdrückt. Große Teile der Welt erleben eine massive Hungerkrise. Auch hier in Deutschland überschritt die Inflation zuletzt die 10% Marke, viele bangen um ihre Arbeit, ihre Wohnung, fürchten sich vor der nächsten Gasrechnung oder dem Einkauf. Mehr als 16% der Bevölkerung lassen eine Mahlzeit aus, um zu sparen. Währenddessen vermehrt sich der Reichtum der großen Kapitalist:innen. Wenn wir nicht erneut wie 2008 für die kapitalistische Krise zahlen sollen, braucht es einen entschlossenen Kampf von unten.

Diese drei Menschheitsfragen können nicht durch den Kapitalismus gelöst werden. Denn es ist der Kapitalismus, der sie hervorgerufen hat.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die sich an den Bedürfnissen der gesamten Menschheit ausrichtet, auch der Generation von Morgen.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der demokratische Teilhabe nicht von der Wirtschaftsmacht einer Region, von einzelnen Staaten, Verbänden oder Individuen abhängig ist.

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, die frei von Privilegien ist, von Privilegien die andere Menschen klein machen, ausgrenzen und ihre Ausbeutung ermöglichen.

Das einzige Privileg, für das wir kämpfen, ist der Menschheit eine Zukunft auf diesem Planeten zu sichern. Wir streben eine Zukunft an, in der wir gleichberechtigt unsere Lebenszeit voll ausschöpfen und genießen können. Wir wünschen uns eine Gesellschaft, in der die Fähigkeiten und Interessen von Kollektiven und Individuen voll zur Entfaltung kommen können. Um diese Zukunft zu sichern, müssen die Technologien zu produktiven Kräften werden, anstatt zu Mechanismen der zunehmenden Kontrolle, oder gar der Zerstörung der Welt. Wir brauchen Formen des Zusammenlebens, die sich frei machen von der Irrationalität, dem Hass und der Lüge der heutigen Zeit. Eine Gesellschaft in der stattdessen der Drang nach Wissen, Austausch und dem Verständnis unserer Existenz im Vordergrund stehen.

Diese Gesellschaft nennen wir Sozialismus.

Wir müssen aber feststellen, dass wir diesem Ziel heute sehr fern stehen.

Mit dem Beginn der Krise 2007 hoffte eine ganze Generation junger und alter Menschen von einem Ende des Kapitalismus. Im gleichen Jahr wurden die LINKE und die Linksjugend solid gegründet. Fünfzehn Jahre später ist die LINKE in einer tiefen Krise. Heute fürchten die Kapitalist:innen in Deutschland nicht die linke Erhebung. Eine weit verbreitete Sorge der damailigen zeit, als Zeitungen wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung davon sprachen, dass das Marx zurück sei. Stattdessen müssen Lohanbhängige heute den Aufstieg der Rechten fürchten und unter der unsozialen Politik der Regierung leiden.

Es fehlt aber nicht an den objektiven Bedingungen dieses Ziel zu erreichen. Es fehlt an einer Kraft, die für dieses Ziel entschlossen kämpft. Wir denken, die LINKE ist nicht diese Kraft. Denn die LINKE formuliert nur ein vages Ziel. Sie hat die Kampfkraft der Lohnabhängigen in den letzten fünfzehn Jahren nicht gestärkt, sondern ihre Hoffnung auf grundlegende Veränderungen, und ihre Moral durch eine Reihe von prinzipienlosen Regierungsbeteiligungen gebrochen. Aktuell streitet sie darüber, ob die deutsche Regierung nun die blödeste Europas sei oder nicht. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, dass es eine kapitalistische Regierung ist, die unsere Interessen nicht umsetzt. Die LINKE scheitert auch praktisch, sie ist zerstritten und ist nicht das Zentrum eines linken Widerstandes gegen die Dreifachkrise.

Dies hat tiefere Gründe. Denn alle drei relevanten Flügel der LINKEN (Bewegungslinke, Wagenknecht-Flügel und Reformer) haben eine politische Schwäche, die sie teilen. Sie richten ihre Politik letztlich primär auf die graduelle Reform eines Systems aus, das nicht grundlegend reformierbar ist. Ihr Hauptvehikel bleibt dabei letztlich mehr oder weniger das Parlament und der bürgerliche Staat. Wir erkennen hingegen wirklich an, dass die heutige Welt in Klassen aufgeteilt ist. Einerseits in jene, die über Land, Ressourcen und Produktionsmittel besitzen, jene die direkt oder indirekt die Grundlagen der Politik der heutigen Staaten bestimmen. Andererseits in jene, die dies nicht tun. Ein Großteil dieser zweiten Klasse sind die Lohnabhängigen dieser Welt.

