„Black Lives Matter“- Wie ein Polizeimord zum antirassistischen Widerstand führen konnte: 5 Fragen, 5 Antworten

Leila Cheng

In den USA wird an den momentanen Black-Lives-Matter-Protesten sichtbar, dass Polizist_Innen eben nicht unsere Freund_Innen und Helfer_Innen sind. Die Aufgabe der staatlichen Exekutive ist es, die Herrschaftsverhältnisse, also die Herrschaft der Kapitalist_Innen und des Staates, aufrechtzuerhalten und das natürlich auch mit Gewalt. Neben der Gewalt gegen politische Gegner_Innen der bürgerlichen Ordnung, kommt auch immer wieder Rassismus in den staatlichen Strukturen auf. Das ist einerseits ein Resultat der Konkurrenz zwischen den Staaten und andererseits ein Mittel der Herrschenden, die Arbeiter_Innenklasse zu spalten. Hier zeigt sich, was bereits der afro-amerikanische Bürgerrechtsaktivist Malcolm X in den 1960gern sagte: „You can´t have capitalism without racism“ (Es gibt keinen Kapitalismus ohne Rassismus.) In dieser Analyse stellen wir uns 5 Fragen zu den antirassistischen Protesten in den USA.

1.Was ist der Auslöser der Proteste?

25. Mai 2020, Minneapolis, Minnesota, die Vereinigte Staaten von Amerika. Eine alltägliche Situation. Ein weißer Police Officer, Derek Chauvin, greift zusammen mit seinen Kollegen Tou Tha, Thomas Lane und J. Alexander Kueng den 46-jährigen Afroamerikaner George Floyd auf. Ein Ladenbesitzer, bei dem Floyd Zigaretten kaufte, hat wegen angeblicher Verwendung von Falschgeld angerufen. Die Polizisten, die sich daraufhin auf den Weg machen, gehen wie gewohnt mit einem Afroamerikaner um. Sie bedrohen ihn mit einer Waffe und nehmen ihn gewaltsam fest, indem er gewürgt und ihm die Luft abgedrückt wird. Das Ganze dauert 9 Minuten an. Später wird ein Krankenwagen gerufen, doch Floyd stirbt, bevor sie das Krankenhaus erreichen. Eine alltägliche Situation in den Vereinigten Staaten von Amerika, wäre das ganze nur nicht als Video in der ganzen Welt publik geworden.

Eine alltägliche Situation? Ja, dieser Mord ist kein Einzelfall! Man muss sich nur die rassistischen Morde von Polizist_Innen in den letzten Jahren anschauen, denn die Liste der schwarzer Opfer von Polizeigewalt ist lang: 2014 wurde der 18-jährige Schüler Michael Brown von dem Polizisten Darren Wilson in Missouri (USA) erschossen, März 2020 wurde Breonna Taylor in Louisville (USA) oder wie  vor wenigen Tagen, am 12. Juni 2020, wo der vierfache, afroamerikanische Vater Rayshard Brooks in Atlanta von Polizist_Innen erschossen wurde. 2019 war es in den USA zweieinhalb so wahrscheinlich als Afroamerikaner_In erschossen zu werden als als Weiße_R.

Das sind nur
wenige Beispiele einer Mordserie, die bis in die Zeit vor dem amerikanischen
Bürgerkrieg, also vor der Abschaffung der Sklaverei in den USA, zurückgeht.

2. Wie entwickelten sich die Proteste?

Das Video verbreitete sich rasant in den sozialen Medien und die Proteste entzündeten sich schnell und kraftvoll. So mussten die vier beteiligten Polizisten innerhalb kürzester Zeit aus dem Dienst entlassen werden, um die Menschen zu besänftigen.[3]  Doch Proteste wurden über die folgende Woche immer kämpferischer. Diese hatten ihren Höhepunkt in der Nacht vom 28. zum 29. Mai, in der Aktivist_Innen den 3. Polizeibezirk der Stadt niederbrannten, was schließlich (ebenfalls am 29. 05.) zur Anklage gegen den Polizisten Derek Chauvin wegen Totschlag führte. Die Familie von Floyd lehnte dies zurecht ab und forderte eine Anklage zu Mord und dass auch Chauvins Komplizen angeklagt werden sollen. Und auch die Demonstrant_Innen gaben sich damit nicht zufrieden. Die Proteste entwickelten sich zu einer Rebellion, die sich mit enormer Geschwindigkeit auf die gesamte USA ausweitete. So gab es z.B. Proteste in den Städten San Diego, Washington, New York, Los Angeles, Denver, Columbus.

Initiiert und angeführt werden die Proteste von Black Lives Matter (BLM), die in den vergangenen Jahren zur Speerspitze des Widerstandes gegen rassistische Polizeigewalt geworden ist. BLM ist selbst heterogen und dezentral, aber weit verbreitet und bringt immer wieder zehntausende Menschen auf die Straße.  Dazu beteiligen sich linke und antifaschistische Gruppen, ihr Umfeld, eher unpolitische Menschen und ein großer Teil der Black Community. Aber auch die Demokratische Partei solidarisierte sich mit den Protesten, so zum Beispiel der Bürgermeister von Minneapolis Jacob Fray. Das ist aber eigentlich höchst widersprüchlich, hat die Demokratische Partei doch in den vorherigen Jahren selbst rassistischer Polizeigewalt Vorschub geleistet hat (stop-and-frisk, Broken-Windows-Theorie) und dass auch in demokratischen Bundesstaaten der größte Teil der Gelder in die Polizei fließt. Eine andere Kraft, die die Proteste unterstützt und auch dazu aufruft, sind die Gewerkschaften. So unterzeichneten gewerkschaftlich organisierte Busfahrer_Innen von Minneapolis eine Petition, in der sie sich für die Demonstrationen aussprachen, und verweigerten gleichzeitig, Polizist_Innen zu transportieren und Verhaftete ins Gefängnis zu bringen. Was hier durchgeführt wurde, war eine Form des politischen Streiks, der sich klar gegen die staatlichen Strukturen richtete und nichts mit einfachen Lohnkämpfen und Sozialpartnerschaft gemein hat. Auch andere Gewerkschaften solidarisierten sich mit diesen Protesten. Hier zeigt sich, dass durchaus ein Versuch gestartet wird, einen Schulterschluss mit der Arbeiter_Innenklasse zu suchen. So sprachen sich z.B. auch Lehrer_Innen und Lagerarbeiter_Innen bei Amazon für die Proteste aus. Am 09.06.2020, dem Tag der Beerdigung von George Floyd, legten U-Bahn- und Hafenarbeiter_Innen in New York und San Francisco sogar die Arbeit nieder.

Ein
wichtiger Faktor beim Gelingen der Bewegung ist die weltweite Solidarität.
Nicht nur in den USA, sondern weltweit schlossen sich Millionen von Menschen
der Black Lives Matter-Bewegung an. So zum Beispiel in Frankreich,
Großbritannien, Griechenland, Deutschland, Österreich, Mexiko, Südkorea,
Italien, Kanada, Brasilien, Spanien,…. Hierbei spielten für die Mobilisierung
auf Demonstrationen und Kundgebungen auch die sozialen Medien eine wichtige
Rolle. All diese Proteste haben die Gemeinsamkeit, dass sie sich gegen Rassismus
in staatlichen Strukturen und Polizeigewalt richten und diesen Fakt
international kritisieren. Denn nicht nur amerikanische Polizist_Innen begehen
Morde aus rassistischen Hintergründen. So ereignete
sich 2005 in Deutschland, dass der westafrikanische Einwanderer Oury Jalloh in
einer Zelle in Dessau (Sachsen-Anhalt) verbrannte, wobei der Polizeibeamte
freigesprochen wurde, weil Jalloh sich angeblich selbst angezündet habe. Ein
weiteres Beispiel in Israel, wo ebenfalls 2020 der 32-jährige Palästinenser Iyad Halak von der Polizei erschossen wurde. Man hielt
ihn an einem Checkpoint in Ostjerusalem fälschlicherweise für bewaffnet und
erschoss ihn auf seiner Flucht.

3. Was ist die Situation zwischen den Protesten und dem Staat?

In der Gemengelage der Proteste werden einige Forderungen klarer: Die erste ist die Gerechtigkeit für George Floyd in Form einer Anklage gegen alle beteiligten Polizisten wegen Morde. Die zweite ist das Ende rassistischer Polizeigewalt und rassistischer Morde in den USA. Weitere Forderungen sind unter anderem: Das Ende der Ungleichbehandlung von Afroamerikaner_Innen im Bildungs-, Gesundheitswesen und Beruf, öffentliche Gelder von der Polizei in die Versorgung zu verschieben (#defundthepolice) und so weiter. Einige Forderung deuten auch auf die sich aktuell anbahnende Wirtschaftskrise hin. Insgesamt haben sich seit Ausbruch von Corona in den USA 41 Millionen Menschen offiziell arbeitslos melden lassen. Arbeitslosenzahlen, die es seit der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre nicht mehr gab. Bei den momentan durchgeführten Massenentlassungen wurden Afroamerikaner_Innen und andere People of Colour meist zuerst entlassen. Hier zeigt sich auch, weshalb viele Arbeiter_Innen in Solidarität mit der Bewegung stehen.

Afroamerikaner_Innen
sind neben den Arbeiter_Innen ebenfalls eine unterdrückte Gruppe in der
kapitalistischen Ordnung. So sollte man die Proteste nicht bloß isoliert als
rechtmäßiger Widerstand gegen einen autoritären und rassistischen Staat
verstehen, sondern die lebensbedrohende Aussicht der Wirtschaftskrise für die
Unterdrückten und unteren Schichten der Arbeiter_Innenklasse treibt die Leute
auf die Straße und das Gefühl der Ohnmacht und Unterdrückung wird für viele
jetzt besonders greifbar und kristallisiert sich an den Attacken der Polizei.

Der Staat
hingegen reagierte sofort mit massiven Repressionen: Massenhafter Einsatz von
Tränengas und Gummigeschossen, Aufmarsch der Nationalgarde plus die Drohung mit
der Armee, Einschränkungen von Grundrechten in vielen Städten, Gewalt und
Verhaftungen auch bei friedlichen Demonstrant_Innen begleitet von Hetze und
Diffamierungen durch Präsident Trump und den Republikaner_Innen. Zusätzlich
drohte er damit, die „Antifa“ als terroristische Organisation einzustufen, was
eine unsägliche Entrechtung wäre, weil damit jede_R Antifaschist_In ohne
Prozess weggesperrt werden könnte. So wie die Unterdrückten von der Krise
bedroht sind, so ist es auch die Vormachtstellung der US-amerikanischen
Bourgeoisie und das lässt ihr wenig Spielraum für jegliche soziale Reformen und
tatsächlicher Abbau von Unfreiheit und Ausbeutung. In der wirtschaftlichen
Konkurrenz mit China oder der EU wird die herrschende Klasse nur mit großem
Unwillen auf die Massen an extrem billigen Arbeiter_Innen im
durchökonomisierten Gefängnissystem und die Vorteile einer Steueroase
verzichten wollen. Und da die Krise die Konkurrenz nur verschärft, ist die
einzige Möglichkeit der Herrschenden die gewaltsame Zerschlagung der Proteste.

4. Warum wird es keinen Kapitalismus ohne Rassismus geben?

Wir leben nicht nur im Kapitalismus, sondern, wie Lenin es beschreibt, im Imperialismus: der höchsten Phase des Kapitalismus. Neben der einfachen Ausbeutung der Arbeiter_Innen durch die Kapitalist_Innen kommt hier noch eine weitere Form der Ausbeutung hinzu: Die imperialistischen Industriestaaten beuten halbkoloniale, also formal unabhängige, aber wirtschaftlich abhängige Staaten aus. So wird sowohl die dreckige und billige Arbeit in diese Länder verlagert und als auch die erstellten Produkte wiederum dort verkauft, sodass diese auch arm und abhängig bleiben und wer sich dagegen wehrt, dabei mitzumachen, wird durch militärische oder wirtschaftliche Erpressung dazu gezwungen. Rassismus, also die systematische Unterdrückung von nationalen, ethnischen oder religiösen Bevölkerungsgruppen, die meist anhand äußerer Merkmale, z.B. der Hautfarbe, festgemacht wird, spielt da eine zentrale Rolle, denn sie legitimiert dieses menschenverachtende Vorgehen gegen die Halbkolonien und ihren Einwohner_Innen. So können die Vorurteile vom „kriminellen Ausländer“ und „Terroristen“ dazu herhalten, Menschen an den Grenzen Europas zu ermorden, sie schlechter zu bezahlen und durch sonstige Benachteiligung von der restlichen Gesellschaft auszuschließen. So entsteht der institutionelle Rassismus innerhalb des Staates, der Justiz, als seine richterliche Gewalt, und natürlich auch der staatlichen Exekutive, der Polizei. Hinzu kommt, dass die Herrschenden damit die Klassenwidersprüche, die international existieren, verschleiern und stattdessen Konkurrenz zwischen den Nationen fördern, was im Zweifel die Kampfkraft der Unterdrückten spaltet und die weißen Arbeiter_Innen sich mit ihren weißen Bossen verbünden, obwohl auch diese in Wirklichkeit nur ein Ausbeutungsverhältnis verbindet!

5. Wie kann der Protest zum Sieg führen?

Diese Proteste machen auf eine zentrale Form der Unterdrückung aufmerksam und führen gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen zum öffentlichen Druck auf Staat und Kapital. Sie erreichten, dass die Mörder von Floyd entlassen wurden und dass es eine Anklage gegen Chauvin gab. Andere beteiligte Beamte wurden jedoch nicht angeklagt, auch wenn anzunehmen ist, dass aufgrund des starken Drucks und der internationalen Solidarität mit den Protesten wohl noch eine ordentliche Anklage gegen alle Beteiligten errungen wird. Aber die Frage ist nun, auf welchem Weg man die allgemeinen Probleme wie der institutionelle Rassismus bekämpfen kann.

Eine
zentrale Frage der Bewegung ist die Gewaltfrage und auch in der deutschen
Linken gibt es seit Beginn der Proteste eine Debatte um „sinnlose Gewalt“ auf
den US-amerikanischen Straßen. Viele verurteilen diese Gewalt und werben für
„friedliche“ Proteste. Wenn man die Proteste genau betrachtet, fällt auf, dass
der größte Teil der Gewalt von den Repressionen durch den US-amerikanischen
Staat ausgeht und dass ein großer Teil der Gewalt durch Demonstrant_Innen erst
eine Folge der Reaktion ist. Sowieso stehen kleine Plünderungen oder
Vandalismus in keiner Relation zur tagtäglichen Gewalt des Staates und des
kapitalistischen Systems und wir sollten es als legitimen Ausdruck von Wut und
Verzweiflung nicht moralisch verurteilen. Und nicht jede Gewalt dort ist
sinnlos. Beispiele sind die Angriffe auf die Polizeiwache oder koloniale
Denkmäler. Wir wollen aber über die individuellen und oftmals ziellosen
Aktionen hinaus und stattdessen demokratisch wähl- und abwählbare, bewaffnete
(Selbstverteidigungs-)Milizen aus Arbeiter_Innen, Afroamerikaner_Innen und
anderen in der bürgerlichen Gesellschaft unterdrückten Gruppen aufbauen, um
dabei eine rechenschaftspflichtige und taktische Kraft zu kreieren. Dafür sind
die existierenden Ansätze von Selbstverwaltung und massenhafter Militanz gute
Möglichkeiten.

