5 Argumente, warum Schulsprecher:innen nichts verändern können, wir aber trotzdem kandidieren und du uns wählen solltest.

von Brokkoli Bittner, September 2025 – 7 Minuten Lesezeit

Gerade noch in der prallen Sonne gedüst – und jetzt geht’s schon wieder los.
Die Schule hat angefangen. Die ersten Schritte in muffige Gebäude wurden in den meisten Bundesländern schon gewagt. Die ersten Lehrkräfte hielten es schon für nötig, uns mit irgendwelchen lästigen Hausaufgaben zu nerven. Frau/Herr Schneider Schreiben Sie doch einen Aufsatz über meine Sommerferien mit mindestens 500 Wörtern selber.

Trotz einem Monat Pause: Deutsche Schulen sind immer noch wie Frau/Herr Schneider, kurz vorm Zusammenbruch. Neues Schuljahr heißt aber auch immer: Irgendwelche Leute werden für den größten Käse gewählt. Darunter auch Schulsprecher:innen. Und da sollten wir uns eigentlich aufstellen. Das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch, aber lies mal weiter.

1. Schule ist politisch

Unsere Schulen sind kacke, das ist klar. Lehrkräfte sind entweder rassistisch, übergriffig oder meist beides. Die korrekten such ich in meinem Stundenplan immer noch. Denn die Probleme, die sich überall in der Gesellschaft deutlich erkennbar sind, machen auch vor unserer Schule nicht halt. Wäre ja auch übel komisch, wenn überall Krise ist, aber sobald ich den Geruch von Schimmelklos vernehme, plötzlich heile Welt sein soll. Doch genau das wird uns meist in der Schule erzählt: Schule habe politisch neutral zu sein, obwohl alles an ihr politisch ist.
Oder mit anderen Worten: Deutschland steht samt seiner Schulen in Flammen, aber löschen wäre jetzt auch schon „sehr radikal“. Politische Neutralität an Schulen ist also Quatsch. Und sie stimmt halt auch gar nicht. Denn dass sexistische Lehrkräfte weiter in unseren Schulen ein und aus gehen wie in der CDU-Parteizentrale, ist eine politische Entscheidung. Wir haben dabei nicht mitzureden. Um uns optimal auf unsere Ausbeutung auf dem kapitalistischen Arbeitsmarkt vorzubereiten, sollen wir möglichst brav und folgsam sein, der Prüfungsstress gewöhnt uns schonmal an den Leistungsdruck im Beruf, wir hinterfragen die Anweisungen unserer Lehrer:innen nicht und haben meistens keine Ahnung, wie wir daran etwas ändern können. Quasi perfekte Arbeitskräfte. 
Also: Schule ist politisch – auch wenn uns etwas anderes erzählt wird. Und wir müssen unseren Mitschüler:innen klar machen, dass sie etwas tun können und das Gemeinsam. Ein Weg, ihnen das klarzumachen, ist, dass wir uns als Schulsprecher:in aufstellen. Und bewusst den Tag der Wahlen und den Wahlkampf in ein politisches Licht rücken, indem wir zum Beispiel mit einem kleinen Wahlprogramm antreten, in welchen wir Forderungen aufgreifen, die die Probleme in der Schule entgegenwirken.

2. Ohne gemeinsamen Kampf verändert sich nix

Nur weil unsere Mitschüler:innen wissen, dass etwas veränderbar ist, verändert sich noch gar nichts. Nur weil wir die Wahl zum Schulsprecher:in politisieren, sind die Probleme nicht gleich weg. Dabei muss uns klar sein: Das Amt der Schulsprecher:inist nicht dafür da, Dinge zu verändern. Sonst hätte jede Schule schon zehn Wasserspender und keine Hausaufgabenmehr. Und genau dieser Umstand, dass die Wahl zwar viel verspricht, die:der Schulsprecher:in jedoch keine wirkliche Macht hat, Veränderungen herbeizuführen, soll uns als Vorbereitung auf die gesellschaftlichen Verhältnisse dienen. Man tritt in ein Gremium ein, in dem ohne die Zustimmung des Schulleiters nichts entschieden werden kann und in dem man zusätzlich mit bürokratischen Hürden konfrontiert ist, die nahezu jede Verbesserung an der Schule unmöglich machen. Damit stütz die Schule am Ende die herrschenden Verhältnisse, denn nur Wählen gehe ohne mich gegen Krieg, Rassismus oder Sexismus zu organisieren, wird sich in der Gesellschaft daran wenig ändern.

Darum ist es umso wichtiger, in der Schule schon anzufangen einen aktiven Kampf gegen die Missstände aufzubauen, denn das ist der Ort, an dem wir uns Jugendliche 5mal in der Woche einfinden müssen. Der Kampf gegen die Probleme an unserer Schule muss also abseits von der Hoffnung in den:die Schulsprecher:in, aber trotzdem gemeinsam geführt werden. Damit meinen wir: Wir müssen die Wahl nutzen, um den Kampf gegen die Probleme zu stärken und Sichtbar zu machen. Das Politisieren der Wahl ist dafür der erste Schritt. Der zweite ist es, konkrete Forderungen für die Schule aufzustellen und diese im Rahmen der Wahl populär zu machen. So kann die Wahl als Podium für die politischen Interessen von uns Schüler:innen genutzt werden. Und der dritte schritt ist sich in der Schule zu organisieren und einen gemeinsamen Kampf um die Umsetzung der Forderungen zu führen, das vor allem während und nach der Wahl, egal wie diese letztendlich ausfällt. Dabei muss aber immer klar sein: Keine Schüler:innenvertretung kann diese Forderungen umsetzen. Was es braucht, sind Schulgruppen mit regelmäßigen Treffen an der Schule. Diese Aktionsgruppen müssen den Kampf für konkrete Forderungen führen z. B. indem sie Aktionen durchführen, wie Flyer verteilen, kurze Reden auf dem Schulhof oder Bannerdrops und so systematisch Druck auf die Schule erhöhen und Mitschüler:innen vom Inhalt der Wahl und dem Kampf danach auch abzuhollen und zu informieren.
Die Wahlen müssen genutzt werden, um diese Aktionsgruppen zu stärken. Denn ohne Kampf verändert sich nix.

3. Demokratische Rechte an der Schule verteidigen

Im Gegenteil: Wenn wir nichts machen, wird alles schlimmer. Gerade in einer Zeit, in der rechte so viel Zulauf haben wie seit Langem nicht mehr, spüren wir das deutlich. Parteien wie die AfD wollen selbst die wenigen demokratischen Rechte, die es an Schulen gibt, angreifen, bis sie ganz verschwinden. Das dürfen wir nicht zulassen.
Die Schule ist ein Ort der Erziehung. Doch in dieser Erziehung ist eigentlich kein Platz für freie Entfaltung. Wir sollen irgendwann fleißige Arbeitskräfte werden und bloß nicht auf die Idee kommen, dass Mitbestimmung im eigenen Betrieb das einzig Logische wäre.
Trotzdem gibt es wenige Möglichkeiten der demokratischen Teilhabe an Schulen. Doch diese sind eher Schein und sollen uns darauf vorbereiten, dass die demokratischen Strukturen der Erwachsenen „ganz kompliziert“ sind wo Kompromisse gefunden werden müssen und deswegen alles irgendwie immer doof ist. Es geht also darum, uns daran zu gewöhnen, dass das Interesse der Mehrheit trotz Demokratie am Ende egal ist.
In der Schule ist es der Schulleiter, der Vorhaben stoppt, obwohl die ganze Schüler:innenvertretung dafür war. Später sind es Rüstungsfirmen, die Kriege anheizen, obwohl die meisten Menschen sie nicht wollen.

4. Scheindemokratie aufdecken!

Wenn uns Schülerinnenvertretung und Schulsprecherinnenwahl nur darauf vorbereiten sollen, die Lügen der Herrschenden zu glauben – warum sollten wir uns dann überhaupt aufstellen? Abgesehen davon, dass wir dadurch unsere Aktionsgruppen stärken können.
Es geht auch darum, das allen klar zu machen: Strukturen wie Schulsprecherin erfüllen gar nicht den Zweck, etwas zu verändern. Das kann so aussehen, dass, wenn die Schulleitung wieder einmal im Alleingang Vorhaben blockiert, die lokale Aktionsgruppe das in einem Flyer veröffentlicht und es für alle Transparent macht. Gerade wenn es an der Schule einen Kampf für bestimmte Forderungen gibt, kann man durch offene Anträge aufzeigen, dass die Schüler:innenvertretung nicht dafür da ist, Dinge zu verändern.
Wenn das klar wird, müssen wir deutlich machen, dass es echte Mitbestimmung an der Schule braucht. Keine Gruppe an der Schule ist so groß wie wir Schüler:innen und trotzdem haben wir am wenigsten zu sagen. Was soll das?
Lasst uns gemeinsam für Strukturen kämpfen, die wirklich etwas verändern können. Und um diese aufzubauen, brauchen wir wieder lokale Aktionsgruppen/Schulkomitees.

5. Bewusste Offensive

Ein Großteil der Leute ist an der eigenen Schule schon aktiv – meistens ohne es zu merken. Indem sie in Diskussionen linke Standpunkte einbringen. Indem sie über Nazis lästern oder ihre Aufkleber entfernen. Indem sie kostenlose Hausaufgabenhilfe geben. Doch das reicht nicht mehr.
Wenn Neonazis auf unseren Straßen wieder Menschen jagen. Wenn Politiker im Bundestag erzählen, wie sie Menschen das Recht rauben wollen, ihren Wohnort frei zu wählen. Wenn diese Politiker Kanzler werden wollen. Dann reicht es nicht, nur zu widersprechen, wenn man uns dran nimmt. Wir müssen in die Offensive treten.
Offensive heißt einmal Aktivität in der Schule aufbauen, aber auch: Wir fordern, was uns schon lange zusteht. Deswegen werden wir uns bundesweit zu den Schulsprecher:innenwahlen aufstellen und gemeinsam mit den Schulgruppen zeigen: Wenn wir an unseren Schulen kämpfen, können wir Dinge verbessern und unsere Mitschüler:innen gegen das System organisieren, das für diese Krisen verantwortlich ist.

Tut es uns gleich: Baut Aktionsgruppen auf und stellt euch als Schulsprecher:in mit einem politischen Programm auf! Braucht ihr Unterstützung beim schreiben solch eines Wahlprogramms, oder beim Aufbau von einer Schulgruppe? Dann schreibt uns an!




School Occupation in Italy

An Interview with Partito Comunista dei Lavoratori Youth

Editorial comment: With the increasing fight for the imperialist redivision of the world – the shift to the right, militarism and cuts are more prevalent than ever. Students and the youth internationally are struggling under the crisis, which is why in Palermo (Italy) students occupied parts of their school last year, to fight for a safe environment to learn. Since we as REVOLUTION believe that it is necessary for the youth internationally to organize in the places where we spend our day-to-day life, at schools, universities and at work – we interviewed the students from the Partito Comunista dei Lavoratori (Communist Workers Party, PCL) to learn from their experiences and discuss between young communists internationally. We believe that the overthrowing of Capitalism is only possible through an international revolution, thats why we need to discuss struggles all over the world. We urge students and other parts of the youth worldwide to reach out to us, for interviews about their struggles with the capitalist system and to discuss with us, how to fight those struggles – so we can one day together achieve a communist world.

The PCL is the Italian section of the International Trotskyist Opposition, with whom our Fighting Partner the League for the Fifth International, is in discussions about regroupment, together with the International Socialist League. (Agreement between ITO, L5I and ISL: https://fifthinternational.org/for-a-regroupment-of-revolutionaries/)

Why did you occupy your school?
We choose to occupy because of our school’s very precarious structural conditions.
In fact we occupied right after the school was flooded with rain because of the sewerage
drainage system being broken and a piece of roof missing.
But this wasn’t even the only problem, we also had mold on the classrooms’ walls, on the
ground floor, a mouse infestation and malfunctioning internet connection.

What happened before, during and after the occupation?
We had already sent multiple emails to our principal asking her to resolve these problems,
but we didn’t get any response. Consequently we choose to occupy the teachers room, we would have preferred to occupy the principal’s office but it isn’t in our school, it is in another school with the same principal (a school in which the structural conditions are way better, but this doesn’t surprise us…). Two months before the occupation we had already changed the building for our school because in the past some pieces of the structure were falling down, including roofs.
Fortunately no one ever got injured but this made permanence at school very unsafe and
uncomfortable. Consequently the majority of the students were already angry and fed up at the school’s condition, considering we had transferred there coming from an already poor situation and hoping for a better one. When we saw the principal wouldn’t respond to our mails we started discussing the idea of an occupation, both in conversations with students and students’ representatives meetings. Then the representatives, including on of our comrades, voted to occupy and on the 10th of May 2024, after the first hour of lessons, we occupied the teachers’ room.

Were there other Groups participating?
There weren’t other groups organizing the occupation, considering our school doesn’t even
have a students’ collective, isn’t much active in the students’ movement and rarely
participates in protests. Despite this we were helped by the older students, who were in our school when it still had a collective, even tough It wasn’t tied to communism or generally leftism.
This collettive tough only lasted from 2021 to 2022, some months prior to when we started
High School, mostly because the majority of those who joined it were already graduating,
and by 2022 only a few of them were still in our school.)

