Crash, Kürzung und Corona

Christian Mayer & Felix Ruga

Nachdem die
Kursverläufe an der Börse in den letzten Jahren vergleichsweise
stabil verlaufen sind, brechen sie seit ca. einem Monat weltweit
rapide ein. Und spätestens mit der Ausbreitung des Corona-Virus‘ zur
Pandemie wird die globale Krise immer greifbarer. Doch betrachtet man
zentrale Wirtschaftszweige in Deutschland wie Autos oder Chemie, war
es nur eine Frage der Zeit, denn der Niedergang war dort schon in
vollem Gange.

Was zuvor geschah:
Die deutsche Industrie baut auch ohne Virus ab.

In den letzten sechs
Monaten wurden von verschiedenen mittelgroßen bis großen
Unternehmen Stellenabbau und Sparprogramme angekündigt, nachdem
ständig das Wirtschaftswachstum nach unten korrigiert wurde und sich
überall die Sorge um eine kränkelnde Industrie breit machte.
Hauptsächlich kündigten die großen Autobauer diese Sparprogramme
an, die sehr harte Einschnitte bei der Belegschaft darstellen. Egal
ob nun VW, Daimler, Audi oder auch Zulieferer wie Bosch, Continental,
Mahle, Brose; ja sogar der Chemiekonzern BASF hat Personalabbau von
insgesamt mehreren 10.000 Beschäftigten angekündigt.

Die offiziellen
Begründungen seitens der Kapitalist_Innen waren damals zumindest in
der Automobilindustrie immer dieselben: Neben den Altlasten des
„Abgasskandals“ müsse man auf die aktuellen Entwicklungen des
Weltmarktes reagieren, bzw. Geld für die bevorstehende
„Transformation“ beiseitelegen. Mit „Transformation“ ist hier
die Umstellung auf E-Mobilität gemeint, wie auch die Einführung von
Industrie 4.0 im Zuge einer weiter voranschreitenden Digitalisierung
der Produktionsprozesse. Laut Studien werden mehrere 100.000
Arbeitsplätze allein durch die Einführung vollständig
automatisierter Fertigungsprozesse überflüssig, die ohne
menschliches Zutun auf Basis der Nutzung von künstlicher Intelligenz
ablaufen und bei der die Maschinen mittels Datennetzen miteinander
kommunizieren. Nichts anderes bedeutet die Einführung von Industrie
4.0: Es wird ein riesiges Heer an Arbeitskräften freigesetzt, die
alle auf den Arbeitsmarkt drängen und nach Ersatzbeschäftigungen
suchen. Diese kann aber das bestehende System nicht anbieten, da
mögliche Umschulungsprogramme aus Kostengründen abgelehnt werden.

In den letzten 10
Jahren, also seit der letzten großen Finanzkrise, hat sich die
Weltwirtschaft sehr unterschiedlich entwickelt.
Zwar konnten sich große Binnenwirtschaften wie die der USA
wieder erholen und Länder wie China verzeichnen seit Jahren ein
permanent hohes Wirtschaftswachstum. Allerdings konnten andere
Wirtschaftsräume wie die EU kaum bis gar kein Wachstum erzielen, die
gegenteilige Entwicklung ist der Fall. Auch Lateinamerika, das eine
Zeit lang der Hoffnungsträger für die positive Entwicklung der
Weltwirtschaft war, steckt seit Jahren in einer zunehmenden Krise
fest. Allein Staaten wie Venezuela oder auch Argentinien stehen am
Rande des Staatsbankrotts mit noch nicht absehbaren Folgen für die
lokale wie auch die Weltwirtschaft und das trotz eines
Freihandelsabkommens zwischen den Staaten des Mercosur-Raumes und der
EU. Dies wurde noch mit einem beschleunigenden Niedergang an den
Rohstoffmärkten verstärkt. Vor allem der Ölpreis fiel schon seit
letztem September im Zuge fehlgeschlagener Verhandlungen zwischen den
ölfördernden Ländern rapide und man sprach schon von einer neuen
Ölkrise. Dies stellt eine existentielle Bedrohung für die Länder
dar, die von dessen Förderung abhängig sind. Hinzu kommen auch die
nach wie vor unklaren Auswirkungen des Brexits, bei dem die
Feinarbeiten an der Entflechtung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen
den EU-Staaten und Großbritannien erst begonnen haben.

Die
Corona-Pandemie ist also letztlich nur ein Auslöser aber nicht die
Ursache der Wirtschaftskrise. Diese liegt weitaus tiefer in der
kapitalistischen Produktionsweise selber. 2007/2008 ist sie in eine
tiefe Absatzkrise geraten, sodass die Produktivität und die
Investitionen massiv gesunken sind. Diese Krisenursachen wurden
jedoch nicht behoben, sondern nur durch Niedrigzinspolitik und
riesige Bankenrettungspakete abgefedert und das hat bis heute
destabilisierende Auswirkungen auf die Wirtschaft, indem sich zum
Beispiel durch Spekulation in einigen Sektoren große Blasen bilden.

Und dann auch noch
Corona

In diese Schwächelage
hat nun Anfang diesen Jahres ein weiterer Faktor die Karten neu
gemischt: das Corona-Virus. Die Auswirkungen und dabei vor allem die
notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung sorgen seitdem
dafür, dass die so empfindliche globalisierte Marktwirtschaft
vollends crasht. Wir sollten
uns jedoch nichts vormachen: Die Quarantänemaßnahmen, die in vielen
kapitalistischen Staaten beschlossen wurde, sind nicht aus
Menschenliebe passiert. Vielmehr drücken sie Kalkulationen des
Kapitals aus, dass eine ungehemmte Ausbreitung der Pandemie die
Wirtschaft mehr kosten würde, als es aktuellen Schutzmaßnahmen tun.
Das ewige Hinundher und das lange Zögern der bürgerlichen
Regierungen widerspiegeln diesen Abwägungsprozess, der darüber
hinaus auch schnell zu anderen Resultaten kommen kann.