Doch um sich
effektiv gegen die Gefahr der Zerschlagung durch Staat und faschistische
Milizen zu wehren und die oben besprochene kapitalistische Grundlage des
Rassismus‘ zu überwinden, braucht es auch eine klare antikapitalistische
Perspektive, also auch die klare Ablehnung des bürgerlichen Staates an sich.
Stattdessen setzen bislang viele Demonstrant_Innen auf Reformen innerhalb von
Polizei und Justiz, die aber zu kritisieren sind. Reformen können erstens immer
wieder abgeschafft werden und zweitens greifen sie die objektive Grundlage, den
Privatbesitz an den Produktionsmitteln und eine Wirtschaft, die auf Tausch und
Leistung beruht (Kapitalismus), nicht an.[8]  Die kürzlichen vorgebrachten Reformpakete
sowohl von den Demokrat_Innen aber erst recht von den Republikaner_Innen sind
mehr als unzureichend und sind eher Kaschierung des Problems, indem sie meinen,
das Problem sei die Praxis des Würgegriffs an sich und ist sie erstmal eingeschränkt,
ist es halb so wild.

Es gibt
jedoch auch Teile der Bewegung, die sehr wohl offen die Polizei und den Staat
zerschlagen wollen und diese müssen dafür nun ein klares Bild zeichnen, wie das
geht: Wir brauchen eine Bewegung, die sich auf weitere Teile der Gesellschaft
und damit auch auf weitere Themen ausbreitet, sodass ein Kampf aller
Unterdrückten unter Führung der Arbeiter_Innen gegen die Krise und das gesamte
System geführt wird. Forderungen wie bedingungsloses Recht auf Wohnraum,
Krankenversorgung, Arbeit und kollektiven Selbstschutz müssen aufgestellt
werden und größere Organisationen wie Gewerkschaften und progressive Bewegungen
offen dazu aufgerufen werden, sich an den Kämpfen zu beteiligen. Darum braucht
es auch eine solidarisch und zielstrebig geführte Debatte innerhalb der BLM-Bewegung,
die sich in einer demokratischen Konferenz konstituiert und damit wehrhafter
und taktischer vorgehen kann und es einen Raum gibt, in dem sich die wirklich
radikalen Forderungen beweisen können. Mit einer größeren gesellschaftlichen
Basis sind neben Demonstrationen auch weitere massenhaften Widerstandsformen
wie der politische Streik oder Betriebsbesetzungen verteidigt durch die
demokratischen Selbstverteidungsstruktuen möglich, mit
denen man die herrschende Klasse dazu zwingen kann, unsere bitternötigen
Forderungen umzusetzen und eben Platz zu machen für eine neue, solidarische und
soziale Gesellschaft!

Daher treten
wir ein für:

  • Aufbau von
    antifaschistischen, bewaffneten Milizen aus Arbeiter_Innen, Afroamerikaner_Innen
    und anderen in der bürgerlichen Gesellschaft unterdrückten Klassen gegen
    Rassist_Innen und Faschist_Innen auf der Straße und in staatliche Strukturen
    (insbesondere bei der Polizei und im Militär)
  • Wahl von
    Volkstribunalen, um kein Vertrauen in bürgerliche Gerichte setzten zu müssen
  • Zusammenarbeit
    mit den Gewerkschaften, soweit es mit der reformistischen Gewerkschaftsführung
    möglich ist, ansonsten Herausforderung und Sturz dieser durch die Basis
  • Aufbau einer
    antirassistischen Massenbewegung, die den Kampf in den Stadtteilen, Betrieben,
    Universitäten, Schulen und auf den Straßen mit einer sozialistischen
    Perspektive verbindet
  • Aufbau einer
    revolutionären Arbeiter_Innenpartei in den USA, die sich international
    vernetzt, und mit einem klaren revolutionären Programm an die Spitze der
    Bewegung stellt
  • Weiterhin
    internationale Vernetzung von antirassitischen und antikapitalistischen
    Massenbewegungen (Internationale Solidarität!)




Droht der Krieg in Syrien zum Flächenbrand zu werden?

von Dilara Lorin und Martin Suchanek, zuerst erschienen unter
http://arbeiterinnenmacht.de/2020/02/29/krieg-syrien/

Hunderttausende, wenn nicht Millionen, befinden sich in Syrien auf der Flucht. Die Offensive der syrischen Armee sowie ihrer russischen und iranischen Verbündeten sollte ein weiteres blutiges Kapitel im Bürgerkrieg zum Abschluss bringen – die Rückeroberung Idlibs samt Vertreibung Hunderttausender, der Zerschlagung der oppositionellen bewaffneten Gruppen – egal ob nur dschihadistisch, pro-westlich oder verbliebene Restbestände der demokratischen Opposition.

Zweifellos kalkulierten das syrische Regime wie auch seine Verbündeten, dass sie dieses mörderische Unternehmen rasch durchziehen konnten. Protestnoten der zur „Weltgemeinschaft“ hochstilisierten westlichen Mächte waren einkalkuliert, ein Stillhalten der Türkei, der Russland (und damit das Assad-Regime) wichtige Teile Nordsyriens und vor allem Rojavas überlassen hatten, ebenfalls.

Doch wie schon in Libyen erweist sich die Putin-Erdogan-Allianz als brüchig. Sie ist praktisch am Ende. Beide Räuber, beide „Sieger“ wollen ihren Teil vom Kuchen. Das Assad-Regime will erst recht nicht mehr auf die Türkei Rücksicht nehmen.

Umgekehrt droht nun der Krieg, selbst zu eskalieren, von einem StellvertreterInnenkrieg in einen heißen Krieg umzuschlagen. Selbst wenn keine der Parteien diese Entwicklung anstrebt, so spielen sie doch mit dem Feuer. Während Russland weitere Kriegsschiffe ins Mittelmeer beordert, ruft die Türkei die NATO-PartnerInnen an. Die Trump-Administration sieht die Chance gekommen, verlorenen Einfluss wiederherzustellen, und verspricht Unterstützung. Die NATO erklärt ihre Solidarität mit dem Mitgliedsstaat, auch wenn sie noch offenlässt, welche praktischen Formen diese annehmen soll. Bei allem Gerede von Besorgnis ob der Eskalation könnte sich die Konfrontation in den nächsten Tagen massiv zuspitzen, im extremsten Fall aus dem syrischen BürgerInnenkrieg ein Krieg zwischen Russland und NATO werden.

Lage in der Türkei

Im Folgenden wollen wir die Lage in der Türkei genauer betrachten.

In den vergangenen Tagen starben laut türkischen Nachrichtenagenturen bis zu 33 Soldaten in Idlib, einer Stadt im Nordwesten Syriens, durch syrische Luftangriffe. Laut der kurdischen Nachrichtenagentur ANF (Firatnews Agency) sind bis zu 113 Soldaten ums Leben gekommen. Mehrere Videoaufnahmen kursieren im Internet, die von mehreren hundert „Märtyrern“ sprechen, und türkische Soldaten beklagen, „man komme aus Idlib nicht mehr lebend heraus“.

Der Kurznachrichtendienst Twitter ist seit gestern Abend in der Türkei geschlossen, um keine weiteren Meldungen über den Krieg und die getöteten Soldaten zu verbreiten. Aber die Grenzregion zu Syrien liegt lahm, die Krankenhäuser sind überfüllt mit Leichen und das Gesundheitsministerium ruft die Bevölkerung dazu auf, Blut zu spenden. Das deutet darauf hin, dass die Opferzahlen wahrscheinlich viel höher sind als die 33.

Die Türkei führt gerade einen offenen Krieg in Syrien gegen das Assad-Regime, faktisch auch einen gegen seinen Verbündeten Russland. Dass die Türkei seit dem 27. Februar ihre Grenzen nach Europa für syrische Geflüchtete geöffnet hat und und diese nicht mehr darin hindert, dorthin auszureisen, bedeutet für sie nur, die Geflüchteten als Spielball zu benutzen. Sie möchte damit die EU unter Druck setzen und zwingen, im Krieg um Idlib auf ihrer Seite einzugreifen oder jedenfalls Unterstützung zu gewähren. Dies könnte auch zu einem Krieg zwischen Türkei, EU und Russland führen.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu steht im Telefonkontakt mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Dieser verkündete am 28. Februar, dass die NATO die Türkei auch militärisch unterstützen und die Luftverteidigung stärken wird. Teile der NATO stellten sich schon vorher und während des Manövers in Idlib auf die Seite der Türkei, welche mit dschihadistischen Truppen wie der Division Sultan Murad und Ahrar Al-Sharqiya (Freie Männer des Ostens) zusammen kämpft.

Das Leid der 3 bis 4 Millionen ZivilistInnen in Idlib jedoch wird in der Türkei kaum gehört. Mehrere tausende Menschen, welche vom syrischen Regime teils zwangsumgesiedelt wurden, befinden sich in Idlib unter türkisch-dschihadistischem und syrisch-russischem Beschuss.

Während Russland und Syrien, die Türkei und USA Stellung beziehen und eine weitere Eskalation droht, laviert die schwächelnde EU. Sie fordert ein Ende der Kampfhandlungen, unterstützt zur gleichen Zeit den NATO-Verbündeten. Mit der Türkei freilich hadert sie um die Frage der Geflüchteten, denen sie auf keinen Fall helfen will.

Die Öffnung der türkischen Grenzen bedeutet längst nicht, dass die Menschen, die fliehen, allzu weit kommen. Frontex wurde in den letzten Jahren weiter aufgerüstet, an die EU-Außengrenzen werden mehr und mehr Polizei und Grenzschutzeinheiten beordert. Wird der Andrang zu groß, kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass der bewaffnete Arm der Frontex auf Menschen an den Grenzen schießen wird. Es droht somit eine humanitäre Krise der Menschen in Idlib und der Millionen Flüchtlinge des Bürgerkriegs.

Aktuell sammeln sich größere Gruppen von Geflüchteten vor Edirne, einer türkischen Grenzstadt nahe Bulgarien und Griechenland, sowie in Izmir und anderen Hafenstädten im Westen der Türkei und versuchen, der Hölle von Bürgerkrieg und Vertreibung zu entkommen. Wir brauchen offene Grenzen für alle! Jetzt sofort! Wir müssen gemeinsam dafür kämpfen, dass alle, die nach Europa wollen, sichere Fluchtwege über Meer oder Land erhalten und sich in den Ländern ihrer Wahl niederlassen, arbeiten und eine Existenz aufbauen können.

Geostrategische Gründe

Der türkische Einmarsch in Syrien erfolgte – wie die Intervention aller anderen Mächten – aus geostrategischen Gründen. Ursprünglich ausgezogen, Assad selbst zu stürzen, will Erdogan nun ein möglichst großes Stück von der Beute, sprich die Neuordnung des Landes mitbestimmen. Den Einmarsch türkischer Truppen, die Eroberung Afrins und anderer kurdischer Städte stellt er als Akt der „Verteidigung“ des Landes dar, ganz so wie Russland, Iran und Syrien die brutale Wiedererrichtung des Assad-Regimes zum „Kampf gegen den Terrorismus“ verklären.

Doch der Krieg könnte für Erdogan leicht zum Bumerang werden. Die Türkei befindet sich in einer wirtschaftlich sehr schlechten Lage und ein Krieg trägt sicherlich nicht zu einer Erholung bei. Im Gegenteil, die ArbeiterInnenklasse wird zu den Kriegen einberufen und muss für die Interessen eines Staates sterben, der vielen nicht einmal genug zum Überleben bieten kann. Der Mindestlohn reicht kaum, um sich und seine Familie zu ernähren. Die Lebensqualität sinkt mit jedem anbrechenden Tag und nun werden junge Lohnabhängige auch noch zur Armee berufen, um in einem Krieg zu sterben, der in keinster Weise ihren Interessen dient.

So wie die ArbeiterInnenklasse Russlands oder Irans, so muss auch die türkische ArbeiterInnenklasse „ihrer“ Regierung jede Unterstützung verweigern. Der Krieg Erdogans ist nicht unser Krieg. Es hilft jedoch nicht, sich über den Tod türkischer Truppen und Soldaten zu freuen, es kommt darauf an, Erdogan und das Regime zum Rückzug aus Syrien zu zwingen – und zwar nicht nur aus Idlib, sondern auch aus Rojava und allen anderen Gebieten.

Ein Rückzug aus Idlib allein – ob nun infolge syrisch-russischer Militärschläge oder durch ein weiteres „Waffenstillstandsabkommen“ – würde schließlich bedeuten, dass sie weiter Besatzungsmacht in Nordsyrien/Rojava bleibt. So kontrolliert sie strategisch wichtige Verkehrsknotenpunkte der nordsyrischen Region wie die Autobahn M14, die Antalya mit Mossul verbindet, und dem türkischen Staat dienen soll, im arabischen Raum besser Fuß zu fassen. Sie wird weiterhin Besatzungsarmee der kurdischen Gebiete sein und dschihadistische Strukturen weiter aufbauen, bewaffnen und unterstützen.

Nein zum Krieg! Abzug aller imperialistischen Truppen und Regionalmächte!

In der Türkei, in Russland und den NATO-Staaten brauchen wir eine breit aufgestellte Einheitsfront von Organisationen, Gewerkschaften und Parteien der ArbeiterInnenklasse. Denn nur die ArbeiterInnenklasse kann in internationaler Solidarität mit den Geflüchteten, KurdInnen, der ArbeiterInnenklasse und demokratischen Opposition in Syrien diesen Krieg stoppen! Wer soll eingezogen werden, wenn wir streiken? Wie soll die Türkei weiter Krieg führen, wenn die ArbeiterInnenklasse sich mit den bis zu vier Millionen ZivilistInnen in Idlib und den drei Millionen KurdInnen in Nordsyrien solidarisiert, auf die Barrikaden geht und einen Generalstreik ausruft?

Alle Räder stehen still, wenn die Klasse das auch will, und natürlich ist damit auch das Rad eines Panzers gemeint!