What methods did you use to get people organized? Handing out Flyers, Newspaper,
Demonstrations?

Because of the conditions we were in, it was very easy to convince students in participating
in the occupation. The only necessary thing to convince them was talking about It in school assemblies and students’ representatives’ committee meetings. Consequently we did not hand out flyers or newspapers, but we did in March, some weeks after joining thr PCL, to try to radicalize students and make them join the party but sadly we didn’t get any results.

Were there Structures you organized around? Did you use existing structures of
student participation? How do they work?

There aren’t political structures in our school, if not the students’ committee which isn’t
politically sided though, so we organized only around it.

Were you able to Achieve your demands? If not, did you have a plan to escalate?
In the end, after three hours of occupation followed by a meeting between the school
representative, the principal and the mayor which lasted one hour, we were able to achieve
our demands. Our demands were fixing the sewerage system, the roof and the radiators, removing the mold from the walls and getting rid of the rats. I think the reason the principal approved our demands so quickly after weeks of ignoring us was fear of media coverage if the occupation lasted longer, which would have caused her to get a bad reputation.

Even though we were lucky and our demands were met, we didn’t have a plan to escalate if
they didn’t accept our demands, except occupying for a longer time and we must recognize
this as a weakness. What we obtained from this occupation was not only the fixing of the structural problems but the rebirth of a minimal political consciousness in a school that before 2022 hadn’t seen an occupation or demonstration in decades.

Were there any Repressions?
Fortunately we didn’t suffer any repression but at the same time repression Is very common
in Italy. For example in February students in Pisa and Firenze were beaten by police for protesting
against the italian government’s involvement in the genocide of Palestinians by Israel and in
December ten students in Rome got suspended for 15 days, condemned to hours of
community service and reported to the police after they occupied Cavour High School for
one week. (1)

Also with the new DDL Sicurezza, a set of laws that are being approved by the
government, there are a lot of new norms that will be approved that make political activism
extremely difficult. For example the 14th section punishes those who blockade roads while protesting with 6 years of jail, the 19th section introduces the crime of passive resistance, the 28th section allows police officers to carry certain types of weapons even when they aren’t in service and the 31th section permits members of the secret services, if they received the permission of
the president, to commit acts of terrorism and asks universities to provide the identities of
professors and students that are in the opposition parties to the secret services. (2)

How did the students React to the Occupation and Organizing?
As I had already said, students were tired about the school’s conditions and the principal’s
negligence so they reacted very positively to the occupation and some of them helped
organizing It.

Are these Problems Specific to your school, region, or the whole country? What
Perspective did you propagandize
?

These problems didn’t affect only our school but affected and affect the schools of the whole
country. Last year there were 69 collapses in schools regarding roofs and walls, 8 more than 2023.
The South, the area in which our school Is located, is the most affected, with 28 collapses
(40,5%). This underlines the connection between inadequate school structures and the questione
meridionale, which is the set of all socio-economic inequalities between North and South
Italy. 59,16% of schools don’t have an usability certificate, 57,68% don’t have fire
prevention, 41,5% don’t have static testing. The air quality also is very poor, 94% of schools don’t have air conditioning and ventilation systems. 10% of schools don’t have heating systems.
These issues are also tied to ableism. In fact 65% of schools don’t have stairlifts, 74% don’t have appropriate bathrooms for disabled people and 76% don’t have wheelchair ramps.
Also only 11% of schools underwent construction works aimed at eliminating architectural
barriers. (3)

These conditions are probably caused by the corruption of some school principals and, even
more, by education not receiving enough government funds. Indeed in Italy education receives 2,9% of the total GDP, against the 3,2% OECD average. (4)

This while the military spending increases by 13 billion euros, indicating how the current
post-fascist government put it’s imperialist interests and the support to Israel in it’s genocide
against Palestinians higher than the needs of the people of the country they rule. (5)

An example of corrupt school principals is Falcone Middle School’s former principal Daniela
Lo Verde, who stole food and technological tools that were destined to students and
appropriated EU funds by inventing courses that never actually happened in the school, the
already unacceptable act is worsened by the fact It happened in the poorest Palermo’s
district, ZEN. Now she has been sentenced to carrying out community services. (6)

Are you going to continue to stay active in Schools?
Certainly we are going to keep being active in our school. One of our comrades has been reelected as the classroom representative and next year we would like to candidate ourselves in the students’ elections to become school representatives. We also organized leafletings about protests we participated in and events that we organized in our political circle both in our school and the other High School in Town. These sadly didn’t attract anyone to the party but they contributed to make ourselves known as a party and as communists in school, helping us in making steps forward to organize the students in fighting against the bourgeoisie and ally with the workers’ movement in our school.

Sources:

(1) https://corrierefiorentino.corriere.it/notizie/24_febbraio_24/cariche-sugli-
studenti-pro-palestina-a-pisa-e-firenze-sindaci-e-rettori-e-inaccettabile-97e8e528-e551-
412d-805f-ff8a134eexlk.shtml and https://www.romatoday.it/politica/scuole-occupate-roma-
sospensioni-liceo-cavour.html)

(2) https://www.sistemapenale.it/it/documenti/pacchetto-sicurezza-il-testo-del-disegno-
di-legge-e-il-dossier-del-servizio-studi-del-senato and https://ilmanifesto.it/il-grande-fratello-
alluniversita)

(3) https://www.ilfattoquotidiano.it/2024/09/25/aumentano-i-crolli-nelle-scuole-
e-il-60-degli-istituti-non-ha-certificato-dagibilita-e-prevenzione-incendi/7706942/

(4) https://www.tuttoscuola.com/education-at-a-glance-2024-valditara-investimenti-e-
innovazioni-per-una-scuola-italiana-piu-equa-e-competitiva/

(5) https://www.milex.org/2024/10/30/esplosione-per-le-spese-militari-italiane-nel-2025-
a-32-miliardi-di-cui-13-per-nuove-armi/

(6) https://www.palermotoday.it/cronaca/scuole-falcone-zen-corruzione-condanna-
preside-lo-verde.html




Hohenschönhausen: Linker Schüler wird von Rechtsradikalen durch Straßen gejagt

Pressemitteilung der Initiative Solidarität mit Leon

In der Nacht vom 7. zum 8. März wurde Leon W., der in die 11. Klasse des Grünen Campus Malchow geht, von einer ca. 15-köpfigen Gruppe Neonazis gejagt. Das Ereignis reiht sich ein in eine sich zuspitzende Bedrohungslage, der sich Leon ausgesetzt sieht, seitdem er begonnen hat, sich an seiner Schule gegen Rassismus und für mehr Mitbestimmung von Schüler:innen einzusetzen.

Dazu gehörte u.a. die Organisierung einer Vollversammlung, auf der die Schüler:innen sich über ihre Sorgen und Ängste anlässlich von Abschiebungen und eines sich verschärfenden rassistischen Klimas in der Gesellschaft austauschten. Zudem diskutierten sie über mögliche Reaktionen auf eine von ihnen wahrgenommene Kriegsgefahr und Militarisierung sowie eine – von ihnen als “Bildungskrise” bezeichnete – Situation im Schulsystem, die sich durch Kürzungen seitens der Regierung weiter verschlechtern könnte.

Leon und die anderen Aktiven haben einerseits Zuspruch und Unterstützung erfahren, andererseits hat eine lose Gruppe von Schüler:innen, denen eine Verbindung ins rechtsradikale Milieu zugesagt wird, von Beginn an ihre Gegnerschaft zu der Initiative bekundet.

Die darauf folgenden Bedrohungen und Einschüchterungsversuche richteten sich zunehmend gegen Leons Person selbst. So wurden Aushänge mit seinem Namen, seiner Telefonnummer und einem Foto von ihm verklebt, auf denen er als “Linksradikaler “ markiert wird, verbunden mit der Aufforderung, sich von ihm fernzuhalten. Zu einem öffentlichen Treffen von Leons Schulgruppe erschienen drei vermummte Personen, die sich drohend neben den sich versammelnden Schüler:innen aufgebaut haben. Ebenso haben seine Eltern beobachtet, wie Unbekannte sein Klingelschild in seiner Straße ausfindig gemacht haben. Kurz darauf entdeckte Leon selbst ein Graffito von seinem Nachnamen und der Drohung “verrecke!”.

In der Nacht von Freitag zu Samstag erreichte die Bedrohung ihren bisherigen Höhepunkt. Eine Gruppe von ca. 15 Vermummten verschiedenen Alters fing Leon in der Nähe seiner Wohnung ab.  Sie bedrohten ihn verbal und stürmten auf ihn los sowie auf zwei Schulfreunde, die ihn begleiteten.  Die Jugendlichen konnten fliehen und sich dem Angriff durch Verstecken entziehen. Sobald möglich betätigten sie den Notruf. Nachdem Leon der Leitstelle über vier Minuten die Situation schildern musste, während derer er und seine Freunde in unmittelbarer Gefahr schwebten, wurde schließlich eine einzelne Streife geschickt. Die zwei Polizeibeamten ergriffen jedoch keine unmittelbaren Maßnahmen und ließen die Mehrheit der rechten Gefährder ziehen, ohne ihre Personalien aufzunehmen.

Leon sieht sich nach diesem Vorfall nicht hinreichend durch die Polizei geschützt und fordert, dass sich Betroffene selbst zu ihrem Schutz zusammentun. Er und seine Mitstreiter:innen sagen auch, dass sie sich nicht einschüchtern lassen wollen und ab jetzt “erst recht Aktionen gegen den Rechtsruck” an der Schule organisieren möchten. Die Übergriffe und Drohungen gegen Leon sind leider kein Einzelfall, sondern Ausdruck eines zunehmend rassistischen Klimas und eines Rechtsrucks im ganzen Land. Wehrt den Anfängen!

Für weitere Anfragen stehen wir gern unter inititativesolimitleon@proton.me zur Verfügung

Christoph Katzer




Mobbing, Mädchentore, Militär-Drill: Warum Schüler:innen den Sportunterricht hassen und was sich ändern muss

Von Erik Likedeeler, Dezember 2024

Mobbing in der Umkleide, Unwohlsein und Leistungsdruck wegen der Notenvergabe: Warum ist der Sportunterricht für so viele Schüler:innen die Hölle auf Erden? Um das herauszufinden, haben wir mit Schüler:innen aus verschiedenen Bundesländern gesprochen. Ihre Erfahrungen und ihr Trauma zeigen uns, dass es höchste Zeit ist, den Sportunterricht zu revolutionieren!

Mobbing in der Umkleide und auf dem Platz

Der Sportunterricht bietet zahlreiche Gelegenheiten für Mobbing, und das geht schon in der Umkleide los. Nicht umsonst ist „Locker Room Talk“ im Englischen ein feststehender Begriff für patriarchales Sprücheklopfen unter Männern. Außerdem wird provoziert, geklaut, geschlagen und sich gegenseitig der Homosexualität „beschuldigt“.

Auch in der Mädchenumkleide wird gemobbt, häufig in Form von Bodyshaming, z.B. aufgrund von Behaarung oder Gewicht. Lesbischen Schülerinnen wird unterstellt, sie würden ihre Mitschülerinnen anstarren. Deshalb ist es auch falsch, Mädchenumkleiden oder den Mädchensportunterricht als „safe space“ zu romantisieren – aber dazu später mehr. Trans Schüler:innen bleibt zum Umziehen meist nur das Klo übrig, denn es ist eher die Ausnahme, dass sie in einer der beiden Kabinen sicher sind.

Belästigungen und Übergriffe können ebenso bei Sportumkleiden auftreten. So ist es an manchen Schulen üblich, dass Jungs die Mädchenumkleide aufreißen, um diese beim Umziehen zu beobachten. Auch das führt zu Unsicherheiten und dazu, dass sich manche lieber auf dem Klo umziehen und trotz sportlicher Anstrengungen ungern nach dem Sportunterricht die Dusche nutzen.

Auch der Rest des Sportunterrichts ist für viele eine Qual. Die Erfahrung, als dickes, „unsportliches“, unbeliebtes oder körperlich behindertes Kind als letztes ins Team gewählt zu werden, ist mittlerweile zu einem richtigen Meme geworden.

Im „Team“-Sport lernen Schüler:innen nicht wirklich, miteinander zu kooperieren. Einzelnen Schüler:innen wird die „Schuld“ gegeben, wenn ein Team verliert. Mädchen wird beigebracht, dass sie selbst nicht aufs Tor schießen, sondern den Ball lieber zu den „Jungs aus dem Verein“ passen sollen, wenn sie von denen nicht angebrüllt werden wollen. Selbst wenn sie dies tun, können sie nicht immer der verbalen Gewalt entgegenwirken.

