Unsere Klassenfahrt – unsere Regeln!

von Erik Likedeeler, Juli 2024

Klassenfahrt: Für manche weckt dieses Wort Erinnerungen an die aufregendsten Tage ihrer Schulzeit. Für andere beginnt mit der Busreise ins Schullandheim ein Albtraum, von dem sie sich Jahre später noch nicht erholt haben. Wieder andere dürfen gar nicht erst mitfahren. Wie kann das sein, und was muss passieren, damit solche Reisen für uns alle als erfreuliches Ereignis in Erinnerung bleiben?

Klassenfahrt darf kein Luxus sein!

Wie üblich fängt das Problem beim Geld an: Ein Städtetrip mit Hotel und anspruchsvollem Kulturprogramm wird schnell kostspielig. Wenn Rücksicht auf Schüler:innen aus ärmeren Familien genommen wird, läuft es auf Schullandheim und Wandern hinaus. Eine finanzielle Belastung entsteht aber selbst in der heruntergekommenen Unterkunft mit der ekligen Mensa.

Die Finanzierungsmöglichkeiten sind dürftig: Schulvereine, Wohlfahrtsverbände und die Sozialfonds einiger Bundesländer machen hin und wieder etwas Kohle locker. Für Menschen, die Bürger:innengeld beziehen, gibt es Unterstützungsanträge. Aber all diese Optionen sind unsicher und es gibt viele Voraussetzungen, die zu erfüllen sind, um an Ermäßigungen zu kommen.

Die grundlegende soziale Ungleichheit, die das kapitalistische System verursacht, lässt sich sowieso nicht wegbeantragen. Auch während der Klassenfahrt kristallisieren sich Geldprobleme heraus, mehr als im gewöhnlichen Schulalltag. Während einige Schüler:innen sich noch nicht einmal einen Koffer leisten können, gehen andere vor Ort im Restaurant essen und decken sich bei Shopping-Touren mit neuen Klamotten ein. Dass die Bezuschussung das Problem nicht löst, merken wir daran, dass manche Mitschüler:innen dennoch zuhause bleiben müssen.

Statt entwürdigende Bettel-Anträge mit mäßiger Erfolgsaussicht brauchen wir eine unbürokratische, vollumfassende staatliche Kostenübernahme von Klassenfahrten – finanziert aus den Taschen der Reichen und unter Kontrolle der Arbeiter:innen! Dazu gehören müssen natürlich auch eine genießbare Vollverpflegung vor Ort, sowie Geld für Reiseutensilien und ein Taschengeld.

Kein Schulstress unterwegs!

Mitbestimmung über das Reiseziel und die Aktivitäten auf der Klassenfahrt bekommen Schüler:innen selten. Laut Gesetz müssen alle Aktivitäten der Klassenfahrt irgendwie mit dem Unterricht zusammenhängen. Hier zeigt sich der Bildungs-Chauvinismus des Schulsystems, denn natürlich ist es kein Zufall, welcher Ausflug als „sehenswürdige Hochkultur“ gilt und welcher als „nutzloser Touri-Scheiß“.

Der Leistungsdruck des Schulalltags wird bei Klassenfahrten nicht zurückgestellt, sondern sogar ausgeweitet. In Form von benoteten Referaten und Sportprüfungen wird uns allen die Woche gründlich vermiest. In einer sozial überfordernden Umgebung sollen wir dann auch noch 24/7 auf unsere Note achten.

Die Lehrer:innen betonen dabei gern, dass eine Klassenfahrt anstrengend sein darf, weil sie eben kein Urlaub ist. Aber für einige von uns ist die Klassenfahrt die einzige Reise, die wir uns leisten können, da sollte etwas Urlaub schon drin sein!

Außerdem sind schlecht geplante Sportaktivitäten nicht nur anstrengend, sondern auch gefährlich. Bei meiner Klassenfahrt in ein Skigebiet lagen am Ende 4 Mitschüler:innen mit gebrochenen Knochen in einem Krankenhaus im Ausland. Die meisten von uns hatten nicht einmal Lust auf Skifahren gehabt.

Deshalb müssen Schüler:innen in Zukunft Mitspracherecht bei der Planung der Klassenfahrt haben. Über unsere Reise wollen wir gemeinsam mit unseren Lehrer:innen entscheiden, anstatt uns von der Schulleitung oder der Schulbehörde bevormunden zu lassen! Die Kontrolle über die Lehrpläne und die Abschaffung der Schulnoten gehören zu den wichtigsten Stellschrauben für eine Klassenfahrt nach unseren Vorstellungen.

Keine Klassenfahrt ohne Inklusion!

Auf Klassenfahrten sind Schüler:innen ihren Mobber:innen mehrere Tage lang auf engstem Raum ausgeliefert, ohne Möglichkeit, zu entkommen. Angesichts dessen ist es verständlich, die Klassenfahrt nicht genießen zu können und Heimweh zu bekommen – doch das ist nur ein weiterer Anlass, um von Lehrer:innen und Schüler:innen belächelt zu werden.

Im eng getakteten Programm gibt es kaum Momente zum Ankommen, Durchatmen und Entspannen, und keine Möglichkeit, sich einzelnen Aktivitäten zu entziehen. Häufig wird sich bei Klassenfahrten an den Bedürfnissen der Schüler:innen mit der meisten Energie und der höchsten Belastbarkeit orientiert. Alle anderen müssen sich unterordnen und anpassen.

Neurodivergente und psychisch kranke Mitschüler:innen müssen die ganze Zeit über maskieren, denn Überreizung oder soziale Ängste dürfen im schulischen Kontext nicht existieren. Wenn die Situation unerträglich wird, bleibt ihnen keine andere Wahl, als ihre Diagnosen offenzulegen.

Körperlich behinderte Schüler:innen werden im Zuge von ableistischem Mobbing als Klotz am Bein abgestempelt, wenn Ausflugsziele aufgrund zahlreicher Barrieren abgeändert werden.

Bei der Planung von Klassenfahrten müssen Barrierefreiheit und Inklusion zu den wichtigsten Kriterien gehören – es ist Aufgabe des Lehrplans, das nötige Bewusstsein darüber zu vermitteln. Zusätzlich braucht es Schutzmaßnahmen wie Selbstverteidigungskurse und ein Caucusrecht, um sich gegen Unterdrückung zu organisieren.

Vertrauen statt Taschenkontrollen!

„Wenn du dich nicht benimmst, dann darfst du nicht mit auf Klassenfahrt“ ist eine gern gewählte Wichtigtuerei von Lehrkräften, um Jugendliche im Zaum zu halten – in den meisten Fällen übrigens eine leere Drohung.

Vor der Abreise nimmt die Überwachung an Fahrt auf: Lehrkräfte picken sich gern Schüler:innen heraus, deren Taschen und Koffer durchwühlt werden. Hier merken wir schnell, wer die Lieblingsschüler:innen sind und wer als „Problemkind“ identifiziert wurde.

Am Zielort angekommen geht die Entmündigung weiter, mit lächerlichen Bettruhezeiten, Handyverboten oder verpflichtendem Ausziehen am Nordseestrand. Diesen sinnlosen Regeln sollen wir uns nur unterordnen, damit wir von unangepassten Jugendlichen zu braven zukünftigen Arbeiter:innen diszipliniert werden.

Wenn Schüler:innen beim Konsum von Alkohol und Zigaretten erwischt werden, kommt es vor, dass sie direkt nach Hause geschickt werden. Das Rauchverbot auf Klassenfahrt steht einer Realität entgegen, in der viele Schüler:innen seit Jahren rauchen. Der Anstieg der jugendlichen Raucher:innen ist eine bittere Konsequenz aus Krise, Pandemie und Inflation. Die Jugendlichen werden garantiert nicht damit aufhören, nur weil sie gezwungen sind, es heimlich zu tun.

Den Alkoholkonsum aus Angst vor Strafe verheimlichen zu müssen, kann sogar noch schlimmere Folgen haben, wenn sich Schüler:innen in Notlagen dagegen entscheiden, nach Hilfe zu fragen. Wenn zusätzlich die Eltern informiert werden, bedeutet ein Geständnis nur doppelten Ärger.

Deshalb muss Schluss sein mit den entwürdigenden Taschenkontrollen! Wir brauchen eine zeitgemäße, ergebnisoffene Aufklärung zum Thema Drogen, sowie Straffreiheit für den Konsum auf Klassenfahrt! Über die gemeinsamen Regeln des Zusammenlebens soll nicht über unsere Köpfe hinweg entschieden werden, sondern mit uns zusammen.

Sicherheit statt Geschlechtertrennung!

Häufig wird die engmaschige Kontrolle mit „Horrorstorys“ darüber gerechtfertigt, dass Schüler:innen auf Klassenfahrten schwanger werden würden. Natürlich könnte man mit Gelassenheit und neutraler Aufklärung reagieren, wenn Jugendliche sich dafür entscheiden, Sex zu haben.

Stattdessen wird die Vorstellung von unkontrolliert vögelnden Teenagern als Legitimation genutzt, um die Zimmeraufteilung nach Geschlechtern zu rechtfertigen. Eine rechtliche Grundlage gibt es dafür nicht.

Diese billige Scheinlösung ist für alle scheiße, die nicht mit ihren besten Freund:innen ein Zimmer teilen dürfen. Besonders leiden jedoch trans Personen darunter, denen ihr Geschlecht abgesprochen wird und die als Spanner:innen abgestempelt werden.

Das Misstrauen führt jedoch nicht dazu, dass sexualisierte Gewalt bei Klassenfahrten tatsächlich geahndet wird. Solche Vorkommnisse werden eher heruntergespielt und verheimlicht, um Skandale zu vermeiden und das Gesicht der Schule zu wahren. Als ein Schüler aus dem Jahrgang unter mir eine Kamera in der Dusche der Mädchen installierte, musste er als Konsequenz lediglich die Klasse wechseln.

Um sicher vor Übergriffen zu sein, brauchen wir keine Sexfeindlichkeit und moralische Panik, sondern zeitgemäßen Sexualkundeunterricht und kostenlose Verhütungsmittel. Zusätzlich zu einer unabhängigen, von uns kontrollierten Antidiskriminierungsstelle an der Schule brauchen wir auch auf Klassenfahrt unabhängige Ansprechpersonen, um Täter:innen gemeinsam zur Rechenschaft zu ziehen.

Offene Grenzen für unsere Klassenfahrt!

Bei der Auswahl der Reiseziele geht die Ignoranz weiter: Einige Schullandheime stammen noch aus den 1930er Jahren und wurden damals für die Hitlerjugend gebaut, ohne, dass die Schüler:innen heute darüber aufgeklärt werden. Andere Reiseziele lassen als „Kinder-In***ner-Dörfer“ unreflektiert kolonial-rassistische Mythen aufleben.

Manche Klassenfahrten haben sehr rechte Gegenden oder Länder mit queerfeindlichen Gesetzen zum Ziel, wie z.B. Ungarn. Dadurch werden manche Schüler:innen einer noch größeren Gefahr ausgesetzt als ohnehin schon. Erst letztes Jahr musste eine Schulklasse eine Klassenfahrt abbrechen, weil Schüler:innen rassistisch bedroht worden waren. Für solche Fälle braucht es umfassende Sicherheitskonzepte und psychologische Hilfsangebote.

Zusätzlich werden Klassenfahrten für alle Schüler:innen zum Problem, die keinen deutschen oder europäischen Pass haben. Zwar gibt es spezielle Verfahren, die es Schüler:innen ermöglichen, ohne Pass mitzufahren, dennoch ist das mit Risiken bei der Wiedereinreise verbunden. Dazu kommt die Gefahr von Racial Profiling an Grenzübergängen, also rassistischer Gewalt bei Polizeikontrollen. In Lehrer:innen-Foren wird teilweise empfohlen, geflüchtete Schüler:innen nicht mit ins EU-Ausland zu nehmen, z.B. nach Großbritannien.

Im aktuellen Bildungssystem wird solchen Problemen „vorgebeugt“, indem migrantische Schüler:innen in sogenannte „Willkommensklassen“ ausgesondert werden und gar nicht erst mit auf Klassenfahrt dürfen. Statt rassistischer Segregation und Abschiebung fordern wir gemeinsamen Unterricht, offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für alle unsere Mitschüler:innen!

Religionsfreiheit erkämpfen!

Eine Klassenfahrt, auf der Gebete verboten werden oder keine Zeit dafür eingeplant wird. Ein Schullandheim, in dem ohne Alternativen Schweinefleisch serviert wird. Der obligatorische Besuch in der örtlichen Kirche. Besonders mies kann sich das auf Schüler:innen muslimischen oder jüdischen Glaubens auswirken.