Für uns ist das nicht einfach eine Phrase, sondern kommt mit praktischen Verpflichtungen. Es heißt, dass die Welt von den Interessen einer kapitalistischen Minderheit bestimmt ist. Diese Minderheit bestimmt letztlich das Schicksal der „Wirtschaft“. Auch das vorherrschende Denken ist das Denken der Herrschenden, solange ihre Herrschaft nicht in Frage gestellt wird.

Das bedeutet, dass wir unser Ziel nur durch eine Politik verändern können, die diese herrschende Klasse herausfordert. Das ist eine Politik die wir als revolutionären Klassenkampf bezeichnen.

Die erdrückende Mehrheit in die LINKE und die linksjugend solid, und wichtiger ihr Apparat aus Funktionär:innen und Mandatsträger:innen die letztlich die Praxis dieser Partei bestimmen,

vertreten keine klassenkämpferische Politik. Sie vertreten eine Politik, die wir als Reformismus bezeichnen. Das ist eine Politik, die im besten Fall glaubt, durch graduelle Reformen den Sozialismus zu erreichen. In der Praxis ist es aber eine Politik und ein soziales System, dass die Lohnabhängigen an die Unternehmen der Kapitalist:innen und an „ihren Staat“ bindet und unterordnet.

Wir glauben, dass es einen grundlegenden Bruch mit dem politischen Programm und der organisatorischen Praxis der LINKEN und von Linksjugend solid benötigt, wenn wir unsere Zukunft sichern wollen. Denn mit dieser Politik ist ein wirklicher Systemwechsel ausgeschlossen.

Deshalb unterstützen wir von REVOLUTION den Aufruf zu einer Konferenz, in der alle kritischen Teile der linksjugend solid und der LINKEN zusammenkommen, die eine Politik wünschen, die für einen Systemwechsel eintritt und dies mit einer Politik des Klassenkampfes verbindet.

Um der heutigen, neuen Situation gerecht zu werden, muss es unser Anliegen sein, die antikapitalistischen Teile der Klimabewegung, der kämpferischen Gewerkschafter:innen, die klassenkämpferischen Teile der antirassistischen und feministischen Bewegung in einer gemeinsamen Partei zu vereinigen, um für solch einen Systemwechsel, eine sozialistische Revolution möglich zu machen.

In siebzehn Punkten möchten wir hier unsere grundlegenden Überlegungen äußern, welche Strategie und Organisationsform solche eine Partei kennzeichnen sollte und wie sie für den Sozialismus unter den aktuellen Bedingungen in Deutschland kämpfen müsste.

