Wie international Rechte die Pandemie ausnutzen

Flo Schwerdtfeger

Die
ganze Welt ist gezwungen gegenüber dem Corona-Virus zu handeln. Und
während das schon mit Einschränkungen in allen Lebensbereichen und
der Grundrechte geschieht, schaffen es trotzdem noch konservative und
rechte Parteien, einen drauf zu setzen. Dabei entsteht oft eine Suppe
aus Kleinreden mit der starken Forderung nach schneller Öffnung im
Interesse der Wirtschaft auf der einen Seite und dem autoritären
Umbau des Staates auf der anderen Seite, alles garniert mit
ordentlich Rassismus. In diesem Artikel wollen wir uns mit einigen
Beispielen und den Hintergründen auseinandersetzen.

Wer
zuletzt kommt, den bestraft der Weltmarkt

Die meisten Länder, deren Politiker_Innen das Virus zuerst verleugneten und immer noch klein reden, haben konservative bis offen rechte Regierungen. Prominent sind hierbei Brasilien, USA und GB.
Entweder man erkannte die reelle Gefahr nicht an oder setzte, entgegen den Ratschlägen der Wissenschaft und dem Widerstand der Bevölkerung, auf das System der schnellen Herdenimmunität. Dabei will man das Virus dadurch überwinden, indem man im Grunde gar nichts macht und möglichst schnell ein Großteil der Menschen durch eine vorige Ansteckung und anschließender Genesung immun werden. Ungeachtet der Tödlichkeit des Virus‘ wird eine Überlastung des Gesundheitssystem in Kauf genommen, was man durch das Versprechen legitimiert, dass es so schlimm schon nicht werden wird. So reagierten England und die USA erst lange, nachdem die meisten europäischen Staaten die Ausgangsbeschränkungen einführten. Auch durch dieses Zögern sind die USA zum neuen Zentrum der Pandemie geworden, während man sich nach wie vor mit Schuldzuweisungen gegen China behängt und den Handelskrieg weiter führt.

In anderen Ländern, in denen man davon ausgeht, dass bereits das Maximum der Ansteckungen erreicht wurde und sich die Kurve wieder abflacht (wie z.B. in Deutschland), fordern Rechte sowohl aus AfD als auch CDU/CSU eine schnelle Lockerung der Maßnahmen. Dies tun sie aber nicht aus ihrer Liebe zu den Grundrechten oder zu den Menschen. Der Grund dafür ist vielmehr in ihrer sozialen Basis zu suchen. Flach gesagt, vertreten die AfD und rechtere Teile der Union die Interessen einer Fraktion des deutschen Kapitals aus kleineren binnenmarktorientierten Kapitalist_Innen. Diese (z.B. kleinere Gastronomie oder Tourismusunternehmen) sind aber noch oft noch unmittelbarer von der Krise betroffen als das Großkapital und werden die Maßnahmen nicht so lange durchhalten können. Deswegen muss alles getan werden, dass sie dabei nicht hinten herunterfallen und wenn man dem durch Lügen, Kleinrederei und Lobbypolitik die Gesundheit und Leben unzähliger Menschen opfert.

Autoritärer Rückschlag im weltweiten Ausmaß

In
Deutschland sind die Grundrechtseinschränkungen massiv und es ist
nicht unwahrscheinlich, dass einige nicht zurückgenommen werden.
Doch auch die Liste der Maßnahmen und Methoden, die andere Länder
ergreifen, liest sich wie How-To’s für Autokratien und
Demokratieverächter. Werfen wir also den Blick in Länder, in denen
die Angriffe besonders heftig sind.

