Bildung und Schule im Kapitalismus

Langweilige Lerninhalte, die keine:r braucht, vergammelte Schulgebäude, Notenterror, Schulstart mitten in der Nacht, Konkurrenzdruck, Diskriminierung, Ungerechtigkeit und Berge aus Hausaufgaben: Warum wundert sich eigentlich noch jemand, dass so viele von uns keinen Bock mehr auf Schule haben? Das Heft in deinen Händen will dir helfen zu verstehen, warum die Situation in unseren Schulen so scheiße ist, wie sie ist und gleichzeitig Möglichkeiten aufzeigen, was wir dagegen machen können! Wir, das sind Jugendliche von REVOLUTION, gehen teilweise selber zur Schule und haben uns gefragt, was hier eigentlich konkret schiefläuft. An unseren Schulen haben wir bereits viele Erfahrungen damit gemacht, Widerstand gegen dieses beschissene Bildungssystem zu leisten, die wir hier mit euch teilen möchten.

1. Schule wie sie sein könnte

Die Schule ist kein Ort, an dem wir gerne sind. Wir werden dort miteinander verglichen, unter Druck gesetzt, ausgepowert und oft sogar diskriminiert, erniedrigt, vorgeführt und aussortiert. „Das war halt schon immer so, da muss man durch, das wird auch immer so sein“, kriegen wir dann oft zu hören, wenn wir uns über diese Zustände beschweren. Damit soll uns suggeriert werden, dass die Schule so, wie sie heute aussieht, alternativlos ist und wir das zu akzeptieren haben. Dabei ist es überhaupt nicht selbstverständlich, dass wir nicht gerne zur Schule gehen. Eigentlich entwickelt nämlich jeder Mensch kurz nach seiner Geburt einen angeborenen Lerntrieb und eine natürliche Neugier, um seine Umwelt zu entdecken und zu verstehen. Das aktuelle Schulsystem schafft es jedoch erstaunlicherweise jeden Tag aufs Neue, uns diesen angeborenen Lerndrang abzutrainieren.Dabei teilt es uns in „dumme“ und „schlaue“, „gute“ und „schlechte“  Schüler:innen ein. Diese Trennung hat so gut wie nichts mit unseren tatsächlichen Eigenschaften und Fähigkeiten zu tun, sondern wird vom Charakter des Unterrichts und dem mehrgliedrigen, aussortierenden Schulsystem produziert. Aber gibt es denn wirklich keine Alternative? Kann Schule auch anders sein? Wie sieht eine Schule aus, in der wir gerne sind?

Bildung für Alle!

Zunächst sollten erst einmal alle Menschen Zugang zu dieser Schule haben, egal ob sie geflüchtet sind, oder schon immer hier wohnen, wie viel Geld sie haben, ob sie einen festen Wohnsitz besitzen oder nicht, welches Geschlecht sie haben usw. Bildung muss für Jede_n gleichermaßen zugänglich sein! Dabei wollen wir nicht in Schulen mit „abgestuften Bildungsniveaus“ abgeschoben werden. Das mehrgliedrige Schulsystem mit seiner Trennung in Hauptschule, Realschule und Gymnasium bietet uns nämlich alles andere als eine bessere Lernumgebung. Vielmehr will es einige von uns zur zukünftigen Elite ausbilden, während die anderen für diese arbeiten sollen. Wir wollen keine Trennung von Hand- und Kopfarbeit, sondern eine Schule, die uns allen die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten bietet und in der wir unsere Stärken und Talente selber entdecken können.

Unterricht zusammen gestalten!

Aber auch im Unterricht selbst darf es keine Benachteiligungen geben: Wir wollen eine Schule, die sich unseren Bedürfnissen anpasst und sich nach uns ausrichtet und nicht ihre eigenen Fehler auf uns abwälzt und unsere schlechten Noten damit erklärt, dass wir Frauen sind, Deutsch nicht unsere Muttersprache ist, unsere Eltern wenig Geld haben, wir in einem bestimmten Stadtteil wohnen oder irgendein_e Mediziner:in sagt, dass wir eine Behinderung haben. Wenn unsere Mitschüler:innen eine andere Sprache sprechen, anders aussehen, sich anders verhalten oder äußern, erkennt das unsere Schule nicht als ein Defizit, sondern eine Bereicherung für uns alle an. Im Unterricht gibt es keinen Leistungsterror und Notendruck, sondern er ist so aufgebaut, dass wir uns dabei am besten und frei entwickeln können. Die Bedürfnisse an Lerninhalten sollen dabei von uns Schüler:innen, den Lehrer:innen und den anderen Beschäftigten an der Schule gleichermaßen zusammen ermittelt werden. Auch durch frei zugängliche Materialien und selbstregulierte Lern- und Pausenphasen kann uns die Schule dabei helfen zu entdecken, was wir wirklich gut können. Dabei wollen wir nicht alleine dastehen, individuell bewertet werden und für uns selber kämpfen müssen. Vielmehr wollen wir lernen, Aufgaben kollektiv zu bearbeiten. Und das nicht in einer blöden Teamarbeit, in der wir zu viert ein Arbeitsblatt ausfüllen dürfen, sondern durch bewusste Gruppenbildungsprozesse, in denen wir unsere eigenen Stärken und die der anderen kennenlernen und uns so aneignen, wie wir gemeinsam Probleme und Aufgaben lösen können. Kein stupides Auswendiglernen, Wiedergeben und Auskotzen, sondern kollektive, demokratische und kreative Lernprozesse, die uns zu kritischem und emanzipatorischem Denken befähigen. Die Lehrer:innen sind dabei keine allwissenden Autoritäten, die uns sagen, was wir zu tun und zu lassen haben, sondern wirken als Unterstützer:innen für unsere Lernprozesse. Unsere Schule soll ebenso nicht nur aus trockener Theorie bestehen und ein, vom gesellschaftlichen Leben abgekapselter, Elfenbeinturm sein. Warum sollten wir uns die ersten 20 Jahre unseres Lebens ausschließlich mit Input vollpumpen lassen, um die folgenden 50 Jahre nichts mehr zu lernen und nur noch zu arbeiten? Wir wollen keine Trennung zwischen Lernen und Arbeiten, sondern eine Schule, die ein lebenslanges Lernen ermöglicht und in der geistig-schöpferisches Denken und Lernen, praktische Arbeit und gesellschaftlich-nützliche Tätigkeit miteinander verknüpft werden. 

Neue Schule, neue Gesellschaft

Klingt cool? Funktioniert aber alles nicht in einer Gesellschaft, die auf der kapitalistischen* Verwertungslogik aufbaut und kein Interesse daran hat, demokratisch und kollektiv erzogene und kritisch denkende Menschen herauszubilden! Genauso wie die Schule, so ätzend wie sie heute ist, ein wichtiger Bestandteil der kapitalistischen Gesellschaftsordnung ist, kann unsere Schule, wie wir sie gerne hätten, nur Bestandteil einer anderen Gesellschaftsordnung sein. Eine von Grund auf demokratische Gesellschaft, in der über die Politik und die Wirtschaft in Räten in der Schule, im Betrieb oder im Stadtteil entschieden wird. Auch die Entscheidungen über Schule, Lerninhalte, Finanzmittel usw. werden dann nicht mehr von unfähigen Politiker:innen und kommerziellen Unternehmen gefällt, sondern von der gesamten Gesellschaft geplant. Eine solche Gesellschaft kann auch eine Schule schaffen, in der wir gerne sind. Deshalb lasst uns die Schule als Ausgangspunkt nehmen, um für eine solche sozialistische Gesellschaft zu kämpfen!

2. Bildung und Schule im Kapitalismus

Was ist Bildung?

Wenn wir den gesellschaftlichen Zweck von Bildung betrachten, dann hören wir viele hohle Worte. Während die einen sagen, dass Bildung immer neutral sein muss, sagen die anderen, dass mit nur genügend Bildung und Aufklärung eine bessere Gesellschaft erschaffen werden kann. Wir Marxist:innen* lassen uns von diesem Palaver nicht täuschen und wissen, dass die Aufgabe von Bildung und Erziehung im Allgemeinen in jeder Form von Klassengesellschaft* eine Klassenerziehung unter Kontrolle der herrschenden Klasse zur Rechtfertigung ihrer Herrschaft und zur Aufrechterhaltung der bestehenden Ordnung ist. Was das genau bedeutet, wollen wir im Nachfolgenden verdeutlichen. Natürlich existierte Bildung schon vor der Entstehung des Kapitalismus*, jedoch erhielten sie in den vorhergehenden Klassengesellschaften vor allem die Herrschenden, um ihre Stellung wahrnehmen zu können. Die unterdrückten Massen in der Antike und im feudalen Mittelalter wurden meist nur im Zuge der familiären Erziehung für ihre gesellschaftliche Funktion ausgebildet. Beginnen müssen wir jedoch mit der Frühgeschichte des kapitalistischen Wirtschaftssystems:Nachdem die feudale, ständische Gesellschaftsordnung des Mittelalters auf- gebrochen wurde, waren die meisten Menschen Besitzlose, die zum Überleben nur ihre eigene Arbeitskraft verkaufen konnten. Jedoch hatten sie auch keinen Herren mehr über sich, der ihnen eine spezifische Arbeit aufzwingen konnte. Vorher war die Familie der Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens. Jetzt wurden sie vereinzelt und in die Arbeitsstätten gedrängt. Diese Ausdünnung der Familien führte zunehmend zur sozialen Verwahrlosung der Kinder aus Arbeiter:innenfamilien, die schon früh in die Fabriken mussten, um ihren Beitrag zur Familie zu leisten. Die Ideologie der Familie als Mittelpunkt des Lebens brach zusammen. Dadurch, dass Frauen und Kinder nun nicht mehr unter der Aufsicht des Mannes auf dem Feld arbeiten mussten, sondern selber in der Fabrik ihr eigenes Gehalt bekamen, wurde die Autorität des Mannes innerhalb der Familie immer mehr infrage gestellt. Im Allgemeinen führte die zunehmende Vereinzelung und das ins Wanken geratene Bild der altertümlichen Familie zu zunehmenden Depressionen, häuslicher Gewalt bis hin zum (Selbst-)Mord. Dieses Verhalten begründet sich vor allem dadurch, dass den Menschen immer wieder das Ideal der alten Familienordnung eingebläut wurde, welches sich in der neuen wirtschaftlichen Ordnung gar nicht mehr aufrechterhalten ließ. Ein Gegensatz zwischen Idealbild und tatsächlichen Gegebenheiten. Dies führte ebenfalls zur Zuspitzung des Klassenkampfes* rund um Forderungen wie höhere Löhne, sichere Arbeitsbedingungen und (gewerkschaftliche) Organisationsfreiheit. Eine Reihe von Streiks richtete sich damals aber auch gegen Frauen- und Kinderarbeit. Diese hatten einen zwiespältigen Charakter, da sie zum einen das Ziel hatten die bürgerliche Familie unter patriarchaler* Ordnung erneut zu stärken und zum anderen sich gegen die Verrohung der Klasse und für ihre soziale Absicherung zu kämpfen. Auch für den Kapitalismus ergaben sich daraus schwerwiegende Probleme, denn er ist darauf angewiesen, dass sich die Arbeiter:innen* selber darum kümmern, genug neue Arbeiter:innen zu „produzieren“ und am nächsten Tag wieder auf der Matte stehen zu können. Wie sollte die Produktion aufrechterhalten werden, wenn immer mehr Frauen und Kinder arbeiten müssen, die sich dann nicht mehr um Haushalt und Erziehung kümmern können? Hierbei offenbart sich ein gesellschaftliches Problem innerhalb der Kapitalist:innenklasse*. Als einzelne Unternehmer:innen wollten sie immer mehr Profite einfahren, wenn möglich auch über die Grenzen der körperlichen Erschöpfung ihrer Arbeiter:innen hinaus, egal ob jung, alt, weiblich oder männlich. Das müssen sie auch, denn wer keine Profite mehr einfährt, geht in der freien Konkurrenz unter. Als Gesamtklasse der Kapitalist:innen* wollten sie aber auch die herrschende Ordnung aufrechterhalten. Dafür brauchten sie etwas, das die Interessen ihrer gesamten Klasse mit Gewalt und Zwang umsetzen kann. Dies erweiterte den Rahmen des Staates massiv. Zuvor vor allem eine Institution zur gewaltsamen Durchsetzung der herrschenden Interessen gegenüber den Armen und Unterdrückten, nun eine scheinbar neutrale Instanz, die zwischen den Klassen  vermittelt Da der Staat für die Bildung verantwortlich ist, erscheint es uns oft so, als sei sie  neutral und stehe über den Klassen. Tatsächlich wurde der Staat aber von der Kapitalist:innenklasse erschaffen und hat immer nur dem Zweck gedient, die Interessen ihrer Klasse durchzusetzen. Das Beispiel der Einführung der allgemeinen Schulpflicht zeigt, wie das in Bezug auf die Bildung funktioniert. So gingen vorher nur Kinder aus der herrschenden Klasse zur Schule, um später selber in der Lage zu sein, herrschen zu können. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts sollten aber immer mehr Kinder zur Schule gehen und auch die Schulzeit selber wurde stetig länger. Das lag daran, dass sich die Produktion weiterentwickelte und höhere Ansprüche an die neuen Generationen von Arbeiter:innenjugendlichen gestellt wurden. Damit der Bedarf der Kapitalist:innen an besser ausgebildeten Arbeiter:innen gestillt und mehr Kinder in die Schule geschickt werden konnten, sorgte der Staat dafür, dass die Familien nicht mehr auf die finanzielle Unterstützung durch die Löhne ihrer Kinder angewiesen waren. So wurde dieser Wegfall durch höhere Löhne für die arbeitstätigen Teile der Familie und durch Kindergeld ausgeglichen. Kinder und Jugendliche mussten also, um in die Schule gehen zu können, aus dem Produktionsprozess ausgegliedert werden. Die Kapitalist:innen konnten sich dieses kostspielige Abenteuer aber nur leisten, indem sie andere Länder auf der Welt stärker ausbeuteten und sich so ihre verloren gegangenen Profite zurückholten.Heute leben wir in einer Zeit, in der Konzerne nicht nur auf nationaler Ebene produzieren, sondern sich multinationale Riesenkonzerne herausgebildet haben. Getrieben durch die internationale Konkurrenz erleben wir hier ein verstärktes Jagen nach Extraprofiten. Dieses macht auch vor den Reproduktionskosten* nicht halt und zwingt gigantische Menschenmassen tagtäglich in die Subsistenzwirtschaft* oder die Halblegalität, produziert damit auch erneut Kinderarbeit. Bildung ist hierbei oftmals ein stärker klassenspezifisches Gut, internationale Zahlungen der ausbeutenden Nationen eher symbolisch. Das kann in Form von Konzernspenden oder staatlicher „Entwicklungshilfe“ passieren. Ein bisschen was reicht aber auch schon, denn die meiste Kopfarbeit soll ja schließlich in anderen Teilen der Welt geleistet werden. In Afrika, Asien, Südamerika oder Osteuropa steckt der Westen also ein bisschen Kohle in die Bildung, aber würde nicht auf die Idee kommen, die Löhne der Arbeiter:innen zu erhöhen, um auch hier Kinder vom Zwang zur Arbeit zu befreien. Aus dieser Ausbildungszeit entsteht v.a. in den ausbeutenden Nationen eine allgemein-menschliche Entwicklungsphase, die in einem zeitlich so langen und umfassenden Maß historisch nicht zuvor existierte, die Jugend.Hierbei wollen wir die Jugend nicht romantisieren, da mit dieser auch eine spezifische Unterdrückung einhergeht, jedoch ist es auch ein historisch neues Phänomen, dass Jugendkulturen enormen Einfluss auch auf ältere Generationen gewonnen haben und sogar teilweise zum (kulturellen) Leitbild werden. Aber zurück zu den Schattenseiten: Jugendunterdrückung bedeutet Bevormundung. Sie bedeutet wirtschaftliche Abhängigkeit von Erziehungsberechtigten, politische Entmündigung in Wahlen und im Alltag, fehlende Selbstbestimmung über den eigenen Körper und die eigene Sexualität. Sie rechtfertigt Unterbezahlung, wie wir in Deutschland mit der Einführung des „flächendeckenden Mindestlohns“ sehen können, von dem beispielsweise Jugendliche ausgeschlossen sind. Jugendunterdrückung bedeutet noch vieles mehr, wir wollen hiermit nur deutlich machen, dass sie System hat, sie dient der Unterordnung und Gefügigmachung in Schule und Familie, eine ideale Vorbereitung auf die Arbeitswelt als lohnabhängiger Mensch.