Manche Lehrer:innen versuchen, den Sexismus durch mechanische Regeln zu überwinden. Plötzlich ist dann die Rede von: „Mindestens ein Mädchen in jedem Team“, „Mädchentore zählen doppelt“ oder „Mädchenliegestützen“. Dieser hilflose und scheinheilige Versuch sorgt dafür, dass Mädchen von vorneherein als Ärgernis und weniger vollwertiges Teammitglied betrachtet werden, das von Natur aus nicht in der Lage ist, sportlich zu sein. Wenn ein Mädchen abkommandiert wird, um sich strategisch vor dem Tor zu positionieren, wird das eigentliche Problem nicht einmal angekratzt.

Auch bei Turnübungen herrscht eine unsolidarische Kultur, bestehend aus Glotzen, Vergleichen, Auslachen und Demütigen. Einige Schüler:innen entwickeln so viel Angst vor dem Unterricht, dass sie über Jahre hinweg fehlen oder sich absichtlich Verletzungen zufügen, um nicht teilnehmen zu müssen.

Die Scham vor der eigenen Ungeschicktheit ist die Folge von Leistungsdruck. Dieser begünstigt es, sich darüber zu freuen, wenn andere scheitern, um den eigenen Platz in der Hackordnung zu sichern.

Geschlechtergetrennter Sportunterricht? Nein danke!

An zahlreichen deutschen Schulen ist der getrennte Sportunterricht üblich. In geschlechtergetrennten Sportkursen werden oft auch unterschiedliche Sportarten unterrichtet: Während die Jungs Ballsport üben und sich raufen dürfen, lernen die Mädchen Turnen oder Tanzen.

Über die Jahre bilden sich konditionierte Bewegungsmuster, die sich dann „normal“ anfühlen. Während die einen lernen, zuzutreten, hinzufallen und wieder aufzustehen, bekommen die anderen Eleganz und Körperhaltung vermittelt. So kommt es dazu, dass Kinder glauben, sich bei manchen Sportarten „von Natur aus“ nicht wohlfühlen zu können. Besonders Mädchen haben Probleme damit, die potentielle Stärke ihres Körpers zu erkennen und zu nutzen. Wenn Jungs Interesse am Tanzen zeigen, führt das oft zu heftigem Mobbing.

Manchmal wird die Zweiteilung damit begründet, dass die Mädchen einen „sicheren Raum“ bräuchten, an dem sie Sport machen können, ohne das Mackergehabe von Jungs ertragen zu müssen. Auch die Unsicherheiten während der Pubertät sollen so nicht weiter angefeuert werden. Diese Maßnahme basiert auf der Erwartung von Heterosexualität: Nur weil die Jungs als potentielle Partner dargestellt werden, macht es Sinn, dass Mädchen sich „unbegehrt“ fühlen könnten. Statt die Scham als gegebene Tatsache vorauszusetzen, sollte Mädchen gar nicht erst eingeredet werden, dass es peinlich wäre, wie sie beim Sport oder im Allgemeinen aussehen.

Auch die Jungs in einem eigenen Bereich zusammenzupferchen, ist keine Lösung. Jungs sollten in ihren anzüglichen Kommentaren nicht auch noch bestätigt werden. Auch andere Jungs sollten dem gewalttätigen Verhalten ihrer Mitschüler nicht ausgesetzt sein! Stattdessen sollten wir von Anfang an verlangen, dass Jungs nicht mehr darauf getrimmt werden, Machtkämpfe über Sport und Gewalt auszutragen.

Wir fordern, dass der geschlechtergetrennte Sportunterricht abgeschafft wird! Diese Zweiteilung, die auch im Leistungssport üblich ist, festigt die Geschlechterverhältnisse und ist exkludierend gegenüber trans Personen. Durch den rechten Kulturkampf diesbezüglich werden Vorurteile festgenagelt, über angebliche Leistungsvorteile, die trans Frauen gegenüber cis Frauen hätten. Das zeigte sich auch während Olympia 2024. Durch die Übertragung dessen auf den Schulsport wird die Trennung weiter naturalisiert und ein kritisches Hinterfragen erschwert.

Weiterhin fordern wir, dass die Schüler:innen selbst entscheiden dürfen, welche Sportarten sie lernen! Einen Vorschlag haben wir schon: Selbstverteidigungskurse, um sich effektiv gegen Übergriffe jeglicher Art zur Wehr zu setzen!

Denn auch die Rolle der Sportlehrer:innen ist nicht zu unterschätzen. Manche der jüngeren Sportlehrer werden sogar als „Teil von den Jungs“ gesehen und mobben fleißig mit. Sexistische Kommentare wie „du bist doch kein Mädchen“, um einen Jungen für vermeintliche Schwäche abzustrafen, sind da keine Seltenheit.

Sportlehrer:innen haben tendenziell eine größere Machtposition als andere Lehrer:innen, denn ein körperbezogenes Unterrichtsfach begünstigt Belästigung. Studien bestätigen dies. Der Sportunterricht ist demnach das Fach, welches besonders anfällig für Belästigungen und Grenzüberschreitungen ist. Eine Studie (Wagner & Knoke 2022) zählt in diesem Kontext auf, dass bei Mädchen Wert auf enge Sportkleidung gelegt wurde, was teilweise die Notengebung beeinflusste, dass anzügliche Kommentare gemacht wurden, die Umkleiden unangekündigt und gegen den Willen der Schüler:innen betreten wurden, und dass die Hilfegriffe während des Turnens als grenzüberschreitend wahrgenommen wurden.

„Lehrer, die meine Periodenkrämpfe nicht als Entschuldigung sehen, die einen mit ‚Hilfegriffen‘ an der Hüfte packen oder Videos von einem machen, kenne ich nur zu gut“, wie ein:e Schüler:in uns berichtet. Schon eine Betreuung durch mehrere Lehrer:innen könnte helfen, diese Willkür zu verringern. Lehrkräfte sollten beispielsweise bei Hilfsgriffen nachfragen und offen darüber kommunizieren. Außerdem brauchen wir an jeder Schule eine von Schüler:innen, Lehrkräften und anderen Schulmitarbeiter:innen selbst verwaltete Antidiskriminierungsstelle, mit der Befugnis, übergriffige Lehrkräfte zu suspendieren! Mehr zu diesen Antidiskriminierungsstellen könnt ihr in diesem Artikel nachlesen (Link).

Bodyshaming und BMI raus aus dem Unterricht!

Wir alle kennen diese Motivationssprüche, die uns einreden, dass Sport immer grauenhaft sein müsste. No pain, no gain. Sei stärker als deine stärkste Ausrede. Schmerz ist Schwäche, die deinen Körper verlässt. Wer hinterher nicht außer Atem ist, der hat etwas falsch gemacht. Wer keinen Muskelkater und keine zittrigen Knie hat, hat sich nicht genug angestrengt. Wer nicht an die eigenen Grenzen gehen will, kann es gleich lassen.

Wir lernen, dass es im Menschen etwas Böswilliges und Hasserfülltes gäbe, das wir bezwingen müssen. Immer geht es darum, den „inneren Schweinehund“ zu überwinden – eine Metapher der Willensschwäche, welche auch von Sozialdemokraten und Kommunisten verwendet wurde, aber letztlich in der Soldatensprache der Nazis populär wurde. Hierbei war die Überwindung von Faulheit und mangelnder Disziplin die entscheidende Bedeutung.

Gesellschaftlich gibt es seit dem Aufstieg der Wellness-Kultur in den 2000er Jahren die Tendenz, sich über die eigene Fitness und den funktionierenden Körper zu definieren. Das beschert uns heute immer mehr Fälle von Essstörungen und Sportsucht, die bereits bei Kindern auftreten.

Während Mädchen beigebracht bekommen, dass sie möglichst dünn sein sollen und in der Umkleidekabine ihre sichtbaren Rippen zählen, lernen Jungs, dass ihre Muskeln ihre Männlichkeit repräsentieren würden.

Wie ein:e Schüler:in erzählt: „Das konstante Vergleichen meines Körpers, der schon immer anders war, hat mir dauerhaft geschadet. Als ich tief in meiner Essstörung war und mit Depressionen kämpfte, war mir beim Sport regelmäßig schwarz vor Augen, häufig bin ich auf der Laufbahn getorkelt. Niemanden hat es interessiert.“

Bei vielen Sportarten wie Fußball geht es darum, viel Raum einzunehmen – und daran, wie viel Raum wir mit unserem Körper einnehmen können, zeigen sich Trauma, Bodyshaming und Unterdrückung. Als weibliche oder queere Schüler:innen sollten wir lernen dürfen, dass uns dieser Raum zusteht, und dass wir ihn nutzen dürfen!

Doch die Abwertung der Körper wird dramatisch verstärkt, wenn es zum Teil des Sportunterrichts gemacht wird, sich öffentlich zu wiegen und den eigenen BMI zu messen. Dabei handelt es sich um ein Diätwerkzeug, das ursprünglich nicht als Indikator für „Gesundheit“ entwickelt wurde, sondern dafür, die Militärtauglichkeit junger Männer festzustellen. Diätkultur hat im Unterricht nichts zu suchen und der BMI gehört in die Tonne getreten!

Weg mit den Sportnoten und weg mit dem Cooper-Test!

Wenn wir schon darüber sprechen, uns von Bullshit-Bewertungsskalen wie dem BMI zu verabschieden, sollten wir uns als Nächstes die Abschaffung der Noten vornehmen.

Dafür müssen wir die Idee loslassen, dass Sportleistungen überhaupt vergleichbar wären. Menschen haben verschiedene Körper, besonders in der Pubertät sind die Unterschiede enorm. Auch die Lebensumstände, Trainingsmöglichkeiten, Motivationen und Ziele sind verschieden. Nicht für alle ist es möglich oder erstrebenswert, den Körper zu einer bestimmten Leistung zu pushen.

Bei zahlreichen Leistungen ist es fragwürdig, sie objektiv messen zu wollen: Wie soll man Fairplay beim Ballspiel oder die Eleganz einer Choreographie in eine Zahl umrechnen?

Die starren Lehrpläne, die nur auf das Erbringen genormter Leistungen ausgerichtet sind, machen den Unterricht unflexibel. Wenn am Ende des Schuljahres noch eine Laufnote fehlt, dann wird auch schon mal draußen bei 35 °C um den Platz gerannt.

Ein Beispiel, das Schüler:innen besonders quält, ist der Cooper-Test, bei dem es darum geht, so schnell und so weit wie möglich zu rennen. Ursprünglich wurde diese standardisierte Prüfung für das US-Militär entwickelt und wird in Aufnahmeprüfungen für die Bundespolizei und die Fremdenlegion verwendet. Er wird jedoch auch in deutschen Abiturprüfungen verlangt.

Dieser Drill ist nicht nur pädagogisch sinnfrei, sondern auch ungeeignet für Schüler:innen. Nicht selten kommt es vor, dass sie über ihre eigenen Grenzen gehen müssen und zusammenbrechen. Eine Studie der Uni Heidelberg kam zum Ergebnis, dass der Test für Laufunerfahrene, also fast alle Schüler:innen, völlig ungeeignet sei und keine Noten darauf vergeben werden sollten (Ulrich 2006).

Es kommt zum Vorschein, dass es beim Sportunterricht in Deutschland schon von Beginn an darum ging, Jugendliche zu disziplinieren und ihnen die Faulheit auszutreiben, um sie zu ausdauernden, fleißigen, braven Arbeiter:innen und wehrfähigen Soldaten heranzuziehen.

All das sind gute Gründe, den Cooper-Test im Speziellen und die Sportnoten im Allgemeinen auf den Müllhaufen der Geschichte zu verbannen. Auch freiwillige Benotung oder irgendein „softerer“ Notenersatz in Form von Buchstaben oder Ankreuzbögen werden das Problem nicht lösen. Denn Noten sollen nicht dafür sorgen, dass wir uns besser fühlen oder dass uns geholfen wird.

Ihre Funktion ist es, dass unsere späteren Bosse uns leichter in Schubladen stecken und uns effizienter ausbeuten können. Sie trainieren uns an, dass wir uns für die Meinung anderer verbiegen und verausgaben, auch wenn wir eigentlich andere Interessen und Bedürfnisse haben. Außerdem sollen Schüler:innen gegeneinander aufgehetzt und in ihren Interessen gespalten werden, ganz so, wie es auch später in der Lohnarbeit passiert. Denn wenn ein paar Sportskanonen mit sich selbst zufrieden sein können, müssen sie sich nicht dafür verantwortlich fühlen, ein besseres Bildungssystem zu erkämpfen, in dem alle sich wohlfühlen.

Ein Sondervermögen für das Bildungssystem!

Es ist kein Zufall, dass in Zeiten der Krise häufig der Sportunterricht wegfällt oder gekürzt wird: Wenn aufgrund von Krieg, Inflation und Bundeswehr-Sondervermögen irgendwo Ausgaben gesenkt werden sollen, dann muss das Schulsystem zuerst dran glauben. Sport gilt dann plötzlich nicht mehr als wichtige pädagogische Angelegenheit, sondern als „unnötiges“ Fach, das zu viele Kosten verursacht.

Aber warum sollten wir Kapitalist:innen dabei helfen, Kosten für unsere Schulausbildung einzusparen? Was hätten wir davon, wenn wir statt Sport noch zwei weitere Stunden fremdbestimmten Frontalunterricht absitzen würden – einfach nur, damit unser Stundenplan noch mehr Marktkonformität bekommt?