  1. Wir befürworten Reformen. Wir unterstützen jede Reform, die unsere unmittelbare Lebensgrundlage verteidigt oder verbessert. Das trifft auf alle gesellschaftlichen Bereiche zu, von der Erhöhung von Löhnen, der sofortigen Umsetzung von Maßnahmen zur Rettung der Umwelt und der Abschaffung von Praktiken oder Gesetzen, die rassistische, sexistische oder homophobe Unterdrückung zementieren.
  2. Wir müssen für Reformen kämpfen. Die Reichen, die Banker, Industriellen und Großgrundbesitzer, die bürgerlichen Politiker und staatliche Institutionen werden uns nichts freiwillig geben. In diesem Klassenkampf um Reformen, richten wir uns nicht an dem für die herrschende Klasse „machbaren“ aus. Wir schlagen immer den Kampf für das Leben und Überleben der Lohnabhängigen und der Menschheit „notwendige“ vor.
  3. Wir befürworten den Antritt zu Wahlen. Sozialist:innen sollten ihre Ansichten in Wahlen und im Parlament zum Ausdruck bringen. Diese Ansichten sollen aber den Kampf um Reformen und für die Revolution verbessern, und nicht zur Integration in jene bürgerlichen Regierungen und den büegrlichen Staat fordern, in dem es sich auch die LINKE bequem gemacht hat.
  4. Das strategische Ziel des Sozialismus bestimmt also unsere Taktik. Wir unterscheiden uns hier grundlegend von der reformistischen Politik der LINKEN oder der Gewerkschaftsführung. Denn diese ordnet ihre Forderungen und ihre Praxis dem unter, was die Koalitionspartner oder die Konzernchefs als „machbar“ verkaufen. Sie beteiligt sich an der Verwaltung des kapitalistischen Systems in bürgerlichen Regierungen, was wir kategorisch ablehnen. Gleichzeitig fordern wir reformistische Parteien und die Gewerkschaften immer wieder dazu auf, für konkrete Forderungen zu mobilisieren und zu kämpfen. Eine zentrale Kritik, die wir aktuell an ihnen haben, ist gerade, dass sie nicht entschlossen gegen Inflation, Krise, Krieg und Umweltzerstörung kämpfen. Wir fordern sie also jederzeit dazu auf eine gemeinsame Front für die Erkämpfung von Reformen zu schließen. Aber wir begrenzen unsere eigenen Aktivitäten, Forderungen und unser Programm im gemeinsamen Reformkampf nicht auf das, was die Führer:innen der Gewerkschaften oder der LINKEN für „machbar“ halten. Wir sagen jederzeit, was wir für „notwendig“ erachten und wir erhöhen dabei die Selbstorganisierung der kämpfenden Basis.
  5. Der Kampf um Reformen hat einen realen Zweck im Hier und Jetzt. Dieser Reformkampf ist nicht einfach ein „Trick“.Wenn wir zum Beispiel von unserem Lohn jetzt nicht leben können, dann muss der Lohn jetzt sofort steigen. Aber gleichzeitig kann der Sozialismus nicht ohne eine Revolution erreicht werden. Sozialist:innen werden dies in jedem Reformkampf betonen und den Kampf um die Reformen so führen, dass sie die Revolution vereinfachen, denkbar machen und vorbereiten.
  6. Sozialist:innen können die Revolution propagieren. Die Revolution machen kann aber nur die Klasse der Lohnabhängigen. Sie ist eine wirkliche soziale Kraft, und auch nur durch ihre Revolution gegen die Diktatur des Kapitals, kann eine Zukunft gesichert werden, in der es eine Demokratie der Lohnabhängigen anstatt einer stalinistischen Dystopie gibt.
  7. In Deutschland kann kein ernsthafter Reformkampf gewonnen, keine Revolution ohne die Gewerkschaften geschehen. Eine zentrale Aufgabe ist es daher auch die Gewerkschaften für eine Politik des entschlossenen Reformkampfes und für eine sozialistische Politik zu gewinnen. Es gibt eine riesige Klasse in Deutschland, aber sie ist von einer reformistischen Bürokratie beherrscht, oder anders gesagt von Menschen kontrolliert, die mit einem Parteibuch der SPD, der Grünen oder auch der LINKEN ausgestattet sind. Diese Bürokratie sitzt in Aussichtsräten, in staatlichen Institutionen und erhält zum Teil riesige Gehälter. Aber sie vertritt nicht unsere Interessen. Sie glaubt „die deutsche Wirtschaft“, das heißt die Profite der Kapitalist:innen wären das Maß aller Dinge. Zum Teil verhindert oder verschleppt diese Bürokratie auch die Organisierung ganz neuer Schichten der Lohnabhängigen. So verweigerte sie lange den Zutritt von Geflüchteten in die Gewerkschaften. Sie müssen wieder zu Orten der Demokratie und des Kampfes der Lohnabhängigen werden. Eine zentrale Aufgabe ist es also heute eine klassenkämpferische Basisopposition in den Gewerkschaften aufzubauen. Dies schließt auch die Auseinandersetzung mit weit verbreiteten Illusionen und Ideologie des Reformismus, sowie unterschiedlichen Formen des Chauvinismus unter einfachen Gewerkschaftsmitgliedern selbst ein.
  8. Denn die Klasse ist aktuell gespalten. Sie ist anhand nationaler Unterschiede, vermittels von imperialistischen und halb-kolonialen Kriegen, aufgrund von sexistischer, rassistischer, homophober Unterdrückung und auch anhand unterschiedlicher sozialer Stellung einzelner Schichten der Lohnabhängigen gespalten. Es ist eine zentrale Aufgabe diese Spaltung in der gemeinsamen Auseinandersetzung zu überwinden. Daher kämpfen wir auch für den Aufbau einer sozialistischen Internationale, die alle diese Auseinandersetzungen miteinander verbindet. Die gemeinsame internationale Organisierung ist das beste Mittel gegen den Chauvinismus.