Ideologische Erziehung in der Schule

Schule hat im Kapitalismus* jedoch nicht nur eine Gesellschaftsstabilisierende Funktion, sondern auch einen ideologischen, sich auf das allgemeine Bewusstsein auswirkenden Faktor. Die herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse (Marx/Engels – Das Manifest der kommunistischen Partei). Bildung hat also in jeder Gesellschaftsform die Aufgabe, nicht nur zur wirtschaftlichen Aufrechterhaltung des Systems beizutragen, sondern dieses System auch in die Köpfe der Gesellschaftsmitglieder zu pflanzen. Hierbei tut der Kapitalismus so, als sei er ein System, indem alle Menschen dieselben Rechte und somit die gleichen Voraussetzungen hätten. Mal abgesehen davon, dass zum Beispiel Geflüchtete vom Kapitalismus stark entrechtet werden, braucht der Kapitalismus einfach weniger rechtliche Einschränkungen, da das seine inneren ökonomischen Gesetze schon von alleine regeln. Sind doch jene, die sich eine dauerhafte Ausbildung für „ihre“ Kinder nicht leisten können, irgendwann dazu gezwungen, die Schüler:innen aus der relativ isolierten Bildungswelt in die „Arbeitswelt“ zu stecken. Das Gleiche gilt für die, die sich die Nachhilfe nicht leisten können oder nicht genügend freie Zeit oder spezifisches Wissen besitzen, um den Kindern bei den Schulaufgaben zu helfen. Der Ausschluss von Arbeiter:innenjugendlichen aus der höheren Bildung passiert somit meistens automatisch, ohne dass der Staat noch groß nachhelfen muss. Doch nicht nur die Länge des Aufenthaltes in Bildungseinrichtungen, sondern auch ihr Inhalt bestimmt die Bewusstseinsentwicklung. Dies basiert darauf, dass der Staat eine Monopolstellung* über die Bildung hat. Davon sind nur diejenigen befreit, die es sich leisten können, auf Privatschulen zu gehen oder zu Hause unterrichtet zu werden. Aus dieser Alleinherrschaftsstellung folgt auch, dass der Staat alleine entscheiden kann, welcher Lehrstoff auf welche Weise unterrichtet werden soll. Das bedeutet u. a. die Darstellungsweise von historischen Ereignissen, die Selbstkritik des Staates und des Kapitalismus, es bedeutet aber auch die bewusste Überlastung von Schüler:innen durch Dinge wie Bulimie-lernen, durch das zwanghafte Einhalten von Lehrplänen, die Unmöglichkeit der Selbstbestimmung und -entfaltung. Diese diktatorische Form des Lernens – die anfangs aus still sein und ruhig sitzen besteht, bis dies zur Selbstverständlichkeit wird – tötet weite Teile von Kreativität ab und presst die Schüler:innen in eine vorgegossene Form. Hierbei wird Lehrer:innen eine zentralisierte, weitgehend „Arbeitswelt“-fremde Ausbildung auf sachlicher und pädagogischer Ebene erteilt. Der Frontalunterricht ist hierbei ein stark hierarchisch geprägtes Mittel, welches  sehr an militärische Disziplin erinnert. Lehrer:innen müssen außerdem, um ihren Beruf ausüben zu dürfen, die freiheitlich demokratische Grundordnung unterzeichnen, diese umfasst auch das Recht auf Privatbesitz an Produktionsmitteln*, ein Recht also, welches diese Klassengesellschaft* aufrechterhält. 

Jugendunterdrückung: Ergebnis der Trennung von Öffentlichkeit und Privatheit

Ein elementares Problem der Bildung in jedweder Klassengesellschaft * ist die scheinbare Trennung von Bildungs- und Arbeitswelt. Diese isoliert die Schüler:innen von den konkreten Problemen und Prozessen der Außenwelt und schafft eine rein künstliche Konkurrenzsituation rund um das Notensystem und Zukunftsangst bzw. Perspektivlosigkeit. Hierbei tut der Kapitalismus* wieder so, als hätten wir alle die gleichen Chancen und leugnet dabei strukturelle Unterdrückung wie beispielsweise Rassismus, Sexismus oder die Existenz von Klassen. Wenn die Unterschiede dann doch zu sehr auffallen, führt er sie auf angeblich zu geringe Aufklärung und Intelligenz zurück. Denn im Vordergrund steht: Machst du was, dann wirst du was. Dabei ist der Kapitalismus ein System, dass nicht in der Lage ist Menschen vor Krieg und Armut zu beschützen, vollkommen egal wie intelligent diese sind. Dies führt zum einen zur Demoralisierung und Verlust des Interesses am Lernen an sich für einen großen Teil der Schüler:innen. Und zum anderen dazu, dass die Ausbildung neuer Generationen von Arbeiter:innen* nicht als gesellschaftlich notwendige und für alle Mitglieder wichtige Aufgabe wahrgenommen wird. Dies reproduziert und legitimiert wiederum die Jugendunterdrückung. Hieraus werden unbezahlte Praktika, Benachteiligung im Beruf, Unterbezahlung in der Ausbildung und vieles weiteres gerechtfertigt.  Denn die (Aus-)Bildung wird als individuelle Karrierechance und nicht als gesellschaftlich notwendiges Produkt begriffen.

Die Schüler:innenvertretung: Mittel zur Mitbestimmung?

Doch gibt es nicht auch in der Schule Möglichkeiten der Mitbestimmung? Die jährlichen Schüler:innensprecher:innenwahlen und die Schüler:innenvertretung klingen super, sind aber eine ziemliche Mogelpackung. Erst einmal wird Schüler:innen in jungen Jahren vollständig die Interessenvertretung untersagt. Erst in den mittleren und höheren Schuljahren dürfen sie ihre eigenen Schüler:innenvertretungen wählen. Diese ähnelt in vielen Punkten dem parlamentarischen System der Bundesrepublik Deutschland. So können die Schüler:innen in regelmäßigen Abständen wählen. Eine Überprüfung, ob die Gewählten auch wirklich im Interesse der Schüler:innen handeln, geschweige denn eine mögliche Abwahl sind dabei wie auch im politischen System der BRD nicht vorgesehen. Auch die Einflussmöglichkeiten der Schüler:innenvertretungen sind winzig, obwohl sie die Mehrheit der Menschen, die sich in der Schule aufhalten, vertritt. So haben sie keinerlei Einfluss auf Unterrichtsinhalte, Bildungsetats oder rechtliche Mittel um Schüler:innen vor Willkür und Repression* zu beschützen. Es handelt sich vielmehr um eine Art Vorschlagsrecht. Vor allem schließen sie aber einen Großteil der Schüler:innenschaft aus der aktiven Beteiligung aus. Sie gewöhnen sie somit an das politische System in Deutschland und an die kommenden Jahre der realen Stimmlosigkeit und beschränkten Selbstorganisierung. So kommt es, dass die meisten Schüler:innenvertretungswahlen zu Beliebtheitswahlen verkommen. Sollte es mal vorkommen, dass einzelne Schüler:innen richtig viel Kraft und Energie in die Schüler:innenvertretungen stecken, wird das nicht als schulische Leistung anerkannt. Mit Glück wird es vielleicht auf dem Zeugnis irgendwo am Rand erwähnt. Somit steht das ehrenamtliche Engagement scheinbar im Gegensatz zum schulischen Erfolg, da wir uns entscheiden müssen, ob wir die Zeit lieber zum Lernen oder zum Politikmachen verwenden. Dies ist kein zufälliges Phänomen. Hier sieht man deutlich, wie uns die Struktur der Schüler:innenvertretung an das parlamentarische System gewöhnen soll. Jede Gesellschaft benötigt die Bildung, um ihre Mitglieder im Sinne ihres politischen Systems zu erziehen, auch eine befreite Gesellschaft*. Diese würde den Schüler:innen jedoch vollste Mitbestimmungsrechte garantieren. Doch was sind das für Formen, die nicht nur beschränkte Mitbestimmung, sondern volle Selbstbestimmung ermöglichen? Darauf wollen wir im späteren Verlauf eingehen.

Bildung & Krise

In Zeiten verschärfter wirtschaftlicher Krisen versucht das Kapital die Schulzeit zu verringern und auch die Kosten für Bildung auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen. Steigende Lehrmittelkosten für Schulbücher, Druckkosten, Exkursionen, Taschenrechner und vieles mehr sind gute Beispiele dafür (Studiengebühren im Hochschulbereich). Eine gesamte Schulklasse freut sich auf die Klassenfahrt, aber für Einige ist dieses soziale Event unbezahlbar. Während für die Armen Bildung immer teurer wird, schicken immer mehr Eltern aus der Kapitalist:innenklasse*, der Mittelschicht oder den oberen Schichten der Arbeiter:innenklasse* ihre Kinder auf Privatschulen. Wer eine gleichberechtigte Gesellschaft aufbauen will, muss diese abgeschotteten Inseln der guten Bildung für die Reichen scharf kritisieren! Ein anderer Ausdruck der sozialen Auseinanderentwicklung ist das mehrgliedrige Schulsystem. Hier wird selektiert, bevor die Entwicklung des menschlichen Gehirns überhaupt abgeschlossen ist und ohne soziale Ungleichheiten innerhalb der Schule zu berücksichtigen. In Zeiten der Wirtschaftskrise heuchelt die jeweilige Schulgliederung die soziale Perspektive vor und tut so, als gäbe es höher- und minderwertige Aufgaben in der Gesellschaft. Diese Hierarchisierung ist Blödsinn, denn es sollte einzig und allein darauf ankommen, ob eine Tätigkeit gesellschaftlich notwendig ist. In Deutschland, aber auch darüber hinaus, sehen wir in den letzten Jahrzehnten einen zunehmenden Rückgang der Vollbeschäftigung. Das Bild von der schönen sozialen Marktwirtschaft, in der niemand arbeitslos ist, fängt an zu bröckeln. Spätestens seit der Agenda 2010** (u.a. „Hartz IV-Reform“) wurde ein großer Teil der Arbeiter:innenklasse, selbst mit Job, in die Armut gedrängt. Durch die wirtschaftspolitischen Reformen haben viele Unternehmen keine Festanstellungen mehr vergeben, um flexibler auf die Wirtschaftskrisen reagieren zu können und Geld zu sparen. So müssen sehr viele Arbeiter:innen beim Arbeitsamt aufstocken oder schlagen sich mit mehreren „Minijobs“, befristeten Verträgen, Leih- und Zeitarbeit, Praktika usw. durchs soziale Elend. Während die Bildung in Krisenzeiten teurer wird, haben also viele Menschen aus der Arbeiter:innenklasse weniger Geld, um sie zu bezahlen. Viele Lohnabhängige erkennen jedoch nicht, dass dieses Problem nicht nur sie, sondern ihre ganze Klasse betrifft. Das liegt unter anderem daran, dass es vielen Leuten hier in Deutschland, aber auch in anderen „westlichen“ Ländern, durch die Globalisierung und die internationale Arbeitsteilung so vorkommt, als gebe es hier gar keine richtige Arbeiter:innenklasse mehr. Das ist natürlich Quatsch, denn auf internationale Ebene sieht man sogar, dass die Arbeiter:innenklasse weltweit mehr und mehr wächst. Insbesondere in Asien.

Exkurs: Einflussversuche des Kapitals in Bildung

Während jede Form von demokratischer Kontrolle der Schüler:innen und Arbeiter:innen* über die Bildung massiv bekämpft wird, erleben wir regelmäßig unterschiedliche Formen von Privatisierungen der Bildung. Der Staat gibt also ein bisschen was von seiner Hoheit über die Bildung ab. Das kann teilweise durch die Kooperation mit privaten Unternehmen in Form von Public-Private-Partnerships passieren, aber auch, indem Kinder wieder stärker in die Familie zurückgedrängt werden. Dies ergibt sich aus dem bereits geschilderten Widerspruch zwischen den Interessen der Kapitalist:innenklasse* als Ganzes und den Interessen ihrer Einzelteile, also den einzelnen Unternehmer:innen. Ein Beispiel hierfür ist die Verkürzung des Abiturs in Deutschland von 13 auf 12 Jahre. Diese Verkürzung der Lernzeit steht eigentlich den stetig steigenden Anforderungen an die neuen Arbeiter:innen entgegen, während es gleichzeitig die Zeit der Jugend verkürzt und die Schüler:innen schneller zur Arbeit zwingt. Auch wenn diese Veränderung mittlerweile als gescheiterte Reform erklärt und in einzelnen Ländern wieder zurückgenommen wird. Ebenfalls sind Maßnahmen, wie die Pisa-Studie aber auch die Bologna-Reform (Studierendenbeispiel: Einführung des Bachelor-Master-Systems) Ausdruck der internationalen Arbeitsteilung, die zunehmend versucht, gleiche Standards zu schaffen. Darüber hinaus versuchen die Kapitalist:innen* die Kosten für die Ausbildung ihrer zukünftigen Arbeiter:innen noch stärker auf den Staat abzuladen. Dafür versuchen sie Einfluss auf die Lehrpläne zu nehmen, welche „marktkonformer“ gestaltet werden sollen. Inhalte, die für sie weniger relevant sind, sollen so gekürzt und durch andere ersetzt oder gänzlich gestrichen werden. Vor allem kreative, soziale und sportliche Unterrichtsfächer sollen Schritt für Schritt verdrängt werden. Vertreter:innen des Kapitals argumentieren oft, dass die Wirtschaft noch mehr Einfluss auf die Bildung nehmen müsse, um zu verhindern, dass es in bestimmten Fächern einen Überschuss an Expert:innen gebe, während in anderen Fächern Fachkräftemangel herrsche. Damit machen sie auf ein wirkliches Problem aufmerksam, dass aber vielmehr ein Ergebnis der kapitalistischen* Wirtschaft ist. Da es hier nur um Profit geht und Konkurrenz das bestimmende Prinzip des Wirtschaftens ist, kann es keine demokratische und an den Bedürfnissen orientierte Planung geben, sodass sich Bildung immer den ständigen Krisen, Aufschwüngen und Stagnationen unterwerfen muss. Das Bildungswesen im Kapitalismus schafft so riesige ungenutzte oder verschwendete Potentiale: Wer kennt sie nicht, die Legende der taxifahrenden Soziologiestudentin?

Selektion

Bildung ist jedoch eine teure Angelegenheit für das Kapital (bzw. den Staat), weshalb nur so viel Bildung zur Verfügung gestellt wird, wie dringend nötig ist. Das sieht man daran, dass in Deutschland im Schnitt nur 26% der Jugendlichen eine „hohe Qualifikation“ (=Hochschulabschluss oder Meisterbrief) erreichen. Eine ganzheitliche, ausführliche und allgemeine Bildung der gesamten Arbeiter:innenklasse* ist daher im Kapitalismus* nicht zu gewährleisten. Stattdessen werden Kosten und Ausbildungszeit durch frühe und ständige Selektion* reduziert und damit gleichzeitig dafür gesorgt, dass dem Kapital stets eine große Menge an weniger ausgebildeten Arbeitskräften zur Verfügung steht, die für schlechter bezahlte Arbeit eingesetzt werden können. Was hätten die profitorientierten Unternehmen in Deutschland davon, wenn wir alle Doktortitel hätten und ein fünfstelliges Gehalt im Monat verlangten? Über Noten, ein mehrgliedriges Schulsystem, Numerus Clausus usw. wird eine permanente Konkurrenzsituation unter Jugendlichen geschaffen und im Hinblick auf die spätere Stellung im Produktionsprozess selektiert. Dieser Prozess findet vor allem anhand von Klassenlinien statt, wie im Folgenden gezeigt wird. Insbesondere in Krisenzeiten wird der Selektionsdruck zusätzlich verschärft, da der Staat durch die zunehmende internationale Konkurrenz und die schwindenden Einnahmen dazu gezwungen ist, im Bildungs- und Sozialwesen massive Kürzungen vorzunehmen, um nicht die Profite der Konzerne antasten zu müssen. Dann wird zum Beispiel die Lernzeit für das Abitur von 13 auf 12 Jahre gekürzt und durch die gestiegene Stoffdichte noch weiter selektiert. Die kapitalistische Ideologie behauptet dennoch, dass mit genügend Fleiß und Durchhaltevermögen jede:r Jugendliche alles schaffen kann. Wir sehen aber, dass das deutsche Bildungssystem mit seinen Selektionsmechanismen gar nicht vorsieht, dass uns allen das größte Maß an Bildung zukommt und wir alle unsere  Träume erfüllen können. Die Verantwortung wird dafür aber nicht im System, sondern individuell bei uns gesucht. Dies führt zu selbstauferlegtem Leistungswahn, Druck, Depressionen, Suizid, Unsicherheit und mangelndem Selbstbewusstsein bei vielen von uns.

Bildung & soziale Ungleichheit

Wie wir bereits erklärt haben, hat das Bildungssystem vor allem die Aufgabe, die bestehende gesellschaftliche Ordnung aufrechtzuerhalten. Das bedeutet also auch, dass es die bestehende soziale Ungleichheit und Benachteiligung bestimmter Gruppen von Menschen aufrechterhält. Gleichzeitig wird uns dabei aber erzählt, dass unsere Erfolge und Misserfolge in der Schule einzig und allein mit unserer persönlichen Leistung zu tun haben. Im Folgenden wollen wir diesen Mist an den vier Komponenten Klassenherkunft, Geschlecht, Migration und Behinderung veranschaulichen.

Klassenherkunft

Die Pisa-Studie hat aufgezeigt, dass die Chance für Kinder steigt, einen guten Schulabschluss zu kriegen, je mehr ihre Eltern verdienen, je sozial anerkannter der Beruf der Eltern ist und je höher der eigene Bildungsabschluss der Eltern ist. Nur 24% der Kinder, deren Eltern nicht studiert haben, erlangen selber einen Hochschulabschluss. Je weniger Kohle unsere Eltern haben, desto schlechter unsere Chancen in der Schule. Auch wenn es um Nachhilfe und Förderung geht: Wessen Eltern keine gute Schulbildung bekommen haben oder den ganzen Tag arbeiten müssen, haben auch kaum die Möglichkeit beim Lernen zu helfen. Dabei verlagert das deutsche Bildungssystem immer mehr Inhalte in die Privatsphäre: seien es Hausaufgaben, die Prüfungsvorbereitung oder das Nachholen von Lernstoff, der in der kurzen Zeit nicht nachvollziehbar war. Dabei sollen dann die Eltern oder teure Nachhilfelehrer:innen helfen. Ganztägige Schulmodelle, bei all ihren Schwächen, hätten hierbei die Aufgabe, dies auf gleichberechtigter Ebene anzubieten.

Geschlecht

Schülerinnen haben im Durchschnitt bessere Noten als Schüler. So haben nach einer Statistik zu Schulnoten des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2007 40% der Jungen eine Abiturnote die schlechter als 3,0 war, während es bei den Mädchen nur 33,4% waren. Auch der Anteil an Schülerinnen, die Abitur machen, hat massiv zugenommen. Waren 1950 noch 32,8% der Schüler:innen weiblich, so sind es im Jahr 2013 54,6% gewesen, so das statistische Bundesamt. Doch immer noch haben Lehrer:innen starke Geschlechterstereotype – wie auch in der gesamten Gesellschaft präsent – im Bezug auf spezifische Fächer. So sind Jungen angeblich besser veranlagt für Naturwissenschaften, während Mädchen eine tendenzielle Begabung für Sprachen haben. Dies ergibt sich aus der erzwungenen Rolle der Frau in der Familie, die ein Schwerpunkt des weiblichen Lebens in der Rolle der Mutter sein soll. Noch immer werden 2/3 der Hausarbeit in der BRD von Frauen erledigt. Gleichzeitig verdienen Frauen in der BRD im Durchschnitt 23% weniger als Männer. Auch mit besseren Noten werden Frauen also massiv im Beruf und im gesellschaftlichen Leben benachteiligt.