Dass wir im Sportunterricht hauptsächlich Ballsport und Bodenturnen lernen oder stumpf im Kreis rennen, liegt auch daran, dass für interessantere Sportgeräte das Geld fehlt. Also: Weg mit den maroden, unsicheren Sportanlagen, die insbesondere in Verbindung mit Schlafmangel und Erschöpfung die Verletzungsgefahr erhöhen.

Was wir stattdessen brauchen, ist die volle Ausfinanzierung in den Aufbau und Betrieb von neuen Sportangeboten – nicht nur an reichen Privatschulen, sondern überall! Auch die Sportkleidung sollte bei Bedarf bezuschusst werden. Zusätzlich brauchen wir Sporthallen, die im Winter verlässlich beheizt werden, alles bezahlt aus den Kassen der Kapitalist:innen.

Zudem brauchen wir im Unterricht mehr Zeit für Erklärungen und Theorie, um unnötige Verletzungen von Knochenbrüchen bis hin zu Gehirnerschütterungen zu vermeiden und einen sicheren Sportunterricht für alle zu gewährleisten.

Muss Sport denn immer scheiße sein?

Wenn der Sportunterricht so viele Probleme macht, sollten wir ihn dann nicht einfach abschaffen? Dazu sagen wir: Nein, denn Sport ist ein wichtiger Bestandteil des sozialen Miteinanders, und der menschliche Körper ist zweifellos für Bewegung gemacht – niemand von uns ist wirklich „unsportlich“.

Es ist traurig, dass viele Menschen sich keine Welt vorstellen können, in der Bewegung mit Entspannung, Ausgleich, sozialen Kontakten und Freude assoziiert wird, anstatt mit Gewalt, Trauma, Diskriminierung und militärischem Drill. Daher sollte unser Ziel sein, dass allen Schüler:innen ermöglicht wird, zu erfahren, dass Bewegung innerhalb ihrer Möglichkeiten sich positiv auf verschiedene Bereiche wie Psyche, Körpergefühl und Entspannung auswirken kann.

Was wäre, wenn es im Sportunterricht kein übergeordnetes Ziel mehr gäbe, an das alle sich halten müssen, wie Gewinnen, Rekordzeiten oder Perfektion? Was, wenn es kein Versagen mehr gäbe und die Bewegung selbst das Ziel wäre? Wenn es normal wäre, auf die eigenen Grenzen zu hören?

Wir können Sexismus, Queerfeindlichkeit und Leistungsdruck an der Schule nicht bekämpfen, indem wir alldem aus dem Weg gehen. Stattdessen sollten wir unsere miesen Erfahrungen als Ausgangspunkt nehmen, um echte Lösungen zu finden und tatsächlich etwas an den Zuständen zu verändern.

Für uns ist klar, dass das nicht von heute auf morgen passiert. Wir sollten zwar damit anfangen, die Probleme unserer Schule jetzt schon aufzugreifen. Aber diese werden vom Kapitalismus und dessen Ideologie und Strukturen beeinflusst, weshalb wir verstehen müssen, dass wir eine befreite Gesellschaft erst erkämpfen müssen.

Schönheitsideale, Geschlechterrollen, sexualisierte Gewalt und Sexismus sind eng verknüpft mit der geschlechtsbedingten Arbeitsteilung in Produktion und Reproduktion.

Nicht nur cis Frauen und Mädchen leiden unter dieser Unterdrückung, auch für queere Personen leiten sich viele Probleme und ihre gesellschaftliche Unterdrückung davon ab.

Um dies zu überwinden, muss der Kapitalismus zerschlagen und die Weichen für eine solidarische Gesellschaft erkämpft werden – ohne Privatbesitz an Produktionsmitteln und stattdessen mit einer Planwirtschaft unter Kontrolle der Arbeiter:innenklasse.




Gegen Esoterik und Antisemitismus – Waldorfschulen dicht machen?!?!

Von Isma Johnson, November 2024

Immer mehr von uns Schüler:innen gehen auf Waldorfschulen: die Anzahl von Waldorfschulen hat sich seit 1990 verdoppelt und liegt mittlerweile über 250 in ganz Deutschland. Die meisten Menschen machen bei dem Thema erstmal Witze übers Namentanzen, und generell haben Waldorfschulen das Image einer harmlosen und irgendwie netteren Alternative zum staatlichen Schul-system. Das ist auch ein Grund für ihr Wachstum: Schüler:innen und ihre Eltern versuchen irgendwie dem Leistungsdruck des kaputtgesparten Bildungssystems zu entkommen und finden bei Waldorfschulen teilweise auch eine eher aushaltbare Umgebung. Tat-sächlich lösen können Waldorfschulen unsere Bildungskrise aber natürlich nicht und sie sind auch nicht so harmlos, wie sie ständig dargestellt werden. Was wir stattdessen brauchen, um eine echte Verbesserung für Schüler:innen zu erreichen und warum das langfristig bedeutet Waldorfschulen zu schließen, wollen wir in diesem Artikel zeigen. Historisch gesehen gehen Waldorfpädagogik und -Schulen auf Rudolf Steiner zurück. Dieser hat sie 1919 im Auftrag des Zigarettenfabrikanten Waldorf-Astoria entwickelt. Dieser wollte eine “höhere” Schule für die Arbeiter:innenkinder seiner Fabrik, deren Schulgelder er wohl selbst deckte.

Obwohl sie also zu Beginn auch eine Schule für Arbeiter:innenkinder wahr wurde sie im Gegensatz beispiels-weise zur Reformpädagogik, die aus der Arbeitenden-klasse und sozialdemokratischen Jugendorganisationen kam, im Auftrag eines Kapitalisten entwickelt.

Steiner selbst war bekannt als Publizist und Intellektueller, der durch Deutschland und Österreich reiste, um Vorträge zu halten. Er hielt sich selbst für einen Hellseher, der etwa das “wahre” Gesicht der Welt aus Gnomen, Engeln und Dämonen sehen konnte. Aus dieser absurden Esoterik entwickelte er auch seine Weltanschauung, die Anthroposophie, die wiederum die Grundlage für Waldorfpädagogik ist. Wie fast alle Esoterik hat sie extrem rassistische Elemente und geht etwa davon aus, dass verschiedene menschliche “Wurzelrassen” einander seit jeher ersetzen, um einen besseren Menschen zu erschaffen. Steiner geht hier zunächst von fantastischen Rassen, wie den Atlanten von Atlantis (ja, dem mythischen Kontinent) aus, bezieht deren Eigenschaften aber auch auf ihre angeblichen Nachkommen, wie etwa die am weitesten entwickelte “weiße Rasse”.Diese würde als einzige die kommenden Katastrophen überleben und hätte zum Beispiel ganz andere Eigenschaften als die “andersgearteten” Schwarzen Menschen, die er natürlich mit dem N-Wort bezeichnet. Steiner ist damit auch ein Vorreiter für die später faschistische Idee des Kampfes der Rassen um Lebens-raum. Zusätzlich verfolgt Steiner die Lehre vom Karma, geht also davon aus, dass alles persönliche oder gesellschaftliche Übel der Welt eigentlich “Schicksal” sei. Sie ist extrem reaktionär (also rückschrittlich), da sie Krankheiten, Katastrophen und sogar Genozide eigentlich als selbstverschuldet begreift, weil die Betroffenen im vorigen Leben eben nicht genügend “Karma” gesammelt hätten. In anderen anthroposophischen (also sich auf Steiner beziehenden) Schriften wird dabei Jüd:innen auf extrem antisemitische Weise selbst die Schuld an der Shoah zugeschrieben, weil sie im vorigen Leben zu “geizig” gewesen wären.

Wie taucht diese erschreckende Ideologie denn in den Waldorfschulen auf?

Anthroposophie ist zwar kein eigenes Schulfach, aber die ganze Methodik und Überzeugungen der Schule sind davon durchzogen, je nach Schule mal mehr mal weniger. Ob Steiners Thesen, wie etwa Wurzelrassen, tatsächlich noch unterrichtet werden, ist entsprechend unter-schiedlich und hängt von der Schulleitung, Eltern und vor allem einzelnen Lehrer:innen ab. Der Bund der Freien Waldorfschulen hat sich zwar von jeglichem Rassismus und Diskriminierung distanziert, aber nicht von Rudolph Steiner selbst, dessen Aussagen sie nicht mal klar als rassistisch anerkennen. Weiterhin werden viele Elemente seiner Pädagogik als scheinbar fortschrittlicher und freier dargestellt. Beispielsweise soll Waldorfpädagogik “ganzheitlicher” sein, Kinder wer-den mit ihrem “Temperament” statt nur ihren Noten gesehen. Es gibt aber angeblich auch nur vier Tempe-ramente (melancholisch, cholerisch, phlegmatisch und sanguinisch), in die die Kinder durch “Körperbetrachtung” von Lehrer:innen eingeteilt werden können. Auch hier steht wieder ein reaktionärer Gedanke hinter, nämlich der Glaube, man könnte den Charakter an körperlichen Merkmalen ablesen. Wo Schulen eigentlich die Entwicklung des eigenen Charakter fördern sollen, gehen Waldorfschulen davon aus, dass dieser durch den Körperbau vorbestimmt sei und sich auch nicht mehr ändere.

Aber obwohl die Begründungen für Waldorfpädagogik schlichtweg falsch bis reaktionär sind, heißt das nicht, dass sie keine Vorteile mit sich bringt. Beispielsweise gehen viele Lehrer:innen tatsächlich individueller auf Schüler:innen ein. Entscheidend ist auch der spürbar geringere Leistungsdruck als an staatlichen Schulen. Bis zur 11. Klasse werden keine Noten vergeben, die Lehrer:innen fördern weniger Konkurrenz zwischen Schüler:innen und – zumindest nach den Erfahrungen der Autor:in – läuft der Unterricht wesentlich entspannter ab. Auch gibt es deutlich mehr Zeit für kreative und handwerkliche Tätigkeiten, Fächer wie Buchbinden, Schneidern, Musik, Theater sowie Eurythmie (aka Namentanzen) nehmen einen großen Teil des Stundenplans ein. Allerdings wird die Kreativität von Schüler:innen durch absurde Regelungen auch direkt wieder eingeschränkt. Gerade in der Eurythmie (eine Art Ausdruckstanz) gibt es ein riesiges Regelwerk, wie man welche Emotion, Farbe oder welchen Laut ausdrücken muss und auch beispielsweise beim Malen gibt es starre Vorgaben, die aus Steiners Philosophie hervorgehen. Beispielsweise dürfen die Schüler:innen anfangs keine schwarzen Stifte verwenden und müssen ganz bestimmte Materialien benutzen. Sogar Lesen lernen dürfen Waldorfschüler:innen erst ab der 2. Klasse, weil die Theorie der “Körperentwicklung” davon ausgeht, Kinder würden erst dann einen “Ätherleib” ausbilden, der das Lesenlernen ermöglicht. Früher lesen zu lernen schade angeblich der Gesundheit.

Unter diesen Umständen müssen wir auch die Selbstverwaltung an Waldorfschulen kritisch sehen, denn jede einzelne Waldorfschule ist durch die Lehrer:innen frei selbstverwaltet. Dabei zeigt sich zwar auch eine gewisse antistaatliche Haltung, es ist aber trotzdem keine fortschrittliche. Sie will nicht den bürgerlichen Staat und seine Klassenherrschaft überwinden, sondern bezieht sich auf Rudolf Steiner und stellt sich deshalb eher einen rückschrittlichen, fast völkischen Staat vor. Nur Selbstverwaltung alleine ist also nichts Gutes, selbst die Reichsbürger haben ja eine Selbstverwaltung. Sie kann sogar gefährlich werden, wenn sie zum Beispiel den Missbrauch und die Gewaltvorfälle deckt, die an mehreren Waldorfschulen vorgefallen sind. Etwa passierte es in den letzten Jahren häufiger, dass Lehrer:innen ihren Schüler:innen verboten haben, Coronaschutzmasken zu tragen, oder sie ihnen heruntergerissen haben. Auch generell ist Kritik an Schutzmasken und das Anzweifeln von Corona an den meisten Waldorfschulen völlig alltäglich geworden. All das bleibt vor der Öffentlichkeit, auch durch die Selbstverwaltung und teilweise Sektenhaftigkeit verborgen.

Welche Perspektive?

Stattdessen müssen wir also für die Mitbestimmung von Schüler:innen sowie anderen Schulbeschäftigten kämpfen und vor allem eine Selbstverwaltung schaffen, die sich aus all den richtigen Gründen gegen den bürgerlichen Staat und für eine sozialistische Zukunft ausspricht. Und auch direkt an unseren Schulen, können wir als Waldorfschüler:innen gegen einiges was tun: Was wird genau im Geschichtsunterricht erzählt? Gibt es tatsächlich Religionsfreiheit oder eine Überbetonung des Christen-tums? Wie wird Sexualität dargestellt? Gibt es einen freien und inklusiven Sexualkundeunterricht? Wie frei ist euer Kunstunterricht tatsächlich? Was dürft ihr im Rahmen der „Selbstverwaltung“ wirklich mitbestimmen? Wir müssen uns die Errungenschaften, wie weniger Leistungsdruck und die spätere Notengebung, natürlich erhalten und sollten nicht alle Waldorfschulen von heute auf morgen schließen. Aber Waldorfschulen sind trotz allem Privatschulen und kosten im Schnitt (teilweise mit Sozialstaffelung) 200€ im Monat. Sie sind keine Option für alle und sind durch ihr esoterisches Lehrkonzept auch nichts, was wir für alle anstreben sollten.

