Berliner (H)Ausverkauf und die Familie Gülbol – Gentrifizierung in Rambo-Manier

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Friede den Hütten – Krieg den Palästen. Der Kampfaufruf von Georg Büchner ist auch fast 200 Jahre später noch aktuell.

Der Wind wird rauer, doch der Widerstand gegen soziale Verdrängung nimmt zu. Sitzblockaden, zwei Räumungsversuche, Polizeigewalt – Familie Gülbol wird geräumt. Gut zweieinhalb Wochen ist es her, dass mehrere hundert Menschen versuchten die Zwangsräumung einer Wohnung in Kreuzberg zu verhindern. Nur durch massive Polizeigewalt und den Einsatz von mehreren hundert Uniformierten inklusive zweier Hubschrauber konnte die Räumung vollzogen werden. Die in der Wohnung lebende Familie Gülbol wurde nach über 20 Jahren aus dem Haus in der Lausitzer Straße 8 geworfen.

Der Vermieter der Wohnung – Immobilieninvestor André Franell – hatte das Wohnhaus 2006 bei einer Zwangsversteigerung gekauft. Ihm gehören auch andere Häuser im Bezirk. Obwohl der Familienvater Ali Gülbol mit dem alten Vermieter die mündliche Abmachung getroffen hatte, die Miete werde sich nicht erhöhen – da er die Wohnung erst vor einigen Jahren für 20.000 EUR renoviert hatte – konnte es dem neuen Eigentümer nicht schnell genug gehen. Er wollte schon kurze Zeit nach dem Erwerb der Immobilie 93 Euro mehr Miete.

Schließlich wäre Herr Franell kein guter Investor, wenn er nicht vorhätte aus dem Erwerb des Hauses Profit zu schlagen.

Das ganze ging 2008 vor Gericht, Gülbol verlor den Prozess und wurde verpflichtet die aufgelaufenen Monatsmieten von ca. 3700 nachzuzahlen. Dies tat die Familie auch, allerdings nicht fristgerecht. Deshalb hatte der Vermieter zumindest formaljuristisch Recht und kündigte der Familie. Nach erneutem, jahrelangem Rechtsstreit beantragte der Investor die Zwangsräumung.

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Die ersten beiden Zwangsräumungen konnten durch aktiven Widerstand verhindert werden.

Die Familie Gülbol weigerte sich weiterhin – auch um ein Zeichen gegen die allgemeine Wohnsituation in Berlin und anderswo zu setzen – auszuziehen.

Im Oktober 2012 konnte die Zwangsräumung durch aktiven Protest und Blockaden von AktivistInnen und AnwohnerInnen verhindert werden. Die Gerichtsvollzieherin gab zu Protokoll: „Vor Ort wurde die Einweisung vereitelt durch massive Ausschreitungen“. Der zweite Räumungstermin wurde gleich seitens des Kammergerichts aufgrund angeblicher „formaler Unklarheiten bei der Zustellung“ ausgesetzt.

Am 14. Februar war es dann soweit, wiederum hatten sich hunderte UnterstützerInnen der Familie vor das Haus gestellt. Allerdings kam die Gerichtsvollzieherin bereits vor um 8.48 Uhr – 12 Minuten vor dem Termin getarnt mit Polizeiweste durch den Hintereingang. Ohnehin hatte die Familie vorsorglich die Wohnung bereits ausgeräumt. Mit brutaler, körperlicher Gewalt und Pfeffersprayeinsatz gelang es der Berliner Exekutive die Protestler aus dem Weg zu räumen. Auch bei einer anschließenden Demonstration von gut tausend Menschen kam es zu Festnahmen und Schikanen. Auch wenn Franell mit seiner miesen Tour nun Erfolg hatte, es war ein teuer erkaufter Sieg.

Tagtäglich Zwangsräumungen

Zwangsräumungen sind in Berlin nicht selten, solch ein massiver Protest aber schon. Langsam scheint allerdings die bisher eher abstrakt erscheinende Thematik der Gentrifizierung auch den Berliner MieterInnen drastisch bewusst zu werden. Jeder könnte der nächste sein. Um das zu verhindern braucht es eine Bewegung, die insbeosndere auch die Mietervereine und Gewerkschaften für die Mobilisierungen gewinnt und sich um konkretet politische Forderungen formiert.

Wir von REVOLUTION schlagen u.a. folgende Forderungen vor:

  • Keine Zwangsräumungen gegen Arbeiter_innen, Erwerbslose etc., weil sie sich ihre Miete nicht mehr leisten können!
  • Für einen allumfassenden Mietenstopp und eine Mietobergrenze von 8 Euro kalt!
  • Für eine massive Besteuerung der großen Immobilieninvestoren und Grundbesitzer in Berlin. Mit dem Geld sollten durch den Staat neue und günstige Wohnhäuser für Arbeiter_innen, Erwerbslose, Migrant_innen, Jugendliche und Geringverdiener geschaffen werden, die von den Anwohner_innen selbst verwaltet werden.
  • Rückverstaatlichung aller Immobilien, die seit 2000 privatisiert wurden, als ersten Schritt zur Enteignung der Immobilienkonzerne und Großgrundbesitzer. Stopp aller Luxusprojekte in Berlin bis auf Weiteres.

Artikel von Alex DeLarge