Migration

Dadurch, dass unser Staat Menschen mit Migrationshintergrund systematisch in der Arbeitswelt benachteiligt, treffen auch auf viele migrantische Jugendliche dieselben Probleme zu, die wir schon im Punkt „Klassenherkunft“ erläutert haben. Das deutsche Bildungssystem hält aber noch einige zusätzliche Hindernisse und Diskriminierungsstrukturen bereit. So basiert die Bildung hier darauf, nur in einer Sprache unterrichtet zu werden. Anstatt Mehrsprachigkeit für den Unterricht zu nutzen, macht es das Bildungssystem Schüler:innen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, somit erheblich schwerer, alles in derselben Zeit zu verstehen. Noch schwieriger wird es, wenn es um Fachsprache geht. Der Staat würde aber nicht auf die Idee kommen, selber massiv in Sprachkurse und Förderangebote zu investieren. Stattdessen macht er einfach die Erziehung in den Familien dafür verantwortlich. Da aber die meisten migrantischen Familien selber nicht genügend Sprachförderungsangebote vom Staat bekommen haben, ist es vielen unmöglich, „ihren“ Kindern die deutsche Sprache perfekt beizubringen. Rassistische Stereotype und Einstellungen bei Lehrer:innen tun dann noch ihr Übriges. So kommt es, dass Kinder, deren Eltern nicht in Deutschland geboren sind, nur 4 % der Schüler:innen in Gymnasien darstellen, aber 20% der Schüler:innen in Hauptschulen. Während uns Rassist:innen von der AfD erzählen wollen, dass schlechte Noten an mangelnder Intelligenz liegen, ist der Grund vor allem die systematische Benachteiligung.

„Behinderung“

Niemand von uns ist „behindert“. Stattdessen werden wir zu „Behinderten“ gemacht, wenn wir aufgrund irgendwelcher Eigenschaften, Erfahrungen etc. nicht den Anforderungen, die die kapitalistische* Konkurrenzlogik an uns stellt, gerecht werden können. In der Schule ist dafür der Begriff „sonderpädagogischer Förderbedarf“ in Mode gekommen. Einmal damit gelabelt, werden wir meistens auf sogenannte Förderschulen abgeschoben und dürfen mit diesem Schulabschluss für den Rest unseres Lebens eine Vielzahl von Jobs nicht machen und werden immer eine viel schlechtere Bezahlung akzeptieren müssen, so verdienen beispielsweise Werkstattbeschäftigte im Schnitt 180€ pro Monat. Menschen zu „Behinderten“ zu machen ist also ein wichtiger Selektionsmechanismus im Bildungssystem. Dabei sind eigentlich nicht wir das Problem, sondern die Lernumgebung, die nicht in der Lage ist, sich auf unsere Bedürfnisse einzustellen. Wenn ein Kind in der Grundschule nicht still im Frontalunterricht sitzen kann, sollte vielmehr die Lernform überdacht werden, anstatt das Kind mit ADHS zu labeln und es mit Medikamenten vollzustopfen. Besonders betroffen sind auch hier wieder Kinder aus Arbeiter:innenfamilien, da laut Studien die Wahrscheinlichkeit der Diagnostizierung eines „sonderpädagogischen Förderbedarfs“ in dem Maße steigt, in dem das Einkommen der Eltern sinkt. „Behinderung“ ist also keine medizinische, sondern eine soziale Frage!

Erziehung & Konkurrenz

Dass man im Kapitalismus* am besten überlebt, wenn man die Ellenbogen ausfährt, nach unten tritt und sich nach oben streckt, soll uns schon in der Schule beigebracht werden. Für diese Erziehung zur Konkurrenz spielt das Notensystem eine große Rolle. Die Noten geben dabei nicht an, wie gut wir den Stoff wirklich verstanden haben, oder ob wir persönliche Lernerfolge erzielt haben. Vielmehr zeigen sie nur, wie gut wir im Verhältnis zu unseren Mitschüler:innen abgeschnitten haben. So sollen wir lernen, unsere Leistung nicht nach unseren persönlichen Maßstäben zu beurteilen, sondern uns immer an den Anderen zu messen und zu versuchen, sie zu übertreffen. Noch dazu wird Lernen so zur absoluten Drucksituation, was die schulischen Leistungen vielen wissenschaftlichen Studien gemäß sehr negativ beeinflusst. Dabei erwartet die Schulleitung von einer guten Lehrkraft, dass die Klassenarbeit einen „ausgeglichenen Notenspiegel“ hervorbringt: also nicht zu viele 1en, ein breites Mittelfeld und ein paar 4en, eine 5 und eine 6. Wenn alle Schüler:innen gut oder sehr gut abschneiden würden, wäre die Arbeit in der Logik unseres Bildungssystems definitiv zu leicht gewesen. Wer also etwas schneller verstanden hat und den anderen Schüler:innen dabei helfen will, schwächt in diesem System eher seine eigenen Chancen. Ziel einer befreiten Gesellschaft ist es, dass das Handeln für das eigene Wohl mit dem Handeln für das Wohl der Allgemeinheit einhergeht. Deshalb sind wir für die Abschaffung aller Noten und für eine Ausbildung und gegebenenfalls Überprüfung nach Fähigkeiten und gesellschaftlichen Bedürfnissen. 

Kommandoprinzip

Die ersten Schuljahre sollen uns vor allem disziplinieren, ob über pädagogische oder offener repressive Maßnahmen. Ziel ist es hierbei stillschweigende Kinder zu formen, die die Masse an Stoff unhinterfragt aufnehmen und sich nicht beschweren. Wer das schon in der Schule verinnerlicht hat, soll sich auch später im Betrieb so verhalten. Extrovertierte Jugendliche werden mit Nachsitzen, Klassenbuch- und Hausaufgabenhefteinträgen, schlechten Noten, Tadeln oder Sonstigem bestraft. Wenn das nicht hilft, wird uns AD(H)S attestiert und wir werden mit Medikamenten ruhig gehalten. Viele Eltern übernehmen dieses Prinzip in die eigene Erziehung, da sie sich ja wünschen, dass ihre Kinder erfolgreich in der Schule sind. Die Faustregel lautet dabei: Mach was dir gesagt wird, dann hast du weniger Probleme. Diese Form von Erziehung steht im krassen Gegensatz zum Idealbild der Aufklärung von Bildung, die durch Wissensvermittlung eine befreite Form von Mensch schaffen möchte, der die Gesellschaft stets kritisch hinterfragt.

Warum eigentlich noch zur Schule gehen?

Auch wenn hier sehr viel blöd läuft, ist das allgemeine Bildungswesen eine historische Errungenschaft. Neben der Tatsache, dass wir zu guten Arbeitskräften ausgebildet werden sollen, ermöglicht es uns auch, uns Wissen über den Produktionsprozess hinaus anzueignen. Es vermindert zum Beispiel auch die Rate von Analphabetismus, was wiederum auch die Verbreitung revolutionärer Gedanken erleichtert. Da wir für eine Gesellschaft kämpfen, in der wir alle – die gesamte Arbeiter:innenklasse* – die Politik und die Produktion demokratisch leiten, ist es für uns auch notwendig, schon jetzt die nötige Bildung zu erhalten, die dafür gebraucht wird. Bildung ist und bleibt dabei eine Aufgabe des Staates. Wird Bildung in die Familie zurückgedrängt, leiden darunter insbesondere Jugendliche aus Arbeiter:innenfamilien, besonders wenn sie Frauen sind. Wir fordern also nicht die Auflösung des staatlichen Bildungsmonopols*. Wir wollen aber, dass es jemand anderes kontrolliert: nämlich die, die Bildung bekommen und die, die sie machen. Wir fordern eine Kontrolle des Bildungssystems durch demokratische Gremien von Lernenden und Lehrenden, so wie jeder Bereich der Gesellschaft von denen kontrolliert werden soll, die ihn ausmachen. Darauf ist dieser Staat, der nur die Interessen der Kapitalist:innenklasse* repräsentiert, jedoch nicht ausgelegt. Deswegen muss die Arbeiter:innenklasse im Schulterschluss mit der Jugend und anderen unterdrückten Teilen der Gesellschaft den bürgerlichen Staat zerschlagen und durch die eigenen, wirklich demokratischen Strukturen ersetzen, um damit nach und nach jegliche Form von Staatsgewalt überflüssig zu machen. So können die Klassengegensätze überwunden und eine Gesellschaft aufgebaut werden, in der jeder Mensch nach seinen Fähigkeiten und Bedürfnissen frei leben kann, der Kommunismus*. Trotzdem unterstützen wir auch jeden Kampf um Reformen des Bildungswesens zur Verbesserung der Bildung im Interesse für uns alle. Auch kleine Schritte können die Bedingungen in unseren Schulen verbessern. Wenn wir jedoch immer weiter für unser Recht auf Mitbestimmung kämpfen, werden dem Staat und Kapitalist:innenklasse einen Riegel vorschieben. Uns muss immer bewusst sein: eine befreite Schule ist nur in einer befreiten Gesellschaft möglich. Einen Weg zu dieser Perspektive wollen wir bereits im Kleinen aufzeigen. 

3. Für eine kämpferische Gewerkschaft!

Als Sozialist:innen besteht unsere politische Arbeit nicht nur darin uns selbst, sondern auch andere Menschen für revolutionäre Politik zu begeistern. Neben den Inhalten unserer Politik müssen deshalb auch unmittelbare Erfolge für uns sprechen können. Erfolge sind in diesem Zusammenhang auch die Verbesserung der Lebens-, bzw. Arbeitsbedingungen im Hier und Jetzt, im Kapitalismus*. Für solche Erfolge müssen wir kämpfen, nicht nur mit lokalen (Schüler-)Gruppen. In der Geschichte der Arbeiter:innenbewegung stellte sich die Gewerkschaft als Ort des Zusammentragens der verschiedenen Kämpfe um Forderungen nach höherem Lohn, nach Krankengeld usw. als eins der besten Mittel heraus, diese umzusetzen. Denn wo sich viele Arbeiter:innen* oder Schüler:innen organisieren, können ihre Kämpfe auch erfolgreich sein. Ein kleiner Streik macht keinem:r Bourgeois, keinem:r Fabrikbesitzer:in Angst, wenn wir aber nicht nur eine Schule unter vielen, nur einen Zulieferer unter vielen bestreiken, sondern alle, dann geht es an die Substanz, dann finden auch unsere Forderungen Gehör. Praktisch jede:r weiß grundlegend, was eine Gewerkschaft ist, oder hat zumindest schon von einer gehört. Spätestens wenn wieder ein Fußballgroßereignis á la WM auf der Tagesordnung steht und die Lokführer:innengewerkschaft es wagt sich auch nur über die Möglichkeit von Streiks zu unterhalten, können und dürfen es die Medien nicht verpassen sich über die scheinbar radikalen Gewerkschafter:innen auszulassen. Schnell wird dann aus dem ganz normalen Arbeitskampf, dem Kampf um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen, ein Angriff auf die Zivilgesellschaft durch die sowieso schon besser gestellten Arbeiter:innen. Denn diejenigen Arbeiter:innen mit wirklich kampfstarken Gewerkschaften wie in der Chemie oder Metallindustrie, bei den Lokführer:innen oder bei den Pilot:innen sind meist auch die besser gestellten Arbeiter:innen. Warum? Ganz einfach gesagt, weil ein Streik mehr weh tut, wenn er zentrale industrielle Bereiche oder das Transportwesen lahmlegt.Hetze gegen Gewerkschaften ist ein wenig vielschichtiger, als sie auf den ersten Blick scheinen mag. Nicht nur gegen die kampf- bzw. streikerprobten Arbeiter:innen die auch unsere Kämpfe vorantreiben können, wird gehetzt, sondern gegen gewerkschaftliche Organisierung an sich, welche sich doch in der Geschichte als starke Waffe der Arbeiter:innen gegen die Kapitalist:innen* herausgestellt hat. Erfolge von Kämpfen, die unmittelbar aus der Organisierung von Arbeiter:innen erfolgten und nur über Streiks umgesetzt werden konnten, sind zum Beispiel das allgemeine einkommensunabhängige Wahlrecht, die Krankheits- und Altersversorgung oder aber die Verteidigung der demokratischen Republik gegen adelstreue rechte Putschisten (Deutschland 1920), um nur einige, unzusammenhängende Bespiele zu nennen. Gewerkschaften sind also offensichtlich zu mehr in der Lage als „nur“ die Kämpfe um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen zu führen. Sie können politische Interessen der Arbeiter:innen umsetzen, indem sie die Kapitalist:innen zu Kompromissen zwingen. Unabhängig vom politischen Programm ist eine Gewerkschaft also ein Kampfbund aller Arbeiter:innen, die Einheitsfront der Ausgebeuteten gegen die Ausbeuter:innen. Warum sollten wir Schüler:innen solche Strukturen nicht auch haben? 

Organisierung von Oben

Anfang 2016 rief die FIDL, die unabhängige demokratische Schüler:innengewerkschaft, gemeinsam mit den großen französischen Gewerkschaften zu Streiks und Demonstrationen auf. Diese richteten sich unmittelbar gegen die Politik der PS, der französischen sozialdemokratischen Partei. Konkret ging es um die sogenannte Khomri-Reform. Eine „Neuerung“ auf dem Arbeitsmarkt, die die 35 Stunden Woche faktisch aufheben und diverse Rechte am Arbeitsplatz wie zum Beispiel den Kündigungsschutz verwässern soll. Dazu aufzurufen war richtig. Dieser Angriff stellt natürlich einen Angriff auf ältere Schüler:innen, also angehende Arbeiter:innen* dar, welche es als Jugendliche ohnehin schwer genug haben, einen sicheren Job zu bekommen. Dass die FIDL sich mit ins Boot der aufrufenden Gewerkschaften setzte, kam trotzdem unerwartet. Lange schon gab es Proteste gegen die Reformen ohne die Beteiligung der Schüler:innen. Die Führung der Gewerkschaft musste auf den Druck ihrer eigenen Mitglieder reagieren, welche von sich aus demonstrieren wollten. Mit oder ohne „ihre“ Gewerkschaftsführung. Wieder einmal rannte die Führung der Bewegung hinterher erst, als die Bewegung an sich schon zu groß war, um sich vor ihr zu verschließen, anstatt selbst initiativ zu werden und solche Kämpfe mit eigenen Forderungen zu unterfüttern, gar anzuführen. Wieder einmal zeigt sich, dass die Gewerkschaftssbürokrat:innen Probleme lieber aussitzen und nur in der größten Not zur Tat, zum Streik, greifen. Als Schnittstelle zwischen den organisierten Arbeiter:innen und den Interessensgruppen der Kapitalist:innen*, den Arbeitgeberverbänden, welche nicht unmittelbar von uns Arbeiter:innen kontrolliert werden kann, ist die Bürokratie von der widerlich rassistischen und sexistischen Ideologie der Kapitalist:innen durchdrungen. Sie scheut sich in der Regel Position für die Rechte, seien es auch nur Arbeitsrechte, von Geflüchteten, von Migrant:innen oder von Frauen zu beziehen und begnügt sich damit das bürgerliche Märchen der Chancengleichheit unzerkaut zu schlucken. Trotzdem kann auch eine korrumpierte Bürokratie fortschrittliche, antirassistische Kämpfe führen. So führte 2013  unter anderem die FIDL eine spontane Bewegung mit landesweiten Streik- und Protestaktionen gegen die Abschiebung einzelner Schülerinnen und Schüler an französischen Schulen an. Wieder als Reaktion auf eine existierende Bewegung, denn unabhängig von der eigenen Gesinnung ist jede Bürokratie von der von ihr verwalteten Masse abhängig. Obwohl sich die FIDL, so wie auch andere Gewerkschaften, als frei und unabhängig bezeichnet, ist sie doch politisch und finanziell abhängig von der PS, der sozialdemokratischen Regierungspartei. Wie auch in Deutschland und sonstwo, wo es sozialdemokratische Parteien wie die SPD oder PS gibt, ist deren Kurs gegenüber den Kapitalist:innen ein sozialpartnerschaftlicher. Ähnlich verhält es sich mit den meist auch von ihnen dominierten Gewerkschaften. Grob gesagt äußert sich dieser Kurs darin, dass die Kapitalist:innen den Bürokrat:innen Brotkrumen für die von ihnen vertretenen Arbeiter:innen anbieten. Selbst genießen sie aufgrund ihrer hohen Funktion in der Gewerkschaft besondere Privilegien, einen hohen Lohn und einen sicheren Arbeitsplatz, wenn man sich an die allgemeinen, opportunistischen Spielregeln hält. Von sich aus kommen die Gewerkschaftsbürokrat:innen selten auf die Idee Kämpfe einzuleiten, eher reagieren sie notgedrungen auf Angriffe. Sicherlich nicht zuletzt, weil sie selbst zu der Schicht besser gestellter Arbeiterinnen und Arbeiter gehören. Damit einhergehen nicht nur versäumte Kämpfe für die Arbeiter:innen. Letztlich sind die Privilegien, die sich aus der besonderen Bedeutung der höher gestellten Arbeiter:innenschaft für die Kapitalist:innen ergeben, auch eine Grundlage für arbeiter:innenfeindliche Ideologie innerhalb der Arbeiter:innenklasse. Besonders stark wird diese pro-kapitalistische Ideologie bei den Bürokrat:innen* der Gewerkschaften deutlich. Sehen sie sich doch als (Sozial-)Partner:innen des Kapitals, mit dem sie verhandeln, anstatt ihm den Kampf anzusagen. So kommt es nicht von ungefähr, dass zentrale Punkte fortschrittlichen, proletarischen Bewusstseins kaum Widerhall in den Reihen der Arbeiter:innen finden. So positioniert sich der DGB, der Dachverband deutscher Gewerkschaften, selten zu international koordinierten Streikversuchen. Außer Grußbotschaften an die tatsächlich kämpfenden Arbeiter:innen regt sich in den Reihen der deutschen Gewerkschaftsbürokrat:innen wenig. So bei den letzten europaweiten Streiks gegen die Sparpolitik, die den am stärksten von der Krise betroffenen Ländern der EU, zum Beispiel Griechenland oder Spanien, diktiert wird. Auch die historischen Angriffe der Agenda 2010*, welche den Weg für die sich immer stärkende Ausweitung der Leih- und Zeitarbeit oder der Hartz-Reformen. Auch das jüngst beschlossene Tarifeinheitsgesetz, welches nur noch der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern innerhalb eines Betriebes erlaubt Tarifverhandlungen in diesem Betrieb zu führen, wurde vom DGB sogar unterstützt! Dass keine dieser Reformen im Interesse der Arbeiter:innen als Klasse ist, sondern nur der Beschneidung ihrer Rechte dient, ist mehr als offensichtlich. Der soziale Frieden wird dabei gewahrt, indem den Stammbelegschaften der einzelnen Betriebe zugesichert wird, dass sie ihre Plätze bis zur Rente sicher haben. Dass die Stelle danach eben keine Vollzeitstelle mehr ist, sondern z. B. an Leiharbeiter:innen vergeben wird, welche sich mit weit schlechteren Löhnen zufrieden geben müssen, wird billigend in Kauf genommen. Die Privilegien der einen werden so zum Leid der anderen und auch das trägt dazu bei, die Klasse zu spalten und ein ideologisches Gefälle zwischen Facharbeiter:innen und den angeblich minder qualifizierten Aushilfskräften zu schaffen. 