Wir brauchen keine weiteren imperialistischen AkteurInnen und Regionalmächte im Krieg in Syrien, die allesamt nur für ihre eigenen Profite und strategischen Interessen kämpfen. Es war schon ein richtiger Schritt, dass sich viele türkische und internationale Linke gegen den Einmarsch der Türkei in die kurdischen Gebiete in Syrien aussprachen und sich mit den KurdInnen solidarisierten, aber Solidarität darf und kann nicht bei Lippenbekenntnissen stehenbleiben! Es muss eine gemeinsame Mobilisierung diskutiert und umgesetzt werden, um die drohende Ausweitung des Kriegs zu verhindern und der Zivilbevölkerung in Idlib beizustehen.

Die ArbeiterInnenklasse, die Gewerkschaften müssen erkennen, dass die Intervention der Türkei in Syrien nicht dem Schutz der Bevölkerung dient, sondern nur eigenen Machtinteressen und der Verhinderung kurdischer Selbstbestimmung. Sie muss erkennen, dass eine etwaige US-amerikanische oder NATO-Intervention nur dazu führen, kann dass der Kampf um die Neuaufteilung der Welt zwischen den Großmächten eine militärische Form annimmt, sich zu einem internationalen Flächenbrand ausweiten kann. Daher: Nein zu jeder NATO-Intervention! Abzug aller deutschen, französischen, US-amerikanischen Truppen, nein zu allen westlichen imperialistischen Sanktionen! Öffnung der EU-Grenzen für die Flüchtlinge! Sie muss aber auch erkennen, dass die Intervention Russlands und Irans keinen Akt des „Anti-Imperialismus“, sondern selbst nur nackte und brutale Verfolgung eigener geostrategischer Interessen bedeutet. Sie muss erkennen, dass sie mit dem Assad-Regime eine mörderische Kriegsmaschinerie am Leben hält, die für den Tod Hunderttausender und die Vertreibung von Millionen verantwortlich ist.

Ob sich der Krieg in Syrien zu einer internationalen Konfrontation ausweitet oder ob er am Verhandlungstisch auf dem Rücken der Bevölkerung“ befriedet” wird – wir dürfen nicht auf die Assads und Erdogans, die Putins und Trumps, aber auch nicht die Merkels und Macrons unsere Hoffnungen setzen. Sie sind alle Teil des Problems.

Nur eine gemeinsame, internationale Anti-Kriegsbewegung, die sich auf die ArbeiterInnenklasse stützt, kann in der Aktion verhindern, dass sich der syrische BürgerInnenkrieg weiter ausweitet, ja zu einer Konfrontation zwischen NATO und Russland wird.

  • Abzug aller imperialistischen Truppen und Regionalmächte aus Syrien, vor allem der türkischen, russischen und iranischen Truppen!
  • Nein zu jeder Intervention und Waffenlieferungen an Erdogan oder Assad!
  • Abzug aller NATO-Truppen aus der Region, Schließung der NATO-Basen in der Türkei!
  • Schluss mit dem EU-Türkei-Deal! Öffnung der europäischen Grenzen für alle Geflüchteten!
  • Unterstützung für Rojava sowie für die ArbeiterInnenklasse, die demokratische und sozialistische Opposition in Syrien!



Evangelikales Christentum – Die Stoßtruppen der Rechten

Kayla Molodoy , Workers Power USA , Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

Jahrzehntelang hat die christliche Rechte in den USA den
Widerstand gegen die Abtreibung in den Mittelpunkt ihrer politischen Mission
gestellt, indem sie sexuelle und reproduktive Fragen zur Mobilisierung einer
breiten Anhängerschaft zur Waffe gemacht hat. Seit ihrer kollektiven Hinwendung
zu politischem Aktivismus während Reagans triumphalem Präsidentschaftswahlkampf
1980 ist der Evangelikalismus das Rückgrat der Republikanischen Partei in den
USA und wird in Lateinamerika, insbesondere im Brasilien von Bolsonaro,
zunehmend politisiert.

Während die unheilige Allianz zwischen religiösen
ExtremistInnen und imperialistischen ProfitmacherInnen ihre Kontrolle über den
Staat festigt, laufen die Frauenrechte Gefahr, zum Opferlamm auf dem Altar des
anhaltenden Wahlerfolgs der Rechten zu werden.

Das Wachstum des politischen Evangelikalismus in den USA

Der Evangelikalismus nahm in Amerika erstmals im 18.
Jahrhundert erkennbare Gestalt an und entwickelte sich bis Mitte des 19.
Jahrhunderts zum „Evangelikalen Reich“, einer einflussreichen Bewegung, die
sich zunächst mit liberalen Themen wie der Abschaffung der Sklaverei und der
Strafrechtsreform beschäftigte, bevor sie sich über Darwins Evolutionstheorie
und eine fundamentalistische Bibelauslegung zersplitterte.

Der moderne Evangelikalismus geht auf das Ende des Zweiten
Weltkriegs zurück, als die aufeinander folgenden amerikanischen Regierungen
daran arbeiteten, das Christentum mit „amerikanischen Werten“ gleichzusetzen
und die christliche Gemeinschaft als Verteidigungslinie im Kalten Krieg zu
mobilisieren. Der Widerstand gegen die Aufhebung der Rassentrennung, die
Gegenkulturbewegungen der späten 1960er Jahre und die Entscheidung des Obersten
Gerichtshofs, Abtreibung zu einem verfassungsmäßig geschützten Recht zu machen,
im Urteil Roe gegen Wade von 1973, waren Katalysatoren für den Aufstieg der
Christlichen Rechten, der in den späten 1960er Jahren begann und bis heute
anhält.

Die republikanische Kandidatur Ronald Reagans im Jahr 1980
markierte einen Wendepunkt in der Politisierung der evangelikalen Gemeinschaft.
Im Vorfeld der Wahl begann die zuvor tolerantere und überparteiliche Haltung
der amerikanischen evangelikalen ChristInnen ihren Wandel hin zu starrer
Intoleranz, die stark durch das allgegenwärtige christliche Medienimperium
beeinflusst wurde, das vor allem von Jerry Falwell Sr. geschaffen wurde.

Falwell stand an der Spitze der christlich rechten
politischen Organisation, der Moralischen Mehrheit, und spielte eine wichtige
Rolle bei der gegenseitigen Umwerbung zwischen der Republikanischen Partei und
den Evangelikalen. Unter diesem Einfluss billigte der Republikanische
Nationalkonvent die sozial konservativste Plattform der RepublikanerInnen,
(GOP, Grand Old Party; Große Alte Partei) die es je gab, und kehrte damit seine
historische Unterstützung für die Gleichberechtigungsänderung um, wobei er als
Antwort auf den Fall Roe gegen Wade den Schutz der Rechte der Zygoten, d. h.
der befruchteten Eier, über die Rechte der Frauen stellte:

„Wir bekräftigen unsere Unterstützung für eine
Verfassungsänderung zur Wiederherstellung des Schutzes des Rechts auf Leben für
ungeborene Kinder. Wir unterstützen auch die Bemühungen des Kongresses, die
Verwendung von Steuergeldern für die Abtreibung einzuschränken.“

Erfolgreicher Aktivismus an der Basis und ein
außergewöhnliches Maß an Einsatz zur Förderung bevorzugter Themen führten zu
einer hohen Wahlbeteiligung, die Reagan mit zwei Dritteln der evangelikalen
Stimmen belohnte und bei seiner Wiederwahl auf 78 % stieg. Dieser Pakt
schuf eine für beide Seiten vorteilhafte Symbiose zwischen der politischen
Rechten und den Evangelikalen und hing fast ausschließlich von der Zustimmung
der Partei zur Übernahme der evangelikalen Linie in sozialen Fragen,
einschließlich der Abtreibung, ab.

Das Bündnis zwischen den Evangelikalen und der
Republikanischen Partei besteht bis heute, wobei es für die KandidatInnen
erforderlich ist, mit der christlichen Rechten in ihrem Sozialprogramm  übereinzustimmen, um ihre Stimmen zu ernten
und eine glühende Bekehrung zur Unterstützung des amerikanischen Imperialismus
zu garantieren.

Lateinamerika

Für Evangelikale in den USA wird nun erwartet, sich hinter
PolitikerInnen wie Trump zu versammeln – dessen persönliche Eigenschaften ihn
zu einem völlig unglaubwürdigen Vehikel für evangelikale Bestrebungen machen –,
und dies ist fast eine Selbstverständlichkeit. Aber das Wachstum der
evangelikalen Bewegung in Lateinamerika und die Verbindungen zwischen dem
brasilianischen und amerikanischen Evangelikalismus verleihen der Christlichen
Rechten eine neue internationale Dynamik.

Die ersten protestantischen Evangelikalen landeten im 19.
Jahrhundert in Brasilien, eine zweite Welle kam in den 1940er Jahren mit dem
Aufkommen der Foursquare Church (International Church of the Foursquare Gospel)
aus Kalifornien, komplett mit zirkusähnlichen Zelt„erweckungen“ à la Billy
Graham, die eine große Anziehungskraft hatten. Eine dritte Welle in den 1970er
Jahren brachte eine „neupfingstliche“ Bewegung, die von der brasilianischen
Universalkirche des Königreichs Gottes (UCKG) angeführt wurde. Gegründet von
Edir Macedo, einem gegen Schwarze heftig hetzenden  und möglicherweise reichsten religiösen Führer
der Welt, ist ihr Einfluss auf die brasilianische Politik extrem geworden,
wobei er über eine enorme institutionelle Vertretung verfügt.

Die Wahl von Jair Bolsonaro wurde mit Hilfe des
evangelikalen Establishments Brasiliens , dominiert von der UCKG, erreicht.
Bolsonaro ist, wie Trump, ein frauenfeindlicher, rassistischer homophober
Politiker, der eine aktive rechtsextreme Unterstützungsbasis antreibt. Er
sympathisiert auch mit der Militärdiktatur, die von 1964 bis 1985 in Brasilien
an der Macht war, wobei seine einzige Kritik darin besteht, dass „die Situation
des Landes heute besser wäre, wenn die Diktatur mehr Menschen getötet hätte“.

Das wichtigste politische Handicap, mit dem sich die rechten
Parteien in Lateinamerika konfrontiert sehen, ist die anhaltende Wahlschwäche
aufgrund ihrer fehlenden Verbindungen zu Nicht-Eliten. Bolsonaro und
seinesgleichen bieten bereitwillig Verbindungen zur obersten Spitze an und
bringen eine Vielzahl evangelikaler WählerInnen ein, vor allem aber die untere
Mittelschicht.

Dies ist wichtig, weil sich der Anteil der evangelikalen
ChristInnen in Brasilien von 9 Prozent im Jahr 1990 auf 22 Prozent mehr als
verdoppelt hat und derzeit auf 31 Prozent geschätzt wird. Es wird erwartet,
dass sie bis 2032 die Zahl der KatholikInnen übertreffen werden – und die
Rechte will ihr Wahlbündnis mit ihnen festigen.

Wir sehen eine ähnliche Dynamik bei den jüngsten Ereignissen
in Bolivien mit der Amtsenthebung von Evo Morales durch Luis Fernando Camacho,
einen fundamentalistischen und evangelikalen christlichen Multimillionär, der
geschworen hat, den linkspopulistischen Einfluss der von Morales vertretenen
und beschützten indigenen Mehrheitsbevölkerung zu beseitigen.

Die bolivianische Übergangspräsidentin Jeanine Áñez erklärte
am Tag des Staatsstreichs: „Die Bibel ist in den Palast zurückgekehrt“. Obwohl
die bolivianischen Evangelikalen einen weitaus geringeren Anteil der
Bevölkerung als in Brasilien ausmachen, ist ihre Basis in der weißen Führungs-
und Mittelschicht wegen deren angeblichen Heidentums, das durch die Anerkennung
der Erdgottheit Pachamama symbolisiert wird, in einen Rausch gegen die indigene
Mehrheit geraten.

Ein Demonstrant gegen den Putsch hat diese „Befreiung“
ironisch bedauerlich auf den Punkt gebracht : „Es ist dasselbe wie vor 500
Jahren, als die Spanier kamen und das erste, was sie den Einheimischen zeigten,
die Bibel war.“

Der wirtschaftliche Druck auf das KleinbürgerInnentum der
USA und Brasiliens und erst gar ihre Deklassierung hat sie empfänglicher für
die reaktionären Ideologien und die populistische Rhetorik von Politikern wie
Trump und Bolsonaro gemacht.

In Bolivien und Brasilien ist es ihnen gelungen, die
Unterstützung wichtiger Teile der herrschenden Klasse zu gewinnen. Diese
fürchten sich vor den milden Reformen sozialdemokratischer oder
linkspopulistischer Regierungen und ihren Versuchen, Lateinamerika aus der
Abhängigkeit vom US-Imperialismus (durch die es sich, historisch gesehen, sehr
gut geschlagen hat) herauszuholen. Der Evangelikalismus ist aufgrund seiner
historischen Wurzeln in den US-Kirchen und ihres wirtschaftlichen und
politischen Gewichts in der Bewegung ideal für diesen Zweck. Kurz gesagt, er
ist ein Werkzeug des US-Imperialismus.

Die Kulturkriege

Die evangelikale Bewegung manipuliert gekonnt angebliche
Bedrohungen der Religion, um angesichts dessen, was sie als das Schwinden des
Rangs Amerikas als „christliche Nation“ wahrnimmt, Einheit und Enthusiasmus
anzuregen.

In den USA behaupten große Nachrichtenorganisationen wie Fox
News und christliche Radio- und Fernsehstationen mit Massenpublikum regelmäßig,
dass die Fähigkeit der ChristInnen, ihre Religion auszuüben, bedroht ist. Die
Verwendung schlagwortartiger Propaganda-Phrasen wie „Krieg gegen Weihnachten“
und „Angriff auf die Werte der Familie“ verstärkt diesen Verfolgungskomplex
unter den hingebungsvollen AnhängerInnen des fundamentalen Christentums.

Doch während sie den bevorstehenden Untergang des
Christentums und die Unterdrückung der wahren Gläubigen beklagen, behalten die
Evangelikalen in Wirklichkeit einen übergroßen Einfluss auf Politik und
Regieren. Dieser „Verfolgungskomplex“als Reaktion, der das Ende des
christlichen Glaubens und einer „gottlosen Gesellschaft“ katastrophenartig
vorhersagt, ist das Kraftwerk für die Verbreitung des Evangelikalismus und das
seit Jahrzehnten.

In dieser Hinsicht ist der Aufstieg des christlichen
Zionismus innerhalb der evangelikalen Bewegung interessant. Er verbindet
unmittelbar die „Opferrolle“ des protestantischen Christentums mit dem realen
Holocaust des jüdischen Volkes und verleiht der Unterstützung Amerikas für den
Staat Israel einen religiösen Eifer.

Bei der Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem sagten zwei
evangelikale Pastoren aus Texas, die zum offiziellen Staatsbesuch der USA
mitgebracht wurden, dass die Gründung Israels „die Prophezeiungen der Propheten
von vor Tausenden von Jahren erfüllt hat“ und dass „der Messias [nach
Jerusalem] kommen und ein Königreich errichten wird, das niemals enden wird“.