Der Rechtsruck macht vor den Schüler:innen keinen Halt: Erst vor wenigen Wochen gelangte eine deutsche Schulklasse in die Schlagzeilen, nachdem sie bei einer Klassenfahrt zur Gedenkstätte Auschwitz Videos mit Hitlergrüßen veröffentlicht hatte. Nicht selten kommt es vor, dass auch Lehrkräfte im Namen von Zusammenhalt und Klassengemeinschaft über solche „Späße“ hinwegblicken. Wenn man das hört, ist es fast schon ironisch, wenn die Bundeswehr ihre Jugend-Camp mit einer Klassenfahrt vergleicht.

Was wir brauchen ist eine richtige Aufarbeitung des Faschismus und Kolonialismus im Unterricht: Das Erinnern darf nicht als Rückblick auf „abgeschlossene Zeiten“ betrachtet werden. Der Geschichtsunterricht muss uns auch die theoretische Grundlage für die organisierte Bekämpfung des aktuellen Rechtsrucks vermitteln. Dazu gehört auch der Kampf für Religionsfreiheit an unseren Schulen und auf unserer Klassenfahrt!

Hat dieser Artikel unangenehme Erinnerungen hervorgerufen und dich wütend gemacht? Willst du gemeinsam mit uns Wege finden, unsere Forderungen in die Tat umzusetzen? Möchtest du die Klassenfahrt nachholen, die du in der Schule nie haben durftest? Dann melde dich jetzt zu unserem Sommercamp an! Hier kommst du zur Anmeldung!




Neben mir sitzt ein Nazi, was soll ich tun?

von Brokkoli Bittner, Juni 2024

Europa hat gewählt und Europa hat mehrheitlich rechts gewählt. Diesmal durfte in Deutschland sogar ab 16 gewählt werden. Das ist erstmal ein Erfolg. Doch hat die Wahl ebenso gezeigt, dass Jugendliche nicht automatisch für eine freiere und sozialere Welt einstehen. Im Gegenteil: Auch ein Großteil der Jugend hat Rechts gewählt. Unter den 16- bis 24-Jährigen hat die AfD 11 Prozent dazu gewonnen und die CDU 5 Prozent. Diese sind damit stärkste Kräfte unter Jugendlichen. Dass die Grünen für ihren Verrat an der Klimabewegung mit einem Verlust von 23 Prozent abgestraft wurden, ist angesichts dieser Rechtsentwicklung nur ein schwacher Trost. Auch die Linke, zu deren kritischer Wahlunterstützung wir aufgerufen haben, hat 2 Prozent unter Jugendlichen verloren. Doch diese Wahlergebnisse überraschen uns nicht, denn gerade für migrantisierte und queere Jugendliche war schon vor der Wahl klar: Die Jugend ist auch vom Rechtsruck betroffen und das merken wir auch täglich. Es sind nicht nur Lehrer:innen, die sich über migrantische Mitschüler:innen lustig machen. Es ist nicht allein das rassistische Bildungssystem, welches unsere Mitschülis migrantisiert und ihnen das Leben zur Hölle macht. Es sind eben auch unsere Mitschülis, die Hakenkreuze in Tische ritzten, „Ausländer raus“ auf Insta-Posten oder trans Personen gewaltvoll angreifen. Der Rechtsruck macht vor unseren Schulen und eben auch vor unseren Mitschülis keinen Halt. Und auch hier muss unser Kampf ansetzen. Doch wie schaffen wir das? Wie können wir verhindern, dass wir jeden Tag aufs Neue Hakenkreuze übermalen müssen, weil unsere Mitschülis endlich mal verstanden haben, dass es scheiße ist?

Was die Schule mit dem Rechtruck zutun hat

Zuerst ist es wichtig zu verstehen, dass, anders als wir es beigebracht bekommen, politische Einstellungen im Jugendalter nicht einfach Phasen sind, die zur Entwicklung dazu gehören. Jugendliche sind in der Lage, sich selbst Positionen zu bilden. So ist unser Nazimitschüler auch nicht in einer Phase, die er durchleben muss, sondern er ist einfach überzeugt von einer menschenfeindlichen Ideologie. Das ist wichtig zu verstehen, denn wenn wir sagen, es sei eine Phase, nehmen wir das Problem von Rechten in der Schule einfach nicht ernst. Andererseits sprechen wir Jugendlichen damit auch wieder einmal ab, eigene Entscheidungen treffen zu können. Doch diese eigenen Entscheidungen können eben auch scheiße, falsch und sogar rassistisch sein.

Wenn Teile deiner Klasse zu Klassenfeinden werden, kommt damit eine extreme Wut in uns auf. Man glaubt vielleicht, dass ein paar Schellen ausreichen, damit sie die Scheiße nicht wieder sagen. Aber jede:n Rechte:n zu verhauen in einer Gesellschaft, die nach rechts rückt, ist leider nicht so einfach. Hinzu kommt noch, dass sich rechte Ideologien nicht aus den Menschen herausprügeln lassen. Wir müssen uns deshalb mit den Ursachen des Rechtsrucks beschäftigen, als denen eine zu drücken, die diese Ideologie reproduzieren. Ein Grund dafür, dass sie es so leicht haben, ist, dass unsere rechten Mitschüler:innen von der Schule gar nicht so ungewollt sind, wie sie es tut. Natürlich tut die Schulleitung ganz schockiert, wenn jemand auf dem Schulhof den Hitlergruß zeigt. Von systematischem Rassismus oder gar faschistischen Strukturen hat man aber nie etwas mitbekommen. Und wenn in unseren Schulen Podiumsdiskussionen mit der AfD stattfinden, dann ist es für die Schulleitung klar, dass diese Meinung auch einen Platz bekommen muss. Es sind ihre Vorurteile gegenüber migrantisierten Menschen, die unsere Mitschülis nachlabern. Es ist ihre soziale Selektion, die unsere Mitschülis für biologisch gegeben halten. Es ist ihr heterosexueller Sexualkundeunterricht, den unsere Mitschülis für natürlich halten. Es ist ihr struktureller Rassismus, den unsere Mitschülis reproduzieren. Ein Kampf dem Nazi-Sitznachbarn muss also auch ein Kampf dem kapitalistischen System sein, das den Rassismus braucht, um zu existieren.

Krise & Rechtsruck Hand in Hand

Es ist nämlich genau die Krise dieses Systems, die dazu führt, dass die Rechten aktuell so stark sind. Sie erstarken genau dann, wenn der Lebensstandard vieler Leute durch Inflation und soziale Kürzungen schlechter wird, es keinen entschlossenen Kampf dagegen von links gibt und sich die Rechten als einzige Alternative dagegen präsentieren können. Die Bundesregierung versucht genau diesen Zusammenhang zwischen der Stärkung der AfD und ihrer Politik zu verschleiern und den Rechtsruck als Bildungsproblem darzustellen. Doch die AfD hat unter Jugendlichen nicht allein gewonnen, weil sie sich einen TikTok-Account angelegt hat. Sondern weil sie so tut, als hätte sie Lösungen für unsere Probleme. Schuld daran, dass du keinen Ausbildungsplatz bekommst, sei nicht die kapitalistische Krise, sondern eben „die Ausländer“. Es ist also kein Wunder, dass die Rechten gerade unter Jugendlichen, die nochmal mehr von der Krise betroffen sind, weil diese auf ihre Kosten ausgetragen wird, gewinnen.

Um die Rechten also zu stoppen, muss es ein Stoppen der Kürzungspolitik geben – die Kürzungspolitik der Ampel, die Schulen unterfinanziert und Jugendclubs dicht macht. Vielmehr sollten nicht wir für ihre Krise zahlen, sondern die Reichen! Dann werden auch weniger von uns den Rechten in die Arme getrieben. Klar ist also: Ein Kampf gegen Rechts ist auch ein Kampf für Masseninvestitionen statt für Kürzungen im sozialen Bereich und der Bildung. Doch wie schaffen wir das?

Organisieren an der Schule gegen Rechtsruck und Krise!

Um gegen die Kürzungspolitik zu kämpfen, müssen wir uns an unseren Schulen zusammentun. Dafür braucht es gemeinsame Aktionen. Anlass dafür können zum Beispiel die entlassenen Sozialarbeiter:innen sein, die kaputte Turnhalle oder das teure Mensaessen. Es können aber die Hakenkreuz-Schmierereien sein. Diese könnte man dann also, anstatt alleine zu crossen, mit seinen Freund:innen überstickern, mit Stickern der Jugendorganisation deines Vertrauens. Geht wahrscheinlich dann sogar schneller und macht vielleicht sogar Spaß. Nach so einer Aktion kann man dann ein gemeinsames Treffen machen, wo man darüber redet, wie man in Zukunft damit umgeht und wie man den Rechtsruck bekämpft. Dazu kann auch gehören, gemeinsam zu großen Antifa-Aktionen zu fahren, wie zu den Blockadeaktionen gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen. Dort können wir gemeinsam aufzeigen, dass es mehr braucht als „Nazis raus“, bzw. dass unserer „Nazis raus“ auch einen gemeinsamen Kampf mit Gewerkschaften und linken Parteien gegen Kürzungen und für Masseninvestitionen in Bildung bedeutet.

Der Rechtsruck kann nur durch eine Massenbewegung gestoppt werden, die sich nicht nur einmal im Jahr in Essen trifft, sondern in Schule, Uni und Betrieb verankert ist. Unsere Organisierung an der Schule ist deshalb ein wichtiger Schritt, um eine solche Bewegung aufzubauen. Denn das ist der Ort, wo wir täglich die Krise spüren, also müssen wir uns auch dort gegen diese organisieren. Eine soziale Forderung, die wir an Schulen erkämpfen können, ist zum Beispiel, dass die Schülis und Lehrkräfte über das Mensa-Essen und den Preis entscheiden können. Ebenso aber auch die Kontrolle über die Lehrpläne, die aktuell noch Rassismus und Queerfeindlichkeit reproduzieren und Kritik am Kapitalismus maximal in die Politik-AG verbannen. Wenn wir uns außerdem zusammentun, müssen wir auch weniger Angst vor rechten Mitschülis, Lehrer:innen oder Stress mit der Schulleitung haben. Einmal, weil man keine 30 Leute von der Schule werfen kann, aber auch weil wir uns zusammen uns bei Angriffen von Rechten verteidigen können.

Denn es ist der traurige Alltag, dass Unterdrückte angegriffen werden. Angst auf dem Nachhauseweg vor Angriffen von seinen eignen Mitschülis zu haben, ist längst Realität geworden. In den meisten Fällen haben wir nicht mal irgendwas zum Selbstschutz dabei, weil das in unseren Schulen als Waffen gilt und somit verboten ist. Klar ist auch, dass, wenn wir angegriffen werden, das Rufen der Bullen kaum etwas bringen wird. Denn die Bullen sind die, die doch selbst jeden Tag migrantisierten Menschen das Leben zur Hölle machen. Ausrechnet sie werden wohl kaum wen anderes davon abhalten. Wir brauchen also Strukturen, die nicht Teil dieses rassistischen Staates sind, der tagtäglich neu die Saat für den aktuellen Rechtsruck pflanzt. Wir müssen selbst eigene Strukturen an unseren Schulen aufbauen. Die Strukturen müssen die Schülis befähigen, sich selbst gegen Angriffe zu verteidigen, wenn Rennen nichts mehr bringt. Diese Strukturen müssen aber auch, wenn es zu Angriffen kommt, die Opfer unterstützen, und das heißt auch, als Gruppe organisiert Angriffe abzuwehren.

Wir finden es gut, wenn solidarische Lehrkräfte Räume zur Verfügung stellen, aber wir sollten nicht davon ausgehen, dass das passiert. Genauso, wie Orte und Strukturen zur Abwehr von Angriffen aufgebaut werden müssen, braucht es auch Strukturen, die diskriminierende Vorfälle sammeln und Maßnahmen dagegen beschließen können. Diese Stelle muss von den Schülis demokratisch gewählt, aber unabhängig von der Schule organisiert werden. Diese Informationen sollen nicht für die Schulleitung gesammelt werden, sondern die Schülis selbst sollen entscheiden können, wie sie damit umgehen wollen. Wie genau eine solche Antidiskriminierungsstelle aussehen und wie man sie erkämpfen kann, erfahrt ihr in unserem Artikel dazu auf unserer Homepage.

Lasst uns diesen Schock nach der Wahl für mehr nutzen als 2 Insta-Storys. Die Rechten bekämpfen wir nicht im Netz sondern auf der Straße, in der Schule, Uni und im Betrieb!




3 Gründe, warum “Willkommens”klassen nichts mit Inklusion zu tun haben

April 2024

Es klingt erst mal nett: eine Klasse, in der geflüchtete Kinder und Jugendliche willkommen geheißen werden, gemeinsam Deutsch und Lesen und Schreiben lernen, um dann einen einfachen Einstieg in den Regelunterricht zu haben. Da hat man gar nicht mehr diesen spaltenden flavour wie damals, als dasselbe Konzept noch „Ausländerklassen“ genannt wurde. Zu Recht? Nein, die Regierung will uns pranken und die Leidtragenden des Pranks sind unsere geflüchteten Mitschüler:innen (sowie in geringerem Maße die Lehrkräfte und alle anderen im Schulbetrieb). Wir sind „Jugend gegen Abschiebung“ und wir wollen nicht nur Abschiebungen verhindern und den Rechtsruck stoppen, sondern in eine antirassistische Gegenoffensive übergehen, deswegen bieten wir euch hier ein paar Fakten sowie 3 Argumente gegen „Willkommens“klassen und einige Stichpunkte, was wir stattdessen bräuchten für einen inklusiven Schulalltag für alle.