Das beste Beispiel dafür sind die Notstandsgesetze, welche in Ungarn durch die regierende Partei Fidesz eingeführt wurden. Diese ermöglichen dem Premierminister Viktor Orban per Dekret zu regieren und somit alle Entscheidungen alleine treffen zu können. Die Regierung versucht zwar immer wieder, zu beschwichtigen und beruft sich darauf, dass dieser Umstand endet, sobald auch die Notsituation endet, Kritiker_Innen sehen darin aber den Höhepunkt einer Entwicklung in dem schon seit Jahren autoritärer werdenden Staat, der nun de Facto zur Autokratie geworden ist. Dazu ist es ein heftiger Angriff auf die Arbeiter_Innenklasse, dass die Regierung 140 der größten und wichtigsten ungarischen Unternehmen unter Militärkontrolle gestellt hat und das Militär auch im öffentlichen Raum eingesetzt wird, um für Ruhe zu sorgen. Die Militärkontrolle soll so offiziell darauf achten, dass eine „reibungslose“ Produktion sichergestellt werden kann.

Auch die Philippinen setzen auf das Militär und die Polizei im Umgang mit Coronavirus, nur noch härter. Menschen, die dort gegen die Ausgangssperre verstoßen, riskieren, noch auf der Straße erschossen zu werden. Der Präsident Duterte gab öffentlich diese Anweisung. Die sich damit ergebende Situation ist besonders gefährlich für Menschen, die schon vor der Krise unter prekären Verhältnissen lebten oder z.B. im informellen Sektor arbeiten. Für sie gab es nie die Option des Homeoffice‘ oder von Ersparnissen zu erleben. Durch die Ausgangssperre werden sie auch endgültig ihrer Einkommensgrundlage beraubt und müssen täglich ihr Leben riskieren, entweder zu verhungern oder auf der Straße erschossen werden.

Wie bereits erwähnt, hat der brasilianische Präsident Bolsonaro das Corona-Virus lange kleingeredet („es ist nur eine kleine Grippe“), sodass die bewaffnete Autorität nun von anderen ausgeübt wird. Was wie ein schlechter Witz klingt, ist die bittere Realität: Da die Regierung nicht frühzeitig Maßnahmen ergriff, handelten die Gangs und Drogenkartelle zuerst und verhängten unter Androhung drakonischer Strafen eigenmächtig Ausgangssperren in den Favelas. Diese sind durch die fehlende Versorgungsinfrastruktur, die beengte Bebauung und hohe Einwohner_Innendichte besonders gefährdet. Bereits jetzt sind die Krankenhäusern in den Ballungsräumen an ihren Grenzen und es werden Stadien zu Notlazaretten umgebaut.

Eine andere Gefahr in den meisten Ländern wie auch Deutschland ist Terrorismus von Rechtsradikalen. Diese sehen in der derzeitigen Notstandssituation die Chance, die angespannte Situation durch gezielte Anschläge auf wichtige Infrastrukturen weiter zuzuspitzen. Ziel ist es, den Staat soweit in Unruhe zu versetzen und zu schwächen, bis man endgültig einen Bürgerkrieg anzetteln kann. Vor der Gefahr des rechten Terrorismus wird schon seit Jahren gewarnt, besonders im Zusammenhang mit Netzwerken, auch ins Militär, Polizei und Parteien. Zwar erkennt der Verfassungsschutz diese nun als größte Gefahr an, doch die Verstrickungen der vergangenen Vorfälle lassen nur zu sehr vermuten, dass der Staat weiter auf dem rechten Auge blind bleibt.

Leider nichts neues

Alle
diese Beispiele sind nicht bloß den gegenwärtigen Umständen
geschuldet, sondern sind schon jahrelang die Auswüchse des
Rechtsrucks, der auf der ganzen Welt stattfindet. Ungarn und Polen
verfolgen schon seit Jahren einen immer autoritärer werdenden Kurs
und diskriminieren systematisch LGBT*-Menschen. Brasilien und die
Philippinen gehen mit aller Härte gegen linke Aktivist_Innen,
Minderheiten und ärmere Bevölkerungsschichten vor, z.B. im Falle
des „Drogenkrieges“. Die EU denkt nicht mal dran, die
schreckliche Lage in den Flüchtlingslagern in Griechenland und der
Türkei zu beheben und überlasst den Menschen dort lieber ihrem
Schicksal, als sie aufzunehmen und zu versorgen. Eine Regierung nach
der anderen fällt an nationalkonservative und offen rechte Parteien.