  9. Der Hauptfeind steht im eigenen Land. Dieser Hauptfeind ist für uns die deutsche Klasse der Kapitalist:innen und der mit ihr verbundene Staat. Das heißt für uns auch, dass wir uns nicht ihren außenpolitischen Ambitionen anschließen. Wir lehnen jede Form des Imperialismus und des Militarismus ab. Nur weil Deutschland nach innen größere demokratische Rechte gewährt als beispielsweise China oder Russland dies tun, heißt das nicht, dass deutsche Waffen, die an die Saudis und die Türkei verkauft werden, und im Jemen Krieg und in Kurdistan eingesetzt werden, demokratischer seien. Es heißt nicht, dass deutsche Bundeswehrsoldaten die Demokratie in Mali, in Afghanistan oder im Irak verteidigt haben. Das können nur die demokratisch und sozialistisch organisierten Lohnabhängigen dieser Länder selbst. Die ökonomische, diplomatische und militärische Intervention Deutschlands zerstört aber solche Prozesse immer wieder.
  10. Gleichzeitig wissen wir auch, dass es andere Großmächte wie Russland, China, die USA, Japan, Frankreich, Großbritannien oder Indien gibt. Wir stehen an der Seite keiner dieser Staaten. In der militärischen Auseinandersetzung zwischen diesen Staaten sagen wir „Dreht die Waffen um.“ Kämpft nicht gegen die Menschen des anderen Landes. Stattdessen sollten die Lohnabhängigen und die ins Militär eingezogene Jugend gegen ihre „eigenen“ Kapitalist:innen, Diktatoren oder bürgerlichen Regierungen und für eine sozialistische Revolution kämpfen.
  11. Wir tun alles uns mögliche, um den Aufbau von Gewerkschaften, sozialen und ökologischen Bewegungen sowie von sozialistischen Parteien in anderen Ländern zu unterstützen. Uns Interessieren die konkreten Kämpfe und die Debatten unserer Geschwister im Ausland. Wir beteiligen uns an einer internationalen Debatte, anstatt nationale Borniertheit zu betreiben.
  12. Dies muss sich auch durch den Aufbau einer sozialistischen Partei der Lohnabhängigen in Deutschland ausdrücken, die alle diese Aspekte hier vor Ort vereint. Jeder Kampf gegen jede Form von Unterdrückung ist unser Kampf, denn wer ist denn schwul, schwarz, weiblich oder geflüchtet, wenn nicht wir Lohnabhängigen?
  13. Eine revolutionäre Partei braucht ein revolutionäres Programm, auf dessen Basis die Mitglieder gemeinsam und verbindlich agieren. Dieses Verständnis unterscheidet sich grundlegend von dem der Linkspartei, deren Programm keine praktische Bedeutung für die tägliche Aktivität hat. Letztlich erwarten nicht einmal die Mitglieder der Partei, dass sie für ihr Programm kämpft. Wir hingegen halten es für notwendig, ein Programm zu diskutieren und zu erarbeiten, das als Anleitung zum Handeln dient, das den Kampf um soziale, ökonomische und politische Rechte mit dem Kampf für die sozialistische Revolution verbindet. Nur auf dieser Basis kann das gemeinsame, verbindliche Agieren einen demokratischen und befreienden Charakter haben.
  14. Dieser Prozess muss auf der Grundlage der vollen und freien politischen Diskussion beruhen. Gleichfalls bedarf es aber auch der gemeinsamen und verbindlichen Umsetzung von beschlossenen Aktionen.Für uns bedeutet „Partei“ also nicht einen Wahlverein zu gründen, der beständig die eigenen Versprechen in bürgerlichen Regierungen bricht, bürokratisch agiert und die Aktivität der Basis lähmt. Für uns ist die „Partei“ ein Zusammenschluss der kämpferischsten Aktiven, der Jugend, der sozialen Bewegung und der Gewerkschaften, die aus den Niederlagen und Siegen der Vergangenheit gemeinsame Schlüsse ziehen, diese in der täglichen Praxis im Kampf um Reformen überprüfen, dynamisch neue Erfahrungen machen, diese mit der breiteren Arbeiter:innenbewegung und den sozialen Bewegungen diskutieren und so im täglichen Handgemenge die Strategie der Revolution erklären und erfahrbar machen. Wir reden also von einer Form der Organisation, die einerseits das Bewusstsein, das Selbstbewusstsein und die Selbstorganisierung unserer Klasse so steigert, dass die Revolution kein abstraktes, fernes Ziel ist, sondern etwas das zunehmend durch die gemachten Erfahrungen denkbar und auch machbar wird. Die reformistischen Parteien, vor allem die LINKE charakterisieren das Gegenteil einer solchen Praxis.
  15. Wir treten für den Aufbau einer revolutionären Jugendorganisation ein, die von der Partei ernst genommen wird, aber nicht von ihr bürokratisch beherrscht wird, eine Organisation mit einem sozialistischen Programm, dass sie gemeinsam mit der Partei erarbeitet, in der Jugendliche aber selbstbestimmt ihre eigenen Erfahrungen, und ohne Angst vor Rüge auch Fehler machen können.
  16. Die Revolution machen, heißt den bürgerlichen Staat zu zerbrechen. Die kapitalistische Justiz, die Regierung, Polizei, Militär und Bürokratie werden uns die Zukunft nicht gewähren, die wir brauchen, um zu überleben. Sie müssen gebrochen und durch eine Rätedemokratie der Lohnabhängigen ersetzt werden, die ihre Revolution auch verteidigen kann.
  17. Eine der ersten ökonomischen Aufgaben nach einer Revolution wäre die Umwandlung zu einer demokratischen Wirtschaft, die nach den Interessen von Mensch und Natur plant und ein Notfallprogramm durchsetzt, um den ökologischen Kollaps zu verhindern, das 1,5 Grad Ziel und die Ernährungs- und Energiesicherheit zu gewährleisten.

