US-WAHLEN 2008: OBAMAS SIEG: BEWEIS DER WIRKSAMKEIT DES WANDELS ODER EINE GEWALTIGE ILLUSION ?

5.11.2008

Millionen Menschen in den USA und sogar auf der ganzen Welt freuen sich über den historischen Sieg von Barack Obama. Zunächst einmal ist er der erste schwarze Präsident in einem Land, das auf zwei Jahrhunderte  Sklaverei, hundert Jahre Rassendiskriminierung, einer systematischen Verweigerung von demokratischen Rechten für die ehemaligen Sklaven zurückblickt. Erst vor 40 Jahren unter Druck einer massenhaften Bürgerrechtsbewegung und Erhebungen in Städten begann das Geflecht der rassistischen Unterdrückung zu zerbröckeln, die aber trotz Obamas Sieg noch längst nicht beendet ist.

Die Wahlen

Die Chance für Millionen von nicht wirklich befreiten AfroamerikanerInnen für jemanden zu stimmen, der sie ihrem Gefühl nach vertritt, trug zur größten Wahlniederlage der Republikaner seit dem 2.Weltkrieg bei. Die Demokraten gewannen auch im Kongress hinzu und vergrößerten ihre Mehrheit. Dies ist als Anzeichen zu werten, dass die Menschen nicht nur für Obamas Ausstrahlung und ethnische Herkunft ihre Stimme abgaben, sondern für ein Ende der Parteiherrschaft der Republikaner über die US-Politik während der letzten Generation.

Viele junge Leute waren in die Wahlkampagne eingebunden und übernahmen eifrig die Rhetorik von Wandel und Hoffnung, zweier Güter, deren sich viele US-BürgerInnen während der vergangenen 8 Jahre beraubt sahen.

Ein zweiter wichtiger Grund für die Freudenkundgebungen ist das Ende der verhassten Bush/Cheney-Ära. Die Wahl Obamas war also eine Stimmabgabe gegen alles, was der Bevölkerung an Bush zuwider war: die Politik zu Gunsten der Großverdiener, der ‚Krieg gegen den Terror’, die Folterlager wie Guantanamo Bay, die ökonomische Krise.

Die Hoffnung

Obamas Wahlerfolg wird von vielen Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika in der Hoffnung begrüßt, dass die Kriegsbesessenheit, die ein Kennzeichen dieser US-Politik war, nun aufhört. Noch viel mehr erwarten, dass damit auch der Missbrauch von Amerikas Supermachtstellung, die mit ihrer Vorherrschaft Milliarden Menschen verarmen ließen, ein Ende haben wird. Obama hat es als seine Aufgabe beschrieben, das Ansehen und die Führung der Vereinigten Staaten wieder her zu stellen.  Er will also das Image des US-Imperialismus wieder aufpolieren.

Die USA lotsen die Weltwirtschaft in eine Rezession mit Massenarbeitslosigkeit und größerer Armut nicht nur im eigenen Land, sondern auf der ganzen Erde. Obama wird Präsident am Ende einer 20jährigen Zeit der Globalisierung und des Neoliberalismus. Was an dessen Stelle treten wird, lässt sich nicht vorhersagen, außer dem Umstand, dass die USA  von seinen Feinden und seinen ‚Verbündeten’ stärker herausgefordert werden wird denn je. Gerade sie (die EU, Japan) werden sich nicht mehr mit der unangefochtenen Führerschaft wie noch unter Obamas Vorgängern abfinden.

Im Inland wird es keine übliche Schonfrist kurz nach Amtsantritt mehr geben können. Die Schwierigkeiten bei der Rettung des US-Kapitalismus und der Rückkehr auf den Profitpfad für die Superreichen bringen die neue Regierung vom Fleck weg unter Zugzwang und in unausweichlichen Konflikt mit den ArbeiterInnen und Angehörigen der unteren Kleinbürgerschicht, die Obama gewählt haben.

Während die Welt noch McCains und Bushs Niederlage und die ihrer Partei feiert, blicken Millionen erwartungsvoll Obamas Amtsübernahme im Januar 2009 entgegen. Ihnen sind große Veränderungen, sogar eine Umwandlung Amerikas, in Aussicht gestellt worden. Aber wahrscheinlich können nur wenige sagen, worin genau diese Veränderungen bestehen sollen. Vielmehr spricht alles dafür, dass gerade für seine Anhänger sich eher symbolisch statt wirklich etwas ändern wird.

Der wahre Charakter

Bereits bei den Hauptfragen zur Zeit der Wahlen, der Finanzkrise und dem Bankenrettungsplan des noch amtierenden Finanzministers Paulson, zeigt sich, wie sehr Obamas und MacCains Positionen und die Empfehlung an ihre Parteien in der parlamentarischen Vertretung, dem US-Kongress, einander doch ähneln. Als Führer einer der beiden kapitalistischen Hauptparteien in den USA und Empfänger von Spenden aus der Konzern- und Finanzwelt wird Obama nicht gegen die Interessen des US-Kapitals verstoßen und nicht mit der Logik des Marktes und des Profitsystems brechen, das so viele zu Armut und Elend verdammt.