Diese
Entwicklung wird bedingt durch die weltwirtschaftliche Zuspitzung
seit der Wirtschaftskrise 2008 und die daraus folgende Forderung der
nationalen Kapitalist_Innenklassen nach aggressiverer Politik, um die
eigene Stellung abzusichern. Die darauffolgenden Sparmaßnahmen
wurden oft von liberalen oder gar sozialdemokratischen Parteien
durchgesetzt und sorgen dafür, dass sich die Lebenslage der
Bevölkerung deutlich verschlechtert. Das ist der Nährboden des
Rechtsrucks,
der sich seit Jahren durch jedes Land zieht. Gerade jetzt zeigt sich
die verhängnisvolle Auswirkung der Sparpolitik. Spanien und Italien,
die am schwersten getroffenen Länder in Europa, mussten auch im
Gesundheitssystem Kürzungen durchführen, wodurch jetzt Betten und
Personal fehlen, um angemessen auf die Pandemie zu reagieren. In
Deutschland äußerte sich das z.B. auch in den Kürzungen und
Privatisierungen des Bildungssystems.

Wenn
du dich für eine genauere Analyse des Rechtsrucks interessierst,
schau dir
den Artikel „Internationaler
Rechtsruck – seine Grundlagen verstehen, um ihn zu bekämpfen!“
an:
http://onesolutionrevolution.de/internationaler-rechtsruck-seine-grundlagen-verstehen-um-ihn-zu-bekaempfen-2/

Wie müssen wir reagieren?

Es könnte gut sein, dass die Rechten mit der kommenden Wirtschaftskrise noch mehr Futter bekommen, doch es ist noch nicht festgelegt, dass sich der Rechtsruck auch verschärft, denn wir haben da noch ein Wörtchen mitzureden! Wir brauchen eine linke Bewegung, die sowohl gegen die Rechten als auch gegen die Sparmaßnahmen und Grundrechtseinschränkungen Widerstand leistet. Damit der Kampf effektiv ist, müsste diese das kapitalistische System an sich bekämpfen und international sein, denn sowohl Rechtsruck als auch der Kapitalismus sind ebenso international. Der Burgfrieden mit dem Kapital (ob nun in Form von Konzernen, Regierungsparteien oder Rechten), an dem Gewerkschaften und Linke festhalten, muss gebrochen werden und folgende Forderungen laut gemacht werden:

Nazis stoppen!


Faschoaufmärsche verhindern – massenhaft und militant!


Nazis morden, der Staat schaut zu: Antirassistischen Selbstschutz
organisieren statt auf die Bullen verlassen!

Gesundheit vor Profite!


Kostenlose Gesundheitsversorgung für alle – von Tests bis zur
Unterbringung in Krankenhäusern und Intensivmedizin. 500 Euro/Monat
mehr für alle Beschäftigten in den Pflegeberufen!

#stayathome


Keine Wiederöffnung der Unternehmen ohne Schutz- und Hygieneplan
unter Kontrolle der Beschäftigten!


Wir zahlen nicht für die Krise!


Gegen alle Entlassungen! 100 % Lohnfortzahlung für alle, die in
Kurzarbeit sind! Keine Aushebelung von Arbeitszeitbeschränkungen und
Arbeitsrecht!


Keine Milliarden-Geschenke für die Konzerne – massive Besteuerung
von Vermögen und Gewinnen! Entschädigungslose Enteignung der Banken
und des Großkapitals unter Kontrolle der Beschäftigten!

Keine Rendite mit der Miete!


Für das Aussetzen aller Miet- und Kreditzahlungen für die
arbeitende Bevölkerung! Enteignung der großen Immobilienkonzerne
wie Deutsche Wohnen, Vonovia und Co. Nutzung von Leerstand, um die
Räume Bedürftigen wie Geflüchteten und Obdachlosen zur Verfügung
zu stellen!

#leavenonebehind


Abschaffung von Lagersystemen und rassistischen Asylgesetzen: Offene
Grenzen und StaatsbürgerInnenrechte für alle!