Diese „Wir-gegen-die-Mentalität“ passt perfekt zu dem für
die evangelikale Botschaft so wichtigen Thema der Opferschaft und des Leidens.
Entfremdung und Not, die durch den Kapitalismus erneuert und als
(vermeintliche) religiöse Verfolgung getarnt wurden, wurden zu einem mächtigen
Instrument, mit dem eine große Zahl von Menschen angezogen wurde, und wurden zu
einem integralen Bestandteil der evangelikalen Identität. Wahrgenommene
Bedrohungen wie Feminismus, legalisierte Abtreibung, gleichgeschlechtliche
Heirat und die Rechte von Schwulen und Transgendern haben zu einer Botschaft
des ressentimentgeladenen Untergangs-Populismus geführt und jede Art von
Klassenbewusstsein verhindert.

Die konservativen FührerInnen aller Richtungen haben ihre
Lektion gut gelernt: Wiederhole die und identifiziere Dich mit der Gefahr des
Opferns von ChristInnen,  versprich,
ihren Glauben zu schützen, und Du wirst gewinnen! Mit den Worten von Donald
Trump, der die Stimmen von über 80 Prozent der Evangelikalen erhielt, die etwa
ein Drittel der WählerInnenschaft ausmachen: „Wir werden das Christentum in den
Vereinigten Staaten schützen.“

In Brasilien mobilisierten evangelikale FührerInnen zur
Unterstützung von Bolsenaro und seinen „traditionellen Familien“-Werten gegen
eine PT (ArbeiterInnenpartei)-Regierung, die während ihrer 13-jährigen
Regierungszeit einige Rechte für Minderheiten eingeführt, eine Debatte über die
Entkriminalisierung der Abtreibung in das Unterhaus gebracht hatte und Pläne
erwog, die Geschlechtervielfalt in den Unterrichtsplan aufzunehmen.

Innerhalb von 40 Jahren hat sich die brasilianische
Bevölkerung von neunzig Prozent KatholikInnen auf ein Drittel Evangelikale
verschoben. Die evangelikalen Kirchen betreiben heute über 600 Fernseh- und
Radiokanäle, darunter auch die zweitgrößte Fernsehgesellschaft des Landes, Rede
Record, die dem UCKG-Gründer Edir Macedo gehört.

Bolsonaro lehnte Fernsehdebatten mit anderen KandidatInnen
ab, gab Rede Record jedoch ein exklusives sowie sein erstes Interview nach dem
Gewinn des Präsidentenamtes. In diesem Interview beschrieb er die „ethische und
moralische Krise“ Brasiliens und drohte, die AnhängerInnen der PT ins Exil zu
schicken.

Politischer Evangelikalismus und seine Auswirkungen auf
Frauen

Im letzten halben Jahrhundert hat die Ehe zwischen rechter
Politik und dieser unterdrückenden christlichen Sekte die Ungerechtigkeit unter
den Armen und Minderheiten der Welt – insbesondere den Frauen – eskaliert,
indem sie die biblische Rechtfertigung der Überlegenheit des Mannes über die
Frauen benutzt hat, um das kapitalistische Patriarchat aufrechtzuerhalten.
Religionsgemeinschaften bringen die Stimme der Hälfte der Bevölkerung zum
Schweigen und lenken den berechtigten Zorn auf Verarmung und Ungleichheit
(finanziell wie sozial) in Gehorsam gegenüber der staatlichen Autorität um.

Diese Überzeugungen werden 
zur Waffe für die Unterordnung von Frauen gemacht und setzen strenge
Geschlechterrollen durch, wodurch Frauen als „andere“ entmenschlicht werden und
die Notwendigkeit männlicher Autorität in einer typisch rechtspopulistischen Strategie
geschaffen wird. Die starre biblische Machthierarchie des Autoritarismus
schafft und fordert bedingungslosen Gehorsam.

Die Beziehungen zwischen den Geschlechtern sind nach diesen
Prinzipien geordnet: Ehefrauen unterwerfen sich den Ehemännern, Kinder den
Eltern, Gemeinden der Kirchenleitung, BürgerInnen dem Staat und alle Gott –
wobei Gott in der Regel der Kirchenleitung gleichgestellt wird.
Gleichberechtigung – und Klassen – gibt es in dieser Struktur nicht.

Mit Frauen am unteren Ende der Gesellschaft ist ihr geringes
Selbstwertgefühl garantiert. Da sie aufgrund ihrer angeborenen Unwürdigkeit
ständig auf Errettung angewiesen sind, lauert immer Scham und Schande.
Unverheiratet zu sein; kein Kind empfangen zu können; Sex außerhalb der Ehe zu
haben; eine Schwangerschaft abzubrechen; vergewaltigt zu werden; nicht so klug,
so fähig, so fleißig wie ein Mann zu sein, basiert auf dem Gefühl der Scham,
einer Schande, die durch den Willen Gottes erzwungen wird.

Sogar die Mehrheit der nicht-evangelikalen Frauen, die sich
nicht schämen, eine Abtreibung vornehmen zu lassen, wissen, dass Stigma und
Geheimhaltung sie bedecken; sie wissen nie, wem sie es sicher sagen können. Das
ist der Einfluss, den diese Bewegung auf Teile der Gesellschaft ausübt und der
uns alle zu beherrschen versucht und bedroht.

Schlussfolgerungen

Der Aufstieg des christlichen politischen Evangelikalismus
ist im Grunde eine reaktionäre Bewegung in allen Definitionen des Wortes. Er
ist eine Reaktion der KapitalistInnenklasse auf den zunehmenden Kampf gegen die
immer strengeren Sparmaßnahmen, die notwendig sind, um das System am Laufen und
profitabel zu halten.

Für Teile der ArbeiterInnenklasse ist es eine Reaktion auf
die anhaltende Stagnation des senilen Kapitalismus, der die nicht zur herrschenden
Klasse gehörenden Menschen, vor allem die Frauen, wirtschaftlich, politisch und
sozial an Boden verlieren lässt. Das Fehlen einer revolutionären
sozialistischen Alternative zur Verbesserung dieser realen Bedingungen macht
die Religion noch attraktiver.

Sie spielt mit der Angst vor dem Tod und dem Mangel an
Lebenschancen. Wenn man nämlich keine Möglichkeit sieht, seine Stellung in
diesem Leben zu verbessern, kann man genauso gut auf das Leben nach dem Tod
setzen. Gleichzeitig bietet sie eine wirkungsvolle Alternative zur
einschmeichelnden geistigen Nahrung des Katholizismus und des
Mainstream-Protestantismus, die beide weder wirkliche Möglichkeiten zur
Veränderung des heutigen Status noch die emotionale Befriedigung eines
glühenden Glaubens an ein Paradies jenseits des Todes bieten.

Und obwohl alle Teile der ArbeiterInnenklasse für dieses
kapitalistische Gift bezahlen werden, sogar die Evangelikalen, werden die
Frauen am meisten blechen. Rechte werden beschnitten, der politische Einfluss
in der Gesellschaft wird eingeschränkt, das Selbstwertgefühl wird zerstört, und
die Vorbilder für Frauen werden auf Schmarotzerinnen wie JeanineÁñez, die
derzeitige Interimspräsidentin Boliviens, reduziert.

Viele der schlimmsten Gräueltaten der Geschichte wurden unter
dem Einfluss der Religion begangen. Eine bessere Welt ist möglich, aber sie
wird für Frauen und Männer nicht unter dem Deckmantel von Religion jeglicher
Art gefunden werden.

Das bedeutet nicht, dass wir als KommunistInnen die
Unterdrückung der Religion fordern; im Gegenteil, wir fordern die Freiheit der
Religionsausübung für alle – solange eine solche Praxis nicht die Freiheit der
anderen beeinträchtigt, weder innerhalb noch außerhalb der Sekte. Man braucht
nur die verzweifelte Notlage der UigurInnen in China oder der Minderheiten in
islamistischen Regimen zu betrachten, um zu sehen, dass religiöse Verfolgung
tatsächlich existiert – und in beide Richtungen zuschlägt.

Aber während die Religion auch
unterm Kapitalismus notwendiges Opium bleibt und einen Zufluchtsort für
Milliarden in einer feindlichen und grausamen Welt bietet, predigt sie die
Unterwerfung unter die bestehende Ordnung und lenkt die Sehnsucht nach einer
besseren Welt in ihr Gegenteil, die Unterstützung von Ausbeutung und
Unterdrückung, um. Wann und wo immer religiöse Institutionen in die irdische
Welt eingreifen, widersetzen wir uns mit Händen und Füßen.

Wir brauchen eine weltweite Einheit des Kampfes auf der
Grundlage der ArbeiterInnenklasse, um diese wachsende Bedrohung auf der ganzen
Welt zu bekämpfen, mit Frauen an der Frontlinie im Kampf gegen die besondere
Unterdrückung, der sie durch die evangelikale christliche Reaktion ausgesetzt sind
und sein werden.




Hände weg von Rojava!

Lukas Müller

Seit Montag hat der türkische Staat unter Führung des Diktators Recep Tayyip Erdogan von Trump grünes Licht: Die USA werden sich aus dem Nordosten Syriens vollständig zurückziehen und der Türkei freie Hand für einen Krieg gegen die Kurd_Innen in Rojava lassen.

Nachdem die USA die Kurd_Innen für den Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ einige Zeit unterstützt haben, wurden diese nun fallen gelassen. In den Augen von Trump haben die Kurd_Innen ihre Rolle gespielt: Der IS ist für Amerika keine direkte Gefahr mehr und der Stellvertreterkrieg gegen Assad und Russland ohnehin verloren. Interesse an einer Unterstützung des basisdemokratischen, feministischen und internationalistischen Projekts Rojava hatten die USA sowieso nie. Warum also einen Konflikt mit dem NATO-Partner Türkei riskieren, der schon seit Monaten klar macht, dass er sich von einem weiteren Krieg nicht abhalten lassen wird?

Aus der Administration von Erdogan wurde diese Woche verkündet, der Krieg werde in Kürze beginnen. Die Türkei kann dabei auf die Unterstützung allermöglichen islamistischen Milizen zählen, welche bereits im letzten Jahr Seite an Seite mit türkischen Truppen den Krieg gegen die kurdische Bevölkerung des Kanton Afrin führten. Nichts ist Erdogan mehr ein Dorn im Auge, als das in den Wirren des syrischen Bürgerkriegs entstandene kurdische Autonomieprojekt. Zu groß ist für ihn die Gefahr, die Unabhängigkeit der syrischen Kurd_Innen werde die kurdische Minderheit im eigenen Land stärken und den gemeinsamen Kampf gegen Unterdrückung und für einen eigenen Staat, ein freies Kurdistan, neu entfachen.

Das Projekt Rojava ist in dieser Form auf der Welt etwas Einmaliges, gerade für den Nahen Osten. Auch wenn es kein wirklich sozialistisches Projekt ist, das heißt ein Projekt unter dem der Privatbesitz an Land, Rohstoffen und Maschinen vergesellschaftet ist, so ist es doch der Versuch die Gesellschaft basisdemokratisch und im Interesse aller zu organisieren. Rojava verfügt auf verschiedenen Ebenen über eigene Frauenstrukturen und hat den Anspruch diese in der Gesellschaft gleichberechtigt zu stellen. Außerdem versuchen die Kurd_Innen explizit alle anderen ethnischen und religiösen Gruppen der Region in das Projekt und die Strukturen miteinzubeziehen – eine Grundbedingung, um Frieden im Nahen Osten zu schaffen. Die Niederlage des Projekts wäre deshalb nicht nur ein schmerzhafter Rückschlag für die Kurd_Innen und ihren Befreiungskampf, es wäre eine Niederlage für den gesamten Nahen Osten und alle fortschrittlichen Kräfte auf der Welt.

Das Gebot der Stunde ist nun weltweit und massenhaft Solidarität zu organisieren und praktisch werden zu lassen. Nur mit vereinten Kräften haben die Genoss_Innen vor Ort eine Chance zu bestehen. Lasst uns Öffentlichkeit schaffen und Druck auf die Regierungen ausüben.

Hände weg von Rojava! Kein türkischer Einmarsch in Nordost-Syrien!

Solidarität mit den Menschen und Kämpfer_Innen vor Ort!

Für den Abzug aller Truppen aus Syrien! Kein Vertrauen in die USA oder andere Mächte!

Für weltweiten und massenhaften Widerstand zur Verteidigung des Projekts!




Die EU: undemokratisch, militaristisch

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Von der Demokratie zur Diktatur – Die EU

In den Schulen, Universitäten und Medien bekommen wir Tag für Tag zu hören, dass die Europäische Union für ein geeinigtes, demokratisches Europa steht und wir dieser Institution das Wegfallen von Grenzen und die Vermeidung von Kriegen in Europa zu verdanken haben. Doch was ist an diesem Märchen dran?

Vielen von uns ist bereits bewusst, wie undemokratisch die Troika über Länder wie Griechenland verfügt, oder wie brutal und menschenverachtend die EU Außengrenzen durch die Menschenjäger von FRONTEX „geschützt“ werden. Allerdings gibt es noch viel mehr Dinge, in denen sich die neoliberale, militaristische Haltung der EU zeigt.

Der EU-Reformvertrag

Das wohl wichtigste Vertragswerk Europas ist der 2007 in Lissabon beschlossene EU-Reformvertrag – auch bekannt als die EU-Verfassung. Den meisten ist allerdings überhaupt nicht klar, was dieser für Inhalte hat.

Einer dieser Inhalte ist zB. Die Todesstrafe, die nun im Kriegsfall, bei Kriegsgefahr oder bei Aufständen wieder legal ist.

Die „Solidaritätsklausel“ verpflichtet die Mitgliedsstaaten bei innerer oder äußerer Gefährdung dazu, sich gegenseitig (militärische) Hilfe zu leisten, verstärkt wird die von diesem Artikel ausgehende Bedrohung für den Frieden noch dadurch, dass alle EU-Staaten permanent zur militärischen Aufrüstung verpflichtet sind.

Auch das Recht auf nationale Souveränität wird durch den Reformvertrag ausgehebelt, denn gemäß EU-Richtlinien stehen Beschlüsse der Union über denen der einzelnen Regierungen.

Euro-Gend-Force

Die European Gendamerie Force (Euro-Gend-Force) ist der erste Schritt einer paramilitärischen Polizeitruppe für die EU. Ihr Ziel ist die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in EU-Staaten – also gegebenenfalls die Niederschlagung von Aufständen und Revolutionen.