Organisierung von Unten

Wenn auch nicht im Aufbau der Gewerkschaft so, aber doch in der Schlagkraft und in der Militanz der Aktionen fortschrittlicher und konsequenter waren die Schüler:innen in Brasilien. Im Herbst 2016 brach eine Welle von Besetzungen über die großen Städte herein. Weder waren es radikale Linke, die sich für die Besetzung von Häusern entschieden haben, noch waren es die Studentinnen und Studenten, die ihre Hörsäle einnahmen. Es waren die Schüler:innen, die von sich aus anfingen Schulen zu besetzen. Hunderte von Schulen waren verschlossen für Rektor:innen und rückschrittliche Lehrer:innen, verschlossen für diejenigen, die sich mit Brasiliens Bildungssystem der zwei Klassen abgefunden haben. In den Schulen wurden interessante Seminare, beispielsweise zur Russischen Revolution oder dem Arabischen Frühling gegeben. Es wurde sich mit Antisexismus und Antirassismus auseinandergesetzt. Es wurde sich selbst organisiert. Vom Essen über die Lehrinhalte bis zum notwendigen Wachschutz nahmen die Schüler:innen alles selbst in die Hand. Gerade die Rolle von jungen Frauen, welche vermehrt im Mittelpunkt der Aktivitäten standen und die Bewegung nach außen hin vertraten, ist besonders hervorzuheben. Die Bildung in Brasilien ist gnadenlos unterfinanziert. Einsturzgefährdete Schulgebäude, teilweise ohne Strom, großteils ohne Klimaanlage sind die Regel. Die Klassen an den öffentlichen Schulen platzen aus allen Nähten und die Lehrinhalte richten sich nahezu ausschließlich nach den Inhalten der zentralen Abschlussprüfungen. Immer mehr Schulen wurden geschlossen und im Gegenzug immer mehr Stadien und Arenen aufgebaut. Nachdem für die WM 2014 und die olympischen Spiele 2016 genug Geld vorhanden gewesen war, neue Prunkbauten und Viertel aus dem Boden zu stampfen (und dafür ärmere Viertel einzustampfen), war den meisten Schüler:innen klar: Für sie tut keine:r was, sie müssen sich selbst organisieren, um für ihre Belange zu kämpfen. Im Zuge dessen wurden immer mehr Schulen besetzt und die Bewegung vernetzte sich mit anderen. Die Angriffe seitens der Medien und der Regierung wurden erfolgreich abgewehrt. Hiermit sind weniger die praktischen Angriffe, die auf der Tagesordnung standen, wie gewalttätige Räumungsversuche und Denunziation der Organisator:innen gemeint. Wie immer versuchte die Regierung, den Protest zu spalten, die Medien den Protest zu isolieren. So wurden Verhandlungsangebote seitens der zuständigen Minister:innen mit einzelnen Schulen zu deren Forderungen abgelehnt. Auch fiel man nicht auf den Trick der Medien herein, die Proteste „erfolgreich“ abzuschließen, da ja schon Versprechungen der Regierung in diesem Jahr keine weiteren Schulen zu schließen gemacht wurden und nun die Zeit der Mäßigung gekommen sei. Für Angriffe dieser Art war die Bewegung zu stark. Sie hatte sich Gedanken gemacht. Nicht nur jede Schule organisierte sich selbst in Form von täglichen Plena und Kommissionen, auf denen alles demokratisch entschieden und umgesetzt wurde. Auch die nächsthöhere Instanz, welche die Bewegung nach außen hin vertrat und befugt war zu verhandeln, war demokratisch gewählt und von der Basis, von den kämpfenden Schüler:innen kontrolliert. Über das Rotationsprinzip, demnach politische Funktionen immer nur auf einen kurzen Zeitraum vergeben werden, um keine klassische, korrupte Bürokratie, sondern einen lebendigen Apparat zu erzeugen, konnte eine solche Kontrolle durch die Basis gewährleistet werden. Diese Erfahrungen sollten uns ein positives Beispiel sein, wie eine unabhängige Gewerkschaft von Schüler:innen aufgebaut sein kann, auch wenn neben der Form maßgeblich der Inhalt über den Erfolg entscheidet.

Warum Schulstreik?

Uns muss klar sein, dass der Schulstreik kein Streik im herkömmlichen Sinne ist. Streiken z.B. die Arbeiter:innen* bei Siemens, die durch ihre Ausbeutung Milliarden an Mehrwert produzieren, dann tut das den Boss:innen von Siemens ziemlich weh und sie sehen sich einem starken Druck ausgesetzt, entweder den Forderungen der Arbeiter:innen irgendwie entgegenzukommen oder den Streik mit Propaganda und roher Gewalt zu brechen. Da wir in der Schule nicht direkt Mehrwert für eine_n konkrete_n Kapitalist:in* produzieren, fehlt uns auch dieses konkrete Druckmittel. Wie oben schon ausgeführt liegt unsere Bildung weniger im direkten Interesse von einzelnen konkreten Kapitalist:innen und mehr im Interesse der Kapitalist:innenklasse als ganze. Gegen diese richtet sich also unser Streik und ist vielmehr ein politischer Streik, das also, was bei uns in Deutschland den Arbeiter:innen eigentlich verboten ist. Wir wollen damit neben den Forderungen, die wir eh schon auf die Straße tragen, wie zum Beispiel Themen des Antirassismus, der Kampf gegen das 12 Jahre Turbo Abi oder aber den Kampf gegen die Aufteilung in verschiedene Schultypen, auch gegen die Trennung von Produktions- und Reproduktionsarbeit* vorgehen. Denn natürlich hat auch jede:r spätere „Arbeitgeber:in“ was davon, wenn wir lesen, schreiben und rechnen können, insofern ist auch das zur Schule Gehen Teil gesellschaftlicher Arbeit und kann dementsprechend bestreikt werden. Auch können wir so gegen die vermeintliche Unselbstständigkeit von Jugendlichen vorgehen, indem wir uns und andere organisieren, nicht zuletzt, um eigene Erfahrungen in der Organisierung und politischen Bildung zu sammeln. Allein können wir aber keinen Kampf für eine wirklich gerechte Bildung führen, da wir Jugendliche nicht die Masse noch die gesellschaftlichen Druckmittel, wie zum Beispiel Schlüsselposten in Industrie oder Transportwesen, in der Hand haben. Der Streik gibt uns jedoch ein eigenes Podium im Klassenkampf* und kann uns so helfen, gegen die vorherrschende Jugendunterdrückung vorzugehen.

Was fehlt?

Der Kampf um bessere Existenzbedingungen ist wichtig, genauso wie die Organisierung aller möglichen Kräfte gegen den Kapitalismus*. Dass diese Kämpfe überhaupt getrennt werden, ist nicht das Ergebnis einer Entscheidung von Streikenden oder aber von kämpfenden Arbeiter:innen*. Diese Trennung ist Ergebnis eines Kampfes zweier bürokratischer Bollwerke. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts kämpften SPD und Gewerkschaften Hand in Hand für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen, für demokratische Forderungen und für Verstaatlichungen. In dieser Zeit entwickelte sich in den Reihen der Gewerkschaft eine Bürokratie, die engeren Kontakt zu den Arbeitgebern suchte, für „Verhandlungen auf Augenhöhe“. Die Positionen in der Führungsriege waren keine sozialistischen mehr. Man ging davon aus, im System durch den Kampf für ein besseres Leben Gerechtigkeit schaffen zu können, ohne den parlamentarischen Überbau, ohne seine Grundlage, den Kapitalismus an sich, infrage zu stellen. Diese Positionen kollidierten unmittelbar mit den noch sozialistischen Positionen der SPD, welche den Anspruch hatte politische und wirtschaftliche Kämpfe anzuführen. Der Konflikt der beiden Positionen spitzte sich an der Losung des politischen Generalstreiks als Mittel im Kampf gegen den Kapitalismus so weit zu, dass als Ergebnis des Streits Gewerkschaften und Arbeiterparteien sich als gleichrangige Organisationen der Klasse betrachtend jede mit den eigenen Mitteln unter der den eigenen Forderungen Kämpfe ausruft und anführt (festgehalten 1906 im Mannheimer Abkommen). Das Ergebnis dieses politischen Streits war letzten Endes nicht weniger als der bewusste Verzicht auf die mächtigsten Kampforgane der Arbeiter:innenklasse für politische Auseinandersetzungen. Die Kämpfe in Brasilien schafften es sogar, einen Schritt weiter zu gehen als viele Arbeiter:innen hier, denn neben der eigenen Organisierung ihrer Kämpfe aus den kämpfenden Massen heraus positionierten sie sich politisch. Die Ablehnung von Sexismus und von Rassismus, sowie die Ablehnung der rein weißen, männlichen Regierung in Brasilien ist sicherlich eine wichtige Voraussetzung, um das Bewusstsein der Schüler:innen gegen die Angriffe und Spaltungsversuche des Kapitals zu schärfen. Weiter wird man jedoch mit der politischen Arbeit in Gewerkschaften allein nicht kommen. Als Revolutionär:innen stellen wir in allen Kämpfen den Pol dar, der neben den unmittelbar aufgestellten Forderungen auch immer das System des Kapitalismus’ als Ursache für die angeprangerten Probleme begreift. Deshalb darf eine Gewerkschaft als Kampfstruktur nicht die revolutionäre Organisierung ersetzen. Vielmehr stellen sie eine ausgezeichnete Plattform dar, die eigene Politik vor den Massen der Organisierten Arbeiter:innen, Schüler:innen und Student:innen zu vertreten und durchzuführen. An sich werden die, mit denen wir gemeinsam streiken, nicht automatisch auch ein revolutionäres Bewusstsein erlangen. Ein Streik begnügt sich meist damit, Forderungen um kleine unmittelbare Verbesserungen aufzustellen und spätestens, wenn diese umgesetzt sind, setzt oder stellt sich jede:r wieder an die Schulbank oder den Arbeitsplatz. Ein zentrales Element wird hier meist ausgeklammert: der politische Charakter von Streiks und der politische Charakter von Gewerkschaften, welcher beiden durch die Ideologie des Reformismus abgesprochen wurde. Gegen diese Ideologie gilt es zu kämpfen und zwar über Losungen wie die des unbefristeten politischen Generalstreiks. Denn zu glauben, dass Politik nicht unmittelbar etwas mit den Lebensbedingungen der Arbeiter:innen zu tun hat, wäre fatal. So können zentrale Angriffe auf die Rechte der Arbeiter:innen abgewehrt werden. Würde beispielsweise ein Freihandelsabkommen á la TTIP, ein Kriegseinsatz in Afghanistan oder aber die Grundlage für das System der Leih- und Zeitarbeit, die Agenda 2010*, umgesetzt werden, wenn sich die Arbeiter:innen mit Massenstreiks dagegen wehren? Nein! Mit Sicherheit würden keine Regierung und keine Partei, die ja trotz des bürgerlichen Charakters, von den Massen abhängig sind Gesetze gegen die mehrheitlichen Proteste der Arbeiter:innen durchsetzen. Diese unbefristeten politischen Streiks stellen unmittelbar die Frage nach der Macht im Staat, also die Frage nach der Herrschaft der einen Klasse über die andere. Gleichzeitig bringt ein solcher Streik den Kapitalismus ins Wanken, da ja jeder Betrieb, um Wert zu schöpfen, Arbeitskraft ausbeuten muss. Wenn diese Wertschöpfung zum Erliegen kommt, bangen also nicht nur der bürgerliche Staat, sondern auch die Klasse der Kapitalist:innen* um ihre eigene Existenz. Solche Kämpfe erhöben die Gewerkschaft als Organisierung der Arbeiterklasse gegen Armut und Verelendung zu einer Organisation mit politischen Zielen, zu einer Organisation, die die Interessen der Klasse tatsächlich vertreten und durchsetzen kann, um sich der eigenen Stellung und der eigenen Macht bewusst zu werden.

Kämpfe verbinden!

Tatsächlich kann eine solche Gewerkschaft im bürgerlichen Staat, welcher Streiks außerhalb von Tarifverhandlungen illegalisiert und Strafen wie Entlassung oder sogar Entschädigungszahlungen für „wilde Streiks“ verhängt, kaum existieren. In Indien zum Beispiel ging es soweit, dass die Initiator:innen eines Streiks, welcher Ausschreitungen zur Folge hatte, zum Tode bzw. zu lebenslänglichen Haftstrafen verurteilt wurden. Auch werden wohl die wenigsten Gewerkschaften dazu die Bereitschaft aufweisen, auf einmal für politische Forderungen zu kämpfen, auf einmal selbst initiativ zu werden. Denn die Gewerkschaft hat kein Programm, sie organisiert Arbeitende eines Bereiches um ihre eigenen Forderungen. Um alle Gewerkschaften tatsächlich an einem Strang ziehen zu lassen, braucht es eine revolutionäre Partei, die dazu in der Lage ist, von sich aus Massen zu mobilisieren, um der Gewerkschaftsführung gar keine andere Wahl zu lassen, als mitzuziehen und die politischen Forderungen zu unterstützen. Gleichzeitig wirft die Entscheidung, sich einem revolutionären Programm anzuschließen, die Frage auf, welcher Organisation man angehören will. Einer Organisation mit verknöcherter bürokratischer Spitze oder aber der revolutionären Organisation der kämpfenden Massen. Letzteres macht die Gewerkschaft durch die Aufhebung der Trennung politischer und wirtschaftlicher Kämpfe als „unpolitische“ Koordinatorin überflüssig. Sie kämpft nur noch in Form einer basisdemokratischen Gewerkschaftsopposition mit einem eigenen Aktionsprogramm um die Führung unmittelbarer ökonomischer Kämpfe. Ein revolutionäres Bewusstsein kann nur unter großen Teilen der Gesellschaft verbreitet werden, indem Revolutionär:innen nicht nur Forderungen wie eine bessere Finanzierung des Bildungswesens oder aber das Recht auf Mitbestimmung der Lehrpläne auf die Tagesordnung setzen. Wir wollen nicht einfach nur, dass alles besser und netter wird, wir als Lehrende und Lernende wollen selbst bestimmen wie wir das Geld ausgeben und was wir lernen. Wir wollen eine Grundsicherung für Schüler:innen und Studierende unabhängig vom Verdienst und der Situation ihrer Eltern und wir wollen nichts für Bildung und Kultur und öffentlichen Nahverkehr bezahlen müssen. Solche Forderungen sind es, die nachvollziehbar anhand der Bedürfnisse von uns Jugendlichen jeder_m die Grenzen des kapitalistischen Systems aufzeigen, welches uns diese Privilegien mit absoluter Sicherheit nicht zugestehen wird. Solche Forderungen sind es, welche als Katalog, zusammen mit den Forderungen die von den Gewerkschaften bzw. ihren Mitgliedern, aufgestellt werden und Forderungen nach dem Umsturz des Kapitalismus, der Arbeiter:innenbewegung vorgeschlagen, zusammen mit ihr diskutiert und umgesetzt werden müssen. Wir müssen jedes Podium und jede Struktur nutzen, um unsere Forderungen unter die Leute zu bringen. Deshalb wollen wir eine kämpferische Gewerkschaft, in der sich Jugendliche, egal ob Schüler:innen oder Studierende gemeinsam, basisdemokratisch organisieren, um für ihre Forderungen erfolgreich kämpfen zu können. Dabei sollten wir auch versuchen die Schüler:innenvertretungen und die Studierendenparlamente für unsere Forderungen zu begeistern, jedoch darf sich unser Kampf nicht auf den Kampf in diesen light Versionen von Parlamenten beschränken. Diese Gremien haben kaum Möglichkeiten den Schulalltag mitzugestalten. Außerdem haben Lehrer:innen und Schuldirektor:innen meist einen zu starken Einfluss auf diese, weshalb der Kampf auch immer außerhalb der unmittelbaren schulischen Gremien geführt werden muss. In einer Gewerkschaft wollen wir Sozialist:innen für ein revolutionäres Programm der Jugend einstehen, diese also als Podium nutzen, um unsere Ideen vor einer großen Masse zu verbreiten und zu verteidigen. Gleichzeitig müssen wir uns aber den Rahmen vor Augen halten, in dem eine Gewerkschaft agieren kann. So kann die Organisierung in dieser nie die Organisierung in einer revolutionären, antikapitalistischen, internationalistischen Organisation ersetzen, da nur sie die Kämpfe verbinden, die Mittel im Kampf frei wählen und ein revolutionäres Programm vertreten kann.