Die Schulpflicht in Deutschland ist in der Regel nicht abhängig vom Aufenthaltsstatus, d.h. geflüchtete Kinder sind genauso schulpflichtig wie hier aufgewachsene. Wie genau Geflüchteten der Schulbesuch ermöglicht werden soll, ist aber Ländersache und es funktioniert überall ein kleines bisschen anders. In elf Bundesländern ist dies in sogenannten Willkommensklassen (WK) organisiert, wir beziehen uns hier der Einfachheit halber vor allem auf eines dieser elf: Berlin. Es gibt hierzu nicht extrem viele kritische Untersuchungen, wir empfehlen aber ‚Die Kontinuität der Separation‘ (Karakayalı et al.), auf die wir uns auch hier beziehen. Während der Senat einige Grundlinien und Ziele formuliert hat (neben dem deutschen Spracherwerb z.B. die „Vermittlung kultureller Werte, Normen und Verhaltensweisen des Aufnahmelandes Deutschland“), bleibt die genaue Ausgestaltung weitgehend den einzelnen Schulen überlassen, sodass auch die Probleme je nach Schule in unterschiedlichem Maße zu Tage treten.

1. Direkte Ausgrenzung im Schulalltag

Dass WK nicht besonders inklusiv sind, wird schon auf räumlicher Ebene bemerkbar, etwa wenn der Unterricht in entlegenen Teilen der Schulgebäude, im Hort oder wie in einigen Fällen, sogar in einem gänzlich verschiedenen Gebäudekomplex oder in der Unterkunft stattfindet, sodass überhaupt keine gemeinsam genutzten Räume von nicht und neu zugewanderten Schüler:innen bestehen. Dieses Prinzip setzt sich fort, wenn WK nicht an Schulfesten, Tagen der offenen Türen beteiligt sind, wenn WK nicht auf Klassenfahrten fahren oder wenn den geflüchteten Schüler:innen keinen Mitwirkung in der Schüler:innenvertretung ermöglicht wird. Nachmittagsangebote werden zwar formal angeboten, können aber oft insbesondere in Grundschulen allein schon deshalb nicht genutzt werden, weil die Eltern nicht über die Möglichkeiten informiert werden.

2. Schlechte Behandlung und strukturelle Benachteiligung

Auf dem Schulhof verprügelt, Sand in den Mund gesteckt, von Lehrer:innen angeschrien oder gewaltsam durch den Klassenraum gezerrt. Die zahlreichen Beispiele von Diskriminierung gegenüber geflüchteten Schüler:innen sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck einer systematischen Unterdrückung. Die Schüler:innen in den WK sind, dadurch dass sie unter sich bleiben, abgeschnitten von Mitteln, um sich gegen ihre Diskriminierung zu wehren, die Zeug:innenschaft der anderen Schüler:innen bleibt aus und deren Solidarisierung wird erschwert. Im Übrigen sind auch die zusätzlichen Lehrkräfte in den WK zum Teil Mobbing durch die anderen Lehrer:innen ausgesetzt.

3. Mangelnde Ressourcen und nobody cares

Wir haben bereits an anderer Stelle die These aufgestellt, dass sich das deutsche Bildungssystem in einer tiefen, sich stetig weiter zuspitzenden Krise befindet. Vor dem Hintergrund von maroden Schulgebäuden, dringendem Lehrkräftemangel und unzeitgemäßen Unterrichtsformen erhärtet sich der Eindruck, dass Willkommensklassen in erster Linie dazu dienen sollen, den Schulbetrieb in den Regelklassen möglichst „ungestört“ weiterlaufen zu lassen, bzw. dessen endgültigen Kollaps zu verhindern. Um die Bedürfnisse der geflüchteten Schüler:innen geht es eigentlich nicht. Dafür existieren auch gar nicht die Mittel. Ein Drittel der Berliner Schulen mit WK hat nicht einmal ein schriftliches Konzept für diese. Durch den Raummangel werden WK teilweise in Unterkünfte verdrängt oder müssen in Horträumen unterrichten, inmitten zwischen den Bastelsachen für die Regelschüler:innen, die die Geflüchteten nicht anfassen dürfen. Weniger als 5% der Lehrkräfte sind ausgebildet für das Lehramt von Deutsch als Fremdsprache und an mehr als einem Viertel der Schulen unterrichten überhaupt keine ausgebildeten Lehrer:innen in den WK. Die meisten Lehrkräfte sind zudem nicht darauf vorbereitet, mit den traumatisierenden Erfahrungen, die die Schüler:innen auf der Flucht gemacht haben, angemessen umzugehen.  Digitale Lehrmaterialien werden fast überhaupt nicht in WK genutzt, teilweise sind die Lehrer:innen sogar dafür verantwortlich, sich privat um ihre Lehrmittel zu kümmern. Dies alles führt dazu, dass selbst wenn die Geflüchteten nach einer gewissen Zeit in den Regelunterricht überwechseln, sie den Inhalten meistens nicht folgen können. Schließlich gibt es auch einfach nicht genügend Plätze in den WK, sodass allein in Berlin tausende Jugendliche monatelang auf einen Schulplatz warten müssen.

Was bräuchte es stattdessen?

Wir wollen in der Zukunft ein detaillierteren Forderungskatalog für eine antirassistische Wende an den Schulen erarbeiten und wir laden dich als interessierte:n Schüler:in herzlich dazu ein, dabei mitzudiskutieren. Als ersten Schritt schlagen wir aber die folgenden Eckpunkte vor:

  • Integration von geflüchteten Kindern und Jugendlichen in die regulären Klassen ab dem ersten Tag
  • Wahlmöglichkeit zwischen Unterricht in der Muttersprache oder Unterstützung durch DaF-Lehrer:innen und Übersetzer:innen
  • umfassende psychologische Betreuung zur Traumaverarbeitung
  • Kennenlern- und Vermittlungsangebote zwischen nicht und neu zugewanderten Schüler:innen (gemeinsam Fußballspielen, Musizieren, Spiele spielen…)
  • Vollen Zugang zu politischer Mitbestimmung an der Schule für WK-Schüler:innen
  • eine selbstverwaltete Antidiskriminierungsstelle (siehe unseren Artikel zu dieser Forderung)

Wir sollten jetzt in allen Schulen die Frage der Willkommensklassen diskutieren, die bestehende Ungerechtigkeiten aufzeigen und gemeinsam nach Alternativen suchen. Vielleicht fragst du einmal die Schüler:innen in der WK, wie es ihnen im Schulalltag geht und für welche Verbesserungen sie sich mit einsetzen würden.

Bei alldem müssen wir aber dennoch klar benennen, dass der Schulbesuch nicht von den Angriffen auf das Asylrecht gesondert betrachtet werden kann. Niemand kann sich in der Schule wohlfühlen, wenn man von Abschiebung bedroht ist, wenn man nachts nicht schlafen kann, weil es in der überfüllten Unterkunft zu laut ist oder wenn das wenige Geld auf der Bezahlkarte nicht reicht, um die Grundbedürfnisse zu bedienen. Wir betrachten daher den Kampf für Inklusion an der Schule als Teil des Kampfes gegen den staatlichen Rassismus, für Bleiberecht und volle Staatsbürgerrechte für alle!

Quellen:

https://www.dipf.de/de/forschung/pdf-forschung/steubis/wiko-studie-zusammenfassung-zentraler-befunde
https://www.waxmann.com/index.php?eID=download&id_artikel=ART102186&uid=frei
https://taz.de/Willkommensklassen-in-Berlin/!5933590
https://www.dw.com/de/ukrainische-sch%C3%BCler-kritik-an-willkommensklassen/a-64077205
https://mediendienst-integration.de/fileadmin/Dateien/Expertise_Willkommensklassen.pdf
https://www.berliner-zeitung.de/open-source/integration-an-berliner-schulen-fragwuerdiger-umgang-mit-willkommensklassen-li.2148195



How To: Einen Schulstreik gegen Rechts organisieren

von Brokkoli Bittner, Mai 2024

Millionen Menschen waren in den letzten Wochen & Monaten gegen Rechts auf der Straße und in den Schulen diskutieren Schüler:innen, wie man die AfD bekämpfen kann. Während immer noch viele davon überzeugt sind, dass man gemeinsam mit den bürgerlichen Parteien den Rechtsruck aufhalten kann, sehen wir darin keine Perspektive. Die AfD hetzt, aber die Ampel macht die passenden Gesetze dazu. Mit ihrer Zustimmung zur GEAS-Reform der Festung Europa haben die Grünen, die SPD und die FDP dafür gesorgt, dass das Asylrecht in der EU faktisch abgeschafft wird. Eine Forderung, wie sie die AfD schon lange aufgeworfen hat. Wir schlagen für uns Jugendliche & Schüler:innen eine andere Taktik vor: Gemeinsam mit euch wollen wir einen bundesweiten Schulstreik gegen Abschiebungen und AfD organisieren. Warum wir dieses Mittel zur Durchsetzung von Forderungen einsetzen und wie man einen Streik organisiert, erfahrt ihr in diesem Artikel.

Warum überhaupt ein Streik?

Die Schule bestreiken bedeutet, den Unterricht zu boykottieren und stattdessen gemeinsam für ein politisches Ziel auf die Straße zu gehen. Ein Schulstreik legt zwar nicht wie andere Streiks die Produktion oder das öffentliche Leben lahm, aber er ist ein Akt des politischen Massenprotests und stört den „normalen“ Schulbetrieb. Und das ist auch wichtig und richtig, denn dieser Alltag aus Diskriminierung, kaputtgespartem Schulsystem und Abschiebungen ist nicht normal! Ein Schulstreik gibt uns eine Stimme, indem wir uns klar und deutlich gegen Abschiebungen und AfD positionieren, ohne viel Angst haben zu müssen, von der Schule zu fliegen. Es gibt zwar kein Recht auf Schulstreik, aber er ist auch nicht konkret verboten. Und so haben schon viele große Schulstreiks in der Vergangenheit, ob 2008 gegen die Bildungskürzungen, ob 2016 gegen Rassismus, oder ab 2019 in Fridays for Future gezeigt, dass wir durch unsere Streiks etwas erreichen können.

Voraussetzung: Das Thema muss relevant für Schüler:innen sein

Bevor wir die Menschen in unserem Umfeld zu gemeinsamen Aktionen & Protesten aufrufen können, müssen sie die Problematik auf dem Schirm haben. Für alle, die rassistisch oder sexistisch diskriminiert werden, stellt sich diese Frage meistens nicht, da ihr Alltag vom Rechtsruck durchzogen ist: Schlechtere Noten als „deutsche“ Mitschüler:innen, Ansprachen mit den falschen Pronomen & Namen, Beleidigungen und die ständige Angst vor Abschiebungen. Zehntausende Jugendliche in Deutschland haben keine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, sondern sind lediglich „geduldet“. Duldung heißt „vorübergehende Aussetzung der Abschiebung“. Und wer soll sich eigentlich auf Mathe konzentrieren, wenn total unklar ist, ob die Duldung nächste Woche noch verlängert wird? Aber spätestens seit der Correctiv-Recherche über Geheimtreffen der AfD mit Rechtsextremen der Identitären Bewegung, gehen Viele auf die Straße, um den Rechtsruck aufzuhalten, die das Problem vorher nicht so deutlich gesehen haben oder geglaubt haben, sie könnten nichts dagegen tun. Man kann also mit Recht sagen, dass Jetzt der optimale Zeitpunkt ist, um gemeinsam Widerstand zu organisieren.