Die Rezession hat sich
jedoch schon vor der Pandemie abgezeichnet: China als Lokomotive des
Weltmarktes wurde als erstes in der Millionenstadt Wuhan getroffen
und hat Ende Januar begonnen, riesige Gebiete vom Verkehr abzuriegeln
und mit Essen und medizinisch zu versorgen, was sowohl Kapital als
auch Arbeitskraft band. Das öffentliche Leben vor Ort kam durch
Ausgangssperren zum erliegen und in ganz China wurden
Wirtschaftsabläufe gestört und teilweise heruntergefahren, wenn
deren Produktion mit den abgeriegelten Gebieten zusammenhing. Dadurch
sank zunächst der Ausstoß und bald auch die Nachfrage des
chinesischen Marktes und damit kamen auch weltweite Produktions- und
Lieferketten zum Erliegen. Ironischer Weise kann etwa das
Organisieren von Nachschub für Atemschutzmasken schwieriger sein, da
diese überwiegend in China produziert werden. Auch Apple spürte die
ersten Auswirkungen schon damals, da z.B. der Elektronik-Riese
Foxconn ebenfalls überwiegend in China produzieren lässt und Apple
mit massenhaft Teilen beliefert. Daher wurde auch der
Produktionsbeginn für ein neues Smartphone um Monate verschoben.
Gerade anhand der Ausfälle in der Produktion kann man sehr gut
sehen, wie stark die Abhängigkeit von China als Produktionsstandort
weltweit geworden ist.

Diese Belastung wurde
selbstverständlich ungleich verstärkt, indem sich Covid-19 von
einer lokalen Massenerkrankung zur Pandemie entwickelt hat und nun
vor allem Europa und die USA betrifft. Dadurch bricht nun Panik aus,
jedes Land fährt einen nationalen Alleingang und die Grenzen werden
dicht gemacht. Dies blockiert nun auch hier die Produktions- und
Lieferketten. Dazu werden wie auch in China heftige und sehr
autoritäre Einschränkungen des öffentlichen Lebens wie
Ausgangssperren und Zwangsschließungen öffentlicher Treffpunkte
verordnet. Zwar werden die meisten Industriestandorte nicht
zwangsgeschlossen, doch aus Gewinneinbrüchen fahren Stück für
Stück alle großen Betriebe runter: Zunächst die Flug- und
Reiseunternehmen, nun auch die Autoindustrie, Zulieferer,
Chemieunternehmen und weite Teile der restlichen Industrie. Wenige
schaffen es, dann doch noch mit der Krise ihre Profite zu machen:
Trigema macht jetzt Atemschutzmasken, BASF Desinfektionsmittel,
Maschinenbauunternehmen wechseln zu Beatmungsgeräten.
Selbstverständlich ist das bloß ein Tropfen auf den heißen Stein,
die deutsche Industrie hat momentan nichts zu lachen und die Börsen
befinden sich auch im freien Fall. Wie tief der Fall wird, kann
natürlich niemand voraussehen.

Wie
die Staaten reagieren und was wir machen müssen!

Die staatlichen Hilfsmaßnahmen für das nationale Kapital sind dabei weitestgehend ausgereizt: Der Leitzins kann nicht mehr gedrückt, die Steuern für’s Kapital kaum noch herabgesenkt werden. Klar ist, dass die Unternehmen versuchen werden, die Kosten der Krise auf die Arbeiter_Innenklasse abzuladen. Wenn wir keinen Widerstand organisieren, warten also massive Entlassungswellen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, Sozialkürzungen und der weitere Abbau öffentlicher Dienstleistungen auf uns.

Ebenso
werden die kapitalistischen Staaten, die zur Eindämmung der Pandemie
dringend nötigen Einschränkungen von Produktion und öffentlichem
Leben nicht solange aufrechterhalten können, wie es aus
medizinischer Sicht notwendig wäre. Kein kapitalistischer Staat kann
über mehrere Monate oder gar Jahre hinweg mit einem so niedrigen
Produktionsniveau überleben. Da im Kapitalismus Profite mehr als
Menschenleben zählen, werden die Infektionsschutzmaßnahmen
spätestens dann zurückgefahren, wenn sie für die Kapitale zu teuer
werden. Und, wenn ein Staat beginnt die Wirtschaft wieder
hochzufahren, müssen die anderen nachziehen, da ein derartiger
Konkurrenznachteil ihr volkswirtschaftliches Todesurteil bedeuten
könnte. Es warten also nicht nur massive soziale Angriffe, sondern
auch ein tausendfaches Sterben auf uns.

Eine
internationale sozialistische Planwirtschaft könnte dagegen über
längere Zeit hinweg mit dem rein gesellschaftserhaltenden
Produktionsniveau überleben, da es in ihr ja keinen
konkurrenzbedingten Zwang zur Profitmaximierung gibt. Ebenso wäre
sie weitaus schneller und effektiver in der Lage, die Produktion auf
die dringend notwendigen Güter wie Beatmungsgeräte,
Desinfektionsmittel, Atemschutzmasken etc. umzustellen. Es gäbe
genug Intensivbetten für alle, da das Gesundheitssystem als
gesellschaftliche Aufgabe verstanden wird, in der Sparmaßnahmen,
Privatisierungen, Pflegemangel oder Fallpauschalen keinen Sinn
ergeben. Auch die ökonomische Existenz eines jeden Menschen wäre
gesichert, da niemand um seinen_ihren Arbeitsplatz oder seine_ihre
Miete fürchten müsste. Da es auch keine nationale Abschottung und
Konkurrenz um das Patent für Impfstoffe gäbe, wäre auch (im
Gegensatz zu den aktuellen nationalen Alleingängen) ein
koordiniertes internationales Vorgehen gegen die Pandemie möglich.