Fremdwörterlexikon

Agenda 2010: Reform des sozialen und Arbeitsmarktsystems auf Kosten der Arbeiter:innen. Geplant und umgesetzt wurde es 2003 bis 2005 unter der Regierung der SPD und Bündnis90/Die Grünen. Diese Reform stürzte große Teile der arbeitenden Massen in die Zeit- und Leiharbeit. So konnten die Lohnstückkosten in Deutschland im Schnitt massiv reduziert und Deutschland wieder Exportweltmeister werden. Ebenso wurde Hartz IV eingeführt, eine massive Verschlechterung der Existenzsicherung für Arbeitslose, die diese wiederum rigoroser in die Arbeitswelt drängt und dazu bringt, Jobs zu den miesesten Bedingungen anzunehmen.

Produktionsmittel: Alles das, was zur Produktion von Gütern benötigt wird. Also zum Beispiel Fabriken, Grundstücke, Rohstoffe und Maschinen

.Kapitalismus, kapitalistisch: Dieses Wirtschaftssystem hat im 18. Jahrhundert in Europa die Feudalordnung abgelöst. Heute hat sich der Kapitalismus nahezu auf der gesamten Welt ausgebreitet. Die konkurrenzorientierte kapitalistische Wirtschaft ist nicht darauf ausgerichtet, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, sondern hat nur zum Ziel, Profite zu maximieren. Die Produktionsmittel befinden sich im Privatbesitz einiger weniger Menschen, sodass der Großteil der Menschheit nur ihre Arbeitskraft verkaufen kann, um sich ihr Leben durch den Lohn zu finanzieren.

Befreite Gesellschaft, Kommunismus, kommunistisch: Eine Gesellschaftsordnung, in der niemand mehr geknechtet wird, sich jeder Mensch frei entfalten kann und in der keine Ausbeutung, keine Armut, kein Krieg, kein Sexismus, kein Rassismus und keine LGBTIA+-Feindlichkeit existiert. Grundvoraussetzung dafür ist, dass das Privateigentum an Produktionsmitteln abgeschafft wird und die Wirtschaft unter demokratischer Planung aller auf die Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse ausgerichtet ist. Diese Gesellschaft bezeichnen wir als befreite, klassenlose Gesellschaft oder Kommunismus.

Produktionsverhältnis: Die Frage, wer in Besitz der Produktionsmittel ist, bestimmt das Produktionsverhältnis und die Art und Weise, wie die Produktion, der Verbrauch, der Austausch und die Verteilung von Produkten in einer Gesellschaft geregelt sind. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaft, sondern auf jegliche zwischenmenschlichen Beziehungen.

Klassengesellschaft: Sobald sich die Produktionsmittel innerhalb einer Gesellschaft nur im Besitz einer bestimmten Gruppe befinden, entsteht ökonomische, soziale und politische Ungleichheit und es bilden sich Klassen heraus. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass eine Klasse die andere ausbeutet und sie somit in einem unversöhnlichen Gegensatz zueinander stehen. So ist nicht nur der Kapitalismus eine Klassengesellschaft, sondern auch der mittelalterliche Feudalismus oder die antike Sklavenhaltergesellschaft.

Klassenkampf: Jede Klasse muss um ihre eigene ökonomische Existenz kämpfen. Da in einer Klassengesellschaft immer ein unversöhnlicher Gegensatz zwischen zwei Klassen besteht, steht der Kampf um die eigene Existenz einer Klasse immer im Widerspruch zu den Interessen der anderen Klasse. Indem in der Geschichte der Menschheit immer eine Klasse die Herrschaft einer anderen abgelöst hat, haben wir uns von der Sklavenhaltergesellschaft zum Feudalismus und schließlich hin zum Kapitalismus entwickelt. Auch hier kämpfen zwei Klassen gegeneinander, auch wenn das nicht immer mit Waffengewalt passiert und uns das nicht immer direkt wie ein Kampf vorkommen mag. Aber jede Forderung nach höheren Löhnen oder mehr Freizeit, jeder Streik und auch jede Kürzung von Sozialleistungen, jede Kündigung und jede unbezahlte Überstunde sind Ausdrücke des ökonomischen Klassenkampfes. Im Kapitalismus bedeutet der Klassenkampf der Arbeiter:innenklasse, der auf den Sturz der unterdrückerischen Kapitalist:innenklasse gerichtet ist, letztendlich auch den Kampf für den Sozialismus und die befreite Gesellschaft.

Bourgeoisie/ Kapitalist:innenklasse: Im Kapitalismus gehören die Produktionsmittel nur einigen wenigen Menschen. Diese bezeichnen wir als Kapitalist:innen oder Bourgeoisie. Wer selber keine Produktionsmittel besitzt, ist darauf angewiesen, seine oder ihre Arbeitskraft gegen einen Lohn an die Bourgeoisie zu verkaufen. Diese Abhängigkeit erlaubt es der Bourgeoisie ihre Profite zu maximieren, indem sie den Lohn nach unten drückt und somit die Arbeitskraft anderer ausbeutet.

Proletariat/ Arbeiter:innenklasse: Wer selber keine Produktionsmittel besitzt, muss irgendwo arbeiten gehen, um sich seinen Lebensunterhalt vom Lohn zu finanzieren. Diese Klasse bildet die große Mehrheit aller Menschen auf der Welt und wird als Proletariat oder Arbeiter:innenklasse bezeichnet. Dabei ist es egal, ob man in einer Fabrik arbeitet, als Supermarktkassierer:in, als Bankangestellte:r, als Pilot:in oder als Fahrradkurier:in. Bürgertum, bürgerlich: Bürgertum ist eine weitere Bezeichnung für die Klasse der Kapitalist:innen. Wenn etwas bürgerlich ist, dann unterstützt es in irgendeiner Weise die gesellschaftliche Ordnung, in der die wirtschaftliche und politische Macht in den Händen der Kapitalist:innen ist.

Marxist:in, Marxismus, marxistisch: Die Schriften von Karl Marx legten im 19. Jahrhundert den Grundstein für die Analyse des Kapitalismus und gaben Antworten, wie dieser überwunden werden kann. Marx entwickelte eine eigene Philosophie und eine eigene Wissenschaft die wir als Marxismus und ihre Anhänger:innen als Marxist:innen bezeichnen. Der Marxismus wurde von vielen Menschen in vielen Ländern im Kampf erprobt und theoretisch weiterentwickelt. Wir beziehen uns hier vor allem auf Karl Marx, Friedrich Engels, Wladimir Iljitsch Lenin, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Leo Trotzki.

Monopol: Wer ein Monopol innehat, besitzt in diesem Bereich das absolute Vorrecht oder die Alleinherrschaft. Privatisierung: Staatlicher Besitz oder Verantwortungen und Befugnisse werden in privaten Besitz oder an nicht-staatliche Akteure überführt. Privater Besitz kann einem Konzern gehören, aber auch zum Beispiel der bürgerlichen Familie.

Gewerkschaftsbürokratie: Hiermit sind die Chefs und Vorsitzenden der Gewerkschaften gemeint. Sie verdienen das Zehnfache der anderen Gewerkschaftsmitglieder und handeln nicht im Interesse der organisierten Arbeiter:innen. Anstatt zusammen mit ihnen Streiks gegen die Ausbeutung zu organisieren, sitzen sie mit den Kapitalist:innen am Verhandlungstisch und versuchen schlechte Kompromisse zu finden.

Reaktionär: Reaktionär bedeutet rückschrittlich. Wenn sich also bereits bestimmte Errungenschaften erkämpft wurden und diese dann wieder erneut in Frage gestellt werden, ist das reaktionär. Beispiele für reaktionäre Ideologien sind Rassismus und Faschismus.

Patriarchal: Soziale Ordnung in der Männer, im speziellen Väter (lat.: pater), die führende Position in sozialen Gruppen wie Familien, Stämmen o. ä. einnehmen.

Reproduktionsarbeit: Zur Aufrechterhaltung der Arbeitskraft nötige Arbeit. Reproduktionsarbeit wird in unserer Gesellschaft in das Privatleben gedrängt und verschleiert damit ihren Charakter als gesellschaftlich notwendige Arbeit. In Familien übernehmen diese oft die so doppelt (durch Lohnarbeit und Reproduktionsarbeit) ausgebeuteten Frauen.

Repression: Gewaltsame Unterdrückung oder Niederschlagung von gesellschaftlichem Widerstand.

Subsistenzwirtschaft: Entspricht einer teilweisen Selbstversorgung. In vielen Ländern der Welt reicht der Lohn von ausgebeuteten Arbeiter:innen nicht aus, um eine Versorgung zu gewährleisten. Deshalb sind viele Menschen in stark ausgebeuteten Ländern (z. B. Polen, Ukraine) darauf angewiesen, eigene Produkte auf ihrem Land anzubauen und sich so zum Teil selbst zu versorgen.

Selektion: Bewusste Ausgrenzung sozial benachteiligter Glieder der Gesellschaft.




Österreich: Massenkundgebung gegen Strache und die Regierung!

Bericht von REVOLUTION Austria

Heute waren tausende Menschen – die Polizei spricht von 5.000, wir können daher von deutlich mehr ausgehen – gegen (Ex-)FPÖ-Chef H. C. Strache und die schwarz-blaue Regierung auf der Straße. Die Stimmung war gleichzeitig kämpferisch und euphorisch, da der verhasste Strache endlich zum Rücktritt gezwungen wurde. REVOLUTION und Arbeiter*innenstandpunkt nahmen zusammen an der Kundgebung teil, wir rufen zu einer Massenbewegung zum Sturz der Regierung und gegen die Politik für die sie steht auf.

Der Hintergrund für den Protest ist ein jetzt aufgetauchtes Video aus dem Sommer 2017. In diesem Video sprechen Strache und (Ex-)FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus mit einer vermeintlichen russischen Oligarchin über profitable Kooperationen mit der FPÖ. Der Ursprung des Videos ist bisher nicht geklärt, aber die FPÖ streitet die Echtheit des Videos nicht ab. In dem Video spricht Strache offen darüber, wie man Großspenden an den Behörden vorbei über einen Verein leiten könnte und, dass dies auch jetzt schon passiert (genannt werden unter anderem der Waffenproduzent Gaston Glock, die MilliardärInnen Heidi Horten und René Benko oder der Glückspielkonzern Novomatic). Das zeigt klar, die Verbindungen der FPÖ zu den Reichsten und Mächtigsten Österreichs. Die FPÖ ist eben keine Partei der kleinen Leute, sondern ein zentraler Verbündeter der österreichischen KapitalistInnen.

Das zweite pikante Detail ist, dass Strache mit der vermeintlichen Millionärin bespricht, die KRONE (die auflagenstärkste Zeitung Österreichs) zu kaufen, dort unliebsame JournalistInnen hinauszuschmeißen und FPÖ-FreundInnen zu installieren. Er wünscht sich eine parteitreue Presselandschaft wie sie Orban in Ungarn, Erdogan in der Türkei oder Putin in Russland haben. Er schlägt ihr auch vor, im Gegenzug zu der politischen und finanziellen Unterstützung Staatsaufträge, die aktuell an die STRABAG gehen, zuzuschanzen.

Die Kundgebung selbst, die vor allem von spontanen Emotionen zuerst der Verärgerung und später (nach dem Bekanntwerden des Rücktritts von Strache) von Freude geprägt war kann aber nur der Anfang sein. Zum aktuellen Zeitpunkt ist noch nicht klar, ob die Kurz-ÖVP die Regierungskoalition mit der FPÖ aufkündigen wird, oder sie mit geänderter Besetzung fortsetzen wird.

Diese Kundgebung muss der Auftakt einer Bewegung gegen die gesamte schwarz-blaue Regierung sein. Weder Neuwahlen noch die Rückkehr zur großen Koalition bedeuten einen Bruch mit der rassistischen, frauenhassenden und arbeiterInnenfeindlichen Politik von Schwarz-Blau. Ganz im Gegenteil: FPÖ und ÖVP haben noch viel vor, dass an die korrupten Versprechungen von Strache anknüpft. Die Steuerreform zur Entlastung der Reichsten, Sozial- und Gesundheitsabbau, und die Angriffe auf Gewerkschaftsbewegung und Arbeiterkammer sind mehrmals angekündigt worden, aber noch nicht durchs Parlament gegangen. Diese Projekte werden die Parteien, auch unter anderer Führung oder nach Neuwahlen weiterverfolgen.

Aber wir können die Krise der FPÖ in eine Krise der Regierung und eine Krise der Regierungspolitik verwandeln. Eine Massenbewegung auf der Straße, an Arbeitsplätzen, Schulen und Unis kann nicht nur die Koalition unter Druck setzen, sondern das System, dass sie verteidigen und verschärfen. Die zu Recht wütenden ArbeiterInnen, Jugendlichen und Arbeitslosen können ihre Wut auf die Korruption gegen das System richten aus dem sie entstanden ist. Es ist die Aufgabe von RevolutionärInnen und Linken, jetzt eine Strategie zu entwickeln, die das möglich macht. Wir bleiben dran.




Frauenbefreiung international!

Diskussionsveranstaltung der Neuen anti-kapitalistischen
Organisation-Berlin zum internationalen Frauentag

Dass es in Indien mit Frauenrechten nicht weit her ist, ist nichts
neues. Fast wöchentlich erreichen uns Nachrichten von
Massenvergewaltigungen und anderen Misshandlungen. Die Pink Sari
Bewegung ist in den letzten Jahren im Zusammenhang mit dem Kampf gegen
diese Unterdrückung aufgekommen.Welche Arbeit macht diese Gruppe
praktisch?
Und bieten sie eine Perspektive für die Stellung der Frau in Indien?
In China hingegen hört man immer wieder von „Mord ab weiblichen
Säuglingen“ als Folge der Ein-Kind-Politik. Doch wie hat sich der
Maoismus dort auf die Bewertung der Geschlechter ausgewirkt und in
welche Richtung ging und geht die Entwicklung nach der Restauration des
Kapitalismus?
Zuletzt werden wir einen Blick auf das ach so gleichberechtigte Europa
werfen. Denn welchen Wert haben die Frau und der weibliche Körper hier
heute wirklich? Existiert Frauenunterdrückung in Zeiten einer Frau als
Regierungsoberhaupt überhaupt noch?
Diese und weitere Fragen wollen wir zusammen mit euch diskutieren.
Also kommt vorbei und beteiligt euch an der Debatte!

Sonntag, 09.03.
18:00
Ana-Fatma Zentrum
Tempelhofer Ufer 1
Nähe Ubahnhof Hallesches Tor




100 Tage unter Zionisten – Augenzeugenbericht aus Israel

Israels Präsident Netanjahu und Politiker des Likud-Blocks feiert seinen Sieg für die Knesset. Er ist ein besonders harter Verfechter einer agressiven Kriegspolitik.

Israels Präsident Netanjahu,  ein besonders harter Verfechter einer agressiven Kriegspolitik, feiert gerade seinen Sieg für die Knesset.

Ein wenig mehr als 3 Monate meines einjährigen Freiwilligendienstes in Israel sind bereits verstrichen. Ein relativ kleiner Zeitraum, der jedoch bereits dazu ausreichte, um dieses Land und vor allem dessen Bewohner genauer kennenzulernen:

Entgegen meiner anfänglichen Vorstellung, Israels Aggressionen würden sich hauptsächlich auf die rassistische Besatzung der Westbank und des Gazastreifens beziehen – und entgegen der antideutschen Darstellung eines „Kibbuzkommunismus“ im Innern Israels – wurde mir schnell deutlich, dass die israelische Bourgeoisie nicht nur durch den sich erneut formierenden palästinensischen Widerstand mehr und mehr bedroht wird, sondern dass sich Erez Israel auch von innen selbst aufzufressen scheint.

Zeichen der immer stärker werdenden Wut der israelischen Bevölkerung gegenüber der zionistischen Bourgeoisie und insbesondere gegenüber der ultrarechten Regierung Netanjahus waren die Massenproteste im Sommer des vergangenen Jahres, in welchen tagtäglich bis zu 500 000 Menschen die politische Führung Israels offen kritisierten. Inhalte der Proteste waren in erster Linie Wohnraumknappheit, Mieterhöhungen und Gentrifizierung, stetig steigende Lebenshaltungskosten (ein Faktor, den auch ich als Volontär in voller Härte zu spüren bekomme), sinkende Reallöhne, privatisierte Sozialeinrichtungen, Sonderrechte der ultra-Orthodoxen, und auch Kritik am Ausbau der jüdischen Siedlungen und deren Subventionierung (billigere öffentliche Verkehrsmittel, Steuervergünstigungen,…) innerhalb der Westbank, an den Aggressionen gegenüber dem Iran, an den massiven Militärausgaben und an der Abriegelung Gazas. Die Protestbewegung ist heute auf Grund innerer Ungeschlossenheit und weit auseinanderdividierenden Ansichten kaum noch präsent – aber die Umstände die sie auslösten und die Wut der Israelis darüber. Es scheint nur noch eine letzte Mieterhöhung fehlen, die das Fass zum überlaufen bringt. Die israelische Bourgeoisie hat jedoch aus der Vergangenheit gelernt und beantwortet Krisen im Innern stets mit militärischer Aggression nach außen. In diesem Kontext muss auch die Bombardierung Gazas im vergangenen Monat betrachtet werden. Denn nichts hat die Israelis je mehr zusammengeschweißt und von inneren Problemen abgelenkt als eine Bedrohung von außen. Nicht zu vergessen sind auch die anstehenden Wahlen, welche die Regierung ähnlich wie im letzten Gazakrieg 2008 dazu veranlassen, sich militärisch zu profilieren.