Mit der Benennung der wichtigsten Ministerposten in seinem Kabinett hat Obama nunmehr der Bourgeoisie zum ersten Mal signalisiert, dass sie sich nach dem populistischen Wahlkampf keine Sorgen zu machen braucht. Der wahre Charakter von Obama wird sich in der Praxis zeigen, fernab seiner euphorischen Reden von „Wandel“ und „neuen Zeiten“. Seine Personalentscheidungen sind ein erstes starkes Signal. Hillary Clinton, die für eine strikte Interessenvertretung der amerikanischen Bourgeoisie steht und Obama im Wahlkampf für seine „liberale“ Außenpolitik scharf kritisiert hat, wird Außenministerin. Der neue Kriegsminister Robert Gates bleibt der Alte, und der frühere General und Nato-Oberbefehlshaber James Jones wird Obamas Nationaler Sicherheitsberater. Letzterer gilt zwar als Kritiker von Bushs Irakkriegsstrategie, jedoch aus rein taktischen Gründen. Als Militär mit langjähriger Führungserfahrung weis er, wie Länder noch effektiver besetzt und terrorisiert und die Interessen des amerikanischen Großkapitals noch unmittelbarer vertreten werden können. Und mitten in der schwersten Finanzkrise des Kapitalismus seit dem zweiten Weltkrieg benennt Obama den New Yorker Notenbankchef Timothey Geithner als Finanzminister. Die FAZ schrieb hierzu: „Als durchsickerte, dass Timothey Geithner Finanzminister werden solle, reagierte die Börse mit Begeisterungsstürmen.“ Mehr müssen wir dazu wohl nicht sagen…

Selbstorganisation statt vergeblicher Hoffnungen!

Aber jene fortschrittlichen Anflüge seiner politischen Versprechen, die Gesundheitsfürsorge für Millionen EinwohnerInnen der USA zu bessern, den Rassismus in Gesetzen und Alltag zu bekämpfen, Ungleichheiten zu beseitigen, Steuern für die Reichen anzuheben, diese Versprechungen müssen erst einmal eingelöst und ausgebaut werden. Die reaktionäre Seite seiner Politik, die an das Bush’sche Erbe anknüpfen, d. h. die Truppenverstärkung in Afghanistan und die Androhung, den Krieg nach Pakistan auszuweiten, muss dagegen aufs Schärfste bekämpft werden.

Gleichgültig, wie der Wandel, für den Obama zu stehen vorgibt, eingeschätzt wird, es führt kein Weg daran vorbei, dass sich ArbeiterInnen, Jugend, Einwanderer in den Vereinigten Staaten von Amerika in Kampforganisationen zusammenfinden und durch Massenmobilisierungen und Protestbewegungen, durch Streiks und Demonstrationen wie zum ‚Tag ohne ImmigrantInnen’ am 1.Mai 2006 tätig werden.

Die Demokratische Partei hat in der Geschichte die Rolle eines Sicherheitsventils gespielt. Wenn die Angelegenheiten des Kapitals nicht so günstig laufen, der Hass auf die Republikaner als Vertreter der Großverdiener anzuschwellen droht, sind die Demokraten zur Stelle und frischen ihr radikales Image wieder etwas auf, betonen Unterschiede, versprechen einen Politikwechsel und heimsen dann Stimmen ein, ehe sie wieder jede/n ihrer Wähler/innen enttäuschen. Acht Jahre später zieht abermals ein republikanischer Präsident ins weiße Haus ein.

Die Arbeiterklasse braucht keine bürgerlichen Demokraten; sie muss ihre eigene Partei gründen, eine Partei der Arbeiter, der Armut, Einwanderer und radikalen Jugend, die für ihre Interessen eintritt, nicht gerade im Parlament, sondern v. a. in Betrieben und auf den Straßen. Diese Partei scheint augenblicklich Lichtjahre entfernt, aber sozialistisch gesonnene Leute in den USA, die Gleichbehandlung und gesellschaftliche Gerechtigkeit anstreben, können für ein solches Vorhaben gewonnen werden. Wir können diesen Prozess in Gang setzen durch den Aufruf an all jene jungen AktivistInnen, alle Schwarzen und GewerkschafterInnen, die sich einen echten Wandel von Obama erhoffen, nicht untätig zu bleiben, sondern statt ihn und die Demokraten weiter zu wählen, das Gesundheitswesen, die gewerkschaftlichen Rechte sowie das Ende der Diskriminierung, all das was er ihnen als umsetzbar glaubhaft machen wollte, selbständig anzupacken und herbei zu führen.

Wenn diese Kräfte sich für sich selbst organisieren, ihre Forderungen klären und präzisieren, und das wird  immer dringlicher je stärker die Rezession voran schreitet, wenn Obama sie im Stich lässt, was nicht lange auf sich warten lässt, werden sie der jetzt noch Minderheit zuhören, die schon immer gesagt hat, sie müssen mit den Demokraten brechen und eine unabhängige Arbeiterpartei aufbauen. Unter solchen Umständen kann die Unterstützung der Gewerkschaften für die Demokratische Partei beendet werden und Kraft für einen Neuanfang, für eine neue Partei, eine mit einem klaren sozialistischen Programm, geschöpft und das bankrotte kapitalistische System in den USA zerstört werden.

Das heißt, sie und wir brauchen eine sozialistische Revolution gegen das US-Kapital und den Imperialismus, um die Macht der Banken und Konzerne zu brechen, mit der rassistischen Polizei und Justiz, die immer noch eine unverhältnismäßig hohe Zahl von Schwarzamerikanern einkerkert und misshandelt, abzurechnen und einfache Arbeiter/innen an die Schalthebel der Gesellschaft oben wie unten zu bringen. Nur ein solcher Kampf vermag den Teufelskreis von Profit oder Pleite, imperialistischer Kriege, sozialer Ungerechtigkeiten zu durchbrechen. Wir als kommunistische Jugendorganisation REVOLUTION sind entschlossen, diesen Kampf in den kommenden Jahren zu führen!

Neugründung von REVO-US! http://revousa.org/