Stattdessen brauchen wir ein Bildungssystem, in dem niemand mehr wegen zu viel Stress auf eine Privatschule wechseln muss, sondern in dem alle auf staatlichen Schulen glücklich sein können. Auch dafür müssen wir kämpfen. Also schließt euch als Waldorfschüler:innen zusammen und organisiert euch gegen Esoterik, Rassismus und Antisemitismus, sowie Queerfeindlichkeit im Unterricht!

Wir als Revolution werfen dafür folgende Forderungen auf:

  • Gegen jeden Rassismus im Unterricht!
  • Für säkulare Schulen bei voller Religionsfreiheit für alle Schüler:innen!
  • Für einen Lehrplan, dessen Inhalte von Schüler:innen und Lehrer:innen gemeinsam bestimmt werden!
  • Für eine von Schüler:innen und Lehrer:innen demokratisch kontrollierte Beschwerdestelle für Diskriminierung und Gewalt aller Art!
  • Durch Schüler:innen und Schulbeschäftigte kontrollierte Verstaatlichung von Waldorfschulen sowie aller Privatschulen!
  • Für alle oben genannten Forderungen auch für alle staatlichen Schulen! Mitbestimmung der Lerninhalte und gute Ausfinanzierung, sodass weniger Anreize entstehen, auf eine Waldorfschule zu gehen!



Israels Aggression in der Schule entgegenstellen!

Von Flo Weitling, 1. Oktober 2024

Seit dem brutalen Terror der Pager-Anschläge auf den Libanon vor zwei Wochen, eskaliert Israel den Krieg gegen die libanesischen Bevölkerung immer weiter. In den letzten Tagen wurden durch die Bomben der IDF mehr als tausend Menschen ermordet, mehr als eine Million sind auf der Flucht. Heute Nacht erst begann Israel mit einer Bodeninvasion die noch weiteres Elend mit sich bringen wird!

Die brutalen Bilder, die man in den sozialen Medien sieht, die Zunahme von Toten und Vertriebenen reißen uns alle mit und wir verspüren eine unendliche Trauer und Wut und viele fühlen sich unfähig dazu, irgendetwas dagegen zu unternehmen. Doch das muss nicht so sein! Wir können mehr schaffen, als wir vielleicht erst denken!

Was tun?

Dein erster Impuls, wenn du dir überlegst, was du als nächstes tun kannst, ist vielleicht auf Instagram oder TikTok etwas zu posten, um zu zeigen, dass du dich mit den Menschen im Libanon, Gaza, der Westbank und auch in Jordanien und im Yemen solidarisierst. So weit so gut, doch auch wenn Aufmerksamkeit auf dass Thema wichtig ist, um z.B. die Grundlage für Diskussionen zu legen und Klarheit gegenüber der Propaganda der Herrschenden zu schaffen, wird dass alleine nicht reichen.

Am nächsten Tag in der Schule tauschst du dich dazu mit deinen Mitschüler:innen aus und deine Lehrer:innen machen Kommentare im Unterricht, auf dem Pausenhof gibt es vielleicht sogar Diskussionen über die derzeitige Situation. Die meisten sind wahrscheinlich bestürzt von dem Terror und der Gewalt, haben vielleicht sogar Angst um ihre eigene Familie oder fühlen sich stark verunsichert in einer Welt, in der immer mehr Kriege stattfinden. Auch wenn sich nicht alle gegen den Krieg stellen werden, gibt es dir genau da einen Anhaltspunkt, um etwas zu verändern.

Denn selbst wenn die Gespräche mit deinen Mitschüler:innen dir vielleicht nicht als wichtig erscheinen oder als könnten sie irgendwas bewirken, tausende Jugendliche werden genau die selben Gespräche mit ihren Mitschüler:innen führen, werden sich genauso hilflos fühlen, werden sich auch fragen, wie man vielleicht doch etwas machen kann.

Wir alle müssen jeden Tag dorthin gehen, wo das kapitalistische System unseren aktuellen Platz sieht, sei es die Schule, die Universität, die Ausbildungs- oder Arbeitsstelle. Nicht nur wir selber, auch die Menschen um uns herum sind dazu gezwungen, sich dort aufzuhalten. Das klingt vielleicht unnötig überhaupt anzumerken, doch in dieser Realität liegt enormes Potenzial. Denn indem wir uns dort eh aufhalten müssen, bieten unsere Alltagsorte die Möglichkeit uns direkt zu vernetzten, in Kontakt zu kommen mit Menschen über die Probleme in der Welt, wie z.B. dem Genozid in Gaza und die Aggression im Libanon. Und auch darüber zu sprechen, wie wir doch etwas verändern können! Dabei kannst du deine Mitmenschen von deiner Position überzeugen und von dort aus lokale Probleme aufgreifen. Vielleicht unterstützen deine Lehrer:innen den Terror der israelischen Armee oder die Schulleitung verbietet, dass du dich mit den Opfern des Genozids solidarisierst oder sogar einfach das Tragen einer Kufiya. All das sind Sachen, gegen die man sich vor Ort zusammen tun kann, gegen die man ankämpfen kann!

Das geht natürlich nicht immer leicht und reibungslos. Meist fühlt man sich auch erst einmal alleine mit seiner Meinung und denkt die ganze Welt arbeitet gegen einen. Aber durch das Verteilen von Flyern, das Aufhängen einer Wandzeitung oder eines Banners, kannst du herausfinden, wer alles deine Ansichten teilt. Lädst du gleich noch zu einem Treffen ein, und sei es einfach nur in der ersten großen Pause am Basketballkorb, kannst du direkt mit den Menschen darüber reden, wie ihr gegen die Probleme an der eigenen Schule vorgehen könnt.

Doch worin liegt da jetzt Potenzial?

Die Frage ist natürlich berechtigt, weil niemand wird die isrealische Armee durch den Kampf gegen das Kuffiya-Verbot oder einen rassistischen Lehrer an deiner Schule direkt stoppen. Doch was man durch diese lokalen Kämpfe schafft, ist es, sich zusammenzufinden. In einer Welt in der uns beigebracht wird, wir wären alleine.

Wenn ihr euch nämlich gemeinsam an eurer Schule in einer Gruppe oder Komitee organisiert, könnt ihr euch nicht nur gegen die Strafen der Lehrerkräfte und Schulleitungen wehren und was an eurer eigenen Schule reißen, sondern schafft damit eine Kraft, die einen Teil dazu beitragen kann, grundlegend etwas zu verändern, indem ihr voneinander lernt und unpolitisierte Menschen gewinnt. Denn wenn ihr diese Gruppen habt, könnt ihr gleich gemeinsam zu der nächsten Solidaritätskundgebung oder Demonstration gehen, oder wenn es bei euch in der Stadt keine gibt, diese selber organisieren!

Wenn ihr dann noch eure Freund:innen an anderen Schulen überzeugt dasselbe zu tun, schafft ihr eine Verankerung, eine Struktur, um noch mehr zu erreichen. Darüber hinaus kann man sich vernetzten und bei der nächsten Aktion gegen Ungerechtigkeit an der eigenen Schule, die anderen gleich mit einladen. So baut man, langsam aber sicher, immer mehr Druck auf.

Doch auch wenn dass schon ein guter Schritt ist, wird die Vernetzung von ein paar Schulen leider auch nichts Gravierendes bewirken. Viel mehr müssen wir dafür eintreten, dass die Jugend im ganzen Land sich zusammentut und an ihren Schule gegen die Probleme vor Ort eintritt und so eine bundesweite Struktur schafft, die sich gegen die Ungerechtigkeit insgesamt wehren kann.

Wenn wir dann aber weiter gehen wollen, brauch es in der Tat noch mehr als nur die Vernetzung. Es braucht einen Plan. Eine Strategie, wie man mit den Komitees an den Schulen sich verbünden kann mit den Student:innen und Arbeiter:innen, welche in der Zwischenzeit hoffentlich dasselbe getan haben. Wenn nicht, ist es an uns auch diese anzustoßen sich zusammenzutun! Wir müssen dabei schauen, über welche Hebel wir etwas erreichen können, denn die Welt ist international vernetzt und auch wenn der Krieg weit weg scheint, hängt dieser mehr mit der deutschen Wirtschaft und ihrem Staat zusammen, als man denkt.

Deutsche Waffen Deutsches Geld

Die BRD ist einer der größten Waffenlieferanten für die israelische Armee und unterstützt die zionistische Besatzung auch darüber hinaus durch Vertuschung und Rückendeckung für Israels Taten, indem sie versucht, Protest hier niederzuhalten und Protestierende zu diffamieren, einzusperren und zu terrorisieren. Das zeigten uns erst jüngst die Hausdurchsuchungen, Angriffe auf Demonstrationen und Grenzkontrollen von Aktivist:innen.

Wenn wir uns gegen diese Unterstützung der BRD für Israel, gegen ihre Angriffe auf unsere Bewegung, stellen und durch Streiks den Druck auf die Regierung erhöhen, können wir es schaffen diese Unterstützung zu brechen. Können wir die Regierung, wenn sie auf unsere Forderungen nicht eingeht, durch Blockaden und Besetzungen zum Bruch zu zwingen! Somit schaffen wir es dann, der Kriegsmaschinerie Israels einen herben Schlag zu verpassen und potentiell die libanesischen und palästinensischen Menschen vor Ort vor dem Tod durch die Bomben der IOF zu schützen! So können wir den Widerstand gegen Angriffskrieg und Besatzung stärken, und einen strategischen Sieg gegen einen der engsten Verbündeten Israels erringen!

Es mag so wirken als wäre das in unendlich weiter ferne und wir wollen euch nicht belügen, der Weg ist nicht leicht und er wird steinig sein. Gleichzeitig sind wir aber davon überzeugt, wenn wir ihn mutig und entschlossen beschreiten, diese notwendigen Schritte hier gehen, dann können wir ihn erfolgreich beschreiten, dann können wir siegen!

International oder gar nicht!

Natürlich hast du Recht, wenn du jetzt sagst, dass selbst dieser Sieg, das Wegfallen der Unterstützung Deutschlands, Israel nicht stoppen wird. Es ist, und das muss uns klar sein, von Anfang an notwendig, uns mit unseren Geschwistern auf der ganzen Welt über Grenzen hinweg zusammenzutun und den Kampf gemeinsam zu führen! Doch wenn wir dass tun, ist es nicht nur möglich unser Ziel zu erreichen Israel zu stoppen und den Genozid zu beenden. Wir kommen auch einen entscheidenden Schritt näher daran, die Herrschenden aller Länder zu stürzen und den Weg zu ebnen für eine Welt, in der es nie wieder Kriege, nie wieder Genozide gibt! In der wir nicht mehr geknechtet werden, in der niemand mehr geknechtet wird! In der die Ausgebeuteten und Unterdrückten das Sagen haben und die Gesellschaft nach den Wünschen aller und nicht den Profiten weniger gestaltet wird!

Das alles klingt sehr viel, das ist uns wohl bewusst, doch soll es dir auch erst mal nur die Richtung zeigen. Das wichtigste ist es, dass wir jetzt anfangen und darauf hinarbeiten, diese Möglichkeiten zur Realität werden zu lassen! Wir verstehen voll und ganz, dass die ersten Schritte das anzugehen schwierig sind. Deswegen wollen wir dich unterstützen genau dass zu tun! Schreib uns dafür einfach eine Nachricht und lass uns darüber reden, wie du dich an deiner Schule und wir uns gemeinsam für eine bessere Welt organisieren können!




Sexualkunde und Rechtsruck: Wie hängt das zusammen?

Von Erik Likedeeler, April 2024, REVOLUTION Zeitung 2/2024

Vor Kurzem haben wir an der Christian-Morgenstern-Schule in Hamburg eine Kampagne gestartet, um dafür zu kämpfen, dass dort ein richtiger Sexualkundeunterricht eingeführt wird – denn das ist an Waldorfschulen nicht immer gegeben.

Zusammen mit der queeren Schulgruppe der CMS haben wir ein Banner auf dem Schulhof aufgehängt, mit Plakaten auf das Thema aufmerksam gemacht und auf den Toiletten Boxen aufgestellt, damit die Schüler:innen ihre eigenen Wünsche an den Unterricht auf Zettel schreiben und hineinwerfen können.

Mit dem aktuellen Rechtsruck steht die Qualität der Bildung und Aufklärung über Liebe, Beziehungen und Sexualität wieder einmal auf der Kippe, auch an den staatlichen Schulen. Aber warum ist das eigentlich so?

Welches Bild von Sexualität und Familie vertreten Rechte?