Schleichend bewegt sich das ohnehin verfassungslose und mit Hilfe von Notstandsgesetzen regierte Israel währenddessen durch immer mehr autoritäre Gesetzte in Richtung Diktatur. Beispiele dafür sind das Nakbagesetz, das es verbietet der Vertreibung der Palästinenser öffentlich zu gedenken oder das Anti-Boykott-Gesetz, das den Aufruf zum Boykott von Produkten, Universitäten und Betrieben jüdischer Siedlungen im Westjordanland unter umgerechnet 10 000 € Strafe stellt. Dies ist zudem auch als besonders harter Schlag gegen die arabische Bevölkerung Israels zu sehen, welche als Opfer der Besatzung nun auch noch Schadensersatz an die Besatzer zahlen sollen, sobald sie diese nicht unterstützen. Ein weiteres Gesetz soll es NGOs verbieten, Spenden von anderen Staaten oder staatsähnlichen Institutionen wie der EU oder der UN anzunehmen. Ein cleverer Schachzug der zionistischen Rechten, die selber hauptsächlich von ausländischen Bourgeois, also Firmen und Privatpersonen, finanziell unterstützt werden. Mithilfe eines weiteren neuen Gesetztes ist es der Polizei erlaubt, eine „Zusammenrottung“ von mehr als 3 Personen als illegale Versammlung abzustempeln, was sie dazu befugt diese sofort aufzulösen.

palästina#8

Israels Staatsapparat ist nicht nur für die Unterdrückung der Palästinenser, sondern auch der israelischen Arbeiterklasse, da.

Der Oberste Gerichtshof, welcher eigentlich als politisches Gegengewicht zur Knesset vorgesehen war, wird von der Likudregierung nach und nach personell „gleichgeschaltet“. Es bleibt die Frage, ob das überhaupt notwendig ist, wenn dessen Beschlüsse ohnehin ignoriert werden. Beispielsweise wie auf die Anordnung des Obersten Gerichtshofes, alle Siedlungsaußenposten außerhalb der „Grünen Linie“ zu evakuieren, jede Reaktion der Regierung ausblieb.

Neben dem stark ausgeprägten Überwachungsapparat, der E-Mail- und Postverkehr, Handygespräche und Chatunterhaltungen überwacht und einem gut ausgebauten Netz aus Überwachungskameras, wird der Umweltschutz in Israel komplett vernachlässigt.

Dass der Zionismus mit seiner kennzeichnenden antiarabischen Haltung einen rassistischen Charakter innehat, wusste ich bereits bevor ich dieses Land kennenlernte. Dass sich dieser Rassismus aber keinesfalls nur gegen Araber richtet wurde mir erst bewusst, als ich zum ersten Mal in Tel Aviv war. Gleich nach meiner Ankunft an der Central Bus Station erwartete mich im angrenzenden Levinski Park das traurige Bild von geschätzten 200 obdachlosen unter unmenschlichen Bedingungen lebenden Afrikanern. Allein in Tel Aviv halten sich momentan 40 000 von ihnen, meistens Flüchtlinge aus dem Sudan, Eritrea oder Äthiopien, auf. So gut wie alle von ihnen sind obdachlos und haben nur eine Bleibeberechtigung, dürfen als politische Flüchtlinge also lediglich nicht abgeschoben werden. Auf Grund dieses rechtlichen Status haben sie keinen Anspruch auf den israelischen Mindestlohn (umgerechnet stolze 5,45€) und kämpfen sich mit Gelegenheitsjobs zu Hungerlöhnen durchs Leben. Ein Umstand, welcher die Ärmsten Israelis Tel Avivs jedoch um ihre ökonomische Existenz fürchten lässt. Diese Angst entlädt sich seit diesem Jahr immer öfter in blutiger Gewalt. So gehört es in der rechten Szene bereits zum guten Ton nach einer Kundgebung als pöbelnder Mob durch das afrikanische Viertel zu ziehen und dort Scheiben einzuschlagen und Afrikaner zusammenzutreten. Selbst im religiösen Jerusalem brannte im Juni dieses Jahres ein Haus, welches ausschließlich von afrikanischen Flüchtlingen bewohnt war, komplett nieder. Ein Eingreifen der Regierung ist nicht zu erwarten. Sie sieht in den Immigranten hingegen ein „Krebsgeschwür in unserem Körper“(Likud-Abgeordnete Miri Regev). Israels Innenminister erklärt ferner, dass die Afrikaner nicht verstünden, dass „dieses Land uns gehört, dem weißen Mann“.

Dem ausschweifenden Nachtleben und der wunderschönen Natur Israels, die meinen Freiwilligendienst hier recht angenehm machen, steht natürlich die politische Realität gegenüber. Nie hätte ich es vorher für möglich gehalten, dass ich es mal als normal empfinden würde, neben einem israelischen Soldaten im Bus zu sitzen, dessen Maschinengewehr auch noch halb auf meinen Knien liegt. Nie hätte ich erwartet, dass ich nach der Arbeit mit einem Worker meiner Arbeitsstelle noch ein Bier trinken gehe, der stolzer Bewohner der illegalen Siedlung Gilo im Süden Jerusalems ist. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Mädchen mit dem man gestern noch in einer der gemütlichen Jerusalemer Bars was trinken war, einen am nächsten Tag am Checkpoint bustet oder an der Straßensperre steht, welcher man einen 1,5 stündigen Umweg zu verdanken hat. Natürlich habe ich auch schon einige echt entspannte linke Israelis kennengelernt, jedoch muss ich mich bei den meisten neuen Bekanntschaften stets bemühen allein den Mensch vor mir zu sehen.

Das ganze fiel noch schwerer als der Gazakonflikt eskalierte. Als Deutscher wurde ich ständig nach meiner Meinung dazu gefragt und in die Diskussion gedrängt. In vielen Leuten denen ich eher eine Gleichgültigkeit in Bezug auf Politik unterstellt hätte, erwachte spätestens zu diesem Zeitpunkt der zionistische Patriotismus. Die Schuld dafür sehe ich vor allem bei den israelischen Medien, die ein sehr einseitiges Bild zeichnen. Fast ausschließlich werden Bilder der Zerstörung auf israelischer Seite gezeigt, währenddessen, falls überhaupt Bilder aus Gaza zu sehen sind, nur von der Brutalität der Hamas gegenüber der Bevölkerung Gazas die Rede ist. Es wird der Glaube erzeugt, Israel würde Gaza bombardieren, um die Menschen in Gaza von der Hamas zu befreien. Dieses Medienbild sollte einen jedoch kaum wundern, wenn man sich vor Augen führt, dass Israels Medienlandschaft von nicht mehr als 20 regierungsnahen Familien kontrolliert und finanziert wird. Beispielsweise wird Israels meistgelesene Zeitung von einem Likud-nahen nationalistischen Milliardär finanziert, dessen Investitionen viele vergleichsweise linke Zeitungen vom Markt verdrängen. Durch einige Unterhaltungen habe ich allerdings mitbekommen, dass selbst die Israelis ihren Medien kaum vertrauen. Jedoch immer noch mehr als arabischen oder allgemein ausländischen.

Trotz der
starken Hegemonie der zionistischen Rechten gibt es aber doch linke Bewegungen, in denen Israelis und Palästinenser sich vereinen.

So gab es eine Friedensdemonstration in der arabischen Stadt Nazareth, einen Tag nach dem die ersten Raketen auf Tel Aviv geflogen waren. Die Demonstration wurde von der sich selbst als kommunistisch bezeichnenden Chadasch-Partei unangemeldet organisiert und wurde von ca. 500 mehrheitlichen Chadasch Anhängern besucht.

Zum Anderen besuchte ich den „Human Rights March“ in Tel Aviv Anfang Dezember. Es beteiligten sich ca. 2000 Menschen und die verschiedensten Organisationen und Parteien. Die Spannbreite ging von Antisexisten, Homophobiegegnern, Arabern, Christen, Menschenrechtsgruppen, Amnesty International über Flüchtlingsorganisationen bis hin zur mehrheitlich und lautstark überwiegenden Chadasch.

palästina#10Diese Art von gemeinsamen palästinensisch-israelischen Protesten sind unbedingt notwendig. Das israelische Proletariat und auch die Jugendlichen müssen den Zusammenhang zwischen ihrer eigenen ökonomischen Situation und der Besatzung der Westbank und Gazas erkennen und begreifen, dass die israelische Bourgeoisie und der Imperialismus die Hauptschuldigen dafür sind. Ihnen muss deutlich werden, dass die massive Ausbeutung der Palästinenser als Billig-Arbeiter für die sinkenden Reallöhne verantwortlich ist. Sie müssen erkennen, dass die israelischen Kapitalisten das fehlende Geld im sozialen Bereich in das Militär und die Besatzung stecken.

Genauso muss auch das palästinensische Proletariat mit der reaktionären, korrupten und antisemitischen Fatah- und Hamasführung brechen. Der nationale Befreiungskampf der Palästinenser muss sich von jeglicher religiöser Bindung an den Islam loslösen, da dessen reaktionären und utopischen Schlachtrufe zum einen Frauen, als auch nationale und religiöse Minderheiten verschrecken. Die Palästinenser müssen begreifen, dass sie nicht nur von den Zionisten, sondern auch von ihrer eigenen Bourgeoisie unterdrückt werden.

palästina#7.php

Jüd_innen und Palästinenser_innen können gemeinsam Palästina befreien und ihre Bourgeoisien stürzen!

Ganz im Sinne von Marx Aufruf „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“ ist die einzig sinnvolle Perspektive zur Befreiung der Palästinenser vom israelischen Apartheidsregime, als auch zur Befreiung der israelischen Bevölkerung von ihrer faschistoiden Bourgeoisie, ein gemeinsamer Kampf der israelischen und palästinensischen Jugend und der Arbeiterklasse. Ziel dabei muss die Errichtung eines multiethischen demokratischen Arbeiterstaates mit völliger Gleichstellung aller Bevölkerungsteile sein. Nur der Bruch des Proletariats mit ihren jeweiligen Bourgeoisien und der gemeinsame Kampf gegen diese, kann diesen Jahrzentelangen Krieg beenden. Dass die allseits hochgelobte 2-Staaten-Lösung keine Perspektive bietet, liegt daran, dass der entstehende palästinensische Ministaat keinesfalls eine eigene ökonomische Existenzbasis hätte und damit von Israel abhängig bliebe. Die fruchtbaren Gebiete der Region befinden sich alle auf israelischem Territorium und auch die gesamte Wasser-und Stromversorgung liegt in israelischer Hand. Ebenso der Arbeitsmarkt, da es Palästinensern momentan nur in seltensten Fällen erlaubt ist, eigene Unternehmen zu gründen. Ein Palästina auf dem Gebiet des Westjordanlandes lässt vielmehr die Erinnerung an das südafrikanische Bantustan zur Zeit der Apartheid wach werden: ein Territorium, in das man die „überschüssige“ Minderheit abschieben und weiterhin als billige Arbeitskräfte nutzen kann.

REVOLUTION tritt deshalb ein für:

  • Die Vereinigung der palästinensischen und israelischen Jugend und Arbeiterklasse zur Bekämpfung der zionistischen Besatzung Palästinas, mit dem Ziel der Errichtung eines multiethischen demokratischen Arbeiterstaates!
  • Den Schulterschluss mit anderen fortschrittlichen Kräften der umliegenden Länder, als auch international!
  • Die Schaffung der Vereinigten sozialistischen Staaten des Nahen Ostens!

Ein Artikel von Marvin Schutt, REVOLUTION




Stoppt die israelische Aggression gegen Gaza!

Militärischer Angriff auf den Gazastreifen.

Gaza wird erneut von der israelischen Armee angegriffen. Am 14. November startete sie die Operation „Säulen der Verteidigung“ (Pillar of Cloud) mit einer ganzen Serie von Luftangriffen. Seither steigen Rauchsäulen aus bombardierten Gebäuden. Schon nach den ersten Tagen wurden bei den Luftangriffen 19 Menschen – davon 14 ZivilistInnen – getötet. Unter ihnen befand sich Ahmed Jabari, der militärische Anführer der Hamas. Darauf regierten palästinensische KämpferInnen mit dem Abfeuern von Raketen iranischer und russischer Bauart oder mit selbst fabrizierten Qassam-Raketen und Mörsern. Dabei wurden drei Israelis getötet und die Randbezirke von Tel Aviv, wenn auch recht harmlos getroffen – aber erstmals seit 1991.

In derselben Nacht, als die Luftangriffe gestartet wurden, ordnete Israels Premier Netanjahu die Mobilmachung von 30.000 ReservistInnen für einen Bodenangriff auf Gaza an. Infanteriebataillone wurden in Marsch gesetzt, Panzer, Artillerie und Fahrzeuge an die Grenze verlegt.

Das alles sieht nach einer Wiederholung der Operation „Gegossenes Blei“ (Cast Lead) aus. Unter diesem Namen führte Israel 2008/09 den letzten brutalen Krieg gegen Gaza. Dabei wurden 1.400 Menschen, v.a. ZivilistInnen, getötet und die ohnedies überaus schlechte Infrastruktur des Landes – Häuser, Krankenhäuser, Schulen – weitgehend zerstört. In den letzten drei Jahren wurden diese trotz der Blockade zumindest teilweise und unter enormen Entbehrungen wieder aufgebaut – zweifellos ein verlockendes Ziel für die rachsüchtige brutale Führung, die den Apartheid- und Siedlerstaat Israel anführt.

Zweifellos gibt es aber wichtigere Ziele für den Angriff: Am 22. Januar finden vorgezogene Parlamentswahlen in Israel statt. Um eine Niederlage angesichts eines unpopulären Austeritätsbudgets zu vermeiden, könnte ein Krieg, dessen Opfer die PälestinenserInnen wären, dabei Netanjahus Wahlchancen erhöhen. In diesem Zusammenhang sollte niemand vergessen, dass auch die Wahlen 2009 inmitten der Operation „Gegossenes Blei“ stattfanden.

Ein anderer Grund hängt mit dem drohenden Angriff Israels auf den Iran zusammen. Falls Israel Bomber gegen iranische Nuklearanlagen und wahrscheinlich große Teile seiner militärischen Infrastruktur schickt, möchte es nicht, dass selbst die recht schwachen Raketen der Hamas in Tel Aviv einschlagen könnten. Zweifellos will Netanjahu, der sich einen Wahlsieg Mitt Romneys gewünscht hatte, auch testen, wie weit er unter Obama gehen kann – doch dabei hat die israelische Regierung sicher wenig Grund zur Sorge.

Der Zynismus der Imperialisten und ihrer Medien scheint keine Grenzen zu kennen. Während die herrschende Klasse Israels im Namen des westlichen Imperialismus Genozid in Palästina betreibt, reden die westlichen Medien von Raketen über Tel Aviv. Die Linke muss daher umso mehr geschlossene Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand zeigen!

Sicher ist in jedem Fall, dass die israelischen Angriffe keine Reaktion auf Raketenangriffe aus Gaza sind. In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall. Der Bruch des Waffenstillstands zwischen Hamas und der israelischen Armee, der seit 2009 in Kraft war, geht auf eine Serie mörderische Anschläge Israels im September und Oktober zurück, als 57 PalästinenserInnen umkamen und 257 verletzt wurden – 209 infolge von Angriffen durch israelische Raketen, 69 durch Gewehrfeuer und 18 durch Panzerbeschuss. So wurden z.B. vier Jugendliche beim Fußballspiel durch israelische Artilleriegranaten getötet.

Am 5. November wurde ein 20jähriger geistig Behinderter, Ahmad al-Nahabeen, erschossen, als er der Grenze zu nahe kam. Am 8. November wurde ein 13jähriger beim Spiel vor seinem Haus von gepanzerten Fahrzeugen der israelischen Armee umgebracht. Als Vergeltung wurden eine Reihe Raketen abgefeuert. Aber es scheint, dass Hamas daraufhin – am 12. November – einen Waffenstillstand angeboten hat. Darauf deuten jedenfalls Berichte israelischer Medien hin, dass Unterhändler über eine langfristige Feuerpause verhandelte hätten. Doch genau zu diesem Zeitpunkt begann die Offensive.

Diese Fakten zeigen, dass Israel – weit davon entfernt, eine Insel der „Demokratie“ im Nahen Osten zu sein – in einem permanenten Kriegszustand gegen die palästinensische Bevölkerung und der Aggression gegen seine Nachbarn existiert. Der zionistische Staat baut nicht nur ständig seine Siedlungen in der West-Bank aus und macht damit jede Aussicht auf einen lebensfähigen Staat in der West-Bank zu reiner Makulatur; er führt auch immer wieder Strafexpeditionen nach Gaza durch, um all das zu zerstören, was die 1,7 Millionen EinwohnerInnen in ihrer winzigen Enklave aufgebaut haben.

Wie zu erwarten, haben die USA, Großbritannien, Deutschland und die anderen Länder der EU die Raketenangriffe der PalästinenserInnen auf Israel verurteilt und die mörderischen Angriffe Israels gerechtfertigt – im Namen des „Rechts, seine StaatsbürgerInnen zu verteidigen“. So erklärte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Mark Toner: „Es gibt keine Rechtfertigung für die Gewalt, die Hamas und andere terroristische Organisationen gegen das israelische Volk anwenden.“

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton erklärte: „Die Raketenangriffe der Hamas und anderer Fraktionen im Gaza, die die gegenwärtige Krise herbeigeführt haben, sind ganz und gar unakzeptabel für jede Regierung und müssen gestoppt werden. Israel hat das Recht, sein Bevölkerung gegen diese Art von Angriffen zu schützen.“

Der deutsche Außenminister Guido Westerwelle sagte: „Es ist offenkundig, dass Israel eine legitimes Recht hat, sich selbst zu verteidigten und seine StaatsbürgerInnen vor Raketenangriffen aus dem Gaza-Streifen zu schützen.“

Frieden kann nur ein sekuläres sozialistisches Palästina bringen, das durch die palästinensische und israelische Arbeiterklasse errichtet wird!