Diese Überlegungen stellen unserer Meinung nach noch kein Aktionsprogramm im eigentlichen Sinn dar. In den kommenden Monaten wird es unsere gemeinsame Aufgabe sein, ein solches gemeinsam mit all jenen innerhalb und außerhalb der LINKEN zu diskutieren, die auf einen neuen Morgen hoffen. Auch heute gibt es in Deutschland Zehntausende, die sich tagtäglich für eine Welt ohne Kapitalismus einsetzen, sei es in der Klimabewegung, in antirassistischen und feministischen Kämpfen und in gewerkschaftlichen oder betrieblichen Auseinandersetzungen mit den Chefs. Aber es fehlt uns an einer gemeinsamen revolutionär-sozialistischen Kraft. Es ist Zeit, sie aufzubauen!

Wenn du oder deine Gruppe diese Ansichten teilt, könnt ihr diese ebenfalls unterzeichnen, nicht zuletzt um den Austausch unterschiedlicher aktiven zu erleichtern.

Wenn du oder deine Gruppe den Aufbau einer neuen revolutionär-sozialistischen Partei teilt, aber Punkte in dieser Erklärung diskutieren möchtet, sind wir bereit eure Antwort als Debattenbeitrag zu veröffentlichen.

Schreibt uns an!




[’solid] Berlin: Was tun mit dem ersten Schritt nach links?

Lukas Resch

Ein Beschluss gegen den RGR-Koalitionsvertrag, ein Antizionist im LandessprecherInnenrat (LSPR) und ein „Nein zur EU der Banken und Konzerne“, ein klares Bekenntnis zum Volksentscheid „Deutsche Wohnen und Co enteignen“: Diese und weitere Entwicklungen in [’solid] Berlin sorgen seit der letzten Wahl für Aufsehen, bis in die bürgerlichsten Teile der Presse hinein. Einige Reaktionen aus der eigenen Organisation und der Mutterpartei lassen es scheinen, als hätte man das rote Berlin ausgerufen. Von ewig gestrigen StalinistInnen ist die Rede, öffentliche Hetzkampagnen gegen eigene Mitglieder lassen nicht lang auf sich warten. Was ist los in [’solid] Berlin?