Das Bild, das Rechte von Familie und Sexualität vertreten, ist überschaubar: Sex soll am besten zwischen weißen, heterosexuellen Menschen stattfinden, die entweder verheiratet sind oder in einer ehe-ähnlichen, monoamoren (max. 2 Personen lieben sich gegenseitig) Beziehung leben. Dabei soll der Mann eine aktive Rolle ausüben und die Frau sich passiv seinen Wünschen unterordnen. Ein Recht darauf, Nein zu sagen, soll es für sie nicht geben.

Zweck ist es, die bürgerliche Kleinfamilie aufrecht zu erhalten. Das heißt: Männer arbeiten Vollzeit, während Frauen zuhause bleiben und sich um den Haushalt und die Kinder kümmern.

Sexualpraktiken, die nicht unmittelbar der Fortpflanzung dienen, werden beschämt und tabuisiert. Wenn Rechte Verhütung als Luxus bezeichnen, Abtreibungen verbieten und Konsens für Quatsch erklären, dann dient auch das diesem Idealbild.

Rechte beziehen sich auf die Vorstellung eines „Volkes“ in einem Nationalstaat, dessen Interessen es zu vertreten gälte. Auch wenn sie das nicht so offen sagen, stehen sie mit dieser Ideologie im Dienst des Kapitalismus.

Denn sowohl der Nationalstaat als auch die vergeschlechtlichte Arbeitsteilung ist für dessen Profitmaximierung notwendig. Deshalb kommt es in Zeiten von Krisen, z.B. Corona, Krieg oder Finanzkrise, immer wieder zum Erstarken rechter Kräfte, bzw. zum Rechtsruck in bürgerlichen Parteien.

Natürlich sind Rechte nicht damit einverstanden, dass sich auch all die Menschen fortpflanzen dürfen, die nicht in das Idealbild der bürgerlichen Familie passen. Queere Eltern oder Alleinerziehende soll es in ihren Augen gar nicht geben, denn die würden die angeblich „natürliche“ Rollenaufteilung infrage stellen.

Auch behinderten Menschen wird es abgesprochen, Kinder bekommen zu dürfen, da Rechte sie als Belastung für ihr „Volk“ einstufen und sie als Sündenbock nutzen, wenn das profitorientierte Gesundheitssystem an seine Grenzen kommt. Deshalb werden zahlreiche behinderte Menschen gegen ihren Willen sterilisiert.

Warum Kinder und Jugendliche Aufklärung brauchen

Rechte tun häufig so, als wären Kinder und Jugendliche reine, unschuldige Wesen, die vor der „woken“ Ideologie geschützt werden müssten. Damit meinen sie im Grunde alles, was die Diversität der Gesellschaft auf positive Weise widerspiegelt, wie zum Beispiel das Behandeln von LGBTIA+ im Unterricht. Anstatt uns über unsere eigene Sexualität bestimmten zu lassen, reden sie von „Grooming“. Mit dieser Begründung wurden in US-amerikanischen Schulen zahlreiche Bücher mit vermeintlich „frühsexualisierenden“ Inhalten verboten.

Doch die Realität sieht anders aus: Eine Menge Jugendliche haben gern Sex und probieren sexuelle Handlungen aus, völlig egal, ob sie in der Schule darüber aufgeklärt wurden oder nicht. Sex ist für viele Jugendliche ein wichtiger Teil des Lebens und ihnen Informationen darüber vorzuenthalten oder Abstinenz zu fordern, ändert daran nichts.

Das würde höchstens dafür sorgen, dass Grenzüberschreitungen begünstigt werden, weil das Konsensverständnis fehlt, oder dass es zu mehr ungewollten Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Infektionen wie HPV kommt, weil die Verhütung weggelassen wird.

Außerdem ist es eine bittere Tatsache, dass auch Kinder und Jugendliche von sexualisierter Gewalt betroffen sind, sowohl durch Gleichaltrige als auch durch Erwachsene. Wenn wir die gesellschaftlichen Tabus nicht abbauen, dann werden Betroffene nicht in der Lage sein, Körperteile und Handlungen konkret und ohne Scham zu benennen. Und wie sollen sie dann jemals in der Lage sein, sich zu wehren oder um Hilfe zu bitten?

Wir sind außerdem dagegen, Kinder mit Lügen vom Storch abzuspeisen, nur, weil Lehrpersonen und Erziehungsberechtigte sich damit schwertun, Fortpflanzung kindgerecht zu erklären. Solche Märchen dienen nicht dem Kindeswohl, sondern nur dem Schamgefühl der Erwachsenen. Kinder für blöd zu verkaufen hält sie innerhalb der bürgerlichen Kleinfamilie in einer unmündigen und abhängigen Rolle gefangen.

Was muss passieren?

Um zu verhindern, dass Kinder und Jugendliche unzuverlässige Informationen von Freund:innen oder aus dem Internet beziehen müssen, muss Sexualkunde ein verpflichtender Bestandteil des Unterrichts sein, an jeder einzelnen Schule!

Deshalb fordern wir einen zeitgemäßen Sexualkundeunterricht, der alles abdeckt, was Jugendliche wirklich interessiert. Dazu gehört z.B. die korrekte Darstellung der Anatomie, denn in zahlreichen Lehrbüchern ist immer noch nicht die Klitoris korrekt abgedruckt. Nur, wenn Jugendliche ihren eigenen Körper kennenlernen dürfen, können sie sich selbst und ihre Bedürfnisse verstehen und darüber tabulos kommunizieren. Aber auch verschiedene sexuelle Praktiken und entsprechende Verhütungsmethoden müssen Teil des Lehrplans sein, vor allem abseits von Heterosexualität wird momentan viel zu wenig aufgeklärt. Schüler:innen und Lehrer:innen sollten gemeinsam entscheiden dürfen, welche Themen sie im Unterricht behandeln wollen.

Letztlich muss nicht nur der Sexualkundeunterricht von Schüler:innen mitgestaltet werden, sondern es braucht eine umfassende Bildungswende, damit auch in den anderen Unterrichtsfächern keine rechten Geschlechterrollen mehr vermittelt werden.




Alle meine Nachbarskinder wählen AfD?

September 2024

Ich komme in die Schule und sehe meine Mitschüler:innen mit einem größeren Lächeln in der Fresse, als sie es nach jedem Deutschland-Sieg hatten. Gleich fragt mich einer ein bisschen angreifend, aber auch schadenfroh: „Na, was hältst du davon, dass Höcke alle weggehauen hat?“ Und in meiner anschließenden Mathestunde geht mir eine Frage nicht aus dem Kopf: Was ist los mit meinen Mitschüler:innen, Freund:innen, Leuten aus’m Sportverein oder anderen in meinem Alter? Wählt hier jeder irgendwelche Nazis? Und wenn ja, warum?

Wahl-Zahlen

Bei der U18-Wahl in Sachsen, wo über 9.000 Jugendliche ihre Stimme abgaben, wurde die AfD stärkste Kraft mit 34,5 %. Dahinter ging es weiter mit der CDU (16,2 %), der Linken (11,8 %), der SPD (8,5 %) und der BSW (4,8 %).
In Thüringen sieht es noch schlimmer aus, auch wenn hier nur 2.000 Jugendliche abgestimmt haben. Die AfD wurde stärkste Kraft mit 37,36 %. Dahinter folgen die CDU (17,79 %), die SPD (10,6 %), die Linke (8,82 %) und die BSW (6,98 %).
Bei den 18- bis 24-Jährigen in Thüringen ein ähnliches Bild: 37 % AfD und dann, mit 20 % weniger, die Linke.
Aber auch unabhängig von Wahlen merkt man die Stärke der Rechten im jungen Osten. So nehmen rechte Verbrechen vor allem im Osten zu. Es sind die CSDs im Osten, die junge Neonazis angreifen wollen. So spüren wir jeden Tag selbst, was ein starkes, junges, rechtes Ostdeutschland ist. Doch schaut man in die Presse, um eine Erklärung dafür zu finden, wird es verrückt. Es wird erzählt, dass man hier durch die DDR ja gar nicht wüsste, was Demokratie sei, und sie deshalb nicht schätze. Doch solch eine Erklärung ist sehr widersprüchlich, wenn wir uns angucken, wie die wählen, die nie die DDR kannten. Doch eine Erklärung, was die Jugend in die Fänge der AfD treibt, ist notwendig, um sie diesen wieder zu entreißen.

Was auffällt bei Unterschieden zwischen Ost und West, ist der massive Wohlstandsunterschied. Im Osten wird mehr gearbeitet, aber schlechter verdient. Im Osten ist die Arbeitslosigkeit höher. In den Osten trauen sich nicht mal die Kapitalist:innen. Das sind aber keine Risse, die sich einfach so entwickelt haben, sondern bewusst in Kauf genommene Folgen aus der Politik der BRD nach der Annexion der DDR. Nun könnte man vermuten, dass es vor allem diese ärmeren Leute sind, die die AfD wählen, weil die AfD behauptet, man selber habe nix, weil so viel für Migrant:innen ausgegeben wird. Und das ist auch einer der Wege, wie die Rechten Leute gewinnen wollen. Doch auf der Suche nach der sozialen Basis der AfD fällt auf, dass diejenigen, die durch die Wende alles verloren haben, danach meist Nichtwähler:innen sind. Die AfD wird eher von Leuten gewählt, die selbst das Elend jeden Tag nur sehen und Angst davor haben, ihre soziale Stellung zu verlieren. Zum Beispiel Lehrer:innen, Richter:innen, Ärzt:innen oder (Klein-)Bürger:innen.

Doch warum nun ausgerechnet die Jugend?

Die Angst in der Jugend vor sozialem Abstieg ist riesig, und zusätzlich sind Jugendliche auch besonders von staatlichen Investitionen abhängig.
Wenn also die AfD behauptet, es würde zu viel für Migration ausgegeben und und wir könnten deshalb nichts mehr für unsere Schulen ausgeben, ist das für Jugendliche ein noch größeres Problem als für Erwachsene, unabhängig davon, ob das Argument kompletter Quark ist.

Doch wie ist die soziale Situation von Jugendlichen im Osten überhaupt?
Kinder, deren Eltern Bürgergeld beziehen müssen, kommen zu 17 % aus dem Osten – das sind 3 Prozent mehr als im Westen.
Hier fällt auf, dass in Thüringen, Sachsen und Brandenburg der Anteil an Kindern, die in Familien mit Bürgergeld aufwachsen, eher gering im Osten ist. Dies unterstreicht, dass es viel mehr die Angst vor dem sozialen Abstieg ist als der soziale Abstieg selbst.
Bei Jugendlichen spielt die direktere Abhängigkeit von der vom Staat zur Verfügung gestellten Infrastruktur eine Rolle. Da Jugendliche eben in die Schule müssen und dadurch von den Investitionen in die Schulen abhängig sind. Auch hier wird die Angst des sozialen Abstiegs weiter bedient, weil schlechte Bildung auch eher schlechte Zukunftschancen bedeutet. Jugendliche sind empfänglicher für die Angst vor dem sozialen Abstieg. Dazu kommt, dass sie noch ein längeres Leben vor sich haben, in dem sie nicht sozial schlecht gestellt sein möchten.

Menschen mit Migrationshintergrund verantwortlich zu machen für Sozial- und Bildungsabbau ist natürlich nicht mehr als eine der Geschichten, die die rechten Rattenfänger erzählen, um uns in ihre Klauen zu bekommen. Tatsache ist, dass erstens die Ausgaben in der Migrationspolitik seit 2022 stetig abnehmen. Dass zweitens diese Ausgaben zum größten Teil darin fließen, die Migration zu bekämpfen und den Geflüchteten das Leben zur Hölle zu machen, z. B. indem der Grenzschutz innerhalb und außerhalb Europas ausgebaut wird, was uns dann auch noch als „Fluchtursachenbekämpfung“ verkauft werden soll. Und drittens wird ja bei der Bildung auch nicht erst gespart, seitdem mehr Menschen flüchten müssen. Bei Bildung wird schon immer gespart, wenn es zu Krisen kommt, weil es dem Staat eben nicht wert ist, Geld für Bildung auszugeben. Dieser Staat hatte nie das Interesse, uns wirklich etwas beizubringen. Wir sollen gerade so viel lernen, dass wir den nächsten Job ausführen können, und der Staat wird auch nur maximal so viel für unsere Bildung zahlen. Egal, wie viele Migrant:innen im Land sind. Die Angst der Leute vor sozialem Abstieg ist berechtigt. Wir müssen aber glaubhafte Vorschläge für eine richtige Sozialpolitik machen und nicht so tun, als würden Migrant:innen jemandem etwas wegnehmen. Dazu kommt ja auch: Wenn uns jemand in dieser Gesellschaft etwas wegnimmt, dann ist das kein Migrant, der nicht mal genug Geld zum Überleben bekommt, sondern dann sind es die Reichen, also die Teile der Gesellschaft, die durch die Arbeit anderer Geld bekommen, ohne jemals auch nur in der Lage gewesen zu sein, arbeiten zu müssen. Wenn uns jemand etwas wegnimmt, dann sind es die Teile der Gesellschaft, die durch das alleinige Besitzen von Raum von uns 600 Euro im Monat bekommen. Es ist doch unser Vermieter und unser Chef, der uns das Geld aus der Tasche zieht, und kein:e Migrant:in.

