Versammeln wir unsere Mitschüler_Innen gegen die Klimakrise!

Von Jona Everdeen, April 2023, REVOLUTION-Zeitung April/Mai 2023

Tausend Schüler_Innen diskutieren den Kampf gegen den Klimawandel: Am Dienstag den 24. Januar fand in der Sophie-Scholl-Schule in Berlin-Schöneberg eine zuvor durch Schüler_Innen organisierte Vollversammlung statt!

Die Vollversammlung wurde unter dem Motto einer „Alternativen Klimakonferenz“ durchgeführt, nachdem die COP27 wieder einmal zu keinerlei Fortschritten bei der Bewältigung der Klimakrise geführt hatte.

Doch was genau ist überhaupt eine Vollversammlung? Und wie kann sie einberufen werden?

Wozu eine Vollversammlung?

Eine Vollversammlung an einer Schule ist eine für alle Schüler_Innen verpflichtende, bis zu zwei Stunden lange Veranstaltung in der Aula oder einem anderen zentralen Raum der Schule.

Sollte die Schule über keinen Raum verfügen, in dem alle Schüler_Innen Platz haben, kann die Vollversammlung auch aus mehreren Blöcken mit jeweils unterschiedlichen Jahrgängen bestehen.

Eine Vollversammlung kann von der SV (Schüler_Innen-Vertretung) einberufen werden, in Berlin einmal im Halbjahr, in anderen Bundesländern kann das variieren.

Mittels einer Vollversammlung kann in der ansonsten bewusst unpolitisch gehaltenen Schule ein Raum geschaffen werden, um über akute Fragen innerhalb der Schule aber auch gesellschaftlich relevante Themen, wie die Klimakrise, zu debattieren. Und das selbstbestimmt durch die Schüler_Innen, ohne dabei Lehrkräften oder der Schulleitung rechenschaftspflichtig zu sein.

Die Vollversammlung ist somit die bestmögliche Plattform für einen Diskurs innerhalb der Schule und auf ihr kann auch über politische Forderungen abgestimmt und somit eine deutlich breitere Legitimität für diese geschaffen werden. Schüler_Innen, von denen die meisten noch nicht an parlamentarischen Wahlen teilnehmen dürfen, können endlich einmal abstimmen, und zwar nicht bloß passiv durch die Wahl irgendwelcher Stellvertreter_Innen sondern aktiv mit der Möglichkeit, sich selber an der Umsetzung des Wahlergebnisses zu beteiligen.

Die Vollversammlung an der Scholl

Bei der Vollversammlung an der Sophie-Scholl-Schule war, wie bereits erwähnt, die Klimakrise das Thema unter dem die rund 1000 Schüler_Innen in 3 Durchgängen in die Aula gerufen wurden.

Dies fand auf Initiative unserer Genoss_Innen statt und eine Gruppe motivierter Schüler_Innen hatte zuvor die Organisation übernommen.

Eingeladen waren drei Gastreferent_Innen der Klimagruppen „Depth 4 Climate“, die sich für eine Schuldenstreichung für die Länder der Globalen Südens einsetzt, „End Fossil: Occupy!“, die mittels Schul- und Unibesetzung den Klimastreik auf ein neues Level heben will, sowie die „Workers and Youth Relief Campain“, die Unterstützung für die Betroffenen der Flutkatastrophe in Pakistan leistet. Diese referierten dabei über unterschiedliche Aspekte der Klimakrise und stellten Ansätze vor, wie diese gelöst werden könnten, wobei der inhaltliche Fokus darauf lag, dass Selbstorganisation von Arbeiter_Innen und Jugendlichen sowie internationale Solidarität notwendige Bedingungen für Klimagerechtigkeit sind.

Nach einer Frage- und Diskussionsrunde, bei der die Schüler_Innen inhaltliche Nachfragen stellen und eigene Beiträge einbringen konnten, stellte das Organisationsteam die zuvor erarbeiteten Forderungen an Schule und Politik vor und eröffnete daraufhin die Abstimmung über diese.

Die Forderungen wurden mit einer breiten Mehrheit angenommen. Das war ein Riesenerfolg!

Wie kann ich selber eine Vollversammlung organisieren? Worauf muss ich achten?

Wie gesagt kann eine Vollversammlung 1-2 Mal im Schuljahr durch die SV einberufen werden. Es ist daher nötig, insofern man nicht als organisierende Gruppe selber Teil der SV ist, diese von der Vollversammlung zu überzeugen. Die Organisation der Vollversammlung muss jedoch nicht von der SV übernommen werden, sondern kann von allen interessierten Schüler_Innen durchgeführt werden. Möglichst gute Kontakte zur SV sind natürlich trotzdem hilfreich.