Der Kampf für ein anderes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem beginnt damit, dass wir uns den geplanten Angriffen auf unsere Klasse entgegenstellen. Die Gewerkschaften und Arbeiter_Innenparteien sind dagegen aktuell eher auf nationalistischen Kuschelkurs mit dem Kapital aus. Aus den Reihen der Linkspartei wurde geäußert, dass es aktuell „nicht die Zeit für Oppositionspolitik“ sei. Wir Arbeiter_innen, Jugendliche und Migrant_innen müssen unsere Interessenvertretungen durch eigene Forderungen unter Druck setzen und selber die Initiative ergreifen, wenn wir das Schlimmste verhindern wollen. Wir fordern:

  • Keine Entlassungen während der Pandemie! Volle Lohnfortzahlung aus den Profiten der Kapitalist_Innen!
  • In Berufen, die die gesellschaftliche Grundversorgung garantieren, müssen die Arbeiter_Innen ausreichenden Arbeitsschutz, Arbeitszeitverkürzungen und massive Lohnerhöhungen erhalten!
  • In allen Berufen 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn und Personalausgleich!
  • Kostenlose Test-Kits, Atemschutzmasken, Desinfektionsmittel, Seife und Handschuhe für alle! Die dafür notwendigen Fabriken müssen sofort entschädigungslos enteignet und unter Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden, um die Produktion auf die notwendigen Güter umzustellen. Für Beatmungsgeräte statt SUVs!
  • Verstaatlichung aller Kliniken, Pharmakonzerne, Forschungsinstitute und Labore!
  • Für offene Grenzen, um auch Menschen aus anderen Ländern vor Corona retten zu können!
  • Corona war nur Auslöser der Krise, nicht die Ursache! Das Problem liegt im kapitalistischen System!



Corona-Gefahr: Gewerkschaften müssen handeln!

Wir teilen hier die Stellungnahme der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften, an deren Konferenz wir im Januar teilnahmen. Siehe dazu hier:

http://www.vernetzung.org

http://onesolutionrevolution.de/strategiekonferenz-kaempferischer-gewerkschafter_innen/

Sofortmaßnahmen im Interesse der abhängig Beschäftigten!

Die Folgen des Virus werden weltweit vor allem die arbeitenden Klassen treffen: diejenigen, die schlecht entlohnt die Pflegearbeit mit Infizierten übernehmen müssen; das Krankenhauspersonal, das unterbezahlt und schlecht ausgestattet schon vor der Pandemie weit über seine Belastungsgrenzen hinaus arbeiten musste; diejenigen Kassenpatient*innen, die in den nächsten Wochen und Monaten in diesem schlecht ausgestatteten und durch die Lage überlasteten Gesundheitswesen versorgt werden müssen; und natürlich all diejenigen, die nicht entschädigte Ausfälle oder Minderung von Einkommen haben.

Unmittelbar muss alles getan werden, um eine Ausbreitung zu
verlangsamen. Unmittelbar wird von der Regierung beschlossen, Schulen, Kitas
und andere öffentlichen Einrichtungen zu schließen und Veranstaltungen
abzusagen. Allerdings soll die Produktion weiterlaufen wie bisher, um dem
Kapital seine Profite zu sichern. Doch die abhängig Beschäftigten werden damit
allen Risiken der Ansteckung voll ausgesetzt. Kolleg*innen in Italien sind
deshalb bereits in vielen Betrieben in den Streik getreten, mit der Forderung,
dass auch sie freigestellt werden.

Die Bundesregierung und die EU sind jetzt schnell mit
Zusicherungen von Milliardenhilfen für die Unternehmen aufgrund
wirtschaftlicher Einbußen bei der Hand. Sie handeln auch angesichts einer
drohenden weiteren Ausbreitung des Virus und möglichen weiteren Toten ‒
wie immer ‒
im Interesse von Banken und Konzernen.

Jetzt müssen die Gewerkschaften klare Forderungen stellen,
um die Beschäftigten vor den Auswirkungen einer Epidemie und neben den
gesundheitlichen Folgen auch vor Lohnverlust, Arbeitsplatzverlust und sonstigen
wirtschaftlichen Schäden wie fehlende Einzahlungen in die Sozialversicherungen
zu schützen! Der Druck muss unmittelbar auf die Regierung aufgebaut werden. Die
Gewerkschaften müssen, wenn nötig Streikmaßnahmen durchführen.

Wir, die Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG),
schlagen folgende Forderungen vor:

  • Sofortige vorübergehende Schließung nicht nur aller
    Bildungseinrichtungen sondern auch aller Betriebe mit Ausnahme
    derjenigen, die für die lebensnotwendigen Versorgungsabläufe gebraucht
    werden.
  • Gesellschaftlich sinnvoller Plan, auf welche Produktion
    (Lebensmittel, Schutzkleidung Medikamente…) und Dienstleistungen
    (Pflege, Medizin, Feuerwehr, Transport…) in den nächsten Wochen nicht
    verzichtet werden kann oder die noch ausgebaut werden müssen, wie zum
    Beispiel neue oder wieder geöffnete Krankenhäuser
  • Entscheidung über diese Maßnahmen durch demokratisch gewählten
    Gremien aus Vertreter*innen aus Belegschaften, Gewerkschaften,
    Mediziner*innen, die rechenschaftspflichtig sein müssen
  • Anstatt Sonderurlaub oder Kurzarbeitergeld: Freistellung bei voller Lohnfortzahlung für den gesamten Zeitraum
  • Sonderfonds für Ausgleichszahlungen an Scheinselbständige und
    Beschäftigte mit Stundenverträgen für alle Verdienstausfälle. Niemand
    darf aufgrund der aktuellen Situation in eine Notlage geraten!
  • Für Beschäftigte, die in dieser Zeit eine gesellschaftlich
    notwendige Arbeit verrichten müssen, Bereitstellung von
    Not-Kinderbetreuung und einen Sonderzuschlag, insbesondere bei viel
    Kontakt mit der Öffentlichkeit (z.B. in Supermärkten).
  • Für Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen: Wahlweise 70% Lohnaufschlag oder Abfeiern der Sonderschichten.
  • Für Beschäftigte, die aufgrund ihrer Tätigkeit besonders viel
    Kontakt mit Menschen haben: Bereitstellung aller erforderlichen
    Schutzmaßnahmen wie Desinfektionsmittel, Schutzkleidung besonders in den
    medizinischen Einrichtungen.
  • Zentrale Beschaffung von Schutzausrüstungen
  • Sofortige Beschlagnahme notwendiger Medikamente, Beatmungsgeräte und Schutzausrüstung von den Konzernen
  • Sofortige Millionärs- und Milliardärsabgabe zur Finanzierung eines Notprogramms
  • Als Lehre aus dieser Virus-Krise: breite Kampagne aller
    DGB-Gewerkschaften – unter Einbeziehung von Streikmaßnahmen – für
    Milliardeninvestitionen ins Gesundheitssystem, ein Ende des
    Fallpauschalensystems, medizinische Einrichtungen müssen die
    tatsächlichen Kosten medizinisch sinnvoller Maßnahmen erstattet
    bekommen.
  • Überführung aller einschlägigen Einrichtungen in die Öffentliche
    Hand (z. B. Rekommunalisierung der Krankenhäuser) unter Kontrolle der
    dort Beschäftigten und der Öffentlichkeit. Bis zur Umsetzung dessen
    dürfen Krankenhäuser keine Profite ausschütten. Alle von den
    Krankenkassen überwiesenen Gelder müssen für das Wohl der Patientinnen
    und Patienten eingesetzt werden.
  • Gesetzliche Personalbemessung nach Bedarf! Massive Aufwertung
    der Krankenpflege-Berufe. Als ersten Schritt sollen alle Pflegeberufe um
    500 Euro pro Monat aufgewertet werden. Bessere Bezahlung von
    Pflegekräften ist der wichtigste Baustein, um den Pflegenotstand zu
    beenden!
  • Arbeitsplätze verteidigen: Verstaatlichung von Betrieben, die
    entlassen wollen, unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der
    arbeitenden Bevölkerung, um die Produktion gesellschaftlich sinnvoll
    planen zu können.
  • Internationale Solidarität: Für internationale Kooperation und
    gegenseitige Unterstützung im Kampf gegen Corona, keine Profite mit
    Impfstoffen und Medikamenten gegen Corona.
  • Pharmakonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung
  • Hilfe für Menschen in Not organisieren: Sofortige Hilfe für die
    Geflüchteten an der griechischen Grenze, sichere Fluchtwege, Aufnahme in
    Deutschland und in der EU. Wiederherstellung bzw Ausweitung des
    Asylrechts.
  • Schutz vor Folgen und für die nächsten Monate: konsequenter
    Kampf für den Erhalt aller Arbeitsplätze und Einkommen durch die
    Gewerkschaften, nicht die Beschäftigten dürfen für die Krise zahlen!

Bringt Forderungen wie diese in den Betrieben und gewerkschaftlichen Gremien ein. Kontaktiert die VKG,
wenn ihr euch mit anderen Kolleg*innen zusammen schließen wollt, um
gemeinsam dafür zu sorgen, dass Druck in diese Richtung aufgebaut wird.

Das Flugblatt mit diesem Text könnt Ihr Euch hier
herunterladen und ausdrucken: https://www.vernetzung.org/wp-content/uploads/2020/03/Corona-Flugi-VKG.pdf




Corona-Pandemie: 4 Fragen und 4 revolutionäre Antworten!

Kein Thema hat in letzter Zeit unsere Gespräche, Gedanken und Social Media Feeds so geprägt wie das neuartige Coronavirus / Sars-CoV-2, kurz: Corona. Weltweit ist bereits eine Viertelmillion Menschen an dem Virus erkrankt, wovon bisher etwas fast 12.000 (Stand 21.3.) Menschen sterben mussten. Europa ist, nachdem in China die Zahl von Neuinfektionen wieder leicht rückgängig ist, zum neuen Zentrum der Pandemie geworden. Nachdem die Zahl von Infizierten in Italien blitzartig in die Höhe schoss, ist ein ähnlich steiler Anstieg auch in Deutschland zu beobachten. Vor einigen Tagen meldete sich nun auch Kanzlerin Angela Merkel in einer Fernsehansprache zu Wort: Die Rede war vor allem vom Zusammenhalten, von Vertrauen und von Geduld. Man könnte sie auch so verstehen, dass wir alle schön die Klappe halten und machen sollen, was man uns sagt. Das würde nämlich bedeuten, dass wir stillschweigend hinnehmen, wie deutsche Banken und Unternehmen durch Milliardenkredite gerettet werden, während wir durch Entlassungen, Kurzarbeiter_Innengeld und Grundrechtseinschränkungen die Kosten dessen tragen sollen. Aber ist in der aktuellen Krisensituation der richtige Zeitpunkt für Widerstand? Diese und andere Fragen wollen wir hier beantworten.

Sollten wir nicht gerade jetzt in der Krise zusammenhalten und Kritik hinten anstellen?