The way so far …

Spricht man mit Mitgliedern, zeigt sich ein positiv gestimmtes Bild: Bei der Wahl zum LSPR schafften es die linkeren Basisorganisationen, diesen gemeinsam mit einigen neuen und vielversprechenden Gesichtern zu besetzen. Auch auf der letzten Landesvollversammlung zeichnete sich ein deutlich linkeres Bild ab als in der Vergangenheit. Unter anderem wurde beschlossen:

Eine Aufforderung an die Linkspartei Berlin, die Koalitionsverhandlungen abzubrechen, und an die Mitglieder, gegen den Vertrag und die Koalition mit den Grünen und der SPD zu stimmen; ein Beschluss gegen die alleinige Zusammenarbeit mit Jusos und grüner Jugend, um nicht als RGR-Jugend zu erscheinen. Eine Zusammenarbeit in größeren Bündnissen wird damit nicht ausgeschlossen.

Dies stellt einen Schritt in die richtige Richtung dar, auch wenn es weiter notwendig sein wird, die Jusos als die Massenjugendorganisation einer bürgerlichen ArbeiterInnenpartei (1) zu gemeinsamen Mobilisierungen aufzufordern. Diese Notwendigkeit stellt sich auch bezüglich der Grünen Jugend, die trotz ihrer ökobürgerlichen Mutterpartei über eine Verankerung in der Umweltbewegung verfügt.

Eine Einschätzung der „EU der Banken und Konzerne“, die ersetzt werden soll durch „die Vereinigung europäischer Staaten“ (auch wenn unklar ist, wie diese  erreicht werden und wie sie aussehen soll), suggeriert immerhin einen „Bruch mit der EU“ (wobei aufgepasst werden muss, dass nicht einfach für einen „linken“ Austritt Deutschlands aus der EU eingetreten wird, sondern für eine sozialistische Vereinigung Europas).

Trotz allem: eine willkommene Entwicklung, die einige Mitglieder von [’solid] bereits von einem Linksrutsch sprechen lässt. Diese Entwicklungen sind, immerhin, ein frischer Wind, erst recht nach der zerschmetternden Wahlniederlage der Linkspartei bei der Bundestagswahl.

Grenzen

Deswegen wollen wir die Situation nutzen, um uns zu positionieren und zur Diskussion über das weitere Vorgehen etwas beizutragen.

Die neue Zusammenstellung des LSPR ist sicher ein Schritt nach vorne, auch wenn dieser noch in der kommenden Zeit beweisen muss, ob der radikale Ruf der ihm vorauseilt, auch entsprechende Taten mit sich bringt.

Die Ergebnisse der Landesvollversammlung sprechen ebenfalls eine deutliche Sprache. Man stellt sich entschieden gegen die Ausrichtung der Berliner Linkspartei und erhebt den Anspruch, eine eigene, sozialistische Perspektive dagegenzuhalten.

Der erste Dämpfer ist da natürlich, die Abstimmung gegen die RGR-Koalition verloren zu haben. Von den 50 % der teilnehmenden Linksparteimitglieder haben 75 % für diese gestimmt.

Wie geht es jetzt also weiter für alle, die sich eine linkere, antikapitalistische Politik und Linkspartei wünschen und dafür im Jugendverband kämpfen?

Wir wollen uns auf zwei Punkte konzentrieren: die Grenzen, an die revolutionäre Jugendliche in der Linkspartei und [’solid] stoßen, und die Taktik, mit der sie kämpfen können.

Zunächst das Ernüchternde: Das, was in [’solid] Berlin passiert – ebenso die gewisse Bewegung in der Basis der Linkspartei –, stehen einer bundesweit gegenläufigen Tendenz gegenüber. Real sind die Linkspartei und ihr Jugendverband in den letzten Jahren nach rechts gegangen. Auch wenn sich in den letzten Wochen eine linke Opposition in Berlin gebildet hat und im Landesverband Nordrhein-Westfalen nach dem katastrophalen Ergebnis der Bundestagswahlen ein linker Landesvorsitzender gewählt wurde, so ändert das noch nicht das Gesamtbild. Ramelows Regierungspolitik stellt keine Ausnahme dar. Für alle Landesregierungen mit LINKE-Beteiligung gilt: Mitgehangen, mitgefangen – mit kapitalistischer Realpolitik. Und das gilt auch für Berlin.

Das ist auch kein Zufall oder einfach eine Schwäche gegenüber der größeren SPD, sondern das Interesse der Linksparteiführung . Sie betreibt reformistische Politik, die immer nur den Kompromiss mit dem Kapitalismus sucht, mit dem Leute wie Klaus Lederer an sich ganz gut leben können. Daher ist es für ihn auch kein Problem gewesen, DWe fallen zu lassen.