Lasst uns die jugendlichen Rechten stoppen!

Lasst sie uns bekämpfen, indem wir ihre Aufmärsche blockieren und Antidiskriminierungsstellen an Schulen aufbauen. Lasst uns ihnen den Nährboden entziehen, indem wir an Schulen selbstverwaltete Küchen und soziale Angebote aufbauen, damit sie auch sehen, dass das Geld da ist, wenn man es sich nimmt. Wir müssen aber auch endlich für bessere Löhne kämpfen. Denn wenn unsere Eltern weniger verdienen, bekommen auch wir weniger Taschengeld. Beim Taschengeld fällt dann schon auf, dass wir uns das Leben nicht mehr leisten können, und diese Angst treibt uns in rechte Arme. Sorgen wir also dafür, dass diese Angst nicht mehr entsteht. Gegen rassistische Hetze und für ein Leben, das sich lohnt und in dem wir nicht über Sneaker oder Mittagessen nachdenken müssen.




4 Wege, wie die AfD uns die Schulen zur Hölle machen will

von J.J. Wendehals, September 2024

Angepasst, arbeitsam und deutsch: So stellt sich die AfD die perfekten Schüler:innen vor. Daher sollen die Schulen in ihren Träumen auch so umgebaut werden, dass jegliche Freiheit und Solidarität einem Ende gesetzt wird. Damit Ihr für die nächste Debatte mit Lehrkräften und Schüler:innen ein paar Argumentationshilfen habt, haben wir uns durch das Wahlprogramm der AfD und ein paar ihrer Reden gequält und vier zentrale Aspekte der AfD-Bildungspolitik zusammengetragen.

1. Segregation statt gemeinsamen Lernens

Die AfD erkennt an, dass es im deutschen Bildungssystem Probleme gibt (auch wenn sie immer so eine befremdliche Betonung auf das Wort „deutsch“ legen). Allerdings machen sie dafür nicht deren tatsächliche Ursachen wie z.B. den Mangel an staatlichen Investitionen verantwortlich, sondern „Kinder von Ausländern“, die angeblich den deutschen Kindern die Bildung klauen würden. Aus dieser rassistischen Verdrehung von Tatsachen leiten sie die Forderung ab, uns in „deutsche“ und „nicht-deutsche“ Schüler:innen aufzuteilen und getrennt zu unterrichten. In Wirklichkeit existiert ja jetzt schon viel zu viel Segregation in der Schule sichtbar anhand der „Willkommens“klassen. Doch allein die AfD will dies auf die Spitze treiben und phantasiert von einer Höchstquote von 10% migrantischen Schüler:innen pro Klasse. Letztendlich soll dies auf verschärfte Benachteiligung hinauslaufen, indem die wenigen Ressourcen ungerechter verteilt werden. Dabei ist (zugeschriebene) Migrationsgeschichte nicht das einzige Kriterium, anhand dessen wir weiter gespalten werden sollen: Auch Schüler:innen mit Behinderung will die AfD noch weiter aus dem regulären Schulunterricht herausdrängen und in „Förder“schulen mit prekären Berufsaussichten abstellen. Was wir ja eigentlich bräuchten, wäre wirkliche Inklusion: Dass wir gemeinsam unterrichtet werden und voneinander lernen können. Die existierenden Ansätze von Antidiskriminierungsstrukturen müssen weiter aufgebaut und unter Selbstverwaltung gebracht werden. Und Schüler:innen, die z.B. sprachliche, therapeutische oder sonstige Begleitung benötigen, müssen diese kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Das dafür notwendige Geld will die AfD jedoch lieber den Bossen und dem Grenzschutz geben.

2. Selektion, Leistungsterror und Vernachlässigung

In dem Albtraum von Schulsystem der AfD profitieren aber nicht einmal diejenigen Schüler:innen, die deren völkisch-rassistischen Idealen von „gesund“ und „deutsch“ entsprechen. Stattdessen unterliegen diese einem erbarmungslosen Selektionsdruck. Die AfD verehrt das mehrgliedrige Schulsystem und dazu ist ihr der hohe Anteil an Schüler:innen, denen nach der Schule der Weg zu einem Studium offen steht, ein Dorn im Auge. Wenn es nach ihr ginge, bliebe der Besuch des Gymnasiums einer elitären Minderheit vorbehalten, während der Großteil nur zu einer verkürzten Schullaufbahn an der Realschule zugelassen wäre, in der zudem noch ein Teil des Unterrichts in den wissenschaftlichen Fächern durch verpflichtenden Unterricht in Handarbeiten wie Holz- und Metallbearbeitung, Elektrotechnik oder Haushaltslehre ersetzt werden soll. Welches von diesen Fächern dann für Mädchen gedacht sein soll, ist bei einer so sexistischen Partei wie der AfD nicht schwer zu erraten. Um die Selektion zu vereinfachen und Schulleistungen quantifizierbarer und vergleichbarer zu machen, soll das Notensystem ausgebaut werden und verpflichtend ab der zweiten Klasse gelten. Generell soll der Leistungsdruck weiter erhöht werden. Dahinter steht die Ansicht, dass z.B. die schlechten Ergebnisse der deutschen Schüler:innen bei der Pisa-Studie einfach durch unsere Faulheit und mangelnde Disziplin zu erklären sei. Als Rechtfertigung leugnet die AfD auch den Zusammenhang von Bildungschancen und dem sozialen Hintergrund. Stattdessen hegt sie abstruse Vorstellungen von angeblichen genetischen Ursachen für unterschiedliche Leistungen bei Schüler:innen. In Wahrheit ist das biologistischer Unsinn! Ob deine Eltern viel Geld, Zeit oder selbst eine akademische Ausbildung haben, spielt die eigentliche Rolle, nicht Gene oder so etwas. Aus diesem Grund sind wir für ein eingliedriges Schulsystem, gleiche Bildung für alle und die Abschaffung des Notensystems!

3. Mehr Jugendunterdrückung im Unterricht

Um ihre übertriebenen Leistungsansprüche durchsetzen, will die AfD die Macht und Autorität der Lehrkräfte gegenüber den Schüler:innen ausbauen. Sie hat (unseres Wissens nach) bisher noch nicht öffentlich die Wiedereinführung der Prügelstrafe gefordert, „in die Ecke stellen“ soll aber schon mal in den Maßnahmenkatalog aufgenommen werden. Zudem sollen ab der zweiten Klasse Kopfnoten für „Ordnungssinn“, „Pünktlichkeit“ und „Sorgfaltsliebe“ wieder eingeführt werden. Darüber hinaus sollen die eh schon lächerlich geringen Einflussmöglichkeiten der Schüler:innenvertretungen weiter beschnitten werden. Bitte lasst uns mit euren komischen, preußischen Fascho-Tugenden in Ruhe, nicht unsere mangelnde Disziplin ist das Problem, sondern dieses System! Wir leben und lernen, wie wir wollen!

4. Reaktionäre Wende in den Unterrichtsinhalten

In den Lehrplänen will die AfD die wenigen mühsam erkämpften Fortschritte alle zunichte machen. Im Geschichtsunterricht soll „ein positiver Bezug zur deutschen Geschichte“ hergestellt werden, d.h. die deutschen Kolonialverbrechen, die Kriegstreiberei und der monarchistische Despotismus des Kaiserreichs sollen verherrlicht werden, der Holocaust und die Barbarei des Faschismus unter den Teppich gekehrt. Sexualkunde in der Grundschule soll abgeschafft werden zur Verhinderung einer vermeintlichen „Frühsexualisierung“ und sich später darauf konzentrieren, dass den „deutschen“ Schüler:innen in der Hauptsache eingetrichtert wird, möglichst viele Kinder zu bekommen, damit ein angeblicher „Volkstod“ aufgehalten werde. Es soll verboten werden zu gendern und queere Identitäten sollen unsichtbar gemacht werden. Nicht zuletzt würde wohl auch der menschengemachte Klimawandel aus einem Lehrplan der AfD vollends verschwinden. Dies alles ist genau das Gegenteil der Veränderungen, die wir in den Lehrplänen bräuchten. Der Klimawandel müsste als eine der größten Bedrohungen für die Existenz der Menschheit ausreichend Raum bekommen, dass seine Ursachen und Lösungsansätze diskutiert werden können. Sexualität und geschlechtliche Identität abseits von hetero und cis sollte im Unterricht gleichberechtigte Gültigkeit haben. Statt darauf zu drängen, möglichst viele Kinder zu bekommen, sollte möglichst früh das Prinzip von sexuellem Konsens vermittelt werden. Und im Geschichtsunterricht schließlich muss die deutsche und europäische Kolonialgeschichte einen viel größeren Raum bekommen. Insgesamt sollten die Lehrpläne durch demokratische Strukturen unter Einbeziehung von uns Schüler:innen gestaltet werden statt von einem potentiell AfD-geführten Bildungsministerium.

Wie kommt die AfD auf ihre Forderungen?

Wenn wieder weniger Schüler:innen aufs Gymnasium und später an die Uni gehen, wenn große Teile unser Schüler:innenschaft an schlecht finanzierte Förderschulen oder „Ausländerschulen“ verdrängt werden soll, oder – wie es die AfD mit unseren ukrainischen Mitschüler:innen vorhat – ihnen der deutsche Präsenzunterricht gänzlich versagt bleiben und durch Online-Unterricht nach Lehrplan des Herkunftslandes ersetzt werden soll, dann bedeutet dies alles einen Abbau des gesamten Bildungssystems. Wenn ein Großteil von uns vermehrt in Handarbeitsfächern ausgebildet werden soll, dann heißt das auch, dass wir früher in die Produktion und damit Ausbeutung eingezogen werden sollen, insbesondere in mittelständischen, handwerklichen Unternehmen. Und wenn durch erhöhten Leistungsdruck und verschärfte Autoritäten unser Drang zur Freiheit und einer selbstbestimmten Jugend gewaltsam unterdrückt werden soll, dann bedeutet das erstens mehr „Lernleistung“ in weniger Zeit und zweitens, dass unsere Disziplin und Bereitschaft zur Unterordnung im späteren Arbeitsleben erhöht werden soll. Wir sehen hier, dass sich hinter einer mit falscher Nostalgie verklärten „Rückbesinnung auf Traditionen und bewährte Mittel“ nackte Kapitalinteressen verbergen. Hinzu kommt, dass durch unsere Spaltung in „deutsch“ und „nicht-deutsch“, in queer und nicht-queer, Mädchen und Jungen, in „leistungsstark und -schwach“ oder in behindert und nicht behindert unsere Widerstandskraft gegen die sozialen Angriffe geschwächt und unsere Klassensolidarität gebrochen werden soll.

Und wie können wir uns dagegen wehren?

Mittlerweile sollte rüberkommen, dass eigentlich niemand von uns Schüler:innen ein Interesse an den Plänen der Rechten hat. Wie wir aber bei jeder Wahl deutlicher sehen, müssen wir es selbst in die Hand nehmen, diese düstere Zukunft zu verhindern. Auf die Ampel-Regierung oder sonstige Parteien können wir uns dabei nicht verlassen, sie setzen mehr und mehr selbst schon die politischen Ziele der Rechten um. Stattdessen sollten wir uns als Schüler:innen unabhängig organisieren, um den Kampf für unsere Rechte aufzunehmen. Und wir haben dabei keine Zeit zu verlieren. Ein erster Schritt wäre es, mit einem politischen Programm gegen Rassismus und den Rechtsruck bei den Schulsprecher:innenwahlen zu intervenieren. Dies dient auch als Möglichkeit, um erstmal interessierte und aktionsbereite Leute an einer Schule zu sammeln. Danach sollten wir auch auf größere Protestbewegungen wie z.B. #Widersetzen zugehen und unsere Perspektive als Jugendliche und Schüler:innen hineintragen. Letztendlich müssen wir, um wirklich Druck aufzubauen, in der Zukunft einen Schulstreik organisieren. Im besten Fall gemeinsam mit solidarischen Arbeiter:innen und Kräften wie #Widersetzen. Wenn du uns dabei unterstützen willst, sprich uns an!




Unsere Klassenfahrt – unsere Regeln!

von Erik Likedeeler, Juli 2024

Klassenfahrt: Für manche weckt dieses Wort Erinnerungen an die aufregendsten Tage ihrer Schulzeit. Für andere beginnt mit der Busreise ins Schullandheim ein Albtraum, von dem sie sich Jahre später noch nicht erholt haben. Wieder andere dürfen gar nicht erst mitfahren. Wie kann das sein, und was muss passieren, damit solche Reisen für uns alle als erfreuliches Ereignis in Erinnerung bleiben?

Klassenfahrt darf kein Luxus sein!

Wie üblich fängt das Problem beim Geld an: Ein Städtetrip mit Hotel und anspruchsvollem Kulturprogramm wird schnell kostspielig. Wenn Rücksicht auf Schüler:innen aus ärmeren Familien genommen wird, läuft es auf Schullandheim und Wandern hinaus. Eine finanzielle Belastung entsteht aber selbst in der heruntergekommenen Unterkunft mit der ekligen Mensa.