Diese kasernierte Polizeieinheit steht über nationalem Recht (siehe EU-Reformvertrag) und jedes ihrer Mitglieder genießt im Dienst volle Immunität. Derzeit ist die Europäische Gendarmerie aus italienischen, französischen, rumänischen, spanischen, portugiesischen und niederländischen Truppen zusammengesetzt – auch die Türkei liebäugelt mit einem Beitritt ihres JANDARMA Korps. Überall, wo Gendamerie Einheiten Polizeiaktionen durchführen sind sie für ihre Brutalität berüchtigt, ein aktuelles Besipiel ist das Massaker an schwimmenden Flüchtlingen an der EU-Außengrenze durch die GUARDIA CIVIL (spanische Gendamerie). Die Euro-Gend-Force wurde bereits während der NATO-Kriege in Afghanistan und Bosnien eingesetzt, doch wo mögen in Zukunft ihre Einsätze stattfinden? Bei der Niederschlagung von Blockupy und Anti-Troika Demos in Frankfurt, Athen, Madrid oder Rom?

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Das Transatlantische Freihandelsabkommen – Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP)

Derzeit planen die EU und die USA ein Abkommen, zwecks Schaffung einer „Transatlantischen Freihandelszone“. Ziel dieses Abkommens ist es, das Wirtschaftswachstum beider Vertragspartner zu stärken.

Aber mit welchen Mitteln soll dieses Ziel erreicht werden?

a) Aushebelung von Verbaucherschutz und Tierschutz

In den USA sind die Hürden des Verbraucher- und Tierschutzes wesentlich niedriger angelegt als zB. in Deutschland. Damit es zu keiner „Wettbewerbsverzerrung“ kommt müssen US-Importe nicht mehr den geltenden Regelungen entsprechen. Konkret bedeutet das, dass beispielsweise Tierprodukte aus noch exzessiverer Massentierhaltung als hierzulande plötzlich auch in unseren Märkten stehen.

b) Fracking

Die für Mensch und Umwelt extrem gefährliche Methode, Gas mithilfe von Chemikalien aus dem Boden zu befördern, ist in der EU noch nicht zum Einsatz gekommen – in den USA schon. TTIP ermöglicht es, diese Praktik einzusetzen, da Unternehmen nun jetzt auch offensteht, Staaten, von deren Marktregulierungen sie behindert werden, zu verklagen

c) Angriffe auf Arbeiter*innenrechte

Tarifverhandlungen, Betriebsräte und Mindestlohn, all das gibt es in den USA nicht. (Nicht nur) US-Unternehmen fühlen sich von diesen Schutzmaßnahmen der Arbeiterklasse massiv gestört. Nach TTIP werden diese Unternehmen die Möglichkeit haben, auch gegen solche Maßnahmen zu klagen – und Staaten so zur Rücknahme des Schutzes führen.

In der medialen Öffentlichkeit Deutschlands wird kaum etwas über die Inhalte des Abkommens verbreitet. Vielmehr wird sich darauf konzentriert zu betonen, dass ein Freihandelsabkommen für Arbeitsplätze und Wachstum sorgt. Dass dem nicht so ist beweist die Situation in Nordamerika, wo das Nordamerikanische Freihandelsabkommen (NAFTA) schon Millionen von Arbeitsplätzen vernichtet, und die Armut in Mexico vervielfacht hat.

Auch die Tatsache, dass TTIP gar nicht von gewählten Vertreter*innnen der Europäer*innen, sondern von Lobbyisten verhandelt wird zeigt, wie neoliberal und undemokratisch die dahinter steckenden Absichten sind.

Wir von REVOLUTION fallen nicht auf den scheindemokratischen Schwindel der Europäischen Union herein und treten ein für:

Revolution, Rätedemokratie und Arbeitermacht!

Ein Artikel von Flo Wasser, REVOLUTION Zülpich




Stoppt die israelische Aggression gegen Gaza!

Gaza wird erneut von der israelischen Armee angegriffen. Am 14. November startete sie die Operation „Säulen der Verteidigung“ (Pillar of Cloud) mit einer ganzen Serie von Luftangriffen. Seither steigen Rauchsäulen aus bombardierten Gebäuden. Schon nach den ersten Tagen wurden bei den Luftangriffen 19 Menschen – davon 14 ZivilistInnen – getötet. Unter ihnen befand sich Ahmed Jabari, der militärische Anführer der Hamas. Darauf regierten palästinensische KämpferInnen mit dem Abfeuern von Raketen iranischer und russischer Bauart oder mit selbst fabrizierten Qassam-Raketen und Mörsern. Dabei wurden drei Israelis getötet und die Randbezirke von Tel Aviv, wenn auch recht harmlos getroffen – aber erstmals seit 1991.

In derselben Nacht, als die Luftangriffe gestartet wurden, ordnete Israels Premier Netanjahu die Mobilmachung von 30.000 ReservistInnen für einen Bodenangriff auf Gaza an. Infanteriebataillone wurden in Marsch gesetzt, Panzer, Artillerie und Fahrzeuge an die Grenze verlegt.

Das alles sieht nach einer Wiederholung der Operation „Gegossenes Blei“ (Cast Lead) aus. Unter diesem Namen führte Israel 2008/09 den letzten brutalen Krieg gegen Gaza. Dabei wurden 1.400 Menschen, v.a. ZivilistInnen, getötet und die ohnedies überaus schlechte Infrastruktur des Landes – Häuser, Krankenhäuser, Schulen – weitgehend zerstört. In den letzten drei Jahren wurden diese trotz der Blockade zumindest teilweise und unter enormen Entbehrungen wieder aufgebaut – zweifellos ein verlockendes Ziel für die rachsüchtige brutale Führung, die den Apartheid- und Siedlerstaat Israel anführt.

Zweifellos gibt es aber wichtigere Ziele für den Angriff: Am 22. Januar finden vorgezogene Parlamentswahlen in Israel statt. Um eine Niederlage angesichts eines unpopulären Austeritätsbudgets zu vermeiden, könnte ein Krieg, dessen Opfer die PälestinenserInnen wären, dabei Netanjahus Wahlchancen erhöhen. In diesem Zusammenhang sollte niemand vergessen, dass auch die Wahlen 2009 inmitten der Operation „Gegossenes Blei“ stattfanden.

Ein anderer Grund hängt mit dem drohenden Angriff Israels auf den Iran zusammen. Falls Israel Bomber gegen iranische Nuklearanlagen und wahrscheinlich große Teile seiner militärischen Infrastruktur schickt, möchte es nicht, dass selbst die recht schwachen Raketen der Hamas in Tel Aviv einschlagen könnten. Zweifellos will Netanjahu, der sich einen Wahlsieg Mitt Romneys gewünscht hatte, auch testen, wie weit er unter Obama gehen kann – doch dabei hat die israelische Regierung sicher wenig Grund zur Sorge.

Sicher ist in jedem Fall, dass die israelischen Angriffe keine Reaktion auf Raketenangriffe aus Gaza sind. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Der Bruch des Waffenstillstands zwischen Hamas und der israelischen Armee, der seit 2009 in Kraft war, geht auf eine Serie mörderische Anschläge Israels im September und Oktober zurück, als 57 PalästinenserInnen umkamen und 257 verletzt wurden – 209 infolge von Angriffen durch israelische Raketen, 69 durch Gewehrfeuer und 18 durch Panzerbeschuss. So wurden z.B. vier Jugendliche beim Fußballspiel durch israelische Artilleriegranaten getötet.

Am 5. November wurde ein 20jähriger geistig Behinderter, Ahmad al-Nahabeen, erschossen, als er der Grenze zu nahe kam. Am 8. November wurde ein 13jähriger beim Spiel vor seinem Haus von gepanzerten Fahrzeugen der israelischen Armee umgebracht. Als Vergeltung wurden eine Reihe Raketen abgefeuert. Aber es scheint, dass Hamas daraufhin – am 12. November – einen Waffenstillstand angeboten hat. Darauf deuten jedenfalls Berichte israelischer Medien hin, dass Unterhändler über eine langfristige Feuerpause verhandelte hätten. Doch genau zu diesem Zeitpunkt begann die Offensive.

Diese Fakten zeigen, dass Israel – weit davon entfernt, eine Insel der „Demokratie“ im Nahen Osten zu sein – in einem permanenten Kriegszustand gegen die palästinensische Bevölkerung und der Aggression gegen seine Nachbarn existiert. Der zionistische Staat baut nicht nur ständig seine Siedlungen in der West-Bank aus und macht damit jede Aussicht auf einen lebensfähigen Staat in der West-Bank zu reiner Makulatur; er führt auch immer wieder Strafexpeditionen nach Gaza durch, um all das zu zerstören, was die 1,7 Millionen EinwohnerInnen in ihrer winzigen Enklave aufgebaut haben.

Wie zu erwarten, haben die USA, Großbritannien, Deutschland und die anderen Länder der EU die Raketenangriffe der PalästinenserInnen auf Israel verurteilt und die mörderischen Angriffe Israels gerechtfertigt – im Namen des „Rechts, seine StaatsbürgerInnen zu verteidigen“. So erklärte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Mark Toner: „Es gibt keine Rechtfertigung für die Gewalt, die Hamas und andere terroristische Organisationen gegen das israelische Volk anwenden.“

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte: „Die Raketenangriffe der Hamas und anderer Fraktionen im Gaza, die die gegenwärtige Krise herbeigeführt haben, sind ganz und gar unakzeptabel für jede Regierung und müssen gestoppt werden. Israel hat das Recht, sein Bevölkerung gegen diese Art von Angriffen zu schützen.“

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle sagte: „Es ist offenkundig, dass Israel eine legitimes Recht hat, sich selbst zu verteidigten und seine StaatsbürgerInnen vor Raketenangriffen aus dem Gaza-Streifen zu schützen.“

Und der „Friedensgesandte“ des sog. Nahost-Quartetts (USA, UN, EU, Russland), Tony Blair, erklärte im Fernsehen: „Falls der Raketenbeschuss aus Gaza, der sich gegen israelische Städte und Dörfer richtet, weitergeht, wird die Vergeltung zunehmen. Rund eine Million Menschen (in Israel) sucht jede Nacht Schutz. Keine Regierung, deren BürgerInnen unter diesem Druck stehen, kann verhindern, dass sie selbst unter Druck gerät, aktiv zu werden.“

Und was ist mit den 1,7 Millionen Menschen in Gaza, die ohne Schutzräume dastehen? Die kommen in der Welt des „Bombers von Bagdad“ Blair offenkundig nicht vor. Der UN-Sicherheitsrat hat eine Dringlichkeitssitzung anberaumt, kam aber zu keiner Entscheidung – zweifellos wegen des westlichen Vetos gegen die leiseste Kritik am Verhalten Israels und seine Angriffe auf die eingesperrte und gepeinigte Bevölkerung Gazas. Wieder einmal führen die „westlichen Demokratien“ der ganzen arabischen und muslimischen Welt ihre bedingungslose Unterstützung für den zionistischen Wachhund des Imperialismus vor Augen. Nur jemand wie George Buch konnte sich dann noch fragen, warum „hassen sie uns“?

Die wirtschaftlichen und strategischen Interessen der imperialistischen Mächte wiegen nun einmal viel mehr als ihre angeblichen Sorgen um Menschenrechte und Demokratie. Nachdem der zionistische Siedlerstaat als „westlicher“ Vorposten installiert worden war, um die arabische Welt zu spalten, besser auszubeuten und zu beherrschen, war und ist natürlich auch keine andere Haltung dieser Mächte zu erwarten.

In den imperialistischen Ländern, wo die Herrschenden alles und jede Aktion des zionistischen Staates unterstützen, ist es unsere Pflicht als InternationalistInnen und Anti-ImperialistInnen, gegen den brutalen Angriff auf Gaza wie schon 2008/09 zu mobilisieren. Wir müssen uns dieser Aufgabe stellen! Wir treten für einen Boykott aller israelischen Institutionen und Unternehmen ein – an den Unis, in der Industrie, im Handel.

Die Gewerkschaften, Studenten- und Jugendorganisationen, alle fortschrittlichen Kräfte müssen den israelischen Angriff verurteilen und ihre eindeutige Unterstützung des palästinensischen Widerstands erklären. Wir weisen entschieden das Argument zurück, dass Opposition zum Staat Israel und seiner rassistische Politik der ethnischen Säuberung der PalästinenserInnen anti-semitisch wäre. In Wirklichkeit ist eine klare Unterstützung der Unterdrückten, das beste Mittel zu internationalen Solidarisierung und auch eine wichtige Unterstützung für
die Minderheit anti-zionistischer Kräfte in Israel selbst.

Die wichtigste und unmittelbarste Hilfe für die PalästinenserInnen könnte jedoch aus den Ländern kommen, wo der arabische Frühling Diktatoren gestürzt hat, die Israel unterstützten. Allen voran geht es dabei um Ägypten. Die Tatsache, dass Präsident Mursi seinen Premierminister nach Gaza gesandt hat, zeigt, dass er unter Druck von unten steht. Die revolutionäre Jugend und die Massen, die mit den PalästinenserInnen sympathisieren, müssen jedoch mehr fordern als leere, rein diplomatische Gesten – die Öffnung der Grenze nach Gaza, so dass Nahrungsmittel, Medizin und Waffen die belagerte Bevölkerung zu erreichen können.

  • Stoppt den brutalen Angriff auf Gaza!
  • Für einen Boykott Israels und seiner Institutionen im Ausland durch die Arbeiterklasse und Jugend!
  • Sieg dem palästinensischen Befreiungskampf!
  • Nieder mit dem zionistischen Apartheidstaat!

Resolution des Internationalen Sekretariats der Liga für die Fünfte Internationale, Übernommen aus: Infomail 655, 17. November 2012




Nieder mit Assad – Sieg der Free Syrian Army!

Für den Sieg der „Free Syrien Army“ und den Aufbau einer unabhängigen revolutionären Arbeiterpartei!

In diesen Tagen und Wochen wird in Damaskus, Aleppo, Idlib und anderen Städten Syriens über die Zukunft des Landes entschieden. Ohne zunächst einzugehen auf die politischen Pokerzüge verschiedener regionaler oder imperialistischer Mächte und deren Ringen, sich im Syrien nach Assad schon mal einzukaufen und beliebt zu machen, muss eines betont werden: Der Ausgang der Kämpfe in Aleppo und Damaskus wird darüber entscheiden, ob die unterdrückte Bevölkerung Syriens voranschreiten und gegen Diktatur, Unterdrückung und Imperialismus siegen kann – oder ob sie für weitere Jahrzehnte unter der Gewaltherrschaft von al-Assad schmoren, hungern und leiden wird.

Die Freie Syrische Armee (FSA) muss in ihrem gerechten Kampf gegen die Regierung siegen – anderenfalls würden in Syrien bald keine Revolutionäre mehr am Leben sein, das Schlachten der al-Assad-Regierung an der syrischen Bevölkerung würde erst beginnen. Wir stehen daher in diesem Bürgerkrieg ohne wenn und aber auf der Seite der Unterdrückten und der FSA, die für ihre Rechte kämpft – und wollen alle Internationalist_innen auffordern, sich mit unseren Schwestern und Brüdern in Syrien zu solidarisieren. Sie haben jedes Recht, diese Regierung zu stürzen, und wir dürfen in dieser Frage nicht neutral sein.