An die Grenzen dieses Führungsapparates werden alle RevolutionärInnen, die gern eine andere Linkspartei und ein antikapitalistisches [’solid] hätten, irgendwann stoßen, solange dieser Apparat die Partei und ihre Strukturen kontrolliert – so, dass der Apparat die Kontrolle gut behalten kann. Das muss sich auch in [’solid] niederschlagen, und wenn es der Geldhahn ist, an dem die Mutter vielleicht mal dreht.

 … and the way ahead

Ohne über diese Grenzen Gedanken anzustellen, wird jeder Versuch, [’solid] revolutionär umzugestalten, in blindem Aktivismus und Selbstverbrauch oder aber Anpassung an den erwähnten Apparat enden. Unserer Meinung nach sollte sich daher jede//r klar machen, dass es bei der Konfrontation mit der reformistischen Mehrheit und dem Apparat um eine grundsätzliche Auseinandersetzung geht. Letztlich vertritt der Reformismus nicht den Klassenstandpunkt der Lohnabhängigen, sondern ordnet vielmehr deren Interessen jenen der herrschenden Klasse unter.

Trotzdem kann sich das Ringen mit dem Apparat lohnen und unzufriedene Jugendliche in (und außerhalb von) [‚solid] um revolutionäre oder wenigstens eine alternative Politik zu RGR sammeln. Dazu sollten die vorhandenen Ansätze der letzten Wochen vertieft werden. Konkret sollten sich alle Jugendlichen zu einer Opposition organisieren – einer Fraktion.

Die angepeilte Taktik, um die eigene Mutterorganisation mittels einer digitalen Kampagne wieder auf die eigenen Werte zu besinnen, begleitet von Veranstaltungen, kann das nur begrenzt leisten, ist sie doch dazu verurteilt, vor allem einen Nachhall im eigenen Kreis hervorzurufen.

Darüber hinaus braucht es ein Sammeln um Aktionen wie Demonstrationen bis hin zu Streiks in Schule und Betrieb und mehr – wenigstens braucht es jetzt die Debatte darum. Und für sich alleine bringen solche Aktionen auch noch nichts. Es sollte sich auf einige Forderungen verständigt werden, die für Jugendliche gerade akut sind, um die mobilisiert werden kann und mit denen auch andere – Jusos, Grüne Jugend, Gewerkschaftsjugendliche, DWe usw. angesprochen werden können. Beispiele?

  • Sofortige Umsetzung des DWe-Volksentscheids! Gerade Jugendliche können sich das Wohnen ohne (reiche) Eltern nicht leisten! Dazu braucht es eine Massenbewegung und die Unterstützung der Gewerkschaften und MieterInnenverbände, um die Vergesellschaftung durch politische Streiks und Mietboykotts durchzusetzen!
  • Für eine echte Verkehrswende in Berlin – keine S-Bahn-Zerschlagung, dafür massive Einschränkung des Straßenverkehrs, Ausbau von S-Bahn und Tram, kostenloser ÖPNV!
  • Für die Kontrolle über coronabedingte Schulöffnungen und -schließungen durch demokratische Komitees der SchülerInnen und LehrerInnen selbst!

Das sind nur mal drei Beispiele. Der Kampf um solche Forderungen ist einer gegen die RGR-Regierung, und damit gegen Lederer und Co! Völlig richtig ist deshalb, dass [’solid] am kommenden Dienstag zu Protesten gegen RGR aufruft.

Aber es sind die nächsten Monate, die durchscheinen lassen werden, ob die gewisse Dynamik in [’solid] (und Linkspartei) nach links weitergetrieben werden kann oder im Treibsand reformistischer Realpolitik ausgebremst wird. Denn trotz aller positiven Berliner Entwicklungen der letzten Monate im Windschatten der Wahlen – DWe, Krankenhausstreik oder eben auch ein gewisser Linksdrall in DIE LINKE – gegen die Regierung zu kämpfen wird eine andere Nummer, in der das Überwinden der defensiven Position mit davon abhängen wird, ob sich revolutionäre, antikapitalistische Kräfte sammeln können und in [’solid], Jusos usw. reinwirken können.