Und der „Friedensgesandte“ des sog. Nahost-Quartetts (USA, UN, EU, Russland), Tony Blair, erklärte im Fernsehen: „Falls der Raketenbeschuss aus Gaza, der sich gegen israelische Städte und Dörfer richtet, weitergeht, wird die Vergeltung zunehmen. Rund eine Million Menschen (in Israel) sucht jede Nacht Schutz. Keine Regierung, deren BürgerInnen unter diesem Druck stehen, kann verhindern, dass sie selbst unter Druck gerät, aktiv zu werden.“

Und was ist mit den 1,7 Millionen Menschen in Gaza, die ohne Schutzräume dastehen? Die kommen in der Welt des „Bombers von Bagdad“ Blair offenkundig nicht vor. Der UN-Sicherheitsrat hat eine Dringlichkeitssitzung anberaumt, kam aber zu keiner Entscheidung – zweifellos wegen des westlichen Vetos gegen die leiseste Kritik am Verhalten Israels und seine Angriffe auf die eingesperrte und gepeinigte Bevölkerung Gazas. Wieder einmal führen die „westlichen Demokratien“ der ganzen arabischen und muslimischen Welt ihre bedingungslose Unterstützung für den zionistischen Wachhund des Imperialismus vor Augen. Nur jemand wie George Buch konnte sich dann noch fragen, warum „hassen sie uns“?

Die wirtschaftlichen und strategischen Interessen der imperialistischen Mächte wiegen nun einmal viel mehr als ihre angeblichen Sorgen um Menschenrechte und Demokratie. Nachdem der zionistische Siedlerstaat als „westlicher“ Vorposten installiert worden war, um die arabische Welt zu spalten, besser auszubeuten und zu beherrschen, war und ist natürlich auch keine andere Haltung dieser Mächte zu erwarten.

In den imperialistischen Ländern, wo die Herrschenden alles und jede Aktion des zionistischen Staates unterstützen, ist es unsere Pflicht als InternationalistInnen und Anti-ImperialistInnen, gegen den brutalen Angriff auf Gaza wie schon 2008/09 zu mobilisieren. Wir müssen uns dieser Aufgabe stellen! Wir treten für einen Boykott aller israelischen Institutionen und Unternehmen ein – an den Unis, in der Industrie, im Handel.

Die Gewerkschaften, Studenten- und Jugendorganisationen, alle fortschrittlichen Kräfte müssen den israelischen Angriff verurteilen und ihre eindeutige Unterstützung des palästinensischen Widerstands erklären. Wir weisen entschieden das Argument zurück, dass Opposition zum Staat Israel und seiner rassistische Politik der ethnischen Säuberung der PalästinenserInnen anti-semitisch wäre. In Wirklichkeit ist eine klare Unterstützung der Unterdrückten, das beste Mittel zu internationalen Solidarisierung und auch eine wichtige Unterstützung für
die Minderheit anti-zionistischer Kräfte in Israel selbst.

Die wichtigste und unmittelbarste Hilfe für die PalästinenserInnen könnte jedoch aus den Ländern kommen, wo der arabische Frühling Diktatoren gestürzt hat, die Israel unterstützten. Allen voran geht es dabei um Ägypten. Die Tatsache, dass Präsident Mursi seinen Premierminister nach Gaza gesandt hat, zeigt, dass er unter Druck von unten steht. Die revolutionäre Jugend und die Massen, die mit den PalästinenserInnen sympathisieren, müssen jedoch mehr fordern als leere, rein diplomatische Gesten – die Öffnung der Grenze nach Gaza, so dass Nahrungsmittel, Medizin und Waffen die belagerte Bevölkerung zu erreichen können.

  • Stoppt den brutalen Angriff auf Gaza!
  • Für einen Boykott Israels und seiner Institutionen im Ausland durch die Arbeiterklasse und Jugend!
  • Sieg dem palästinensischen Befreiungskampf!
  • Nieder mit dem zionistischen Apartheidstaat!

Resolution des Internationalen Sekretariats der Liga für die Fünfte Internationale, Übernommen aus: Infomail 655, 17. November 2012




Jugend im Aufbruch – Generalstreik Europaweit

Jugendliche Militante in Italien in der ersten Reihe des Widerstands bei den europaweiten Streikaktionen am 14.11. gegen die Spardiktate der Monit-Regierung und der Auswirkungen der kapitalistischen Krise.

Jugend im Aufbruch? Für viele Jugendliche in Europa müsste es doch eher heißen: „Jugend am Rand der Verzweiflung“. Denn die Jugendarbeitslosigkeit in Ländern wie Spanien oder Griechenland liegt schon längst über 50%. Die Krise des Kapitalismus trifft uns Jugendlichen am härtesten. Wir verlieren als erste unseren Job, wenn wir einen finden, ist er schlechter bezahlt. Wir haben weniger Rechte, ob in der Bildung oder am Arbeitsplatz und werden permanent von der Hetze der Medien für den „Verfall der Gesellschaft“ verantwortlich gemacht. Dabei ist es der Kapitalismus und seine Krise, die diesen Zerfall bewirken. Warum also Aufbruch?

Gesellschaftliche Krisen bergen auch einen gewaltigen Sprengstoff für Veränderungen in sich. Wir Jugendlichen sind dieser Sprengstoff. Ob in Athen, Madrid, London oder Berlin – Wir sind die ersten, die sich über die Ungerechtigkeit dieses Systems empören. Wir haben wenig zu verlieren, aber alles zu gewinnen.

Auch die Illusion, dass dieses System „verbesserbar“ ist, haben viele von uns nicht. Wir wissen, dass der Zerfall des Kapitalismus nicht aufzuhalten ist, sondern dass er gestürzt und durch eine befreite Gesellschaft ersetzt werden muss. Wir haben uns nicht wie die ältere Generation mit einigen „Privilegien“ abgefunden. Wie auch? Doch es fehlt uns an Organisation. Wir stehen zwar immer in den ersten Reihen des Widerstandes, sind jedoch auch immer die ersten, die von den reformistischen und sozialdemokratischen Führungen der Proteste verraten und verleumdet werden.

Wir brauchen unsere eigene unabhängige Jugendorganisation! Doch diese Organisation muss Hand in Hand mit der gesamten Bewegung gegen die Angriffe der Kapitalist_innen stehen. Zwar lehnen wir die reformistischen Führungen der jetzigen Bewegungen ab, doch wir fühlen uns mit den Kämpfen der Arbeiter_innen verbunden.

Die Massenproteste der letzten Monate, der europäische Aktionstag am 14. November sind ein erster Schritt, diese Bewegung zu radikalisieren, den Bruch mit der Politik der faulen Kompromisse vorzubereiten – für ein revolutionäres Programm. Der nächste Schritt muss ein europaweiter, unbefristeter Generalstreik sein. Besonders wir Jugendlichen in Deutschland haben eine große Verantwortung, Solidarität und Widerstand mit den Jugendlichen in Südeuropa zu organisieren: Denn „unsere“ Regierung Merkel ist die Triebkraft für die historischen Angriffe in Südeuropa und die Beispiellose Verarmungspolitik. Nur wenn wir uns mit den kämpfenden Jugendlichen in Südeuropa verbinden, kann Europa eine Zukunft haben:
Ein Europa, das nicht den Kapitalist_innen gehört, sondern uns. Die vereinigten sozialistischen Staaten von Europa!

Doch dafür brauchen wir eine Organisation, die uns gehört. Bau mit uns REVOLUTION auf, organisiere den Widerstand, werde mit uns aktiv in Aktionskomitees gegen die Krise!

  • Keine weiteren Sparpakete, Rücknahme aller Kürzungen und Entlassungen! Solidarität und Widerstand europaweit organisieren!
  • Reichtum besteuern – Bildung finanzieren, Arbeits– und Ausbildungsplätze für alle, bei einem Mindestlohn von 12 Euro für Jung und Alt! Nein zu unbezahlten Praktika, Leih- und Kurzarbeit!
  • Banken enteignen und unter Arbeiterkontrolle! Wenn die kapitalistischen Regierungen die Krise auf uns abladen, müssen wir sie stürzen!

Organisationsaufruf, REVOLUTION-Deutschland

In Stuttgart und Berlin organisieren wir zu diesen Themen Veranstaltungen. Dort wollen wir die Streiks und Demonstrationen in den jeweiligen Städten, sowie europaweit diskutieren. Darüber hinaus wollen wir uns der Frage widmen, was jetzt kommen muss, um die Angriffe der Kapitalist_innen und ihrer Regierungen aufzuhalten – Wie wir Jugendlichen uns für eine befreite Gesellschaft organisieren können.

19.11.| 18.00 Uhr| Berlin|Florastraße 84 im unabhängigen Jugendzentrum Pankow

21.11.| 18.00 Uhr|Stuttgart|Schwabstr./Bebelstraße im Jugendhaus West




14. November – Europaweit Streiken!

Am 14. November wird es in etlichen Ländern Südeuropas einen koordinierten Generalstreik gegen die Krise geben. Die ersten Zeichen machen deutlich, dass die Krise auch nach Deutschland zurückkehrt. Daher werden in mehreren Großstädten Solidaritätsdemonstrationen am 14. November von Solidaritäskomitees und Antikrisenbündnissen organisiert, an denen sich auch REVOLUTION aktiv beteiligt. Wir veröffentlichen daher den Bündnistext des Berliner Solidaritäskomitees für die Demonstration am 14. November und rufen insbesondere alle Jugendlichen dazu auf, an diesem Tag nicht nur solidarisch zu sein, sondern den Kampfgeist und die Militanz der Südeuropäischen Jugend im Kampf gegen das Kapital nach Deutschland – zurück ins Herzen der Bestie – zu tragen:

Auf zum Europäischen Aktionstag! Gemeinsam gegen die Krise kämpfen!

In den letzten Monaten hat der Druck der Troika und der nationalen Regierungen auf die arbeitende und arbeitslose Bevölkerung, die Rentner_innen und die Jugendlichen in den südeuropäischen Ländern nicht nachgelassen. Im Gegenteil: In Portugal, Spanien, Griechenland und anderen Ländern sollen noch weitere Sparpakete durchgedrückt werden.

Gleichzeitig gibt es in all diesen Ländern weiterhin Widerstand. So gibt es in Portugal die größten Mobilisierungen seit dem Ende der Diktatur 1974, welche sogar eine Rücknahme von Teilen des Spardiktats erkämpfen konnten. In Griechenland fanden kürzlich die dritten Massendemonstrationen seit dem Antritt der neuen Regierung im Juni statt, in Spanien reißen die Mobilisierungen ebenfalls nicht ab. Und sogar in Frankreich und in Großbritannien gingen kürzlich zehntausende Menschen gegen Krise und Fiskalpakt auf die Straße.

In dieser Situation wurde in Portugal und in Spanien für den 14. November zu einem Generalstreik aufgerufen. Es folgte der Aufruf der griechischen Gewerkschaften, sowie aus Malta und Zypern. Gleichzeitig hat der Europäische Gewerkschaftsbund EGB diesen Tag zum europaweiten Aktionstag erklärt. Auch in Italien und sogar in Großbritannien wird darüber diskutiert, sich dem Aufruf zum Aktionstag des Europäischen Gewerkschaftsbundes anzuschließen.


Es ist längst überfällig, auch in Deutschland gegen die Krise auf die Straße zu gehen! Griechenland und Spanien sind die Experimentierfelder für neoliberale Krisenlösungen, die früher oder später auch hier in Deutschland eingeführt werden. Bereits jetzt leben 6 Mio. Menschen in Deutschland mit einem Existenzminimum am Rand der Gesellschaft. Allein die jetzige Solidarität und der gemeinsame Kampf mit unseren Kolleginnen und Kollegen in Griechenland, Spanien und europaweit kann eine verschärfte Attacke auf die sozialen Errungenschaften in Deutschland verhindern. Wir brauchen eine starke Protestbewegung, mit Demonstrationen auf den Straßen und Streiks und Besetzungen in den Betrieben, die sich den Plänen der Banker_innen, Konzernchef_innen und deren Politiker_innen zur Abwälzung der Krisenkosten auf die arbeitende Bevölkerung in Europa entgegenstellen. Die Wirtschaftskrise ist genauso international wie der brutale soziale Kahlschlag der herrschenden Konzerne und Banken und ihrer Regierungen. Höchste Zeit, dass wir, die lohnabhängige Bevölkerung, die Jugend, die Erwerbslosen und die Rentner_innen, uns international zur Wehr setzen.


  • Solidarität mit den Generalstreiks in Südeuropa!
  • Rücknahme und Stopp aller Spardiktate!
  • Die Kapitalist_innen sollen ihre Krise selbst bezahlen!
  • Für einen Europaweiten Generalstreik!

Kundgebungen und Demonstrationen zum Europäischen Aktionstag am 14.11.:

Berlin:

15.00 Uhr Kundgebung des DGB am Brandenburger Tor

16.30 Uhr Demonstration des Griechenland-Solidaritätskomitees, Startpunkt: Pariser Platz/Brandenburger Tor, Endpunkt: Potsdamer Platz

Bremen:

Demonstration des DGB und des Anti-Krisenbündnisses

Auftakt: 17.30, Marktplatz; Abschluss: 19.00, DGB-Haus

Hamburg:

Solidaritätskundgebung DGB Hamburg: 17.00, Gänsemarkt

Kassel

Solidaritätskundgebung: 16.30 Uhr, Rathaus Kassel

München:

Solidaritätsaktion: 17.00 – 19.00, Wittelsbacher Platz

Stuttgart:

Kundgebung der IGM Stuttgart: 16.00 Uhr, Büchsenstraße/Kronprinzstraße

Kundgebung Anti-Krisenbündnis: 17.30 Uhr, Schlossplatz




Rock your School – Aktiv werden, Aktionsgruppen aufbauen

Das neue Schuljahr 2012 geht jetzt – von Bundesland zu Bundesland etwas unterschiedlich – schon seit einigen Wochen. Fast sechs Jahre ist es nun her, das von Berlin aus die Schulstreikbewegung begann, die 2009 in den damaligen Bildungsstreik-Aktionswochen ihren Höhepunkt fand, an denen sich mehr als 270´000 Jugendliche beteiligten. Wie können sich Jugendliche nach der Bewegung heute an ihrer Schule organisieren?

Militante Proteste vor der Tory-Zentrale, organisiert von der britischen Studentengewerkschaft, dieBewegung dauerte mehrere Monate an. Dafür war der Organisationsgrad und eine allgemeine politische Perspektive in der breite jedoch nie in Deutschland gegeben.

Seit 2009 ging es mit zeitweiligen Erfolgen, die jedoch nur von begrenzter Dauer waren und ohne eine gemeinsame Perspektive der Bewegung waren, bergab. Wir von REVOLUTION versuchten bis zum Ende eine solche Perspektive aufzuweisen. Wir wollten eine Bewegung, die zu mehrtägigen Streiks und Besetzungen aufrufen würde, entschlossene und weitreichende Forderungen aufstellen sollte, die Bildungsstreikbewegung mit anderen sozialen Kämpfen verbinden müsste und letztlich eine Schüler-und Studierendengewerkschaft (gestützt auf lokale Streikkomitees und Aktionsgruppen) aufbauen müsste, um eine unabhängige Interessenvertretung der Jugendlichen zu gewährleisten. Nur so hätten wir eine Kraft werden können, die weitgehende Forderungen umsetzen kann.

Der Grund dafür, dass diese Vorschläge nicht angenommen wurden war jedoch kein Zufall. Es war die Dominanz von reformistischen Organisationen wie dem SDS (Studierendenverband der Linkspartei), Solid und den Jusos, später insbesondere von einem Flügel der Anarchisten.

Um über berechtigte, aber nur symbolische Proteste hinauszukommen, braucht es eine bundesweite Perspektive, die sich auf Streik – und Aktionskomitees stützen kann, die nicht nur einige Reformforderungen stellt, sondern sich gegen das kapitalistische Bildungssystem stemmt.

Aus diesen Gründen existiert die bundesweite Bewegung nun seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Die Probleme allerdings sind geblieben und mancherorts gibt es auch lokale Proteste dagegen. Diese Proteste müssen organisiert und erneut auf bundesweiter Ebene gebündelt werden. Gerade unter der zunehmenden Krise in Europa wäre es naiv anzunehmen, dass unsere Bildung von weiteren Kürzungen verschont bleiben könnte.

Doch die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass es mehr als nur Bündnisse in Bewegungen braucht. Insbesondere, wenn man das kapitalistische Bildungssystem – letztlich immer den Profitinteressen der Unternehmer und Banken untergeordnet – nicht nur reformieren sondern zugunsten einer freien, kommunistischen Bildung überwinden will!

Wir glauben daher, dass es neben Streikkomitees und breiten Bündnissen der Bewegung zu denen wir alle aufrufen sich zu beteiligen auch eine revolutionäre Organisierung braucht – REVOLUTION an deiner Schule!

Die aktivsten und kämpferischsten Jugendlichen brauchen Strukturen, in denen sie sich dauerhaft organisieren können. Ihr eigenes Engagement sollte nicht von den Aufs und Abs von Bewegungen abhängen. Viele von ihnen wollen nicht nur Aktionen für den Bildungsstreik diskutieren, sondern ihre Anschauungen über Politik im Allgemeinen, Aktionen, die über die Schultore hinaus gehen und andere Themen, wie den Kampf gegen Faschisten, Sozialabbau bis hin zu revolutionärer Politik ungehindert besprechen.

Das bedeutet allerdings nicht, dass sich diese Gruppen deshalb nicht an Streikkomitees oder der Politik an ihrer Schule heraushalten sollten. Ganz im Gegenteil – sie sollten die entschlossensten Aktivist_innen sein, die ihre Ideen einbringen und mit Tatkraft einbringen.

REVOLUTION ist diese Organisation – unabhängig, international und kommunistisch!

Gemeinsam wollen wir uns mit euch an eure Schulen organisieren:

  • Um Aktionen zu planen. Sei es für einen Freiraum an eurer Schule, gegen Faschisten, die den Schulweg unsicher machen, weil euch euer Rektor den Mund verbietet oder weil ihr gegen den generellen Verfall eures Bildungssystems kämpfen wollt.
  • Um den Schüler_innen endlich eine unabhängige Stimme zu geben. Egal, ob es darum geht die verstaubten GSV´s aufzumischen oder eigenständige Strukturen,wie Streikkomitees aufzubauen.
  • Um dem System, dass hinter der Krise in Bildung und Gesellschaft steht den Kampf anzusagen, für eine befreite, selbstbestimmte, kommunistische Gesellschaft einzutreten.