Zusammenhalten sollten wir auf jeden
Fall, denn die aktuell stattfindenden Einschränkungen im
öffentlichen Leben und die permanente Angst, sich anzustecken, sind
für uns alle nicht leicht. Positiv sind in diesem Zusammenhang die
an vielen Orten entstehenden Nachbarschaftsinitiativen zur
Lebensmittelversorgung. Hierbei muss aber klar angeprangert werden,
dass diese vor allem deshalb notwendig werden, weil der Staat in
dieser Versorgungsaufgabe versagt.

Die Frage ist für uns, mit wem wir
zusammenhalten. Sicherlich nicht mit den Bossen, die unsere Löhne
kürzen, uns entlassen oder uns auf der Arbeit mit schlechten
Schutzmaßnahmen einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen.
Bestimmte Beschäftigungsverhältnisse wie Scheinselbstständigkeit,
Stunden- oder Projektverträge und Angestellte im Gastro- und
Kulturbetrieb sind aktuell besonders hart betroffen. Während wir uns
also fragen, wie wir unsere Miete bezahlen sollen, versuchen die
Unternehmer_Innen ihre getätigten Investitionen noch irgendwie ins
Trockene zu bringen und uns die Kosten dafür zahlen zu lassen. Für
sich können sie auch nur im kleinsten Verdachtsfall auf ein weiches
Intensivbett in einer Privatklinik mit ausgewiesenem Fachpersonal
vertrauen, während wir und insbesondere ältere Menschen und
Menschen mit Vorerkrankungen das Hauptrisiko tragen.

Die Bundesregierung setzt in ihren
Krisenmaßnahmen vor allem die Interessen der Kapitalist_innen um.
Während Schulen, Unis, Kindergärten, Theater, Clubs, Bars, Museen
und Schwimmbäder geschlossen bleiben, müssen vor allem die Leute
(trotz Infektionsrisiko) an den zentralen Wirtschaftsstandorten
weiterarbeiten. Dass in der Autoindustrie kaum noch mehr gearbeitet
wird, ist viel mehr Folge des Absatzeinbruchs als von
Gesundheitsmaßnahmen.

Ebenso auch Beschäftigte im öffentlichen Dienst, die die Grundversorgung einer Gesellschaft durch Pflege, Erziehung, Infrastruktur und Lebensmittelhandel sicherstellen. Für sie hat Merkel ganz viel Danke und Applaus übrig, doch davon kann sich niemand etwas kaufen. Während Gesundheitsminister Jens Spahn uns lange erzählt hat, dass das deutsche Gesundheitssystem bestens auf eine Corona-Pandemie vorbereitet sei, sehen wir nun, wie überfordert es ist. Kein Wunder, denn jahrelang wurden die Krankenhäuser kaputtgespart und privatisiert. Der erzeugte Personalmangel in der Pflege wurde zusätzlich befeuert durch Unterbezahlung, Ausbeutung und Auslagerung von Beschäftigtengruppen an Dienstleistungsunternehmen, um Tarifverträge zu umgehen. Und zwar nicht nur in Deutschland, auch in Südeuropa waren deutsche Politiker_Innen im Zuge der Euro-Krise ganz vorne mit dabei, durch erzwungene Sparmaßnahmen die lokalen Gesundheitssysteme zu zerstören. Dafür verantwortliche Politiker_Innen und die Bildzeitung versuchen nun, der Öffentlichkeit die Schuld zuzuschieben, um die eigene Verantwortung an dieser katastrophalen Situation unter den Teppich zu kehren. Zusammenhalten müssen also vor allem wir Jugendliche, Lohnabhängige und Migrant_Innen, und zwar über Nationalstaatsgrenzen hinweg. Unsere Kritik dürfen wir dabei nicht verschweigen, sondern müssen sie gerade jetzt durch eigene Forderungen und Maßnahmen zum Ausdruck bringen. Wenn wir keinen eigenen gesamtgesellschaftlichen Notfallplan aufstellen, wird es von der Bundesregierung nur einen Notfallplan zur Rettung der Konzerne geben.

Was wären denn sinnvolle Maßnahmen, die umgesetzt werden sollten?

Unsere Forderungen sollten sich
einerseits gegen die sozialen Angriffe richten und andererseits
wirksame Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vorschlagen.
Zuallererst müssen wir für ein sofortiges Entlassungsverbot
eintreten. Ebenso fordern wir statt Kurzarbeiter_Innengeld (also eine
Weiterzahlung von 60 % des letzten Nettolohns durch Steuergelder)
Lohnfortzahlungen, finanziert aus den Profiten der Unternehmen.
Überall, wo es möglich ist, müssen die Leute ohne Konsequenzen von
der Arbeit freigestellt werden,
damit die Eindämmung durch soziale Distanzierung wirklich
funktioniert. In Berufen, die die gesellschaftliche
Grundversorgung garantieren, müssen die Arbeiter_Innen ausreichenden
Arbeitsschutz, Arbeitszeitverkürzungen und massive Lohnerhöhungen
erhalten. Welche Berufe für die gesamtgesellschaftliche
Grundversorgung wichtig sind, entscheiden demokratisch gewählte
Komitees aus Schulen, Unis und Betrieben und nicht die
kapitalistischen Politiker_Innen. Auch unter den erschwerten
Bedingungen können wir solche demokratischen Prozesse online möglich
machen, um eine soziale Antwort auf diese Krise zu finden!