Daher sollten sich AntikapitalistInnen ernsthaft überlegen, inwieweit sie in ihrem Kampf auf die LINKE setzen wollen, die die nächsten fünf Jahre Verrat schon ab Tag 1 beginnt, oder ob ein revolutionärer Bruch mit der Partei sinnvoller ist. Früher oder später wird dieser unserer Meinung nach unausweichlich. So oder so sind wir für die Debatte mit Euch offen.

Übrigens: Vor sieben Jahren hat die Jugendorganisation REVOLUTION eine umfassende Broschüre rausgebracht, die [’solid] kritisch beleuchtete und RevolutionärInnen im Jugendverband einen Handlungsvorschlag zur Sammlung ihrer Kräfte machte … immer noch aktuell: http://onesolutionrevolution.de/wp-content/uploads/2011/04/Solid-Polemik_Lukas_M%C3%BCller_2014.pdf

Endnote

(1) Unter einer bürgerlichen ArbeiterInnenpartei verstehen wir eine bürgerliche Partei, die sich jedoch über historische Verbindungen, über Gewerkschaften, proletarische Mitgliedschaft und WählerInnen auf die Klasse der Lohnabhängigen stützt, mit dieser organisch verbunden ist.




Gegen den Entzug des Parteistatus – Solidarität mit der DKP!

Am
8.7.21 entschied der Bundeswahlausschuss, die Deutsche Kommunistische
Partei (DKP) nicht zur Bundestagswahl zuzulassen. Wir kritisieren diesen
Angriff auf die DKP und die gesamte Linke aufs Schärfste!

Begründet
wurde diese Entscheidung damit, dass die Partei die Fristen zur Abgabe
eines Rechenschaftsberichtes nicht eingehalten habe. Ein
Rechenschaftsbericht enthält die gesamte Buchführung einer Partei, also
auch inklusive aller kleinen Kreisorganisationen und Bezirksverbände.
Für kleine Parteien, die keinen riesigen Apparat mit hauptberuflichen
Funktionär_innen haben, ist die Erstellung dieses Berichtes, der noch
dazu von einem_einer Wirtschaftsprüfer_in testiert werden muss, ein
großes Stück Arbeit, das lange dauert. Während die Nebeneinkünften von
bürgerlichen Spitzenpolitiker_innen kein Thema sind, wird einer linken
Kleinstpartei versucht daraus ein Strick zu drehen.

Angriffe
auf linke Parteien haben in Deutschland eine lange und schmutzige
Tradition, ob durch gesetzliche Verbote oder hinterhältige Tricks.
Während sich faschistische Parteien wie die NPD oder der „Dritte Weg“
für die Wahl aufstellen dürfen, wird die DKP drangsaliert und soll ins
finanzielle Ruin getrieben werden. Dabei müssen wir den Entzug des
Parteienstatus der DKP im Kontext vermehrter Angriffe von Staat und
Repressionsorganen auf die linke Bewegung insgesamt betrachten. So wurde
versucht linken Vereinen wie Attac oder dem VVN bda (Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten) die
Gemeinnützigkeit zu entziehen. Jugendclubs, die linken Organisationen
und Antifa-Gruppen Räumlichkeiten bieten, soll die öffentliche Förderung
entzogen werden. Die Finanzierung außerschulischer politischer Bildung
soll an die faschismusrelativierende Hufeisentheorie und ein Bekenntnis
zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung geknüpft werden. Linke
Gruppen werden durch den Verfassungsschutz überwacht, selbstorganisierte
Freiräume wie die Liebig34 oder Rigaer94 werden geräumt. Neue Polizei-
und Versammlungsgesetze sollen zudem die Handlungsspielräume
einschränken, sich dagegen zu wehren.

Wir
sind solidarisch mit der DKP! Getroffen hat es sie, aber gemeint sind
alle linken Organisationen, Vereine und Strukturen. Wir begrüßen die
Entscheidung der DKP vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die
Entscheidung des Bundeswahlausschusses zu klagen. Gleichzeitig haben wir
kein Vertrauen in den bürgerlichen Staat und seine Institutionen und
müssen den Kampf gegen Repressionen und die rechtsäugig blinde Justiz
auch auf der Straße organisieren. Dafür fordern wir auch ihrem Anspruch
nach linke Parteien wie SPD und Linkspartei, sowie den Deutschen
Gewerkschaftsbund zur Solidarität mit der DKP auf.