Wir wollen uns noch mit den Argumenten der al-Assad-Freunde auseinandersetzen, und wir wollen keine undifferenzierte politische Unterstützung für bürgerliche und reaktionäre politische Strömungen üben – doch wir unterstützen jeden Kampf, jede Aktion, wenn sie die verbrecherische Syrische Armee schwächt und den Sturz der Regierung al-Assad näherbringt. Dies ist nicht nur im Interesse der syrischen Jugend, der Arbeiter_innen und der Armen. Es ist auch Vorraussetzung für die Befreiung der 500.000 Palästinenser_innen in Syrien. Entgegen den Behauptungen der Regierung muss der Großteil von ihnen staatsbürgerliche Rechte entbehren und seit 60 Jahren als „Flüchtlinge“ in Lagern vegetieren.

Panzerkollone des Regimes – Syrien unterhält eine der größten Armeen der Region.

Seit Beginn des Ramadan am 20. Juli haben beide Seiten – die FSA ebenso wie die Regierungsarmee – ihren Einsatz und ihre Anstrengungen nochmals erhöht. Sie kämpfen mit höchst ungleichen Mitteln: in Stärke und Ausrüstung ist die Regierung der FSA weit überlegen. Letztere verfügt kaum über schwere Waffen, ihre Strukturen sind weit weniger gefestigt und die Versorgung mit Munition und lebensnotwendigen Gütern ist nicht gewährleistet. Die Behandlung von Verwundeten – Kämpfern wie Bewohner_innen – muss in notdürftig eingerichteten Feldlazaretten stattfinden, da die Krankenhäuser regelmäßig von Assad-Milizen „gesäubert“ werden.

Umso bewundernswerter ist ihre Ausdauer und ihre Opferbereitschaft, mit der die FSA Viertel und Städte unter andauerndem Artilleriebeschuss wochen- und monatelang gegen die Armee verteidigt. Vorraussetzung dafür ist zum einen die Selbstlosigkeit und der Todesmut ihrer Kämpfer, zum anderen die Unterstützung durch die städtische und ländliche Bevölkerung. Sie kämpft seit einem Jahr mit gewaltigen Opfern, aber dennoch ungebrochen gegen einen vielfach größeren, stärkeren und professionelleren Feind. Diese Opfer, bislang beinahe 25.000 tote Kämpfer und Bewohner_innen, sind jedoch nicht umsonst: immer mehr Soldaten der Syrischen Armee wechseln die Seite, viele tausend Jugendliche schließen sich spontan der Freien Armee an.

Selbst die Assad-Führungsclique begann in den letzten Wochen zu bröckeln. Im Angesicht der drohenden Niederlage verlassen die Ratten das sinkende Schiff. Zwar hat die FSA auch empfindliche Niederlagen hinnehmen müssen – doch es ist zu beachten, dass in einem Guerilla-Kampf andere Regeln gelten als in herkömmlichen Kriegen. Ein taktischer Rückzug, wie zuletzt aus dem Viertel Al-Saladin in Aleppo, ist nicht gleichbedeutend mit einer Niederlage – Guerilla-Kämpfer sind in der Lage, unterzutauchen und an anderer Stelle oder zu anderer Zeit den Kampf fortzusetzen. Die FSA kann daher nicht besiegt werden, solange sie die Unterstützung der Bevölkerung genießt.

Aufnahme eines Massengrabes nach einem Massaker des Assad Regimes an Zivilisten.

Das ist auch der Grund für die unglaubliche Brutalität der Syrischen Armee gegen „Zivilisten“. Stets folgt auf den taktischen Rückzug der FSA ein wahlloses Massaker an Bewohner_innen. Wohnviertel in Aleppo, Homs, Idlib und vielen anderen Städten werden täglich schwer bombardiert. Bereits dies sollte allen ernsthaften Linken klarmachen, wer hier für wen kämpft. Doch was ist mit den Argumenten der Unterstützer Assads? Teile der Linken, auch in Deutschland, stellen sich auf die Seite Assads oder leugnen zumindest die Legitimität des Aufstandes. Sie behaupten, die FSA sei in Wirklichkeit ein imperialistischer Agent, wohingegen die Assad-Regierung die Interessen der syrischen Bevölkerung gegen den Imperialismus verteidige.

Selbstverständlich werden ernsthafte Revolutionäre nicht in Abrede stellen, dass die USA, die BRD und andere ihre Agenten in Syrien haben – alles andere wäre nur verwunderlich. Deren Ziel ist allerdings nicht, den Aufstand zum Sieg zu führen – vielmehr wollen sie schonmal klarmachen, wer nach Assad in Syrien mitreden darf. Sie wollen – und hier trennt sie nicht viel von den Stalinist_innen wie der DKP – einen „geordneten Übergang“ anstatt der revolutionären Machtergreifung. Sie wollen, mit einem Wort, eine bürokratische Neuordnung Syriens zu ihrem Vorteil, statt dem Sieg der Revolution im Interesse der Unterdrückten.

Dass nun Imperialisten wie die USA taktische Unterstützung für die FSA üben, delegitimiert jedoch selbstverständlich nicht die Revolution als solche. Wer so denkt, muss jede Revolution verdammen, denn nie werden Imperialisten und Reaktionäre tatenlos zusehen, wo eine Revolution sich erhebt. Mögen die Imperialisten die FSA mit Geld oder Waffen unterstützen – diese Unterstützung anzunehmen ist nicht falsch, sondern obligatorisch, solange keine Bedingungen daran geknüpft sind. Die Stalinist_innen schließen jedoch von einer Übereinstimmung in taktischen Zielen auf eine politische Übereinstimmung oder Abhängigkeit – tatsächlich tragen sie selbst die Verantwortung, sollte die Revolution von den Imperialisten okkupiert werden und in die imperialistische Konterrevolution übergehen.

Zwar stellen sich Kommunisten gegen jede Intervention der UNO/NATO. Aus dem Veto Russlands und Chinas allerdings zu schließen diese seien „Antiimperialisten“ ist nicht nur unsachlich, sondern reaktionär.

Dies kann nur verhindert werden durch volle brüderliche Unterstützung der Revolution, Kampf gegen imperialistische Einmischung, Kampf gegen Illusionen in die UNO und andere imperialistische Organe! Offensichtlich absurd wird die Politik der Stalinist_innen dann, wenn sie eine „anti-imperialistische“ Schutzallianz Russland-China behaupten – diese sind selbst imperialistische Mächte, gehören also zu den Herrschern der Welt und verteidigen nichts als ihre eigenen imperialistischen Ziele, die sie durch die Revolution gefährdet sehen.

Sich in diesem Krieg „neutral“ zu verhalten, ist nicht nur ein unverzeihlicher Verrat an der syrischen Bevölkerung, die derzeit in jeder Minute gefoltert und geschlachtet wird – es bedeutet auch, Syrien nach Assad den „Reformern“, den Islamisten und den Imperialisten zu überlassen, anstatt die Revolution voranzutreiben zur Machtergreifung der Arbeiter_innen und Unterdrückten. Dies zeigt die Entwicklung in Tunesien, Libyen und Ägypten, wo die Revolution zum Stillstand gekommen ist, nachdem Tausende ihr Blut vergossen haben für den Sturz der Diktatur.

Illusionen in die UNO, in imperialistische „Unterstützer“ oder in einen „friedlichen Übergang“ müssen bekämpft werden, indem ihnen die tatsächlichen Möglichkeiten der syrischen Jugend und Arbeiter_innen gegenübergestellt werden:

  • Demokratische Gegenmacht der Unterdrückten statt Gemauschel zwischen „Exil-Syrern“ und Imperialisten!
  • Räte in Stadtteilen, in der Freien Armee, in den Fabriken müssen gebildet werden, um die Übernahme der Macht vorzubereiten!
  • Unterstützung durch die Kämpfer der Tunesischen,
    Ägyptischen und Tunesischen Revolution!
  • In der Freien Armee selbst muss für proletarische Ziele gekämpft werden und für die demokratische Wahl der Komandeure!
  • Die Revolution beschränkt sich nicht auf demokratische Ziele – Selbstbestimmung kann nur erreicht werden, wenn Industrie, Außenhandel und Grundbesitz unter Kontrolle der Unterdrückten gestellt wird!
  • Kein Vertrauen in bürgerliche Führer_innen oder Islamist_innen! Nicht der „Syrische Nationalrat“, nicht die UNO und nicht die Regierung der Türkei dürfen über Syrien entscheiden – dies steht nur der unterdrückten syrischen Bevölkerung selbst zu und den Kämpfern, die derzeit ihr Blut vergießen für die Zukunft Syriens!
  • Für den Aufbau einer revolutionäre Arbeiterpartei, die für die permanente Revolution kämpft!

Ein Artikel von Bruno Lahrius, REVOLUTION Stuttgart




STOP ACTA!

REVOLUTION Kassel / Gruppe Arbeitermacht Kassel

SOPA, PIPA, ACTA *

Hinter diesen merkwürdigen Abkürzungen, die vor kurzem kaum einer kannte, stecken nationale und internationale Verträge, die tiefgreifende Eingriffe in die Rechte von Internetbenutzern beinhalten. Klammheimlich sollten sie auf Regierungsebene durchgedrückt werden, maßgeblich mitgestaltet durch große internationale Konzerne. War es vor einigen Wochen, Im Januar , schon zu heftigen Protesten in den USA gegen SOPA und PIPA gekommen, die Eingriffe in das Internet vorsahen,  und die Abkommen erst einmal gestoppt worden, wurden von Hackern die Inhalte des ACTA Abkommens an die Öffentlichkeit gegeben.

In Polen kam es daraufhin zu Demonstrationen und Straßenschlachten gegen ACTA, aber auch gegen die Regierung, die ACTA „durchwinken“ wollte. In Polen, Lettland, Slowakei und Tschechien ist ACTA vorerst einmal gestoppt. Am 10.2. hat auch die Bundesregierung scheinbar einen Rückzieher gemacht. Es gibt mindestens zwei Kräfte, die hinter der fast unbemerkt vorgenommenen Unterzeichnung des sogenannten ACTA-Abkommens  stehen. Zum einen sind es die Film- und Musikindustrie, Software-Konzerne, (Schulbuch)Verlage und andere Großunternehmen, die mit ihrenPatenten und Urheberrechten weiter Kasse machen wollen. Ein wesentlicher Inhalt von ACTA zielt auf die „ Verletzungen geistigen Eigentums“. Dabei sind es gerade diese Konzerne, die sich alles Mögliche patentieren lassen (zum Beispiel das kleine „i“ als Vorsilbe), die tagtäglich sich die geistige Arbeit von Softwareentwicklern, Wissenschaftlern, Ingenieuren, Grafikern, Textern usw. zwecks Profitmacherei einverleiben.

Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt im Zusammenhang mit ACTA: Die Provider, also die Anbieter von Leistungen im Netz, sollen verpflichtet werden, ihre Userinhalte auf Rechtmäßigkeit zu prüfen. Das ganze ist ziemlich schwammig formuliert, aber das scheint auch beabsichtigt zu sein. Genau das ist aber eine nicht zu leistende Aufgabe, zudem auch von einigen Providern nicht gewollt, weil dann keine Echtzeitkommunikation möglich ist

Die  US-Regierung hat vor einigen Wochen Gesetze (National Defense Authorization Act (NDAA)) eingeführt, die die Einknastung  von Menschen in aller Welt ohne Anklage, ohne Gerichtsverfahren durch Militärs „legalisiert“. Die „Regulierung des Internets“ muss auch in diesem Zusammenhang gesehen werden.

In Europa wird mit der Konstruktion des ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) an denParlamenten vorbei, ohne rechtliche Einspruchsmöglichkeiten, ein unkontrollierbares, internationales Gremium von Regierungen und Bankern geschaffen. Das hat schon eine neue Qualität und zeigt, wie sich imperialistische Staaten Schritt um Schritt ihrer parlamentarischen Fassade entledigen. Gleichzeitig gibt es eine Reihe von Angriffen auf demokratische Rechte, die zum Teil auch auf das Internet abzielen: Vorratsdatenspeicherung, Bundestrojaner usw.

Das Internet mit seinen Kommunikations- und Publikationsmöglichkeiten ist Regierungen immer mehr ein Dorn im Auge. Auch beobachtet die Bourgeoisie, wie das WWW eine Rolle im Aufbau von Widerstand spielen kann. Das Internet hat eine Rolle gespielt bei den Aufständen in Arabien und Nordafrika, halb bei Weiterverbreitung von Forderungen. Ebenso bei der Vernetzung von Protesten in Europa und den USA. Wikileaks hat dazu beigetragen, Kriegsverbrechen zu entlarven.

Mit ACTA können natürlich auch linke Homepages lahmgelegt werden, wenn Webmastern umfangreiche Kontrollen vorgeschrieben werden sollen. Schon in den letzten Jahren kommt es immer wieder zu „Urheberrechtsklagen“ gegen linke Homepageprojekte, meist durch dubiose Abmahnanwälte, gegen die sich zu wehren viel Zeit und Geld verschlingt.

Die „Freiheit des Netzes“ zu verteidigen, ist eine Forderung in die falsche Richtung. Die Netze sind nicht frei.

Das Internet ist mehr denn je in den Händen von Konzernen wie Microsoft, Apple, Google, Facebook, Oracle, Microsoft usw. In den Betrieben wird die Ausbeutung der Arbeitenden und die „Optimierung“ der Betriebsabläufe auf die Interessen der Share Holder durch Software wie SAP optimiert, die zu großen Teilen auch internet-basiert ist. Für Millionen Arbeitende ist das Internet Teil der Intensivierung der Arbeit, hält Arbeitende unter Beobachtung und Erreichbarkeit. Die ideologische Beeinflussung der Arbeiterklasse wird per Internet immer mehr perfektioniert und hat schon längst die Presse über- und das Fernsehen eingeholt (wobei diese Medien immer mehr verschmelzen) Seit Jahrzehnten erleben wir die Pervertierung fast jeder technischen Neuerung unter den Bedingungen kapitalistischer Produktion, die sich auch mit den technischen Möglichkeiten des Internet wiederholt.

Der Widerstand gegen ACTA richtet sich ja teilweise auch gegen die Übergehung parlamentarischer Gremien. Dabei sind die Angriffe auf die Meinungs- und Organisationsfreiheit via Internet auch nicht besser, wenn sie „parlamentarisch legitimiert“ daherkommen.