Auch müssen wir entscheiden können,
welche Grundrechtseinschränkungen uns auferlegt werden. Die Gefahr
ist ganz real, dass sie zwar zum Zwecke der Eindämmung beschlossen
werden, aber nur teilweise zurückgenommen werden und generell das,
was „ok“ ist, verschoben wird. So wurde beispielsweise könnte
in Bayern bald der Notstand ausgerufen werden und damit wäre der
Einsatz der Bundeswehr im Inneren legalisiert. Dagegen zu
demonstrieren ginge natürlich nicht, weil das Versammlungsrecht
praktisch abgeschafft wurde. Obwohl es in der aktuellen Situation
nicht sinnvoll wäre, große Massendemonstrationen abzuhalten, sollte
die Regierung uns dieses Recht nicht einfach nehmen dürfen!
Einschränkende Maßnahmen im öffentlichen Raum zur Eindämmung der
Neuinfektionen können natürlich richtig sein, die Frage ist aber,
wer diese festlegt und vor allem wer diese wieder abschafft. Wenn
diese Verantwortung Seehofer und Co. zufällt, die schon vor Corona
versucht haben, autoritäre Polizeistaatsmaßnahmen durchzusetzen,
warum sollte man dann die Teile der Einschränkungen, die man eh
schon vorhatte, nicht einfach beibehalten? Das wäre nicht das erste
Mal in der Geschichte, dass die „Verteidigung gegen einen äußeren
Feind“ dazu benutzt wurde, die Grundrechte der eigenen Bevölkerung
dauerhaft einzuschränken. Beispiel hierfür ist der „Kampf gegen
den Terror“, der schon für Kriege, Einschränkung des Asylrechts
und der Spionage der eigenen Bevölkerung herhalten musste. Der beste
Schutz dagegen ist es, dass wir uns als Betroffene gemeinsam mit
Wissenschaftler_Innen organisieren und selbst die Menschen
delegieren, die in demokratischen Krisenkomitees verbindliche
Maßnahmen festlegen.

Um eine Ausbreitung des Virus‘ zu verhindern, benötigen wir sofort einen kostenlosen und freien Zugang zu Gesundheitsversorgung für alle. Ebenso müssen Test-Kits, Atemschutzmasken, Desinfektionsmittel, Seife und Handschuhe für alle kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die dafür notwendigen Fabriken müssen sofort entschädigungslos enteignet und unter Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden, um die Produktion auf die notwendigen Güter umzustellen. Statt SUVs brauchen wir halt gerade nun mal Beatmungsgeräte. Das klingt nach einem krassen Schritt, aber beispielsweise waren die kapitalistischen Regierungen mit solchen Maßnahmen während der zwei Weltkriege überhaupt nicht zimperlich, indem sie der Industrie vorgeschrieben haben, dass sie nun Munition, Waffen und Feldversorgung herstellen müssen. Neben massiven Investitionen in Forschung und Versorgung, was auch eine schnellstmögliche Anlernung und gute Bezahlung von Pflegekräfte bedeutet, müssen ebenso alle Kliniken, Pharmakonzerne, Forschungsinstitute und Labore verstaatlicht werden. Es ist sehr problematisch, dass momentan einige Forscher_Innen-Teams nebeneinander her an ähnlichen Projekt arbeiten, aber wegen des Geschäftsgeheimnisses keine vollständige Zusammenarbeit stattfindet, vor allem unter privaten Unternehmen. Die Jagd ist wild, denn wer den Impfstoff oder Schnelltest findet, wird dabei sicherlich Milliarden verdienen. Jetzt kommt es aber auf die Rettung von Menschenleben an und nicht auf Profite!

Wären diese ganzen Maßnahmen aber nicht insgesamt sehr schlecht für die Wirtschaft?

Die Corona-Krise ist nur ein
weiteres Beispiel dafür, wie die freie Marktwirtschaft nicht dazu in
der Lage ist, die dringendsten Bedürfnisse der Menschheit zu
befriedigen und dafür, wie viel effizienter und
bedürfnisorientierter eine demokratische Planwirtschaft agieren
könnte. Das Chaos des Marktes führt zur Anfälligkeit für
Zusammenbruch und Krise, so auch nun mit dem Ausbruch von Corona: Der
DAX fällt täglich ins Bodenlose, die Ölpreise sinken und die für
die deutsche Exportwirtschaft so wichtige just-in-time-Produktion
gerät durch Grenzschließungen immer weiter ins Stocken. Corona ist
dabei jedoch nur der Auslöser und nicht die Ursache der Krise. Diese
liegt weitaus tiefer in der kapitalistischen Produktionsweise selber.
2007/2008 ist sie in eine tiefe Absatzkrise geraten, sodass die
Produktivität und die Investitionen massiv gesunken sind. Diese
Krisenursachen wurden jedoch nicht behoben, sondern nur durch
Niedrigzinspolitik und riesige Bankenrettungspakete abgefedert. Das
Coronavirus ist nun die Nadel, die die riesige Blase gerade zum
Platzen bringt. Weitere Fabrikschließungen, Massenentlassungen und
Sparmaßnahmen werden bald auf der Tagesordnung stehen.

Zugleich verschärfen sich bereits aktuell die Spannungen unter den imperialistischen Ländern und Regionalmächten. Der Wettlauf um einen Corona-Impfstoff ist bereits ein Ausdruck davon. Die Volkswirtschaft, die sich am schnellsten von den Coronafolgen erholt, wird einen gewaltigen Vorteil auf dem Weltmarkt haben und für Verschiebungen im innerimperialistischen Kräfteverhältnis sorgen. Momentan scheinen die Zeichen ganz auf China zu stehen, aber auch andere Ländern setzen in diesem Kampf auf das Konzept „Herdenimmunität“, also das absichtliche Krankwerdenlassen der Bevölkerung bei gleichzeitiger Überlastung des Gesundheitssystems, sodass unzählige Menschen sterben könnten. In Europa hängen prominent die Niederlande und bis vor kurzem noch Großbritannien dieser Taktik an. Die Maßnahmen, die nun doch ergriffen werden, kommen zu spät.