Bei der Organisation sollte versucht werden, so viele Schüler_Innen wie möglich in die Planung, Ausgestaltung und vor allem Aufstellung der Forderungen einzubinden, indem mit Flyern, Plakaten und Mund-zu-Mund-Propaganda für Vorbereitungstreffen geworben wird. Je mehr Schüler_Innen am Prozess beteiligt sind, je niedrigschwelliger die Möglichkeiten zur Mitgestaltung sind, desto höher ist auch die Legitimität der Ergebnisse.

Auf der Vollversammlung selber sollte über Forderungen einzeln abgestimmt werden, damit die Schüler_Innen bei jeder Forderung überlegen können, ob sie zustimmen, und nicht bloß die Wahl haben entweder alle oder keine Forderungen anzunehmen.

Ihr seid bei der Planung einer Vollversammlung der Schulleitung keine Rechenschaft schuldig, jedoch müsst ihr diese dort anmelden und ihr solltet, insofern möglich, versuchen, ein kooperatives Verhältnis mit der Schulleitung zu suchen, da das die Ausgestaltung deutlich vereinfachen kann. Gleichzeitig sollte Kritik an der Schulleitung aber keineswegs unter den Teppich gekehrt werden.

Für die Finanzierung der Vollversammlung, zum Beispiel Druckkosten für Wahlzettel und Plakate, könnt ihr den schuleigenen Förderverein anfragen, der in der Regel unkompliziert auch höhere Kosten übernimmt.

Wie an der Sophie-Scholl-Schule dürft ihr Referent_Innen von außerhalb einladen. Die Schulleitung hat kein Recht, über diese zu entscheiden. Es muss lediglich eine Begründung für die Einladung vorgelegt werden und die Referent_Innen müssen sich, wenn sie in die Schule kommen, beim Sekretariat anmelden.

Es ist außerdem wichtig, im Vorhinein einen Zeitplan für die Veranstaltung zu erstellen, der eher mit mehr als mit weniger Zeit rechnet, da sich der Ablauf mit mehreren hundert Schüler_Innen leicht um einige Minuten verzögern kann. Das Programm der Vollversammlung bzw. eines ihrer Durchläufe muss also gut im Vorhinein durchgeplant und Aufgaben, mit Backup-Optionen, verteilt werden.

Was folgt nach der Vollversammlung?

Damit die Vollversammlung nicht einen rein symbolischen Charakter hat, ist es wichtig, dass sie nicht das Ende der politischen Arbeit der Schüler_Innen ist, sondern eigentlich erst ihr Anfang.

Angenommene Forderungen dürfen kein Selbstzweck sein, sondern müssen in der Folge der Vollversammlung aktiv von den Schüler_Innen durchgesetzt werden, da zu erwarten ist, dass sie nicht einfach so umgesetzt werden.

Dafür muss die Gruppe, die die Vollversammlung organisiert und die Forderungen aufgestellt hat, weiterhin organisiert bleiben und versuchen, noch mehr Schüler_Innen, am besten schon auf der Vollversammlung selber, mit ins Boot zu holen und zu Treffen einzuladen.

Es ist wichtig, sich nicht in Hinterzimmergespräche mit der Schulleitung verwickeln zu lassen, undemokratische Kompromissvorschläge entschieden zurückzuweisen und auf den demokratisch betroffenen Beschlüssen zu beharren.

Sollte sich abzeichnen, dass die Schulleitung nicht bereit ist, diese umzusetzen, müssen unter Beteiligung möglichst vieler Schüler_Innen weitere Schritte geplant werden, wie der Druck erhöht werden kann. Möglichkeiten dafür reichen von offenen Briefen bis zu Schulstreiks und -besetzungen.

Es ist zu empfehlen, als Organisationsgruppe bei zukünftigen Wahlen für Klassensprecher_Innen- und Schulsprecher_Innen-Posten mit dem Programm zu kandidieren, die Beschlüsse der Versammlung zu verteidigen und die demokratische Mitsprache der Schüler_Innen zu vertiefen.

Ganz generell muss die Vollversammlung langfristig genutzt werden, um aufzuzeigen, dass sie genau wie auch besagte Klassensprecher_Innen und Schulsprecher_Innen-Wahlen, lediglich Bühnen darstellen, um für dauerhafte und wirklich demokratische Organisierung der Schüler_Innen zu werben und diese voranzutreiben. Ziel sollte es sein, die Schüler_Innen zu politisieren und gegen die Ungerechtigkeit des kapitalistischen Systems wie der Klimakrise in Stellung zu bringen. Das erkämpfen wir nämlich in einer Organisierung in Schüler_Innen-Komitees, in der Posten jederzeit abwählbar sind und die regelmäßige Treffen aller motivierten Schüler_Innen veranstaltet, auf denen politische Themen debattiert und daraus folgende Forderungen dann auf regelmäßig stattfindenden Vollversammlung abgestimmt werden, um endlich die Erzählung von den „unpolitischen Schulen“ zu brechen!