Schritt 1: Mobilisierungen und Druck auf [‘solid], JuSos und die Gewerkschaften/jugenden

Während wir von Schule zu Schule gehen, plakatieren, flyern und unzählige Diskussion führen, die Missstände immer wieder aufs Neue erklären, sollten wir aber eins nicht vergessen: Es gibt bereits eine große Anzahl an Jugendlichen, die erkannt haben, dass sich etwas ändern muss und sich daher einer Jugendorganisation angeschlossen haben, welche sich diese Veränderung auf die Fahnen schreibt. Allein [‘solid] und die JuSos haben zusammen knapp 100.000 Mitglieder. Und beide Gruppen haben den Anspruch formuliert, sich gegen den Rechtsruck zu stellen. Das Problem ist nur, die Führungen dieser reformistischen Organisationen haben kein Interesse daran ihre Mitgliedschaft wirklich zu mobilisieren. Für sie geht es an erster Stelle nicht selten darum, die eigene Karriere in der Partei voranzutreiben, um es sich selbst später einmal nett einzurichten, während man hauptberuflich faule Kompromisse mit den Herrschenden aushandelt. Ihr Problem ist, dass sie letztlich immer die Interessen ihrer Mitglieder verraten müssen, wenn sie nicht bereit sind, den Boden der herrschenden Ordnung zu verlassen. Ähnlich ist es bei den Jugendgewerkschaften, deren Jugendsekretäre häufig vom Apparat selbst eingesetzt und nur noch formal per Wahl bestätigt werden. All das ändert aber nichts daran, dass ihre Basis unter den gleichen Missständen leidet wie wir und diese auch sehen kann. Wenn wir es also schaffen, durch unsere Mobilisierung, und z.B. durch öffentliche Aufrufe, diese Basis in Bewegung zu bringen, so ist auch die Führung zur Handlung gezwungen, will sie nicht ihr noch verbliebenes bisschen Legitimität verspielen wollen. Dasselbe gilt bei der Ausweitung an die Unis bzw. Berufsschulen ebenso für den SDS und in geringerem Maße auch für die SDAJ (Jugendorganisation der DKP (Deutsche kommunistische Partei, entgegen des Namen eher programmatisch reformistisch), die auch mal ihre paar hundert Mitglieder auf die Straße bringen könnte. Genauso wichtig ist Fridays For Future, da sie bereits an den Schulen verankert sind und ihre Mitglieder diese als Räume für politische Kämpfe anerkennen. Auch die Basis von FFF wird regelmäßig von Führungsfiguren wie Luisa Neubauer verraten, die die Ziele und Forderungen der Klimabewegung radikal ausverkauft. Dennoch müssen wir sie zur gemeinsamen Aktion auffordern, denn nur so muss sich Neubauer vor den Augen ihrer Basis rechtfertigen, warum sie letztlich nicht an einem antirassistischen Schulstreik teilnehmen will. Es gilt also, offen auf diese Organisationen zuzugehen und sie von der Notwendigkeit eines antirassistischen Schulstreiks zu überzeugen. Dabei ist die Tatsache, dass die Aktion gemeinsam stattfindet jedoch wichtiger als dass der Schulstreik genau die Form hat, wie wir sie uns vorstellen. Das muss dann in Schritt 2 offen ausdiskutiert und demokratisch beschlossen werden.

Schritt 2: Eine Aktionskonferenz einberufen

Dieser Schritt dient dann dem Zweck offen auszudiskutieren und demokratisch zu beschließen, wie der Schulstreik konkret aussehen kann, was seine genauen Forderungen sein sollen und wie man noch mehr Schüler:innen mobilisieren kann. Um diese Diskussion zu führen, muss also eine Aktionskonferenz einberufen werden, auf der über den Aufruf und den konkreten Streikplan sowie über verschiedene Aktionsformen an den Schulen selbst diskutiert wird. Zu dieser Aktionskonferenz müssen auch die noch skeptischen Teile der Jugend eingeladen werden. Ziel muss es sein, auch mit diesen Teilen zu diskutieren.

Revolutionär:innen haben dabei auch die Aufgabe, die Grenzen von allein auf Schulen und Schülis beschränkten Aktionen aufzuzeigen und auf die Notwendigkeit eines strategischen Bündnisses mit der Arbeiter:innenklasse hinzuweisen. Beim Thema Rassismus muss klar gemacht werden, dass kein:e Arbeiter:in ein Interesse an der ungleichen Bezahlung von Migrant:innen hat. Es muss daher eine Debatte mit den Gewerkschaften über eine Streikbeteiligung geben. Dabei darf die Jugend ihre Kritik an der Gewerkschaft nicht verschweigen und muss klar für die Aufnahme von Flüchtlingen in die Gewerkschaft und für lokale Streikkomitees – nicht nur in den Schulen, sondern auch – in den Betrieben eintreten. Außerdem muss klar sein: Ein Kampf gegen Rassismus muss ein Kampf gegen die Herrschenden sein, denn diese sind dafür verantwortlich, dass Mitschüler:innen abgeschoben werden, migrantische Arbeiter:innen schlechter bezahlt werden und SchülerInnen ihre rassistischen Lehrer:innen nicht abwählen können. Der Kampf gegen Rassismus kann nur erfolgreich sein, wenn er seine materiellen Wurzeln in der kapitalistischen Produktionsweise bekämpft. Doch so wichtig und richtig diese Punkte für Revolutionär:innen sind, machen wir sie nicht zur ultimativen Bedingung für eine gemeinsame Aktion. Das wäre letztlich sektiererisch, schließlich können wir nicht erwarten, dass Jugendliche, die etwas gegen Rassismus machen wollen, automatisch mit einem antikapitalistischen Klassenbewusstsein auf die Aktionskonferenz kommen. Vielmehr müssen wir sie durch die gemeinsame Praxis davon überzeugen–

Schritt 3: Ab auf die Straße!

Wenn wir es geschafft haben, uns auf der Aktionskonferenz über die Erfahrungen an unseren Schulen auszutauschen und gemeinsam demokratisch über die Forderungen des Streiks abgestimmt haben, ist es Zeit, diesen zu organisieren. Wir müssen also all unsere Freund:innen, Mitschüler:innen & Lehrer:innen dazu einladen, an diesem Tag nicht zur Schule, sondern zur Demo oder Kundgebung zu gehen. Vor der Schule Flyer verteilen, ist die optimale Gelegenheit, mit Leute ins Gespräch zu kommen, die man sonst nicht erreichen würde. Zusätzlich hilft es, in der Schule Plakate für den Streik aufzuhängen und den Aufruf über alle möglichen Social Media-Kanäle und Whatsapp-Gruppen zu verbreiten. Gemeinsame Vorbereitungstreffen, z.B. zum Schilder malen sind auch immer motivierend und eine gute Chance zum Vernetzen. Durch das Einberufen einer schulrechtlich verankerten Vollversammlung sorgt man dafür, dass das Thema mehr Aufmerksamkeit bekommt, man mit allen Schülis gemeinsam diskutieren kann und auch alle wirklich erreicht.

Dann bleibt nur noch das Wichtigste zu tun: Zusammen, zahlreich & laut auf die Straße gehen! In Redebeiträgen müssen wir die aktuelle Situationen in unseren Schulen ganz klar kritisieren, aber auch Geflüchteteninitiativen und die beteilligten Organisationen ans Mikro holen. Auf Schildern & in Parolen ist unser Protest so laut, dass selbst die letzte Schulleitung sie nicht länger überhören kann. Und natürlich beschränkt sich unser Kampf nicht nur auf diesen Tag: So lange, wie unsere Forderungen nicht erfüllt sind, gehen wir auf die Straße und legen den Schulalltag lahm- in unserer Stadt und deutschlandweit. Für eine Zukunft, in der alle Schüler:innen ohne Angst vor Abschiebung & Gewalt lernen können. Für eine sichere & gerechte Bildung, gegen den Rechtsruck!

Link zur JgA-Telegram-Gruppe als QR-Code einfügen: https://t.me/jugendgegenabschiebung




Gegen Diskriminierung kämpfen heisst Gegenmacht aufbauen!

von Dilara Lorin, März 2023

Als Jugendliche sind wir gezwungen, uns tagein tagaus in der Schule aufzuhalten. Doch obwohl wir einen Großteil unserer aktuellen Lebenszeit dort verbringen und zahlenmäßig die größte Gruppe sind, die sich dort aufhält, haben wir kaum Rechte zu bestimmen, wie unsere Schule aussieht und was dort passiert. Lerninhalte, Pausenzeiten, Essen, die Gestaltung des Schulgebäudes … – alles wird jenseits unserer Kontrolle von anderen bestimmt. Dass das eine große Scheiße ist, merken wir gerade jetzt, wo der gesellschaftliche Rechtsruck und die Krise des Kapitalismus dafür sorgen, dass sich unsere Lernbedingungen durch Sozialkürzungen, Krieg, Sexismus und Rassismus stetig weiter verschlechtern. Doch wir werden den transfeindlichen Spruch eines Lehrers nicht widerstandslos hinnehmen und auch nicht schweigend zusehen, wenn unsere Mitschüler:innen aufgrund von Rassismus gezwungen werden, ihre Kuffiyas nicht mehr zu tragen. Unsere individuelle Empörung braucht einen Ort, an dem sie gebündelt und in einen kollektiven Kampf dagegen übersetzt werden kann. Lasst uns deshalb gemeinsam Antidiskriminierungsstellen in den Schulen erkämpfen – eine selbstverwaltete Stelle, in der Schüler:innen und Schulbeschäftigte anonym über diskriminierendes Verhalten und Situationen berichten und gemeinsam dagegen vorgehen können.

Was bedeutet Gegenmacht?

Gegenmacht bedeutet im Allgemeinen, eine demokratische und kollektive Macht durch Organisationen und Strukturen aufzubauen, die parallel zur autoritären und herrschenden Macht von Staaten und Regierungen existiert. Dabei ist die von Revolutionär:innen aufgebaute Gegenmacht jene, die von der Arbeiter:innenklasse, der Bauernschaft und den Unterdrückten gebildet wird. Ihr Ziel ist es, die Macht der Herrschenden für ihren Sturz herauszufordern und im Kern schon die Perspektive für eine demokratischere und freiere Gesellschaft darzustellen. Das bedeutet, dass die Organe der Gegenmacht politische Fragen gemeinsam entscheiden und verfolgen müssen. Sie müssen eine Einheit der Interessen der Arbeiter:innen und Unterdrückten wiederspiegeln und der vereinzelnden Macht der Herrschenden ihre kollektive Stärke entgegensetzen. Solche Gegenmachtorgane haben aber auch im Kleinen die Aufgabe, eine Alternative zu bestehenden Strukturen und Herrschaftsformen darzustellen.

Das Prinzips des Aufbaus von Gegenmacht stammt historisch von den Räten oder Sowjets. Ein bekanntes Beispiel sind die russischen Sowjets von 1905-1917, welche die Keimzellen der sozialistischen Oktoberrevolution waren. Die Bolschewiki betrachteten den Sowjet als den besten und direktesten organisatorischen Ausdruck der Macht des Proletariats und seiner Verbündeten. Der Sowjet war ein Rat, der alle ausgebeuteten und unterdrückten Gruppen repräsentierte und auf dem Prinzip der direkten Wahl, ständiger Abwählbarkeit und Abschaffung bürokratischer Privilegien beruhte. Er bildete die bestmögliche Grundlage für die Diktatur des Proletariats – für den demokratischen Rätestaat. Im Kampf um die Macht ist der Rat das Werkzeug, um alle gegen den Kapitalismus kämpfenden Kräfte zu vereinen und dem parlamentarischen System der bürgerlichen Klassenherrschaft die proletarische Macht der demokratischen Räte entgegenzustellen. Die Räte zeichnet ebenfalls aus, dass sie Wirtschaft und Politik nicht künstlich trennen, wie es im kapitalistischen politischen System der Fall ist. Hier werden im Parlament nur politische Reglungen und Gesetze festgelegt und wird die Masse der Menschen der Anarchie des Marktes unterworfen. Die Räte dagegen vereinen politischen und ökonomischen Kampf, denn nur durch das Mittel des Streiks kann die Arbeiter:innenklasse sich ihrer eigenen Stärke bewusst werden. Auch in Deutschland gab es im Zuge der Novemberrevolution 1919 eine starke Rätebewegung und sogar kurzzeitig eine Räterepublik, welche jedoch durch den Verrat der SPD gemeinsam mit kaisertreuen Kräften zum Erhalt der kapitalistischen Ordnung blutig gestürzt wurde. Die Beispiele der russischen Sowjets oder deutschen Räte zeigen auch, dass bürgerliche Macht und proletarische Gegenmacht in sogenannten „Doppelmachtsituationen“ nie beide über einen längeren Zeitraum parallel existieren können, sondern sich das herrschende Kräfteverhältnis immer zu Gunsten des Einen oder des Anderen auflösen muss.

Wichtig ist dabei zu verstehen, dass der Aufbau von Gegenmacht kein Selbstzweck ist. Er ist eingebettet in den Kampf für die Zerschlagung des Kapitalismus und den Aufbau einer befreiten Gesellschaft. Dafür braucht es ein revolutionäres Programm, für das auch in den Räten gekämpft werden muss. Denn nur weil diese demokratischer sind als das bürgerliche Parlament bedeutet das nicht, dass sie automatisch die richtigen Entscheidungen treffen. So haben die Bolschewiki vorerst eine Minderheit in den Sowjets dargestellt, sodass viele Sowjets lange auch eine nicht-revolutionäre Linie vertreten haben. Erst durch ihr unermüdliches Eintreten für ihr revolutionäres Programm ist es ihnen gelungen, die Sowjets in eine siegreiche sozialistische Revolution zu führen.

Was hat das mit Antidiskriminierungsstellen zu tun?