Ist es aber nicht gerade wichtig, die Grenzen zu schließen, um eine weitere Ausbreitung der Infektionen zu verhindern?

In der aktuellen Abschottungspolitik
der kapitalistischen Staaten zeigt sich deutlich, dass ihr ganzes
Gerede von Solidarität nur eine leere Worthülse ist. Wer nur
national beschränkte medizinische Krisenmaßnahmen ergreift, aber
sich nicht für 20.000 von Corona bedrohte, auf der griechischen
Insel Lesbos eingeschlossene und unter schlimmsten hygienischen
Bedingungen lebende Geflüchtete interessiert, braucht uns nichts von
Solidarität zu erzählen. Da eine Pandemie
auch so nicht vor Nationalstaatsgrenzen halt macht, bedeutet
nationale Abschottung darüber hinaus auch immer eine Behinderung von
wirksamen internationalen Schutzmaßnahmen oder der Entwicklung eines
Impfstoffes. Und nicht nur das, nationale Abschottung bedeutet auch,
dass die reichen imperialistischen Länder die ärmeren Ländern mit
ihren schlechter ausgestatteten Gesundheitssystemen alleine lassen
und somit eine weitere Ausbreitung der Infektionen in Kauf nehmen,
solange es nicht auf dem eigenen Staatsgebiet passiert. Dabei wirkt
es so, als wären die imperialistischen Länder nicht dafür
verantwortlich, dass die Gesundheitssysteme in den ärmeren Ländern
so schlecht ausgebaut sind. Durch Kolonialismus, Ausbeutung und
erzwungene Sparmaßnahmen haben die imperialistischen Länder dem
Rest der Welt jedoch die Möglichkeiten für einen adäquaten
medizinischen Kampf gegen das Coronavirus genommen. Zuletzt stärkt
nationale Abschottungspolitik auch immer ausgrenzende,
nationalistische und rassistische Tendenzen, die ja bekanntermaßen
schon vor Corona stark an Fahrtwind dazugewonnen haben.

Wir fordern stattdessen keine
Abschottung und Grenzschließungen sondern Grenzöffnungen, um auch
Menschen aus anderen Ländern vor Corona retten zu können.
Geflüchtete sollen wie alle anderen Einreisenden medizinisch
getestet und, im Fall einer Infektion, medizinisch und sozial
versorgt werden. Die Lager auf den griechischen Inseln müssen sofort
aufgelöst und eine Weiterreise aufs europäische Festland
gewährleistet werden. Das gilt auch für die türkisch-griechische
Grenze am Fluss Evros. Wir fordern legale Fluchtwege und
Einreisemöglichkeiten ebenso wie volle Staatsbürger_Innenrechte für
alle!




Rechtsruck: Warum sind die Rechten so reaktionär gegenüber Frauen?

Saskia Wolf, Revolution Deutschland, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

Ob nun in den USA durch Trump, Duterte auf den Philippinen,
Modi in Indien, Le Pen in Frankreich oder die AfD in Deutschland, seit mehreren
Jahren erleben wir international ein Erstarken der Rechten. Dies geht einher
mit Asylgesetzverschärfungen, Abschiebekampagnen, Angriffen auf Geflüchtete und
Migrant_Innen. Aber nicht nur Nationalismus und Rassismus nehmen zu. Auch
Angriffe auf demokratische Grundrechte und fortschrittliche Gesetze für Frauen
und die Frauenbewegung gehen damit einher. Wir schreiben also das Jahr 2020.
Anstatt dass wir der Befreiung aus der sexuellen Unterdrückung näherkommen,
gibt es ein Rollback für Frauen, ein Zurückwerfen auf ihre Rolle als Mutter und
Hausfrau. Aber warum haben rechte und konservative Kräfte es auf die Freiheit
der Frauen abgesehen?

Seit der Weltwirtschaftskrise 2007/08 hat sich die
Konkurrenz zwischen den einzelnen Kapitalist_Innen und ihren Staaten verschärft.
Es kam zu einer massiven Konzentration von Kapital. Gerade die größeren
Monopole konnten davon profitieren, während kleinere Unternehmen nicht
mithalten konnten.

Kleinere UnternehmerInnen,
auch gerne als Mittelstand bezeichnet, haben Angst, ihre Stellung zu verlieren
und pleitezugehen. Getrieben von der Angst des sozialen Abstieges fangen sie
an, laut herumzubrüllen: Protektionismus, Nationalchauvinismus,
Standortborniertheit, das sind ihre Argumente, um sich zu schützen. Kurz
gesagt: Sie wollen das Rad der Geschichte zurückdrehen, um nicht ihren Reichtum
zu verlieren. Sie wollen den globalen Kapitalismus also auf reaktionäre Art
bekämpfen.

Mit der Fokussierung
auf Nationalstaat und Protektionismus geht auch einher, dass das Ideal der
„bürgerlichen Familie“ gestärkt werden muss. Denn im Kapitalismus ist die
Arbeiter_Innenfamilie der Ort, wo unbezahlte Reproduktionsarbeit stattfindet.
Ob nun Kindererziehung, Altenpflege, Waschen oder Kochen – all das reproduziert
die Arbeitskraft der einzelnen Arbeiter_Innen und sorgt gleichzeitig dafür,
dass dem Kapital die Produktivkraft nicht ausgeht. Oftmals wird diese
unbezahlte Hausarbeit von Frauen verrichtet. Diese Arbeitsteilung wird dadurch
gefestigt, dass Frauen weniger Lohn als Männer bekommen und sie somit nach
einer Schwangerschaft eher zu Hause bleiben. So verdienen beispielsweise Frauen
im Schnitt 22 % weniger als Männer, machen 75 % der Beschäftigten in
sozialen Berufen aus und arbeiten immer noch doppelt so lang im Haushalt wie
Männer. Im Kontrast dazu stehen erkämpfte Rechte von Frauen und LGBTIAs. Ob nun
Legalisierung von Homosexualität, die Gleichstellungsgesetze, das
Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper – all das lehnen die Reaktionär_Innen
mit aller Macht ab. Denn diese Errungenschaften greifen das Idealbild der
Familie an, auf das sie stark angewiesen, sind damit ihre protektionistische
Vorstellung der Nation Wirklichkeit wird.