Unsere Forderungen: 

Wir setzen dagegen die Forderung nach Veröffentlichung und Kontrolle mit der Zielrichtung, Kommunikationsstrukturen zu vergesellschaften (Schließlich wurden sie ja auch mit öffentlichen Geldern, also Steuergeldern, die von den arbeitenden bezahlt wurden, aufgebaut)

Öffnet und entlarvt die nationalen und internationalen Foren, in denen die Entscheidungen bisher wirklich getroffen wurden, der Einsichtnahme durch RepräsentantInnen der ArbeiterInnen, KonsumentInnen, Kommunen und so weiter. Wir müssen für das Recht kämpfen, auf die Computeraufzeichnungen der Banken und Multis zugreifen zu können. Das wäre nicht nur ein Frontalangriff auf das Geschäftsgeheimnis, sondern würde auch InformantInnen aus den „geheimen Festungen“ der Konzerne sowie Internet-HackerInnen von außen ermutigen und bestärken.

Entlarvt die Beeinflussung der lokalen, der nationalen und der Weltpolitik durch die großen Konzerne. Wir müssen den Kauf der Regierungen und Gemeindeverwaltung auf legalem Wege (Lobbyarbeit) und illegale Weise (Korruption) durch das Großkapital aufdecken. Wir müssen dieParteien bloßstellen, die mit Konzerngeld gekauft werden und aufzeigen, welche Spenden und Geschenke sie von den Superreichen und vom Großkapital bekommen.

Freier Zugang zu allen wesentlichen Dienstleistungen, auch im Kommunikationsbereich, bezahlt aus einer Reichensteuer. Kostenlose Bildung und Weiterbildung für alle.

Ausbau der Infrastruktur der Gesellschaft – Verkehr, Energieversorgung, Gas, Wasser und Kommunikationsmittel – durch massive öffentliche Investitionen, bezahlt durch Besteuerung der Reichen. Jede Entwicklung muss unter der Kontrolle der ArbeiterInnen und KonsumentInnen demokratisch geplant werden, damit sichergestellt ist, dass sie nachhaltig und zum Nutzen aller ist.

Wir müssen die Medien für die Massen öffnen. Eine neue Waffe des Kampfes ist schon von unten geschaffen worden: die Bewegung der unabhängigen Medien und Foren in den Industrieländern, aber auch in anderen Ländern, wie auch die Medien von gewerkschaftlichen Strukturen in aller Welt, bäuerlichen Organisationen und Gemeinschaften der Dritten Welt. Wir müssen sie über das Internet verbinden und einen Kampf für die Entlarvung und Übernahme der Medienkonzerne starten. „Medien für Millionen nicht für Millionäre“ muss unser Schlachtruf sein.

Wir müssen derPatentschutzpolitik der Konzerne ein Ende machen. Saatgut, Arzneien, die Forschungsergebnisse bei Pflanzen-, tierischer und menschlicher Genetik müssen den Bedürfnissen aller Menschen dienen, nicht den Gewinnen der Multis.Patentierung von Lebensformen, einschließlich Mikroorganismen, muss verboten werden. Wichtige Medikamente und sonstige Waren müssen für jene gratis zur Verfügung gestellt werden, die sie dringend brauchen – besonders für Menschen mit AIDS und anderen Krankheiten.

Verteidigung des Rechts auf Streik, Rede- und Versammlungsfreiheit, des Rechts auf politische und gewerkschaftliche Organisierung, sowie der Freiheit, sich aller Kommunikations- und Informationsmedien zu bedienen!

Kostenlose Nutzung aller Informationsquellen und freier Zugang zu ihnen, v.a. zum Internet. Im Internet müssen unsere Daten vor Angriffen von Justiz und Wirtschaft geschützt werden, freier Zugang zu allen Softwareprodukten! Besonderer Schutz von Chats, Foren und Communities, diese Daten müssen vor Arbeit“gebern“ und Justiz geschützt werden! Gegen „Vorratsspeicherung“ und „Bundestrojaner“ – gegen den digitalen Lauschangriff!

Vergesellschaftung von Facebook und anderer Web 2.0 Medien, Öffentliche Kontrolle und Schutz der User vor kommerzieller und geheimdienstlicher, staatlicher Ausforschung.

Stop Online Piracy Act (SOPA)

   Protect IP Act (PIPA).

   Acta: Anti-Counterfeiting Trade Agreement

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Occupy Bewegung – Wie der arabische Frühling die Wall Street erfasst!

Seit dem 17.September gibt es auch in Amerika eine Zeltstadt im Herzen des Finanzviertels von New York City. Inspiriert von den Protesten in der arabischen Welt und der M15-Bewegung in Spanien besetzten einige Hundert Menschen nach einer Protestaktion vor der Wall Street den Zuccotti Park in Manhattan. Dort werden Demonstrationen geplant und die tägliche „General Assambly“ abgehalten.

Hatte man vor Kurzem noch die zu tiefst reaktionäre, rechtspopulistische Tea-Party-Bewegung des häufigen in den Medien vernehmen müssen, wächst nun nach den Protesten von Gewerkschafter_Innen, Jugendlichen und Beschäftigten des öffentlichen Dienstes ausgehend von Madison vor gut 8 Monaten erneut eine landesweite Bewegung heran, welche eine Opposition zu der Tea-Party-Bewegung darstellen könnte. Ein Anzeichen hierfür sind die aufkommenden Forderungen auf den „General Assamblys“, dass Vertreter_Innen der Tea-Party-Bewegung die Teilnahme an dieser verboten werden soll.

und das Wachstum einer Bewegung!

Einen ersten wichtigen Wachstumsschub bekam der Protest, als bei einer Demonstration die New Yorker Polizei mit Pfefferspray gegen Demonstrant_Innen vorging und mehrere Personen verhaftete. Diese Aktion des NYPD führte zu einer großen Solidaritätsbewegung nicht nur in NYC. Die Demonstrationen und Solidaritätsaktionen breiteten sich von Küste zu Küste in den USA aus. Dies führte einerseits zu einem starken Anwachsen von „occupy wall street“, anderseits wurde der Bewegung durch die Erfahrung mit der Polizei einige Illusionen in eben diese genommen. Es fanden sich nun auch Forderungen in der Bewegung wieder, welche die Polizeigewalt verurteilte und für eine Aufklärung der Geschehnisse eintraten.

Ebenfalls wichtig für den Protest war, dass sich infolge des Polizeiangriffes auf die Demonstration immer mehrere Teile der organisierten Arbeiterklasse den Protesten anschlossen. Dies hebt die Bewegung unweigerlich auf eine nächste Stufe. Neben öffentlichen Solidaritätsschreiben an die Bewegung von gewerkschaftlichen Verbänden kam es auch zu praktischen solidarischen Aktionen in Form von persönlicher Unterstützung der Besetzungen und Demonstrationen durch Gewerkschafter_Innen.

Nach dem ersten Angriff der Polizei kam es am letzten Samstag erneut zu einem Manöver gegen die Bewegung. Als die an diesem Tag stattfindende Demonstration an der Brooklyn Bridge angekommen war, wurden von der Polizei 700 Menschen der rund 1.500 Demonstrant_Innen festgesetzt. In NYC ist es gesetzlich verboten, während einer Demonstration den Bürgersteig zu verlassen und auf die Straße zu gehen. Die Demonstrant_Innen wurden von der Polizei gezielt auf die Straße gelotst, um sie daraufhin damit zu konfrontieren und sie mit diesem Vorwurf zu verhaften. Dieses Ereignis erzeugte erneut eine große Welle der Solidarität, welches zu einem erneuten Wachstum der Bewegung führte und den Protest in immer weitere Städte des Landes trug.

Für was steht die Bewegung eigentlich?

„occupy wall street“ schreibt von sich selbst, sie sei ein von Menschen getragener Protest für mehr Demokratie. Inspiriert von den ägyptischen Unruhen ausgehend vom Tharir-Platz und den spanischen Protestcamps, möchten sie mit ihren Aktionen auf die Korruption der Demokratie aufmerksam machen und diese bekämpfen. Von sich selbst sagt sie 99% der amerikanischen Bevölkerung gegenüber den 1%-Superreichen zu vertreten. Dieses Prozent, welche sich an der Krise bereicherte, während die restliche Mehrheit der Bevölkerung die Kosten der Krise bezahlen musste, ist ein Hauptkritikpunkt der Bewegung, aus welcher sie ihre Dynamik zieht. Diese Kosten sollen jedoch – gehe es nach den Aktivist_Innen – die Banker und die multinationalen Firmen für die Krise bezahlen.

Einen Plan, wie sie diese Forderung durchsetzen möchte, hat die Bewegung jedoch nicht. Sie beschränkt sich auf eine große Öffentlichkeit, welche durch eine möglichst breit gestreute Öffentlichkeitsarbeit – sei es via Internet oder andere Medien – erreicht werden soll. Die Bewegung ist fixiert darauf, möglichst groß zu werden! Sie jagt der Illusion nach, dass mit purer Masse die Ziele schon erreicht werden können.

Auch das Umgehen mit den Angriffen der Polizei auf die Demonstrant_Innen zeigte, dass darauf keine Antwort vonseiten des Protestes gegeben werden kann. Die Angriffe führten innerhalb der Bewegung etwa nicht dazu, den Aktionskonsens der Gewaltfreiheit zu diskutierten, oder das sie gar Überlegungen anstellte, wie sie sich gegen weitere Angriffe der Polizei schützen könnte. Nein, sie besteht weiterhin darauf, gewaltfrei zu demonstrieren. Diese Gewaltfreiheit schließt aber auch die Selbstverteidigung gegen Polizeigewalt oder andere Angriffe mit ein.

Wohin geht demnach die Bewegung?

Derzeit scheint das Wachstum immer weiter zugehen und weitere Teile des Landes zu erreichen. Dies zeigt sich in der stetigen zahlenmäßigen Zunahme und die weiter zunehmende Unterstützung durch immer breitere Teile der Arbeiterklasse aber auch der bürgerlichen Parteien und Medien.

Die Bewegung hat jedoch noch keine klare Kritik an den derzeitigen politischen Verhältnissen und der bürgerlichen „Bewältigung“ der letzten Krise. Äußerst positiv ist jedoch, dass die Bewegung sehr wohl die internationalen Dimensionen des Problems erkannt hat.

Haben die Aktivist_Innen durch ihre Kritik an der Bewältigung der Wirtschaftskrise und den „bailouts“ der Banken zwar noch keine antikapitalistische Stoßrichtung, so haben sie jedoch eine gewisse Kritik an den Umständen, die der Kapitalismus tagtäglich mit sich bringt.

Wichtig ist auch der Slogan der 99%! Zwar zeigt er auf, dass große Teile der Bewegung eine Spaltung der Gesellschaft in wenige Reiche und viele Arme sehen, jedoch offenbart er auch ein fehlendes Klassenbewusstsein. Sie teilt die bürgerliche Gesellschaft nicht ein in Klassen – die Arbeiterklasse und die Kapitalistenklasse – so wie in der Realität. Sondern sie kritisiert nur einen kleinen Teil der Kapitalist_Innen, indem sie die 1%-Superreichen im Lande an den Pranger stellt. Das Problem daran natürlich nicht, dass mehr als nur Arbeiter_innen an den Protesten teilnehmen würden. Das Problem ist, dass die Anschauung, dass wenn nur die 99% Bewusst in der jetzigen Gesellschaft agieren würde, sie Korruption, Intransparenz, Armut und den Mangel an Demokratie beheben könnten. Tatsächlich braucht die Bewegung aber einen klassenkämpferischen Standpunkt, um ihre Forderungen wirklich umsetzen zu können und entschlossen gegen die Ursache ihres Bestehens vorgehen zu können – den Kapitalismus.

Hierfür wurden schon wichtige Schritte gemacht, als die Gewerkschaften die Protestbühne betraten. Diese Verbindung muss ausgebaut und weiter strukturiert werden. Hierfür müssen die Versammlungen in den einzelnen Städten in den USA zu Organen umgebaut werden, welche über basisdemokratische Mehrheitsentscheide den Protest planen und entschließen können. Darüber hinaus müssen die Teile der Bewegung über die Städte hinweg verbunden werden. Es wird nationaler Versammlungen bedürfen, zu welchen die einzelnen Städte Delegierte entsenden können. Bei solchen Delegiertenversammlungen soll es auch Organisationen der Arbeiterklasse erlaubt sein, Delegierte zu entsenden, um die Verbindung mit den Kräften der organisierten Arbeiterklasse zu verstärken.

Eine weitere Schwäche offenbart sich an der Kritik der korrupten Demokratie. Hiermit offenbart der Protest ein Staatsverständnis, welches ein Bild des neutralen Staates aufweist. Der Staat ist über allem erhaben und kann mit nur genügend Druck zurechtgerückt werden. Diese Einschätzung des bürgerlichen Staates ist eine gefährliche Illusion in diesen. Der Staat ist ein bürgerlicher und somit ein Staat in den Händen der Kapitalist_Innen. Diese werden im Falle des Falles alle Mittel der Repression in die Wege leiten,
um die Bewegung anzugreifen und zu schwächen. Dies zeigte sich auch schon in den ersten Angriffen der Polizei auf die Demonstrant_Innen und die hohen zahlenmäßigen Verhaftungen von Protestierenden. Hierfür müssen die einzelnen Zeltstädte und Demonstrationen einen Selbstschutz organisieren. Einerseits um ihre Camps und Demonstrationen vor Angriffen oder eventuellen Räumungen vor der Polizei zu schützen, als auch gegen Angriffe von reaktionären Kräften vorgehen zu können.

Revolutionär_Inne müssen in den offenen Versammlungen für die oben angesprochenen Ziele kämpfen! Weiter sollte versucht werden weitere Kräfte der Arbeiterklasse in die Bewegung zu ziehen, Forderungen zu erarbeiten und für diese gemeinsam zu kämpfen. Dies ist auch dahin gehend wichtig, da schon die ersten Gewerkschaftsbürokrat_Innen den Anschein machen, den Forderungen der Bewegung, aufgrund ihrer „Radikalität“ nicht unterstützen zu wollen.

The workers need a party of their own!

Der Protest zeigt erneut auf, dass in den USA eines der wichtigsten Projekte der Arbeiterbewegung noch bevorsteht. Der Aufbau einer Arbeiterpartei. In der Zweiparteienlandschaft der USA hat die Arbeiterklasse keine eigene Partei, um für die Interessen der Klasse auch den politischen Kampf führen zu können. Wenn die Bewegung derzeit auch noch zu klein ist, um der Ausgangspunkt für die Gründung einer Arbeiterpartei innerhalb der Vereinigten Staaten zu sein, müssen Revolutionär_Inne diese Forderung in die Bewegung tragen, um weitere Kräfte dafür zu gewinnen!