Das Prinzip des Aufbaus von Gegenmacht wurde in der Geschichte der Arbeiter:innenbewegung nicht nur den in revolutionären Räten angewendet, sondern auch auf kleineren Ebenen: in den Schulen, Unis und Betrieben. Für uns bedeutet das, den Kampf um Antidiskriminierungsstellen als Kampf um Gegenmacht in den Schulen zu verstehen. Deshalb ist es wichtig zu betonen, dass solche Stellen unabhängig von Staat, Schulaufsicht und Schulleitung sein müssen, denn diese sind es, die in Zeiten von Druck und Krisen jede erkämpfte Chance wieder zurücknehmen würden. Fortschrittliche Reformen, die in Schulen umgesetzt werden, können vom Staat also auch wieder zurückgenommen werden, wenn sich Regierungen und damit zusammenhängend auch Kräfteverhältnisse ändern. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das Genderverbot in Sachsen, Sachsen-Anhalt, Bayern und Schleswig-Holstein, das zwischen Juli 2023 und März 2024 in den Schulen eingeführt wurde. Lehrpersonen ist es damit untersagt ihre Sprache zu gendern. Vorsichtige Versuche ein kleines bisschen Antisexismus in der Schule zu etablieren, will der Staat rigide zerschlagen. Im Kampf gegen Diskriminierung können wir uns also nicht auf den Staat und seine Institutionen verlassen. Wenn fortschrittliche Reformen erkämpft werden, dürfen diese also nicht aus der Hand gegeben werden, sondern wir müssen auch um ihre Kontrolle kämpfen. Der Kampf um die Kontrolle geht einher mit dem Kampf um die Durchsetzungsfähigkeit. Unser Kampf für Antidiskriminierungsstellen muss also mit den Forderungen nach Unabhängigkeit von der Schulleitung und den nötigen Mitteln, um beschlossene Maßnahmen auch im Schulalltag umsetzen zu können, verbunden werden.

Klar ist aber auch, dass es unter den Jugendlichen und Lehrer:innen unterschiedliche Ansichten darüber gibt, wie Diskriminierung definiert wird, welche Konsequenzen diskriminierendes Verhalten haben sollte und wie damit umgegangen wird. Deshalb muss es auch hier offene Debatten darüber geben. Historisch hat schon die Oktoberrevolution gezeigt, dass Räte allein nicht ausreichen, weil auch superdemokratische Räte falsche Entscheidungen treffen können. Darum ist es die Aufgabe von Revolutionär:innen innerhalb von Gegenmachtstrukturen, egal ob in der Schule oder im Betrieb, auch für ein revolutionäres Programm zu kämpfen. Dies bedeutet in diesem Fall konkret die Unabhängigkeit der Antidiskriminierungsstelle zu verteidigen und für eine materialistische Analyse von Diskriminierung einzutreten. Dem Definitionsmachtansatz setzt diese das doppelte-Beweislastausgleichverfahren entgegen.

Wie kann die Praxis von Antidiskriminierungsstellen aussehen?

Ein Beispiel für diskriminierendes Verhalten brauchen wir hier wahrscheinlich nicht zu nennen, denn jedem:jeder von uns fällt nach kurzem Nachdenken sicher eines ein und niemand wird behaupten können: „Meine Schule ist frei von Sexismus/Rassismus/Querfeindlichkeit etc“. Denn auch die Schule befindet sich nicht im luftleeren Raum, sondern ist Teil des kapitalistischen Systems, das die Wurzel aller Unterdrückungsformen darstellt. Somit ist es eine Frage des Willens aller von uns, unseren Alltag in der Schule selbst in die Hand zu nehmen und sich diesen nicht bestimmen zu lassen.

Im Idealfall gibt es an deiner Schule ein Schulkomitee oder eine linke und antirassistische Schulgruppe, die die miserablen und diskriminierenden Zustände an der Schule erkennt und handeln will. Wenn nicht, lässt sich diese mit ein paar Gleichsinnten schnell etablieren. Diese Struktur ruft eine Vollversammlung an deiner Schule ein und organisiert sie. Vollversammlungen sind schulrechtlich abgesicherte Versammlungen aller Schüler:innen der Schule und können prinzipiell an jeder Schule stattfinden. Von wem und in welchen Abständen ist jedoch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Bei diesen Vollversammlungen kommt die ganze Schule zusammen, was die Möglichkeit bietet, mit allen über Formen der Diskriminierung zu diskutieren und aufzuklären. Wenn entschieden wird, dass man dies nicht mehr einfach so hinnehmen möchte, sollte es die Möglichkeit geben, auf einberufenen Vollversammlungen als Schüler:innen und Lehrer:innen für eine Antidiskriminierungsstelle zu kandidieren. Alle potenziell von Diskriminierung Betroffenen sollten sich zur Wahl aufstellen und abstimmen können: Das heißt mit Ausnahme der Schulleitung alle Schüler:innen, Lehrer:innen und anderen Schulbeschäftigten (Hausmeister, Mensapersonal, Reinigungskräfte, Sekretariar etc.). Gemeinsam können wir entscheiden, wen wir mit welchen Ansichten für die Arbeit in der Antidiskriminierungsstelle für geeignet halten. Wichtig ist jedoch, dass die gewählten Personen rechenschaftspflichtig und jederzeit auch abwählbar sind und der Schule in einem bestimmten Zeitraum Bericht erstatten müssen. Dadurch kann die Arbeit der Antidiskriminierungsstelle kontrolliert werden und es besteht die Möglichkeit, sie neu zu wählen und zu besetzen, wenn sie Fehleinschätzungen oder falsche Entscheidungen trifft. Es ist wichtig, dass sie Entscheidungen über Fälle trifft und auch klare Konsequenzen für die Täter:innen bestimmt, damit sie nicht zu einem reinen Kummerkasten verkommt. Aus der Antidiskriminierungsstelle können dabei auch Entscheidungen getroffen werden, die einen Großteil der Schüler:innen und Lehrer:innen betreffen kann, ein Beispiel können Präventionsworkshops sein.

Wir sehen, die Antidiskriminierungsstelle kann sich zu einem festen Bestandteil im Schulalltag formieren, in welchem durch die Frage des Kampfes gegen Diskriminierung und die Frage der Kontrolle darüber auch die Macht von Schulleitung und Staat, alles bestimmen zu können, herausgefordert wird. Isoliert kann der Kampf um demokratische Gegenmacht in der Schule jedoch nicht allein durch Antidiskriminierungsstellen gewonnen werden. Er muss eingebettet werden in den Kampf um eine demokratische Kontrolle der Lehrpläne durch Schüler:innen und Lehrer:innen sowie die Verwaltung des Schulgebäudes. Dafür braucht es Schul(streik)komitees, welche einen Pol bilden für Aktivist:innen in der Schule, um für sämtliche ihrer Interessen und politischen Fragen im Schulalltag zu kämpfen. Die Rolle der Schulstreikkomitees ist dabei anleitend und intervenierend. Der Pol an linken, antikapitalistischen Aktivsit:innen muss seine Aufgabe darin sehen, mit einer materialistischen Analyse in die Debatten der Antidiskriminierungsstelle einzuwirken, ihre Unabhängigkeit zu verteidigen und diese auf weitere Felder wie die Kontrolle über die Lehrpläne oder das Schulgebäude auszudehnen. Lasst uns gemeinsam der Fremdbestimmung ein Ende bereiten und Gegenmacht aufbauen!




Nein zum Gender-Verbot an Schulen!

von Erik Likedeeler, REVOLUTION, Fight! März 2024 (aufgrund der Gesetzesänderung in Bayern leicht angepasst am 21. März 2024 im Vergleich zur Print-Ausgabe )

Es klingt absurd, ist aber wahr: der bayerische Ministerrat und Sachsens Kultusministerium haben sich dazu entschieden, eine geschlechtergerechte Sprache in Form von Sternchen, Doppelpunkt und Binnen-I an Schulen, in Unis und an Behörden (Bayern) sowie an Schulen und deren Behörden (Sachsen) zu verbieten. Der thüringische Landtag hat beschlossen, dass Landesregierung, Ministerien, Schulen, Universitäten und der öffentliche Rundfunk nicht mehr „gendern“ dürfen. Auch in Niederösterreich haben ÖVP und FPÖ durchgesetzt, dass die Nutzung von Sternchen und Binnen-I in den Landesbehörden untersagt wird. Ein FPÖ-Sprecher betonte, es gehe darum, den „Wahnsinn des Genderns“ zu beenden. Diese Gender-Verbote stellen eine weitere Folge des gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks in unseren Schulen dar. Sie sind eingebettet in einen internationalen Rollback gegen die Rechte von Frauen und queeren Personen, wie die Angriffe auf das Recht auf Abtreibung in den USA oder Italien oder gesetzliche Verbote für geschlechtsangleichende Maßnahmen oder Verbote von gleichgeschlechtlichen Ehen/Partnerschaften in osteuropäischen Staaten. So haben Rechtspopulist:innen auf der ganzen Welt die sogenannte „Trans- und Gender-Lobby“ zu einem ihrer Hauptfeinde erklärt. Auch unsere Schulen werden zur Zielscheibe ihrer Angriffe. Die zunehmenden Verwerfungen der kapitalistischen Krisen machen Teile des Kleinbürgertums und deklassierter Arbeiter:innen anfällig für diese Ideologie. So sorgen Inflation, zunehmende Konkurrenz, drohender Arbeitsplatzverlust und Sozialabbau dafür, dass viele Cis-Männer ihre zugewiesene Rolle des heldenhaften und starken Ernährers nicht mehr erfüllen können. Die Angst vor dem männlichen Macht- und Identitätsverlust wird zu einem rechten Kulturkampf umgeformt. Die Rückkehr zu konservativen Wertvorstellungen, zu einer Welt, in der doch alles noch besser war, wird ihnen dabei als Lösung verkauft. Der Wirbel um den angeblichen „Wahnsinn des Genderns“ dient als Ablenkung vom eigentlichen sozialen Elend. Doch auch die klassenlose Individualisierung des Kampfes um symbolische Repräsentation soll uns davon abhalten, die eigenen Klassenunterdrückungen zu erkennen. 

Den Rechtspopulist:innen geht es also nicht um eine vermeintlich „richtige“ oder „einfachere“ Sprache. Es geht ihnen darum, Frauen und Queers unsichtbarer zu machen und zurückzudrängen. Dabei greifen sie tief in die Mottenkiste der homophoben und sexistischen Vorurteile, indem sie ihre Gender-Verbote damit begründen, dass es angeblich die Kinder verwirre oder in ihrer Entwicklung beeinträchtige. Unter dem Schlagwort „Frühsexualisierung“ wird nicht nur Jagd auf Gender-Sternchen, sondern auch auf die gleichberechtigte Darstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungsmodelle im Unterricht gemacht. Die angeblichen Interessen der Schüler:innen werden hier argumentativ ins Feld geführt, ohne dass überhaupt die Schüler:innen gefragt wurden. Für den Kampf in der Schule bedeutet dies, dass wir uns nicht auf die Bildungsministerien verlassen können. Jede Errungenschaft kann scheinbar mit einem Regierungswechsel wieder zunichte gemacht werden. Schüler:innen müssen also selbst die Frage der Kontrolle über Lehrpläne und Verhaltensregeln in den Schulen stellen, um das Vordringen rechter und queerfeindlicher Ideologie in unsere Schulen zu stoppen. Was wir für eine gerechte und inklusive Bildung wirklich brauchen, sind Lehrpläne unter demokratischer Kontrolle von Organisationen der Arbeiter:innenklasse sowie Lehrer:innen und Schüler:innen. Selbige müssen selbstverwaltete Antidiskriminierungsstellen an den Schulen erkämpfen, um den Schutz von Mädchen, Frauen und queeren Personen an den Schulen zu garantieren. Es ist nicht das Gendern, was Schüler:innen Probleme bereitet, sondern es ist ein kaputtgespartes Bildungssystem, Lehrer:innenmangel und steigender Leistungsdruck. Doch die bayerische Regierung, das sächsische Bildungsministerium oder die FPÖ denken nicht einmal im Traum daran, an dieser Bildungsmisere etwas zu verändern. Dieser Umstand entlarvt nur noch mehr, dass es ihnen lediglich um den Kampf um ideologische Vorherrschaft und das Zurückdrängen von Frauen und LGBTIA geht. Doch auch Sachsens Lehrerverband (nicht jedoch die Gewerkschaft GEW!) sieht positiv, dass das Gender-Verbot „Klarheit“ und „Barrierefreiheit“ bringen würde. Der Sprecher der FPÖ führte sogar die „Integration“ von Migrant:innen als Grund dafür an, wieso die Partei es bei „einfachen und verständlichen“ Sprachregeln belassen will.

In sprachwissenschaftlichen Studien konnte das Argument jedoch widerlegt werden, dass Gendern für das Gehirn mühsam wäre oder zusätzlichen Aufwand bedeuten würde. Anders als häufig angenommen führen geschlechtergerechte Formulierungen nicht zu langsamerer Verarbeitung, schwächerer Erinnerungsleistung oder schlechterer Lesbarkeit. Das Maskulinum hingegen führt durchaus zu Zögern bei der Verarbeitung und langsamer Reaktion, sobald es geschlechtsübergreifend gemeint ist.