Es ist Zeit, dass wir Jugendlichen uns organisieren, eine eigene Stimme bekommen: REVOLUTION an deiner Schule!

Rock your School – werde gemeinsam mit REVOLUTION an deiner Schule aktiv, argumentiere mit uns in der Schülervertretung und lass uns unabhängige Aktionskomitees aufbauen!

Mit REVOLUTION eine Schulgruppe aufbauen!

Wenn du Lust bekommen hast aktiv zu werden, eine Gruppe an deiner Schule mit uns aufzubauen, dann melde dich per Mail (germany[ät]onesolutionrevolution.de) oder komm einfach zu unserem nächsten Ortsgruppentreffen in deiner Stadt. Denn du sollst natürlich nicht ganz alleine eine solche Aufgabe stemmen müssen!

REVOLUTION hilft dir mit Rat und Tat. Gemeinsam wollen wir mit dir Aktionen besprechen, Materialien erstellen und weitere Aktivist_innen an deiner Schule für unsere gemeinsamen Ideen gewinnen. Doch nicht alles muss neu gemacht werden. Du kannst unsere aktuellen Zeitungen, Programme, Flyer und Fahnen von unserer Gruppe bekommen – und natürlich selbst über die Aktionen der gesamten Organisation mitentscheiden!

Wenn erst einmal neue Mitsreiter_innen gefunden sind, dann geht’s los. Wir können Flyer oder Schülerzeitungen direkt für deine Schule drucken, Veranstaltungen zu spannenden Themen an oder in der Nähe deiner Schule organisieren oder direkte Aktionen planen!

Ein Artikel von Georg Ismael, REVOLUTION-Berlin




Bankrott – aber nicht am Ende!

Quelle: Scharf-Links

Warum also nicht etwas riskieren, Widerstand organisieren oder einen Aufstand wagen, einen kleinen oder auch größeren, so oder ähnlich dürften derzeit viele denken in Spanien, in Griechenland. Und sie tun es, die Mineros (Minenarbeiter_innen in Asturien), die Stahlarbeiter_innen in Thessaloniki und viele, viele andere Jugendliche, Arbeitslose, Arbeiter_innen, Rentner_innen in ganz Europa – hunderttausende, bis zu 800.000 waren es am 19. Juli in Madrid, mehrere Millionen waren es letzte Woche in Portugal und Spanien. Sie müssen befürchten, dass es für sie nach Jahren steigender Arbeitslosigkeit, sozialer Angriffe, Kürzungen in Bildung, Gesundheit, Rente nun noch viel schlimmer kommt, denn das ist der Plan ihrer Regierungen, der EU und ganz besonders „unserer“ Frauen und Herren Merkel und Rösler. Doch dieser Plan kann gestoppt werden, und dass hierfür der erste Schritt bereits getan ist, das zeigen die hektischen Reaktionen der rechten deutschen Presse, die ein „Umkippen“ Spaniens befürchtet. Sind die Proteste also bloß Ausdruck einer Verzweiflung angesichts des unvermeidlichen Bankrotts?

Nein, sie sind vielmehr die richtige und notwendige Reaktion – auf den Versuch der herrschenden Kapitalist_innen, ihre Krise in unseren Ruin zu verwandeln. Der Kampf gegen Sparprogramme und „Bankenrettung“ kann erfolgreich sein, und so er das in Spanien und Griechenland nicht ist, werden auch uns derartige Angriffe nicht erspart bleiben. Von den Zuständen manch anderer Länder – in Griechenland und Spanien sind mehr als die Hälfte der Jugendlichen arbeitslos – sind wir in Deutschland weit entfernt. Doch die Durchsetzung der gewaltigen Sparprogramme dort würde die Situation für uns nicht etwa verbessern – ganz im Gegenteil wären die deutschen Kapitalist_innen ermutigt, auch uns solche Einschnitte aufzuhalsen: Denn sie wissen, dass sie hauptsächlich deswegen besser dastehen, weil bereits seit Jahren die Löhne in Deutschland stagnieren und Hartz 4, Agenda 2010 und Leiharbeit höhere Profite als anderswo erlauben. Und umgekehrt ist das Fehlen von massenhaftem Widerstand in Deutschland, vor allem das weitestgehende Stillhalten von Gewerkschaften und der Partei „DIE LINKE“ mit dem Ziel, „friedlich und ruhig“ durch die Krise zu kommen, nicht nur ein schändlicher Verrat an der Bevölkerung in „Krisenländern“, sondern wird auf uns selbst zurückfallen, sobald Griechenland und Spanien „abgehakt“ ist. Der Kampf gegen die Politik der Bundesregierung ist daher jetzt notwendig – es ist falsch, erst auf die „Zuspitzung der Lage“ zu warten (wie manche linke Reformist_innen in Deutschland, aber auch SYRIZA in Griechenland)  oder – wie die DGB-Gewerkschaften in den Tarifrunden vormachen – „verantwortungsvoll“ gemeinsam mit den Kapitalist_innen die Krise „auszustehen“. Verantwortungsvoll ist dies nur vom Standpunkt der Ausbeuter, den Kapitalist_innen.

Für den Kampf gegen die Krise schlagen wir folgende Schritte vor:

  • Europaweite Mobilisierung gegen Fiskalpakt, Sparpaket, Bankenrettung! In ganz Europa muss 2012 ein Herbst des Widerstandes werden!
  • Generalstreiks in Spanien und Griechenland sind in der Diskussion. Diese sind notwendig, wenn die Verarmung gestoppt werden soll!
  • Solidaritätsstreiks auch in Deutschland! Überhaupt jeder Arbeitskampf, jede Demo muss auch Solidarität mit Spanien und Griechenland zum Ausdruck bringen!
  • Unterstützung muss praktisch werden: Solidaritätskomitees in jeder Stadt! Kampf der nationalistischen Hetze gegen Griechenland! Materielle Unterstützung für die griechische Arbeiter_innenklasse, wo der Kampf dies erfordert!
  • Aktionstag „UMfairTEILEN“ am 29. September: Alle auf die Straße, in jeder Stadt! Bildet Vorbereitungskomitees!
  • Schluss mit dem Stillhalten der Gewerkschaftsführungen! Ernsthafte Mobilisierung, klassenkämpferische Opposition von unten!
  • Für eine europaweite Konferenz der Linken, Arbeiter_innen- und Jugend-Aktivist_innen zur Verstärkung des Kampfes gegen die Krise – beteiligt euch vom 08.-11. November an „Florenz 10+10“. Macht es mit uns zu einer europaweiten Aktionskonferenz unseres Widerstandes!



Post aus Athen – Griechenland am Scheideweg

Am morgigen Tag findet ein weiterer Generalstreik in Griechenland statt. Fast 20 Generalstreiks hat das Land seit Ausbruch der Krise 2007 gesehen – fast keine der elementaren Angriffe konnte bisher verhindert werden. Im Zusammenhang mit der sich zuspitzenden Lage und der aktuellen Solidaritätskampagne unserer Organisation veröffentlichen wir daher den Bericht unserer Genossin Sonja Spunk, den sie im August 2012 nach ihrem 3 wöchigen Aufenthalt in Athen verfasste.

Nirgendwo sonst fanden in Europa so heftige Klassenkämpfe statt wie in Griechenland in den letzten 3 Jahren – Stahlwerke und Krankenhäuser werden besetzt und unter Arbeiterkontrolle gestellt, ein Generalstreik folgt dem anderen, riesige Massendemonstrationen lassen die Straßen von Athen beben und brennen, es kommt zu brutalen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und den Protestierenden.

REVOLUTION organisiert Solidaritätsdelegationen nach Griechenland.

Doch diese Kämpfe nur zu heroisieren, Solidarität nur Kund zu tun, indem man Bilder auf Facebook teilt und im viel zu ruhigen Deutschland darauf zu warten, dass die Griechen das Ding schon schaukeln werden, hilft niemandem. Denn wenn man genauer hinsieht, entstanden diese Kämpfe nicht als eine spontane Idee von einigen Jugendlichen, die Lust auf Krawall hatten, sondern sie drücken den Willen der Unterdrückten in Griechenland aus, die seit Beginn der Krise 2008 immer weiter in Armut und Elend gedrängt werden. Der Wille nach einem Leben,dass nicht vom auf und ab der kapitalistischen Wirtschaft bestimmt ist, sondern nach einer Zukunft, die man selbst in die Hand nehmen kann.

Um einen Eindruck von den griechischen Lebensverhältnissen zu bekommen, mit Aktivisten zu sprechen, über unsere eigenen Vorschläge für Griechenlands Zukunft zu diskutieren und um an Aktionen teilzunehmen haben wir von REVOLUTION gemeinsam mit der Liga für die 5. Internationale Anfang Juli begonnen, Solidaritätsdelegation nach Athen zu schicken, die bis Ende August mit wechselnder Besetzung vor Ort sein werden. Was nun folgt, ist ein Bericht über die Eindrücke, die wir während unserer Zeit in Griechenland gewonnen haben, sowie die Schlüsse,die wir daraus ziehen.

Betrachtet man zu erst einmal das Stadtbild von Athen, und damit meinen wir nicht die touristischen Einkaufsmeilen oder die Akropolis, sondern die normalen Wohnbezirke, ist man doch erstaunt, wie groß das Gefälle des Lebensstandards innerhalb von Europa ist. Zerfallene Häuser reihen sich an geschlossene Geschäfte vor denen Bettler sitzen, die noch weniger haben als die erst kürzlich obdachlos gewordenen, die noch viel von dem Hausrat bei sich haben, der aus ihrer alten Wohnung stammt. Man muss auch nicht in den hintersten Winkel der Stadt gehen, um Drogenabhängige sich Heroin spritzen zu sehen, als Student der Polytechnischen Universität wird man von ihnen an der Eingangstür begrüßt.

Athen macht keinen Hehl daraus, heruntergekommen und von der Krise schwer getroffen zu sein, es wirkt fast so als wolle es allen, die hierherkommen, sagen: „So sieht Wettbewerb und Marktwirtschaft auf der Seite der Verlierer aus!“ Aber die Armut hat keineswegs den Nachgeschmack der Hoffnungslosigkeit oder der Ohnmacht der Gesellschaft, ganz im Gegenteil. Was aus diesen Zuständen erwächst ist Widerstand und Kampfgeist. Der Wille, für eine bessere Zukunft zu kämpfen, denn was hat man schon zu verlieren?

Tsipras: Held oder doch eher Heuchler?

SYRIZA, die größte linke Partei, die bei den letzten Wahlen beinahe die konservative Nea Demokratia vom Throne der Regierung geschubst hätte, gewann in den letzten Monaten viele Mitglieder und Sympathisanten. Ihre Forderung nach einem sozialen Griechenland der Arbeiter_innen, der Menschen und nicht des Kapitals, traf auf breite Unterstützung. Die fehlenden drei Prozent zum Wahlsieg, hätten kein Hindernis für SYRIZA sein sollen, um auch nach der Wahl den Kurs Richtung Antikapitalismus zu halten, gegen die neue Regierung zu mobilisieren und sich auf die Basisstrukturen zu stützen, die die griechische Bevölkerung aufgebaut hat, um sich selbst zu organisieren.

Stattdessen sieht SYRIZAs Parteivorsitzender Tsipras tatenlos zu, wie die Regierung neue Angriffspläne schmiedet, wie zum Beispiel das bereits durchgesetzte Sparpaket in Höhe von 11,5 Mrd. Euro, die durch geringere Renten und massenhafte Entlassungen zusammenkommen sollen oder der Plan eine 6-tägige Arbeitswoche einzuführen.

Antarsya, das kleine und radikalere linke Bündnis, eine Allianz aus 10 Gruppen, lag bei den letzten Wahlen zahlenmäßig unter einem Prozent. Auf der Straße scheinen sie jedoch bei sämtlichen Aktionen ganz vorne mit dabei zu sein. Ein Beispiel war die antifaschistische Demonstration in Nikea, einem stark migrantisch geprägten Viertel von Athen, das Mitte Juni von Faschisten und der Polizei pogromartig angegriffen wurde. Am 05. Juli fand dort eine Demonstration statt, bei der klar wurde, dass die Migrant_innen in Zukunft mit ausnahmslos allen Mitteln bereit seien, sich selbst und ihren Stadtteil zu verteidigen. Antarsya-Mitglieder waren dort zahlenmäßig gut vertreten und mobilisierten zu der Demonstration, jedoch gibt es auch von ihnen keinen entschlossenen Schritte in Richtung des Aufbaus gemeinsamer Selbstverteidigungsstrukturen für Migrant_innen und linker Aktivist_innen, die im Angesicht der immer stärker werdenden Faschist_innen  nun immer notwendiger werden.

Ebenso wenig Ruhm verdiente sich bisher die stalinistische KKE. So radikal manche ihrer Thesen auch sein mögen, reicht es doch nicht aus, sich in seinem Büro zu verschanzen und darauf zu warten, dass die revolutionären Massen von ganz alleine zu einem strömen. Sie lehnt gemeinsame Aktionen mit anderen Organisationen meist ab, organisiert nur eigene Demonstrationen und auch bei dem jährlich stattfindenden Antirassismus-Festival, bei dem diesen Sommer 30.000 Besucher teilnahmen, ließ sie sich nicht blicken. Als vermeintlich revolutionäre Kraft hätte sie die Pflicht – gerade unter dem Anbetracht, dass sie einen erheblichen Organisationsgrad unter der industriellen Arbeiterklasse besitzt – jeden Kampf mit aller Kraft zu unterstützen, um die Arbeiter_innen zum Sieg zu führen. Stattdessen versteckt sie sich und mobilisiert ihre Basis nur zu symbolischen Aktionen außerhalb der praktischen Bewegung. Nur um das theoretische Potential der KKE und wie sie damit umgeht, aufzuzeigen erinnern wir an den Streik der Stahlarbeiter in Chalivourgia. Beispielsweise schaffte sie es gemeinsam mit der ihr nahe stehenden Gewerkschaft „PAME“ innerhalb kürzester Zeit, eine Demonstration von 30.000 auf die Straße zu bringen, die gegen die Räumung des besetzten und seit 9 Monaten bestreikten Stahlwerks in Chalivourgia protestierten. Über eine Demonstration schienen die Führer jedoch nicht hinaus gehen zu wollen, weder Syntagma noch Omonia wurden besetzt, das Stahlwerk nicht zurückerobert.

Doch bei aller Kritik an den politischen Mängeln der einzelnen Organisationen – Wie erreicht man nun sein Ziel, wenn scheinbar keine Organisation genügend Durchschlagskraft besitzt?

Die griechische Arbeiterklasse darf sich weder von ihren falschen politischen Führern, noch von der herrschenden Klasse aufhalten lassen, will sie ihrem Elend ein Ende bereiten!

Schuld sind nicht die Mitglieder, die, wie manche behaupten, gar keine Lust hätten, die Regierung zu stürzen und die Macht in ihre Hand zu nehmen. Schuld tragen die Führungen dieser Organisationen, die sich manchmal nicht einmal ihres genauen Zieles, manchmal aber auch nur nicht dem Weg dorthin bewusst sind. Tsipras spricht nicht offen davon, eine Arbeiterregierung und eine Rätedemokratie in Griechenland zu erkämpfen. Es wüsste auch gar nicht wie, denn er setzt er auf den parlamentarischen Weg, auf seine Rolle als „verantwortungsvolle Opposition“. Seine Basis will aber sicherlich nicht bis zur nächsten
Wahl abwarten und alle Maßnahmen ertragen, die die neue Regierung zur Zufriedenheit der Bourgeoisie erlässt.

Was die Arbeiter_innen, die Jugend und andere Unterdrückte zum Erfolg, also zur Umsetzung ihrer Forderungen bringen würde, wären riesige Proteste, die sich auf alle Basiskomitees, Aktions- und Streikkomitees stützen würden. Ein unbefristeter Generalstreik, der die gesamte Wirtschaft zum Stillstand bringt und enormen Druck gegen die Herrschenden aufbaut – letztlich die Frage der Macht in der griechischen und europäischen Gesellschaft stellen würde – muss angekündigt werden. Alle linken Organisationen, Migrantenorganisationen, Jugendorganisationen, Arbeiter_innen und Arbeitslose müssten zusammen eine demokratisch gewählte Arbeiterregierung aufbauen, die der Bourgeoisie, der EU, Merkel & Co. die Stirn bieten kann. Sie müsste sich selbst verteidigen gegen die Polizei der Herrschenden, gegen das Militär und die Faschisten. Nur auf diesem Weg, durch die gemeinsame Aktion aller Unterdrückten kommt man dem Sieg gegen die Kapitalisten von Europa, die Griechenland unter ihrer Führung behalten wollen, einen Schritt näher.

Griechenland ist der beste Beweis, dass man im Parlament keinen Kapitalismus reformieren kann, dessen einziges Ziel es ist, die Wirtschaft und die Gesellschaft und die Kontrolle der Besitzenden zu stellen, während die Arbeiter_innen den eigentlichen gesellschaftlichen Reichtum produzieren. Die Mehrheit der Bevölkerung will keine Sparmaßnahmen diktiert bekommen, aber im Parlament scheint das niemanden zu interessieren. Schon das allein zeigt, wie demokratisch dieses Parlament, das über dem Syntagma Platz erhebt, wirklich ist.

Doch kann man die Griech_innen nicht alleine kämpfen lassen, denn auch ein noch so sozialistisches Griechenland wäre in Europa vollkommen von der Wirtschaft isoliert und würde in kürzester Zeit zusammenbrechen, bliebe es isoliert. Deshalb müssen alle europäischen Arbeiter_innen gegen ihre bürgerlichen Regierungen kämpfen, um Solidarität organisieren zu können und überhaupt Handelsbeziehungen mit Griechenland aufrecht erhalten können. Diese Kämpfe müssen international koordiniert werden, von Gewerkschaften, von Jugendorganisationen, von Arbeiterparteien in einer neuen, fünften Internationale Seite an Seite mit einer revolutionären Jugendinternationale!

Ein Artikel von Sonja Spunk, REVOLUTION Ulaan Bataar