Aber nicht nur in den USA gehen die Leute derzeit auf die Straße. Schaut man sich in anderen Ländern der Welt um, gehen auch über kontinuierliche Zeit Menschen in Massen auf die Straße. Dies verdeutlicht die internationale Dimension des Protestes gegen die derzeitigen Folgen der Wirtschaftskrise. Sei es in Griechenland, Spanien, Italien, Großbritannien oder Portugal. Auch außerhalb von Europa dreht sich die Protestspirale munter weiter. Gingen vor Kurzem in Israel die Massen in für dort unglaublichen Zahlen für soziale Forderungen auf die Straße, sieht man auch in Nordafrika immer wieder aufflammende Proteste gegen die Verhältnisse. Die Proteste zeigen aber auch, dass isolierte Aktionen von kleinen Schichten der Gesellschaft nicht ausreichen. Hierfür bedarf es revolutionäre Arbeiterparteien in allen Regionen der Welt! Diese müssen jedoch auch international organisiert werden, um die Proteste der einzelnen Länder und Regionen der Welt zusammenzuführen und die Kräfte gemeinsam auf ein Ziel zu lenken! Hierfür brauchen wir eine neue revolutionäre Internationale! Die 5.Internationale!

Ein Artikel von Chris Gebhardt, REVOLUTION-Freiburg




Neue Schuldenkrise – oder wie die Wirtschaft den Bach runtergeht…

In den letzten Monaten berichteten die Medien wieder häufiger über die „Eurokrise“ in der EU, über Schuldenprobleme von Griechenland, Portugal, Spanien und Italien. Gleichzeitig gab es im Juli und August eine US -amerikanische Schuldenkrise, sogar über eine mögliche „Zahlungsunfähigkeit“ der USA wurde spekuliert, bis dann die beiden Kammern der USA(Senat & Repräsentantenhaus) eine Erhöhung der Schuldengrenze beschlossen.

In unserem Artikel wollen wir uns mit den Gründen für die Schuldenkrise beschäftigten, wieso die aktuelle Krise direkt mit der Wirtschaftskrise von 2008 zusammen hängt, was die astronomischen Summen eigentlich mit uns zu tun haben und welche Auswirkungen sie auf uns haben werden!

Woher kommen denn die ganzen Schulden?

Derzeit wird viel über die Schuldenquote bestimmter Staaten gesprochen, so liegt die Schuldenquote Griechenlands bei fast 160% – aber was heißt das eigentlich? Bei dieser Quote werden die Gesamtschulden eines Staates, in Beziehung zum jährlichen Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesetzt, das BIP fasst alle Umsätze einer Volkswirtschaft zusammen.

Griechenland erwirtschaftete 2010 ein BIP von 230 Milliarden €, die Schuldenquote lag bei ca. 125% – damit überstieg die Schuldenmenge das jährlich erwirtschaftete BIP um 25%. In Griechenland entwickelte sich diese Quote in den letzten 4 Jahren rasant. 2007 lag diese Schuldenquote noch bei 95.7%, für 2011 wird eine Quote von 157% erwartet.

Diese Entwicklung trifft für alle Staaten der EU zu, wie auch für die USA & Japan – so erhöhten sich die Staatsschulden der BRD, USA und Japan in den letzten vier Jahren um ein Drittel oder mehr. Wie bei privaten Schuldnern, gibt es für Staaten sogenannte „Ratingagenturen“, die die Kreditwürdigkeit der Staaten bewerten. Diese „Ratings“ bestimmen wie viel Zinsen die Staaten für ihre Schulden bezahlen müssen, die BRD hat ein sehr gutes Rating (AAA) und bezahlt derzeit weniger als 3% Zinsen für ihre Schulden – Griechenland z.B. hat ein sehr schlechtes Rating (B1) und müsste auf dem Finanzmarkt 25% Zinsen für die Kredite zahlen.

Nun haben die Staaten aber keine neuen Schulden aufgenommen, um den Beschäftigten, der Jugend oder den Rentnern Wohltaten zu schenken. Woher also kommen die Schulden? Die Schulden wurden aufgenommen, um den Banken und Unternehmen zu helfen. Diese hatten in der Finanz – und Wirtschaftskrise 2008/2009 riesige Verluste angesammelt. Bei den Banken hießen diese Verluste „toxische Papiere“. Aus der Chemie wissen wir, das „toxisch“ ein sehr unangenehmer Zustand ist, bei den Banken hieß das, das viele Kredite quasi nichts mehr wert waren. In der Situation übernahmen die Staaten diese „toxischen“ Papiere mit direkten Finanzhilfen und sogenannten Bürgschaften, welche von den Banken in Anspruch genommen werden konnten.

In der BRD bürgte die Regierung beispielsweise mit 125 Milliarden € für die „Hypo Real Estate“ und legte den „SOFFIN“ Fond in Höhe von circa 500 Milliarden € an, von dem sich dann verschiedene Banken und Finanzinstitute Kredite abholen konnten. Ähnliche „Rettungsmaßnahmen“ gab es in den EU Staaten, der USA und Japan – insgesamt wurden mehrere Billionen Euro den Finanzmärkten und Banken zur Verfügung gestellt. Die Finanzmittel der damaligen Krise sind die Schulden von Heute. Die Staaten nahmen diese Schulden entweder bei den Zentralbanken (wie die FED in den USA oder die Bundesbank in der BRD) oder den privaten Banken auf – mit diesen Schulden wurde die Pleite von Banken und Unternehmen verhindert und die Profite der Kapitalisten gesichert.

Die Ratingagenturen – oder gib mir ein „Triple A“!

Seit 2008 haben die Staaten den Finanzmarkt mit Billionen finanziert und gestützt! Damit wurden die eigenen Staatsschulden erhöht. Besonders zugespitzt hatte sich diese Entwicklung beim „reichsten“ Land der Welt – den USA. In den USA gibt es eine „Schuldenobergrenze“. Diese lag bis Anfang August bei 14.3 Billionen $. Für dieses Jahr ist zu erwarten, dass diese Grenze überschritten werden muss, wenn die USA ihre Zinsen, die öffentlichen Beschäftigen oder das Militär bezahlen will. Anfang August wurde diese Grenze um 2.6 Billionen $ erhöht, dieses Jahr wird allein der US- Haushalt (also ohne Bundesstaaten und Kommunen) 800 Milliarden $ neue Schulden aufnehmen müssen. Dieser Vorgang ist nichts neues in der US-Geschichte. Im Durchschnitt wurde alle zwei bis drei Jahre die Schuldengrenze von der US-Regierung erhöht, seit 1945 neunzehn mal.

Nachdem die Grenze jetzt erhöht wurde, gab es aber eine Abstufung der Kreditwürdigkeit der USA durch die Ratingagentur „Standard & Poor“. Die bisherige Topbewertung AAA wurde auf AA+ gesenkt. Konkret bedeutet das höhere Zinsen für die USA für künftige Kredite. Gleichzeitig wurden auch die EU Staaten Portugal und Italien abgewertet – danach sanken die Börsenkurse und vernichteten im August circa 25% der weltweiten Börsenwerte.

Die Ratingagenturen sind private Unternehmen, die im Auftrag der Großbanken die Kreditwürdigkeit von Staaten, Kommunen und Unternehmen bewerten – nach diesen Bewertungen wird das jeweilige Zinsniveau bestimmt.

Der französische Präsident Sarkozy bezeichnete es als „nationale Aufgabe“ für Frankreich die Topbewertung AAA zu behalten, gleich im Anschluss gab es ein weiteres Sparpaket, nachdem bereits 2010 ein Sparpaket mit massiven Sozialkürzungen durchgesetzt wurde. In dieser Zeit sprach sogar die „Financial Times Deutschland“ von einer „Diktatur der Ratingagenturen“.

Wie das Kapital die Krise lösen will…

Am Beispiel Griechenland können wir beobachten wie sich das Kapital eine „Krisenlösung“ vorstellt. Der griechische Staat bekommt Kredite von der EU und der EZB (Europäische Zentralbank), damit sollen die bisherigen Kredite abbezahlt werden. Das erklärt auch zu großen Teilen die gestiegene Schuldenquote Griechenlands in den letzten beiden Jahren. Um diese Kredite zu bekommen muss der griechische Staat aber zunächst massive Angriffe und Kürzungen gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchführen. Dazu gehören die Erhöhung der Lebensarbeitszeit, die Kürzung der Gehälter der öffentlichen Beschäftigten, die Erhöhung der Verbrauchssteuern und eine massive Privatisierung des noch vorhandenen öffentlichen Eigentums. Erst die Verabschiedung dieser „Spargesetze“, welche direkt durch die EU-Bürokratie und die BRD als imperialistischem Hegemon, der griechischen Regierung vorgeschrieben wurden, gab man die Kredite an Griechenland frei.

In der EU wird nun eine „Schuldenbremse“ von der BRD und Frankreich vorgeschlagen. Diese „deutsche“ Erfindung beinhaltet ein Gesetz, nachdem EU-Staaten ab einem bestimmten Jahr überhaupt keine Schulden mehr machen dürfen. In der BRD steht das nun im Grundgesetz – ab 2016 darf der Bund keine neuen Schulden mehr aufnehmen, ab 2020 die Bundesländer und die Kommunen.

Ähnliches, wenn auch unter anderen Bedingungen, geschah in den USA. Gleichzeitig mit der Erhöhung der Schuldengrenze wurde auch ein Sparpaket in gleicher Höhe verabschiedet. Das war die Voraussetzung für die „oppositionellen“ Republikaner, der Erhöhung überhaupt zu zustimmen.

Diese Sparpakete sind die Antwort von Kapital und Staat auf die Schuldenkrise. Wurden die Schulden aufgenommen um die Verluste des Kapitals während der Krise aufzufangen und gleichzeitig neue Profite zu sichern, sollen die Staaten jetzt weltweit die Kosten für die Schulden direkt auf die Arbeiterklasse, große Teile des Kleinbürgertums und die Jugend abwälzen. Dazu werden zum einen die Sozialleistungen massiv gekürzt, während gleichzeitig eine neue Privatisierungswelle gestartet wurde. Vor allem staatliche Unternehmen, aber auch Bereiche wie Gesundheit, Verkehr, Rente und Bildung, von denen sich das Kapital noch zusätzliche Profite verspricht, sollen privatisiert werden.

Die Krise heißt Kapitalismus!

Die momentane Schuldenkrise, wurde vom Kapital, beziehungsweise den Kapitalisten verursacht. Während alle Profite den Kapitalbesitzern „gehören“, die sich durch Ausbeutung aneignen und über die Börse auszahlen lassen, müssen die Verluste von der Allgemeinheit getragen werden.

Wenn jetzt die EU einen Rettungsfond für die Euro-Zone auflegt, so ist dieser Fond nur zur Rettung der Banken und Absicherung der Staatsanleihen da, genau wie die sogenannten „Euro Bonds“.

Die Nationalstaaten dienen dabei dem Kapital als Versicherung seiner Geschäfte. Durch vielfache Steuersenkungen bleibt der Profit meist unangetastet, durch Polizei und Militär wird jeder mögliche Widerstand national und international bekämpft und durch Bürgschaften und Kredite wird der Finanzmarkt zahlungsfähig gehalten. Nur durch die Hilfen seit 2008 sind die Banken und das Kapital heute in der Lage ganze Volkswirtschaften in den Ruin zu treiben, um sie dann gänzlich unter ihre Profitkontrolle zu stellen.

Aufgrund dieser aktuellen Fonds und Bürgschaften werden die nächsten Sparpakete bereits aufgelegt. In Frankreich werden neue Maßnahmen beschlossen
und in Spanien wird die „Schuldenbremse“ eingeführt. Diese „Schuldenbremse“ wird die soziale Realität der nächsten Jahre bestimmen, weitere Kürzungen, Entlassungen und Privatisierungen stehen auf der Tagesordnung.

Dagegen müssen wir Widerstand organisieren, besonders in den europäischen Gewerkschaften. Während in Frankreich und Griechenland die Gewerkschaften zum Generalstreik getrieben wurden, begnügte sich der DGB in der BRD mit Standortpolitik und stillhalten. Deswegen müssen wir die Beschäftigten und die Basis der Gewerkschaften gemeinsam mit den Jugendlichen und Arbeitslosen gegen die nächsten Sparpakete organisieren und schlagkräftige Bündnisse aufbauen.

Von der deutschen Revolutionärin Rosa Luxemburg ist der Ausspruch „Sozialismus oder Barbarei“bekannt, dieser wurde vor dem 1.Weltkrieg von ihr geprägt. Heute ist er aktueller denn je, denn dieses System hat abgewirtschaftet. Während Hungerkatastrophen, wie in Ostafrika zehntausende von Menschen heimsuchen und jährlich Hunderttausende sterben lassen, in einem Wirtschaftssystem, dass die ökologischen Grundlagen der Menschheit vernichtet – in so einer Situation soll uns interessieren, welche Buchstaben eine Ratingagentur über die Kreditwürdigkeit einer Volkswirtschaft veröffentlicht? Erbärmlicher geht’s eigentlich nicht!

Gefordert ist nun ein entschlossener internationaler Widerstand gegen den Kapitalismus, wir haben unsere Antwort Rosa Luxemburgs Frage. Für eine Gesellschaftsordnung die den Interessen der Mehrheit gehorcht und nicht den Profit -und Zinserwartungen einer kleinen parasitären Elite.

  • Wir zahlen nicht für ihre Krise! Organisiert euch gegen die Sparpakete und die Krise – baut  Organe des Widerstandes im Betrieb, in der Schule und im Stadtteil auf!
  • Für die entschädigungslose verstaatlichung der Banken zu einer zentralen Staatsbank, sowie aller Unternehmen, die Entlassungen oder Gehaltskürzungen fordern, unter Arbeiterkontrolle!
  • Für das Recht der Beschäftigten und der Arbeiterbewegung Einsicht in die Geschäftsbücher der Großkonzerne und Banken zu haben!
  • Vom Abwehrkampf zur Offensive! Gegen Hartz IV, die Rente mit 67 und die Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre! Bekämpft die Leiharbeit, für einen Mindestlohn von 11 Euro die Stunde!
  • Teilt die Arbeit auf alle Hände auf – für eine 35-Stunden Woche und Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich!
  • Fordert die Gewerkschaften und Arbeiterparteien zur Aktion auf und organisiert in ihren Reihen eine kämpferische Basisbewegung!
  • Gegen Krise und Kapital – der Widerstand muss international koordiniert werden! Gegen Chauvinismus und nationalistische Hetze gegen „die faulen Griechen“, „gegen die Migranten die unsere Arbeitsplätze klauen“ oder ähnliche Verleumdungen, die unseren Widerstand spalten! Für europaweite Aktionen gegen die Sparangriffe und die Auswirkungen der Krise, die Führer der Gewerkschaften und Arbeiterparteien müssen zur Unterstützung von Aktionen wie koordinierten Streiks, Massenprotesten, Besetzungen bis hin zum Generalstreik gezwungen werden!
  • Widerstand braucht Organisation – wenn ihr gegen Krise und Kürzungen kämpfen wollt, dann organisiert euch gemeinsam mit REVOLUTION!