Gleichzeitig sollten wir auch als Linke nicht der Illusion verfallen, dass ein bloßes Ändern unserer Sprache automatisch zu einer tatsächlichen Überwindung gesellschaftlicher Unterdrückungsverhältnisse führt. Selbst, wenn nun mehr Leute geschlechtergerechte Sprache benutzen, ändert dies leider wenig am Gender-Pay-Gap oder an der Tatsache, dass Frauen immer noch einen Großteil der Haus- und Care-Arbeit leisten.

Anstatt jedoch wie manche Linke den “Kampf um eine inklusive Sprache” abzulehnen, sollten wir diesen viel eher in den Klassenkampf einbinden. Denn in Begriffen stecken implizite Sichtweisen und Wertungen, die beeinflussen können, wie wir bestimmte Gruppen und Ereignisse betrachten. Im besten Fall kann das Verwenden einer bestimmten Sprache unsere Sichtweisen einer breiteren Masse leichter zugänglich machen. Zudem vermittelt inklusive Sprache zusätzlich diskriminierten Personen, dass wir ihre Unterdrückung anerkennen und unsere Befreiungsbewegungen zusammendenken. In diesem Sinne dürfen wir uns keinesfalls der rechten Verbotskultur beugen, sondern müssen dem Gender-Verbot den Kampf ansagen! Denn das, was der bürgerliche Staat als Vertreter des Kapitals am meisten zu fürchten hat, ist eine Arbeiter:innenklasse und Jugend, die sich ihrer gemeinsamen Interessen bewusst ist und gegen die wahren Ursachen ihres Elends ankämpft.

Seid ihr an eurer Schule davon betroffen? Organisiert euch gegen das Verbot und werdet an eurer Schule aktiv! Wir unterstützen euch gerne, auch bei allen anderen politischen Fragen an der Schule!




Bundeswehr raus aus der Schule – Katastrophenschutz sieht anders aus!

von Leonie Schmidt, März 2024

Die deutsche Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) macht aktuell auf sich aufmerksam, indem sie sich für mehr „Zivilschutzübungen“ an Schulen einsetzt. In Zeiten von Kriegen, Umweltkatastrophen und Pandemien ist das auf den ersten Blick ein nachvollziehbares Anliegen. Doch was zunächst vielleicht harmlos erscheint, soll ganz andere Ausmaße annehmen. Stark-Watzinger möchte nämlich, dass auch die Bundeswehr sich an die Schulen begibt und diese ein „unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr“ entwickeln müssten. Die Bedrohung der Freiheit solle so uns Jugendlichen nähergebracht werden. Aber hey, wenn wir dann weniger Mathe-Aufgaben lösen müssen, ist das doch voll entspannt, oder nicht?! Wir finden, die Bundeswehr hat an der Schule nichts verloren. Warum, wieso und weshalb, lest ihr hier in diesem Artikel.

Jugend im Krieg – voll normal und niemand kann was dafür?

Die Forderungen von Stark-Watzinger reihen sich ein in eine Vielzahl von Stimmen, die mit aller Kraft uns Jugendliche für eine Tätigkeit bei der Bundeswehr rekrutieren wollen. Minister:innen, die über die Wiedereinführung der Wehrpflicht plaudern, eine KIKA-Show, die Panzer über deutsche Waffenlieferungen in die Ukraine reden lässt,  oder auch die Bundeswehr selber, die auf Gaming-Messen Stände unterhält und das Ermorden von „menschlichen Zielen“ dort als Spielspaß für Nerds darstellt (schließlich ist der asymmetrische Krieg durch Drohnen jetzt voll digital). Selbst bei den Kleinsten unserer Gesellschaft wird schon angesetzt: zum Tag der Bundeswehr gibt es immer ein familienfreundliches Programm in den Kasernen mit Hüpfburgen, Kinderschminken und natürlich Panzerbesichtigungen, damit auch Generation Alpha schon den Traum entwickeln kann, später einmal das deutsche Kapital zu beschützen. Denn die Bundeswehr hat Personalmangel und wer könnte besser deutsche Interessen verteidigen, als Jugendliche, die nicht wirklich wissen, was sie später beruflich einmal machen wollen? Das ist natürlich problematisch, denn so werden wir jungen Menschen mit absurden Versprechungen und viel Geld an die Front gelockt. Wir dürfen mit 17 Jahren noch nicht mal wählen, aber uns für eine Ausbildung bei der Bundeswehr verpflichten und mit Schusswaffen üben geht klar. Mit 17 dürfen wir zwar noch nicht in den Einsatz geschickt werden, sobald wir 18 sind, ist das aber im „Spannungs- oder Verteidigungsfall“ durchaus schon möglich. All das bedeutet in Folge meist Posttraumatische Belastungsstörung, Mobbing und sexualisierte Gewalt inklusive, wenn wir nicht vorher schon für unser Heimatland verreckt sind.

Aufrüstung soweit das Auge reicht

Die Bundeswehr muss wieder kriegstüchtig werden, so ist sich zumindest die herrschende Klasse einig. In den letzten Wochen wurde sogar über eine deutsche bzw. europäische atomare Aufrüstung debattiert. Aus der Sicht der Imperialist:innen völlig nachvollziehbar, denn die Blockbildung und die Konflikte im Kampf um die Neuaufteilung der Welt nehmen jährlich zu, wie wir es unter anderem in der Ukraine beobachten können, aber auch z.B. in Taiwan oder Palästina. Als Neuaufteilung der Welt bezeichnen wir die Bestrebungen der imperialistischen Mächte, wie z.B. der USA, China und der EU, die Welt und somit ihre Einflusssphären neu aufzuteilen. Sie tun dies, da das Zeitalter der Globalisierung vorbei ist und es keine neuen Märkte mehr zu erschließen gibt, was aber für anhaltende Profite, aufgrund der fallenden Tendenz der Profitrate, von Nöten wäre. Die EU, unter anderem also auch Deutschland, steht da aktuell eher schlecht da, da sie in den letzten Jahren deutlich an Einfluss verloren hat. Aufgrund der ideologischen Verschleierungen rund um den Ukraine Krieg scheint es, als ob sich der Krieg nicht um die verschiedenen internationalen Einflusssphären, Kapitalinteressen und deren Verteidigung drehe, sondern dass es sich hier um einen Kampf zwischen Demokratie und Autokratie handeln würde. Für viele Teile der Bevölkerung, ist dieser Gedanke scheinbar unterstützenswert und sie sind der Ansicht, dass eine Demokratie auch wehrhaft sein müsste. Das liegt in großen Teilen an der ideologischen Aufladung des Ukraine-Krieges, der in den bürgerlichen Medien vielerorts den Stempel eines „Neuen Kalten Kriegs“ bekommen hat. Bei einer repräsentativen Befragung von Menschen ab 16 Jahren in Deutschland befürworteten 57 % weitere Erhöhung des Verteidigungsetats sowie der Zahl der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr (ZMSbw 2023). Nur 8% forderten eine Abrüstung (ebenda). Des Weiteren standen 9 von 10 Befragten der Bundeswehr positiv gegenüber (ebenda). Kein Wunder also, dass die Stimmen der Kriegsminister:innen aktuell wenig Gegenwind erfahren. So mischt zum Beispiel auch die Gewerkschaft IG Metall munter mit, in dem sie sich zu Beginn des Jahres den Aufrüstungsvorhaben der Bundeswehr anschloss und so die Interessen von Arbeiter:innen und uns Jugendlichen verriet. Damit stellt sie sich nicht nur auf die Seite der Regierung, sondern auch auf die der sogenannten Arbeitgeber:innen: so befindet sich der Rüstungskonzern Rheinmetall nun kurz vor der Verzehnfachung ihrer Artillerieproduktion.  Die Ampel selber konnte schließlich auch 100 Milliarden für die Aufrüstung aus dem Ärmel schütteln, während in den meisten sozialen Bereichen massiv gekürzt wurde. Kürzungen betreffen die Hilfen für Kinder und Jugendliche aus ärmlichen Verhältnissen, Frauenhäuser, das Gesundheitssystem aber auch den Umwelt- und Katastrophenschutz. Nebenbei bedeutet der massive Reallohnverlust für viele Arbeiter:innen und ihre Kinder, dass sie sich Alltägliches nicht mehr leisten können und überall sparen müssen. Aber Hauptsache, niemand geht der Freiheit und der demokratischen Grundordnung an den Kragen! Dieses ideologische Einstimmen auf die Militarisierung soll nun an unseren Schulen zur Realität werden. Doch die Kriege nützen nur der herrschenden Klasse. Auch aus einer ökonomischen Perspektive macht Kriegsführung für sie Sinn, denn so können sie in Krisenzeiten, in denen die Absatzmärkte einbrechen, überflüssiges Kapital vernichten, indem sie dieses z.B. in Aufrüstung stecken und dann im Falle eines erfolgreichen Kriegs auch noch ihre Einflusssphäre ausweiten. Doch im Interesse von uns Jugendlichen und der Arbeiter:innenklasse ist das alles nicht: Es ist nicht die herrschende Klasse, die im Waffen- und Bombenfeuer sterben wird oder die aufgrund von Ressourcenknappheit hungern muss, sondern wir sind es! Daher sagen wir ganz klar: Kein Cent, kein Mensch dem Militarismus.

Die Bundeswehr könnte in Fällen von Aufständen und Unruhen im Landesinneren natürlich ebenso gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden, auch wenn das niemand gerne zugibt. Gerade in Zeiten von Krisen sollten wir jedoch vor dieser Möglichkeit nicht die Augen verschließen. Zwar ist die Bundeswehr hauptsächlich für die Verteidigung nach Außen eingesetzt, jedoch ist ihre Aufgabe der Schutz des Landes und der demokratischen Grundordnung. Ein Generalstreik umzingelt von Leopard-Panzern? Nicht so der Vibe!

Da in Deutschland bald Wahlen anstehen, werfen wir hierauf noch einen kurzen Blick: Die AfD fordert besonders aktiv die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Da mit dem Rechtsruck Abschottungspolitik und Nationalismus noch mehr in den Fokus rücken, als es jetzt ohnehin schon der Fall ist, muss uns klar sein, dass wir uns nicht nur gegen die Militarisierung, sondern auch gegen den Rechtsruck im Allgemein organisieren müssen.

Katastrophenschutz? Der Kapitalismus ist die Katastrophe!

Bevor wir zu unserer Perspektive kommen, wollen wir hier noch kurz auf die Doppelmoral des Katastrophenschutzes schauen. Erstmal ist es natürlich nicht grundsätzlich abzulehnen, dass die Bevölkerung in der Lage versetzt werden soll, sich zu schützen, und dies auch schon in der Schule thematisiert werden soll. Ironischerweise wird gerade das jedoch immer wieder skandalisiert, wenn auf die Geschichte der degenerierten Arbeiter:innenstaaten, wie der DDR oder der UdSSR geblickt wird, in denen solche Übungen gängige Unterrichtsinhalte waren. Doch selbst, wenn wir den Krieg mal ausblenden, so sind auch die anderen möglichen Katastrophen solche, die uns der Kapitalismus und die herrschende Klasse bescheren. Insbesondere bei der Umweltkrise leuchtet das schnell ein. Natürlich ist es für die Bourgeoisie bequemer, uns darauf zu drillen uns im Falle einer Umweltkatastrophe so oder so zu verhalten, anstatt die Ursachen für diese Katastrophen und das Leid selber aufzuheben. Es ist jedoch nicht nur bequemer, sondern es wäre auch gar nicht in ihrem Interesse, denn den Katastrophen kann letztlich nur ein Systemwechsel ein Ende setzen, was für die Kapitalist:innen bedeuten würde, ihre Privilegien und ihren Besitz an Produktionsmitteln aufgeben zu müssen.

Okay – und jetzt?

Wir finden, die Bundeswehr sollte sich nicht vor unsere Schulklassen stellen und das Morden in aller Welt im Interesse des deutschen Kapitals als etwas Erstrebenswertes verkaufen. Falls ihr also hört, dass die Bundeswehr in eurer Schule vorbeischauen will, sagt uns und eueren Mitschüler:innen Bescheid, damit die Veranstaltung blockiert werden kann. Dafür kann man sich erstmal in der Schule treffen, Flyern, einen Bannerdrop planen oder auch eine Vollversammlung ausrufen. Damit das klappt, ist es auch sinnvoll, eine antikapitalistische, linke Schulgruppe aufzubauen. Sagt uns gerne Bescheid, wenn ihr Hilfe braucht! Als kommunistische Jugendorganisation haben wir damit schon viel Erfahrung sammeln können.