Die Finanzierungsmöglichkeiten sind dürftig: Schulvereine, Wohlfahrtsverbände und die Sozialfonds einiger Bundesländer machen hin und wieder etwas Kohle locker. Für Menschen, die Bürger:innengeld beziehen, gibt es Unterstützungsanträge. Aber all diese Optionen sind unsicher und es gibt viele Voraussetzungen, die zu erfüllen sind, um an Ermäßigungen zu kommen.

Die grundlegende soziale Ungleichheit, die das kapitalistische System verursacht, lässt sich sowieso nicht wegbeantragen. Auch während der Klassenfahrt kristallisieren sich Geldprobleme heraus, mehr als im gewöhnlichen Schulalltag. Während einige Schüler:innen sich noch nicht einmal einen Koffer leisten können, gehen andere vor Ort im Restaurant essen und decken sich bei Shopping-Touren mit neuen Klamotten ein. Dass die Bezuschussung das Problem nicht löst, merken wir daran, dass manche Mitschüler:innen dennoch zuhause bleiben müssen.

Statt entwürdigende Bettel-Anträge mit mäßiger Erfolgsaussicht brauchen wir eine unbürokratische, vollumfassende staatliche Kostenübernahme von Klassenfahrten – finanziert aus den Taschen der Reichen und unter Kontrolle der Arbeiter:innen! Dazu gehören müssen natürlich auch eine genießbare Vollverpflegung vor Ort, sowie Geld für Reiseutensilien und ein Taschengeld.

Kein Schulstress unterwegs!

Mitbestimmung über das Reiseziel und die Aktivitäten auf der Klassenfahrt bekommen Schüler:innen selten. Laut Gesetz müssen alle Aktivitäten der Klassenfahrt irgendwie mit dem Unterricht zusammenhängen. Hier zeigt sich der Bildungs-Chauvinismus des Schulsystems, denn natürlich ist es kein Zufall, welcher Ausflug als „sehenswürdige Hochkultur“ gilt und welcher als „nutzloser Touri-Scheiß“.

Der Leistungsdruck des Schulalltags wird bei Klassenfahrten nicht zurückgestellt, sondern sogar ausgeweitet. In Form von benoteten Referaten und Sportprüfungen wird uns allen die Woche gründlich vermiest. In einer sozial überfordernden Umgebung sollen wir dann auch noch 24/7 auf unsere Note achten.

Die Lehrer:innen betonen dabei gern, dass eine Klassenfahrt anstrengend sein darf, weil sie eben kein Urlaub ist. Aber für einige von uns ist die Klassenfahrt die einzige Reise, die wir uns leisten können, da sollte etwas Urlaub schon drin sein!

Außerdem sind schlecht geplante Sportaktivitäten nicht nur anstrengend, sondern auch gefährlich. Bei meiner Klassenfahrt in ein Skigebiet lagen am Ende 4 Mitschüler:innen mit gebrochenen Knochen in einem Krankenhaus im Ausland. Die meisten von uns hatten nicht einmal Lust auf Skifahren gehabt.

Deshalb müssen Schüler:innen in Zukunft Mitspracherecht bei der Planung der Klassenfahrt haben. Über unsere Reise wollen wir gemeinsam mit unseren Lehrer:innen entscheiden, anstatt uns von der Schulleitung oder der Schulbehörde bevormunden zu lassen! Die Kontrolle über die Lehrpläne und die Abschaffung der Schulnoten gehören zu den wichtigsten Stellschrauben für eine Klassenfahrt nach unseren Vorstellungen.

Keine Klassenfahrt ohne Inklusion!

Auf Klassenfahrten sind Schüler:innen ihren Mobber:innen mehrere Tage lang auf engstem Raum ausgeliefert, ohne Möglichkeit, zu entkommen. Angesichts dessen ist es verständlich, die Klassenfahrt nicht genießen zu können und Heimweh zu bekommen – doch das ist nur ein weiterer Anlass, um von Lehrer:innen und Schüler:innen belächelt zu werden.

Im eng getakteten Programm gibt es kaum Momente zum Ankommen, Durchatmen und Entspannen, und keine Möglichkeit, sich einzelnen Aktivitäten zu entziehen. Häufig wird sich bei Klassenfahrten an den Bedürfnissen der Schüler:innen mit der meisten Energie und der höchsten Belastbarkeit orientiert. Alle anderen müssen sich unterordnen und anpassen.

Neurodivergente und psychisch kranke Mitschüler:innen müssen die ganze Zeit über maskieren, denn Überreizung oder soziale Ängste dürfen im schulischen Kontext nicht existieren. Wenn die Situation unerträglich wird, bleibt ihnen keine andere Wahl, als ihre Diagnosen offenzulegen.

Körperlich behinderte Schüler:innen werden im Zuge von ableistischem Mobbing als Klotz am Bein abgestempelt, wenn Ausflugsziele aufgrund zahlreicher Barrieren abgeändert werden.

Bei der Planung von Klassenfahrten müssen Barrierefreiheit und Inklusion zu den wichtigsten Kriterien gehören – es ist Aufgabe des Lehrplans, das nötige Bewusstsein darüber zu vermitteln. Zusätzlich braucht es Schutzmaßnahmen wie Selbstverteidigungskurse und ein Caucusrecht, um sich gegen Unterdrückung zu organisieren.

Vertrauen statt Taschenkontrollen!

„Wenn du dich nicht benimmst, dann darfst du nicht mit auf Klassenfahrt“ ist eine gern gewählte Wichtigtuerei von Lehrkräften, um Jugendliche im Zaum zu halten – in den meisten Fällen übrigens eine leere Drohung.

Vor der Abreise nimmt die Überwachung an Fahrt auf: Lehrkräfte picken sich gern Schüler:innen heraus, deren Taschen und Koffer durchwühlt werden. Hier merken wir schnell, wer die Lieblingsschüler:innen sind und wer als „Problemkind“ identifiziert wurde.

Am Zielort angekommen geht die Entmündigung weiter, mit lächerlichen Bettruhezeiten, Handyverboten oder verpflichtendem Ausziehen am Nordseestrand. Diesen sinnlosen Regeln sollen wir uns nur unterordnen, damit wir von unangepassten Jugendlichen zu braven zukünftigen Arbeiter:innen diszipliniert werden.

Wenn Schüler:innen beim Konsum von Alkohol und Zigaretten erwischt werden, kommt es vor, dass sie direkt nach Hause geschickt werden. Das Rauchverbot auf Klassenfahrt steht einer Realität entgegen, in der viele Schüler:innen seit Jahren rauchen. Der Anstieg der jugendlichen Raucher:innen ist eine bittere Konsequenz aus Krise, Pandemie und Inflation. Die Jugendlichen werden garantiert nicht damit aufhören, nur weil sie gezwungen sind, es heimlich zu tun.

Den Alkoholkonsum aus Angst vor Strafe verheimlichen zu müssen, kann sogar noch schlimmere Folgen haben, wenn sich Schüler:innen in Notlagen dagegen entscheiden, nach Hilfe zu fragen. Wenn zusätzlich die Eltern informiert werden, bedeutet ein Geständnis nur doppelten Ärger.

Deshalb muss Schluss sein mit den entwürdigenden Taschenkontrollen! Wir brauchen eine zeitgemäße, ergebnisoffene Aufklärung zum Thema Drogen, sowie Straffreiheit für den Konsum auf Klassenfahrt! Über die gemeinsamen Regeln des Zusammenlebens soll nicht über unsere Köpfe hinweg entschieden werden, sondern mit uns zusammen.

Sicherheit statt Geschlechtertrennung!

Häufig wird die engmaschige Kontrolle mit „Horrorstorys“ darüber gerechtfertigt, dass Schüler:innen auf Klassenfahrten schwanger werden würden. Natürlich könnte man mit Gelassenheit und neutraler Aufklärung reagieren, wenn Jugendliche sich dafür entscheiden, Sex zu haben.

Stattdessen wird die Vorstellung von unkontrolliert vögelnden Teenagern als Legitimation genutzt, um die Zimmeraufteilung nach Geschlechtern zu rechtfertigen. Eine rechtliche Grundlage gibt es dafür nicht.

Diese billige Scheinlösung ist für alle scheiße, die nicht mit ihren besten Freund:innen ein Zimmer teilen dürfen. Besonders leiden jedoch trans Personen darunter, denen ihr Geschlecht abgesprochen wird und die als Spanner:innen abgestempelt werden.

Das Misstrauen führt jedoch nicht dazu, dass sexualisierte Gewalt bei Klassenfahrten tatsächlich geahndet wird. Solche Vorkommnisse werden eher heruntergespielt und verheimlicht, um Skandale zu vermeiden und das Gesicht der Schule zu wahren. Als ein Schüler aus dem Jahrgang unter mir eine Kamera in der Dusche der Mädchen installierte, musste er als Konsequenz lediglich die Klasse wechseln.

Um sicher vor Übergriffen zu sein, brauchen wir keine Sexfeindlichkeit und moralische Panik, sondern zeitgemäßen Sexualkundeunterricht und kostenlose Verhütungsmittel. Zusätzlich zu einer unabhängigen, von uns kontrollierten Antidiskriminierungsstelle an der Schule brauchen wir auch auf Klassenfahrt unabhängige Ansprechpersonen, um Täter:innen gemeinsam zur Rechenschaft zu ziehen.

Offene Grenzen für unsere Klassenfahrt!

Bei der Auswahl der Reiseziele geht die Ignoranz weiter: Einige Schullandheime stammen noch aus den 1930er Jahren und wurden damals für die Hitlerjugend gebaut, ohne, dass die Schüler:innen heute darüber aufgeklärt werden. Andere Reiseziele lassen als „Kinder-In***ner-Dörfer“ unreflektiert kolonial-rassistische Mythen aufleben.

Manche Klassenfahrten haben sehr rechte Gegenden oder Länder mit queerfeindlichen Gesetzen zum Ziel, wie z.B. Ungarn. Dadurch werden manche Schüler:innen einer noch größeren Gefahr ausgesetzt als ohnehin schon. Erst letztes Jahr musste eine Schulklasse eine Klassenfahrt abbrechen, weil Schüler:innen rassistisch bedroht worden waren. Für solche Fälle braucht es umfassende Sicherheitskonzepte und psychologische Hilfsangebote.

Zusätzlich werden Klassenfahrten für alle Schüler:innen zum Problem, die keinen deutschen oder europäischen Pass haben. Zwar gibt es spezielle Verfahren, die es Schüler:innen ermöglichen, ohne Pass mitzufahren, dennoch ist das mit Risiken bei der Wiedereinreise verbunden. Dazu kommt die Gefahr von Racial Profiling an Grenzübergängen, also rassistischer Gewalt bei Polizeikontrollen. In Lehrer:innen-Foren wird teilweise empfohlen, geflüchtete Schüler:innen nicht mit ins EU-Ausland zu nehmen, z.B. nach Großbritannien.

Im aktuellen Bildungssystem wird solchen Problemen „vorgebeugt“, indem migrantische Schüler:innen in sogenannte „Willkommensklassen“ ausgesondert werden und gar nicht erst mit auf Klassenfahrt dürfen. Statt rassistischer Segregation und Abschiebung fordern wir gemeinsamen Unterricht, offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle unsere Mitschüler:innen!

Religionsfreiheit erkämpfen!

Eine Klassenfahrt, auf der Gebete verboten werden oder keine Zeit dafür eingeplant wird. Ein Schullandheim, in dem ohne Alternativen Schweinefleisch serviert wird. Der obligatorische Besuch in der örtlichen Kirche. Besonders mies kann sich das auf Schüler:innen muslimischen oder jüdischen Glaubens auswirken.

Der Rechtsruck macht vor den Schüler:innen keinen Halt: Erst vor wenigen Wochen gelangte eine deutsche Schulklasse in die Schlagzeilen, nachdem sie bei einer Klassenfahrt zur Gedenkstätte Auschwitz Videos mit Hitlergrüßen veröffentlicht hatte. Nicht selten kommt es vor, dass auch Lehrkräfte im Namen von Zusammenhalt und Klassengemeinschaft über solche „Späße“ hinwegblicken. Wenn man das hört, ist es fast schon ironisch, wenn die Bundeswehr ihre Jugend-Camp mit einer Klassenfahrt vergleicht.

Was wir brauchen ist eine richtige Aufarbeitung des Faschismus und Kolonialismus im Unterricht: Das Erinnern darf nicht als Rückblick auf „abgeschlossene Zeiten“ betrachtet werden. Der Geschichtsunterricht muss uns auch die theoretische Grundlage für die organisierte Bekämpfung des aktuellen Rechtsrucks vermitteln. Dazu gehört auch der Kampf für Religionsfreiheit an unseren Schulen und auf unserer Klassenfahrt!

Hat dieser Artikel unangenehme Erinnerungen hervorgerufen und dich wütend gemacht? Willst du gemeinsam mit uns Wege finden, unsere Forderungen in die Tat umzusetzen? Möchtest du die Klassenfahrt nachholen, die du in der Schule nie haben durftest? Dann melde dich jetzt zu unserem Sommercamp an! Hier kommst du zur Anmeldung!