Doch nur an der Schule können wir die Militarisierung nicht aufhalten. Wir müssen uns in allen Teilen unseres Lebens organisieren, als Jugend und zusammen mit der Arbeiter:innenklasse. Wir müssen daher auch eine neue Jugendinternationale und eine neue revolutionäre Partei aufbauen. Außerdem braucht es eine massenhafte Anti-Militarisierungsbewegung, an der auch die Gewerkschaften und die reformistischen Arbeiter:innenparteien teilnehmen, auch wenn sie uns gerade massiv in den Rücken fallen. Die Gewerkschaften müssen durch Basisoppositionen zurückerobert werden. Nur mit ihnen und der Arbeiter:innenklasse lässt sich das Morden beispielsweise durch Blockaden von Waffenlieferungen beenden und letztlich der Kapitalismus durch eine revolutionäre Systemüberwindung zerschlagen. Denn: wahren Frieden kann es in der Klassengesellschaft nicht geben, erst der Sozialismus kann diesen uns und allen Menschen auf der Welt ermöglichen. Lassen wir nicht zu, dass wir, unsere Freund:innen, unsere Mitschüler:innen, unsere Bekannten, unsere Familien und unsere Nachbar:innen zu Kanonenfutter werden. Konkret setzen wir uns für die folgenden Forderungen ein:

  • Für eine revolutionäre Jugendinternationale! Die Jugend braucht eine unabhängige und internationale Vertretung. Für den Aufbau einer Schüler:innengewerkschaft, die unsere Interessen gemeinsam mit der Arbeiter:innenklasse vertritt und durchsetzt!
  • Nein zur Wehrpflicht! Wir wollen kein Kanonenfutter sein!
  • 100 Milliarden für Soziales, Bildung und die Jugend und nicht für die Bundeswehr! Gegen jede Aufrüstung aller imperialistischen Nationen, ob Russland oder Deutschland!
  • Für eine Antikriegsbewegung international! Nur die Arbeiter:innen können den Konflikt lösen.



Für kostenloses Schulessen und Schüli-Kontrolle über Speisepläne!

von Oskar Oi, Februar 2024

Schüler:innen aus Braunschweig hatten vor einigen Wochen ihr schlechtes Mensa-Essen endgültig satt. Deswegen haben sie sich kurzerhand dazu entschlossen, die Mensa zu bestreiken. Wir Schüler:innen kennen das leidige Thema: Wir müssen in kürzerer Zeit und dafür länger in den Nachmittag hinein möglichst viel Unterrichtsstoff lernen und oft in der Schule essen. Nicht nur mit dem Leistungsdruck dürfen wir uns herumschlagen: Auch haben wir während der Zeit, die wir in der Schule verbringen, häufig Essen, das uns nicht zufriedenstellt und ungesund ist. Die Braunschweiger Schüler:innen gehen mit Beispiel voran und hatten mit ihrem Streik auch noch erfolgt! Es brauch: Schüler:innenkontrolle über die Speisepläne und darüber hinaus dieses Essen auch umsonst! Doch was macht die deutsche Staat wegen dem schlechten Schulessen?

Als Gegenmaßnahme des Problems hat die Bundesregierung eine neue Strategie für unser Schulessen beschlossen: Weniger Fleisch, Zucker, Fett und Salz – dafür mehr Gemüse und Obst sollen auf den neuen Speiseplänen stehen. Das Landwirtschaftsministerium feiert sich jetzt zwar selbst auf der Website, allerdings ernten sie viel Kritik von der bürgerlichen Presse. So schreibt beispielsweise „Foodwatch“: „Für dieses wohlklingende, aber weitgehend folgenlose Papier hat die Ampel-Koalition also die Hälfte ihrer Legislaturperiode gebraucht?“ Die Strategie wird auch von der AOK oder dem WWF kritisiert, da keine Umsetzung zu erwarten ist bzw. nicht dargelegt wird, wie die Ideen konkret umgesetzt werden sollen. Auch wir teilen diese Kritik, sehen die Problemfelder aber noch weitreichender und schätzen es auch nicht als realistisch ein, dass tatsächliche Verbesserungen für uns alle dadurch erreicht werden. Die Ernährungsstrategie ändert nichts an den herrschenden Verhältnissen der Unterfinanzierung von Schulen. Sie soll zwar verbindlich sein, aber de Facto wird nicht ersichtlich, wie das durchgesetzt werden soll. Somit wird wohl kaum eine Schule oder ein Unternehmen diese doch eher als Vorschlag zu betrachtende Strategie umsetzen.

An Schulen ist das Essen häufig so schlecht, dass viele Schüler:innen auf ungesundes Fastfood oder das gute, alte Pausenbrot zurückgreifen. Oft können die Kosten für das Schulessen die Schülerschaft spalten, da Arbeiter:innenfamilien häufig nicht das Geld für die tägliche Versorgung mit einer warmen Mahlzeit in der Schule aufbringen können, aber in Vollzeit arbeiten müssen. Die Tendenz geht in Richtung immer längerem Unterricht, weil sich viele Eltern nicht mehr leisten können, nur halbtags arbeiten zu gehen, um beim Lernen zu helfen, und der Schulstoff, der zunehmend komplexer wird und in kürzerer Zeit durchgedrückt werden muss. Dennoch haben viele Schulen das Essen den jetzigen Verhältnissen nicht angepasst. So assoziieren viele Schüler:innen ihr Mensaessen mit ungesunden, sich häufig wiederholenden Speisen.

Auch Schulen unterliegen bei dem Thema der Logik des Marktes und müssen einen günstigen Anbieter für das Essen auswählen, was häufig der Auslöser für das schlecht schmeckende, teils ungesunde Essen ist. Als eine weitere Maßnahme, um die Kosten gering zu halten, haben einige Schulen sog. „Mensamütter“, also Arbeiter:innen (meistens Frauen), die in der Kantine arbeiten, aber nicht kochen. Damit wird die Rolle der Mutter in der bürgerlichen Familie auch noch außerhalb des Privaten institutionalisiert. Wenn diese Frauen Bezahlung erhalten, dann ist diese sehr gering, sodass sie abhängig von ihren Ehemännern bleiben. Allein schon durch den Namen wird den Frauen (Müttern) ihre Rolle in der Care-Arbeit zugeschrieben.

Kollektive Küchen rein in Schule, Uni und Fabrik

Grundsätzlich ist das Konzept Mensa eine sehr gute Idee, die Menschen mittags zu versorgen. Man kann zusammen mit den Freund:innen essen, es ist günstig und es muss nicht selbst gekocht werden. Wir als Marxist:innen befürworten diese Idee also und wollen einen Ausbau solcher Institutionen, da so vor allem Frauen entlastet werden, die häufig für das Kochen zuständig sind – es muss nicht mehr jeder sein eigenes Süppchen kochen und wird so entlastet. Auch fällt es leichter, sich vollwertig zu ernähren, da es häufig schwer ist, zwischen Job, Haushalt, Lernstress und dem, was sonst in der kapitalistischen Gesellschaft anfällt, Zeit für gesunde Ernährung zu finden und die hohen Lebensmittelpreise in Zeiten von Inflation diese ebenfalls erschweren.

In vielen der genannten Bereiche gibt es schon eine Kantine oder Mensa. Allerdings sollten diese nicht nur Mittagessen, sondern auch alle weiteren Mahlzeiten anbieten, so dass die Menschen aus ihrer häuslichen Sphäre herauskommen und mit ihren Freund:innen, Verwandten usw. in Kontakt treten können. Das dämmt die durch den Kapitalismus erzeugte, zunehmende Vereinsamung ein. Leute können beim Essen neue Kontakte knüpfen, was häufig in den eingefahrenen Konzepten in Schulen nicht möglich ist. Schüler:innen, die nicht ins Bild passen, müssen sich oft die Schmach geben, alleine zu essen. Dabei sollte auch das ja eigentlich nicht schlimm sein. Es gibt Menschen, die Ruhe beim Essen brauchen. Auch das sollte in die Konzepte der Kollektiven Kantinen mit eingebracht werden und es sollte Bereiche geben, in denen es ruhiger zugeht.

Kostenloses Schulessen – Wer soll das bitte bezahlen?

Die Ampelregierung hat aufgrund des Haushaltslochs immer weitere Sparmaßnahmen angekündigt. In Zeiten von allgegenwärtiger Armut sind die Folgen verheerend. Wir fordern, dass unser Essen in Schule und Betrieb künftig kostenlos ist. Auch die Mitarbeitenden in der Küche müssen fair bezahlt werden. Dabei kommt von Neoliberalen immer wieder die Frage nach der Finanzierbarkeit auf – natürlich nur wenn es um soziale Absicherungen oder Hilfen geht. Das Essen ließe sich durch stärkere Besteuerung der Reichen bezahlen. Diese reformistische Forderung lässt sich auch im bürgerlichen Staat umsetzen, wie bspw. Frankreich zeigt. Cateringservices, die Schulen, Kitas und Unternehmen beliefern, sollen enteignet und unter Arbeiter:innenhand gestellt werden, um sie so der Profitlogik zu entziehen. Keine Profite mit unserem Essen!

Die Strategie, die die Ampelregierung vorgestellt hat, wird wohl kaum umgesetzt werden, auch wenn es grundsätzlich gute Verbesserungen wären, die tatsächlich zu gesünderer Ernährung und mehr Nachhaltigkeit beitragen würden, wenn sie umgesetzt werden. Aus dem Strategiepapier geht allerdings nicht hervor, wie das bezahlt werden soll, was dann darin münden wird, dass sich keiner für die Finanzierung verantwortlich fühlen wird. Auch wirft die Strategie nicht die soziale Frage auf. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir fordert, dass gutes Essen nicht vom Geldbeutel abhängig sein darf. Das sagt er zwar, dennoch gibt das Papier keine Perspektive, wie das umgesetzt werden soll. Weil keine Taten folgen, scheinen es leere Worte zu sein. Dementsprechend ist nicht zu erkennen, wem dieses Strategiepapier überhaupt nützen soll. Das Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung kann sich jetzt zwar auf die Schulter klopfen, da sie das Papier vor dem Bundestag durchbekommen haben und dieser dafür abgestimmt hat, allerdings ist nicht absehbar, dass darauf auch Taten folgen und das Essen dann auch tatsächlich besser und nachhaltiger wird.

Für Schüler:innenkontrolle der Speisepläne!

Im Prozess, wie das Papier erstellt wurde, gab es ein Bürgerforum, bei dem einige Menschen ihre Ideen einbringen konnten. Mit sozialistischen Räten hat das natürlich nichts zu tun und soll es auch nicht. Die Bürger werden lediglich angehört, die Entscheidungsmacht liegt nicht bei ihnen. Dieser Umstand ist kritikwürdig. Auch gibt es an manchen Schulen einen „Essensausschuss“, der aus Schüler:innen besteht und von den Schüler:innen der Schule gewählt wird. Grundsätzlich klingt das erstmal positiv. Allerdings kann der Ausschuss nur Vorschläge einbringen und vertritt die Anliegen bezüglich des Essens der Schüler:innenschaft. Die hier eingebrachten Ideen sind nicht verbindlich und oft wird überhaupt nichts davon umgesetzt. Es scheint, als werde beispielsweise die Forderung nach mehr Auswahl von vegetarischem oder veganem Essen seit Jahren ignoriert. Der Staat wird uns auch in der Ernährungsfrage nicht helfen. Es gilt, Schüler:innenkomitees aufzubauen und so eine Opposition zur Schulleitung zu bilden, um auch die Forderungen, die das Essen betreffen, demokratisch durchzusetzen.

Deshalb fordern wir:

  • Our food, our choice! Für die demokratische Entscheidung über den Speiseplan
  • Kostenloses Schulessen, finanziert durch Besteuerung der Reichen
  • Die Vergesellschaftung der Hausarbeit! Gemeinschaftliches, gesundes und günstiges Essen für jeden aus kollektiven Großküchen in allen Stadtteilen, in Unis, Schulen und Betrieben!



INTERVIEW: Situation am Ernst-Abbe-Gymnasium

Vorgestern wurde die von uns angemeldete Demonstration unter dem Motto „Jugend gegen Rassismus“, welche zusammen mit Schüler_Innen des Ernst-Abbe-Gymnasiums organisiert wurde, durch die Berliner Polizei verboten. Neben der allgemeinen Zunahme von Rassismus in unserer Gesellschaft, an Schulen und in der Politik war der Protest ebenso eine Reaktion auf das gewalttätige Ausschreiten einer Lehrkraft gegenüber eines Schülers, der ei-ne palästinensische Flagge hochhielt. Ein ausführliches Statement zu dem Verbot wird von unserer Seite aus in den nächsten Tagen folgen. Wir haben jedoch schon ein Interview mit einem Schüler führen können, welcher in den Prozess des Organisierens eingebunden war. Wir hoffen euch damit einen Einblick in den derzeitigen Schulalltag auf der Ernst-Abbe und in die Gefühle der Schüler_Innen nach dieser Enttäuschung geben zu können.

„Wie ist die Situation gerade an der Schule?”

„Wenn man mit Kufiya rumläuft, wird man von den Lehrern komisch angeschaut. Wenn man nachfragt, ob man das tragen darf, wird erzählt, dass das Tragen von politischen Symbolen verboten wäre und in der Schule nichts zu suchen hat. Laut der Senatorin ist das Tragen von politischen Symbolen verboten.

Meiner Meinung nach sollten wir tragen, können was wir wollen. Wir sind fast den ganzen Tag in der Schule und dürfen keine politischen Symbole tragen. Wozu haben wir den Politik- und Geschichtsunterricht? Warum wird uns z.B erzählt, dass wir in Deutschland eine Demokratie haben und Meinungsfreiheit in Deutschland erlaubt ist. Die Lehrer sind zurückhaltend und wollen die ganze Sache einfach vergessen, als wäre nichts.”

„Was stört dich an der Diskussion gerade am meisten?”

„Am meisten stört mich, dass die Lehrer nichts davon erzählen was gerade los ist in der Welt. Einige Lehrer sind so sehr Pro-Israel, dass man es ihnen anerkennt. Und dann sagen die auch immer, dass sie neutral sind. Einige Lehrer sind aber nett und stehen hinter uns. Einige tun mir leid weil alle Lehrer in einen Sack geworfen werden. Am meisten nervt mich auch das wegen des Lehrers, der den Schüler geschlagen hat, nichts gemacht wird. Er hat eine Anzeige bekommen, aber das ist meiner Meinung nach viel zu wenig für so ein Verhalten!”

„Wie findest du es das die Demo verboten wurde?”

„Unsere Meinungsfreiheit wurde zerstört! Warum dürfen Schüler ihre Meinung nicht äußern? In welcher Welt leben wir? Wir sind doch eine Demokratie? In welcher Welt leben wir das und unser RECHT genommen wird und einfach in die Tonne geschmissen, als wäre nichts passiert. Was ich auch Scheiße finde, ist, dass alles direkt mit der Hamas in Verbindung gesetzt wird.”


Schreibt uns an wenn ihr ähnliche Erfahrungen an euren Schulen gemacht habt! Wir bieten euch an mit uns über die aktuellen Geschehnisse und eure Erfahrungen mit Gewalt, Rassismus und Repressionen zu reden. Lasst uns zusammen gegen den Rechtsruck und für ein Leben frei von Unterdrückung kämpfen!


Gegen die rassistische Repression!

Es zeigt sich dass die Stimmung auf der Schule durch die Repressionen des Berliner Senats bedrückt und durch die Verbote der Polizei aufgeheizt ist. Die Schüler_Innen sind wütend dass ihnen die Möglichkeit ihre Meinung auf die Straße zu tragen genommen wurde. Wir sehen wie die AfD in allen Bundesländern in Wahlen und Wahlprognosen an Stimmen gewinnt. Neben-bei rücken alle Parteien weiter nach Rechts, wir sehen diese Entwicklung an der Zunahme der rassistischen Hetzte der CDU und der von der gesamten Ampelregierung getragenen Asylrechtsverschärfung. Schüler_Innen können sich nicht offen gegen den Rassismus an ihren Schulen und in der Gesellschaft aussprechen, geschweige denn die massiven Angriffe auf Gaza durch israelischen Staat verurteilen. Lasst uns dafür kämpfen das zu ermöglichen!

Daher fordern wir:

  • unabhängige Antidiskriminierungsstellen an Schulen und Weg mit dem Verbot der Kufiya!

  • Keine Konsequenzen für den Schüler! Aufarbeitung des Vorfalls an der Schule und Suspendierung des Lehrers!

  • Nein zu allen Formen der Kriminalisierung von Palästina-Solidarität! Für das Recht von Unterdrückten, sich gegen ihre Unterdrücker zu organisieren!



Schüler schlagen für Israel: Antimuslimischer Rassismus am aufflammen

von Flo Rojo, Oktober 2023

Montag, 9.10., Berlin-Neukölln: Ein Schüler läuft über den Schulhof und hebt in einer Menge von Menschen eine palästinensische Flagge in die Luft. Gleich darauf rennt ein Lehrer ihm hasserfüllt hinterher und schlägt ihm ins Gesicht. Dieser ganze Vorfall wurde von Mitschüler_Innen aufgenommen und ging anschließend viral. Antimuslimischer Rassismus wächst in Berlin, in Deutschland und in der ganzen „westlichen“ Welt seit der Eskalation des Nahost-Konflikts erneut rapide an.

Angesichts des israelischen Angriffs und einer Situation in welcher der Widerstand und die gesamte palästinensische Nation dämonisiert wird, gilt es für Revolutionär_Innen sich klar auf der Seite der Unterdrückten zu stellen. So notwendig eine linke Kritik an der Hamas als reaktionärer, islamistischer, antisemitischer Kraft ist, so wichtig ist es auch, ihrer medialen Dämonisierung entgegenzutreten. Es ist zionistische und westliche Kriegspropaganda, die Hamas und deren Agieren in Gaza mit dem Islamischen Staat gleichzusetzen. Die Hamas ist weder eine faschistische Kraft noch hat sie in Gaza ein „faschistisches“ Regime errichtet.

Das ändert nichts an ihrem zutiefst reaktionären Charakter. Natürlich haben ihre Führungen und Funktionär_Innen die Verwaltung des Mangels unter ihrer Regie auch zur Bereicherung benutzt. Das unterscheidet sie aber nicht von anderen klerikalen und nationalistischen „Regimen“.

Die Hamas ging natürlich auch repressiv gegen die eigene Bevölkerung vor – aber sie gestattete auch andere Gruppierungen des Widerstandes auf ihrer rechten wie linken (PFLP, DFLP) Seite.

Mit der Dämonisierung der Hamas soll aber vor allem ein barbarischer Angriffskrieg – des Tötens bis zum letzten Mann! – und massive Repression in Ländern wie Deutschland legitimiert werden. Erstens werden dabei alle Kämpfenden, alle Palästinenser_Innen, die auch nur ihre Stimme erheben, pauschal zu „Hamas“ oder „Hamas-Unterstützer_Innen“ erklärt. Die Existenz der palästinensischen Linken wird somit in großen Teilen komplett geleugnet. Nachdem alle Kämpfer_Innen Hamas sind, werden alle auch gleich zu Dschihadist:innen und „Terrorist_Innen“ im Stile des Islamischen Staates verklärt. Der nationale Befreiungskampf wird so zu einem religiösen uminterpretiert.

Eine erste Aufgabe von Antiimperialist_Innen in Deutschland und allen westlichen Ländern besteht angesichts der konzertierten Hetze darin, sich dieser imperialistischen Ideologie und Verkehrung der Umstände entgegenzustellen.

Nein zur rassistischen Repression!

Der aktive Ausdruck der deutschen Unterstützung Israels zeigt sich neben den Waffenlieferungen prägnant z.B. auf der Sonnenallee und dem Hermannplatz in Berlin. Hier werden Palästinenser_Innen, Antizionistische Jüd_Innen, Araber_Innen welche eine Kufiya tragen oder einfach migrantisch gelesene Kinder von einem massiven Polizeiaufgebot schikaniert, brutal angegangen und willkürlich verhaftet. Das Polizeiaufgebot in migrantischen Vierteln gleicht in der letzten Woche einem Polizeistaat.

Auch in der Bildung, in Schulen, dem Ort, wo unsere zukünftige Gesellschaft geformt wird, setzt die Bildungssenatorin von Berlin mit dem Verbot der Kufiya einen zutiefst rassistischen Ausdruck der “Solidarität mit Israel” um. Es werden ebenso Palästina-Flaggen sowie jeglicher Ausdruck von Sympathie mit dem palästinensischen Befreiungskampf verboten. Diese Unterdrückung der Meinungsfreiheit, Selbstbestimmung über Kleidung und des politischen Ausdrucks darf nicht hingenommen werden. Diese unter der Verklärung des gesamten palästinensischen Befreiungskampfes als “Islamismus” oder “Terrorismus” entstanden Repressionen gilt es scharf zu kritisieren und zu bekämpfen.

Die Kufiya stellt nämlich entgegen der populären Propaganda von Staat, Springer-Presse und Co. kein „Bluttuch der Judenvernichtung“ oder Ausdruck der Sympathie mit der Hamas dar. Sie signalisiert nicht einmal zwangsläufig eine Unterstützung des palästinensischen Befreiungskampf, obwohl sie mit diesem symbolisch natürlich tief verbunden ist. Dennoch ist sie aber ebenso ein Zeichen der kurdischen Befreiungsbewegung und schlichtweg im Allgemeinen mit der arabischen Kultur verbunden. Das herunterbrechen auf die Bedeutung der Kufiya für die palästinensische Nation bzw. spezifischer die automatische Assoziierung mit der Reaktionären Hamas entspringt einem grundlegend rassistischen Charakter und Verschärft das erneute aufflammen des antimuslimischen Rassismus in Deutschland. Die Kufiya ist aber dennoch eine Symbolik der Unterdrückten und sollte als diese von Revolutionär_Innen hochgehalten und verteidigt werden!

Ebenso hervorzuheben ist dass die Rufe nach Abschiebung der „Barbaren“, welche im Zuge der Palästina-solidarischen Proteste laut werden dem sich immer weiter nach Rechts bewegenden bürgerlichen Staat gut in die Karten spielen. Mit der Verschärfung der Asylpolitik im Zuge des GEAS zeigte nun auch zuletzt die Ampelregierung, wie ihre Ausrichtung der Migrationspolitik aussieht. Nancy Faeser und Lars Klingbeil äußerten diese Forderung nach Abschiebung von „Israelfeindlichen Hetzern“ ja selbst in den letzten Tagen.

Die Repressionen die der deutsche Staat nun hochfährt dienen also dem Zweck der Einschüchterung, damit sich nicht gegen die Staatsräson gewährt wird, aber auch vor allem der Herabsetzung von Muslim_Innen um ihr Abschiebe-Regime ideologisch zu rechtfertigen und künftig aggressiver durchzusetzen zu können.

Die Repression gegen die Unterstützung des palästinensischen Befreiungskampfes ist nichts Neues. Schon seit Jahren finden sich palästinensische Organisationen auf den „Terrorlisten“ der EU und Deutschlands, sehen sie sich konfrontiert damit das ihre Organisationen verboten und ihre demokratischen Rechte – wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, auf Versammlungs- und Organisationsfreiheit – massiv eingeschränkt sind. Das äußert sich nun verstärkt, z.B. indem die Berliner Polizei jegliche Versammlung mit Palästina-Bezug bis zum 20.10. ersatzlos verboten hat. Darüber hinaus werden jegliche Parolen des Befreiungskampfs als antisemitisch gebrandmarkt und kriminalisiert, genauso so perfide wie dass die palästinensische Flagge als Grundlage gilt Versammlungen aufzulösen.

In der Ausweitung der Repression soll nun auch gegen das Gefangenennetzwerk Samidoun ein Vereinsverbot durch das Innenministerium verhängt werden. So ist es möglich, dass jede weitere organisatorisch-politische Tätigkeit unter Strafe gestellt wird.

Und die deutsche Linke und Arbeiter_Innenbewegung?

Bis auf recht wenige internationalistische und antiimperialistische Gruppierungen ergreift die deutsche Linke und bürokratisch geführte Arbeiter_Innenbewegung, wenn auch wenig verwunderlich, die Seite des Unterdrückers. Wie SPD und Linkspartei stimmen auch die Gewerkschaftsspitzen in den Chor der Israelsolidarität ein und unterstützen das laufende und kommende Massaker an den Palästinenser_Innen. Der Aushebelung demokratischer Rechte, Demonstrationsverboten und der Bespitzelung durch die Geheimdienste stimmen sie entweder zu oder hüllen sich in vornehmes Schweigen oder Relativierungen von Unterdrückten und Unterdrückenden.

Doch auch ihnen und den Herrschenden ist bewusst, dass die proisraelische Stimmung nicht ewig anhalten wird. Denn in den kommenden Wochen werden trotz medialer Entstellung auch immer mehr Horrorbilder über die Auswirkung der israelischen Bombardements in Gaza auftauchen.

Wir müssen uns schon heute für einen Stimmungsumschwung der Arbeiter_Innenklasse einsetzten, um für eine breite, auch von der Arbeiter_Innenbewegung unterstützte Solidaritätsbewegung mit Palästina zu kämpfen!

Dafür gilt es, gegen den Strom von Hetze und Diffamierung anzukämpfen! Wir unterstützen alle Aktionen und Kampagnen der linken und antiimperialistischen Kräfte, gemeinsam und koordiniert dagegen Protest und Widerstand zu organisieren.

  • Nein zu allen Formen der Kriminalisierung von Palästina-Solidarität! Für das Recht von Unterdrückten, sich gegen ihre Unterdrücker zu organisieren!
  • Für unabhängige Antidiskriminierungsstellen an Schulen und Weg mit dem Verbot der  Kufiya!
  • Kampf dem Rechtsruck – für eine antirassistische Einheitsfront!
  • Für ein freies, multiethnisches und säkulares Palästina! Für eine demokratische Föderation sozialistischer Staaten im Nahen Osten!