Warum sind sie erfolgreich?

Um erfolgreich gegen rechts zu kämpfen, müssen wir
verstehen, warum diese überhaupt so stark geworden sind. Ein zentraler Grund
dabei ist die Führungskrise der Arbeiter_Innenklasse. Nach der Finanzkrise
stieg nicht nur die Konkurrenz unter den Kapitalist_Innen. Große Teile der
Krisenkosten wurden auf die Arbeiter_Innenklasse abgewälzt in Form von Sparmaßnahmen,
Entlassungen und dem Ausbau des Niedriglohnsektors. Das sorgte dafür, dass
große Teile der Klasse in Armut abrutschten. Dabei konnten weder
Sozialdemokratie noch Gewerkschaften die Lage verbessern. Vielmehr verwalteten
sie diese Politik im Interesse des Kapitals mit. Die desillusionierten Teile
der Arbeiter_Innenklasse wenden sich daraufhin den Versprechungen der
Populist_Innen zu.

Was tun?

Gegen Rechtspopulist_Innen und Reaktionär_Innen bedarf es
einer antirassistischen Arbeiter_Inneneinheitsfront, nicht nur gemeinsamen
Kampfs mit den Bürgerlichen gegen rechtliche Einschränkungen. So nennen wir
einen Zusammenschluss zwischen Organisationen der Arbeiter_Innenklasse für
Klassenziele, die z. B. die liberalen Elemente nicht teilen, und mit
Kampfmitteln wie Streiks, über die andere Klassen nicht verfügen. Im Zuge
dessen bedarf es zentraler Aktionstage, bei denen alle Beteiligten
mobilisieren. Dabei ist es wichtig, nicht nur formal zu einer Demo aufzurufen,
sondern klar zu fordern, dass die Basis der Organisationen in die Mobilisierung
einbezogen wird. Das bedeutet, dafür einzutreten, dass es Vollversammlungen und
Aktionskomitees  an Schulen, Unis und in
Betrieben gibt, die sich im Rahmen der Mobilisierungen mit der aktuellen
Politik auseinandersetzen und sich fragen: Wie kann hier konkret eine
fortschrittliche Politik aussehen? Das sorgt dafür, dass an den Orten, an denen
wir uns tagtäglich bewegen müssen, eine bewusste politische Auseinandersetzung
anfängt und zeitgleich mehr Leute erreicht werden als jene, die sich eh schon
für Antirassismus und Antifaschismus interessieren. Zentral ist es, Kämpfe
miteinander zu verbinden und nicht nur aktuelle Angriffe abzuwehren, sondern
auch für konkrete Verbesserungen, um aus der Defensive herauszukommen. Um die
Situation von Geflüchteten unmittelbar zu verbessern, müssen Revolutionär_Innen
für offene Grenzen und Staatsbürger_Innenrechte für alle eintreten. Darüber
hinaus müssen wir die Integration in die Gewerkschaften verlangen, um gemeinsam
der Spaltung entgegenzutreten, besser gemeinsame Kämpfe führen zu können wie
beispielsweise für einen höheren gesetzlichen Mindestlohn, aber auch das Selbstbestimmungsrecht
über den eigenen Körper.

Wenn wir erfolgreich dem Rechtsruck entgegentreten wollen,
müssen wir aktiv gegen rassistische, sexistische Spaltung und für
Verbesserungen der Klasse kämpfen. Nur so können wir die Reaktionär_Innen
aufhalten!




Islamische Bekleidung: Sexismus und Islamfeindlichkeit in den imperialistischen Kernländern

Rebecca Anderson, Red Flag Großbritannien,  Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

In den letzten zehn Jahren haben viele europäische Länder
Frauen verboten, islamische Kleidung zu tragen. PolitikerInnen haben dazu
tendiert, diese islamfeindlichen Gesetze als Integration oder Frauenbefreiung
zu verkleiden und sie damit zu rechtfertigen, dass sie genau den Frauen zugutekommen,
deren Rechte beschnitten werden.

Die Verbote sind von Land zu Land unterschiedlich und
umfassen die Burka, die Kopf und Gesicht einschließlich der Augen bedeckt, den
Niqab, der Kopf und Gesicht, aber nicht die Augen bedeckt, und den Hidschab
oder das Kopftuch, das nur den Kopf bedeckt.

Zunehmende Islamophobie

Der Rassismus gegen MuslimInnen in Europa und Nordamerika
hat nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den USA, den darauf folgenden
Invasionen im Irak und in Afghanistan sowie dem Syrienkrieg deutlich
zugenommen. Mit der Invasion und Besetzung der Länder des Nahen und Mittleren
Ostens kam der Terrorismus durch diejenigen auf, die sowohl durch den Konflikt
selbst als auch durch die soziale Isolation und den Rassismus, denen sie als
MuslimInnen in Ländern wie Großbritannien, Frankreich und den USA ausgesetzt
waren, radikalisiert wurden.

Im Jahr 2019 richteten sich 47 Prozent der Hassverbrechen in
Großbritannien gegen MuslimInnen. Frauen waren in der Regel die meisten Opfer,
wobei weiße Männer am ehesten als Täter in Frage kamen. In den USA gibt es ein
ernstes Problem mit der beiläufigen Berichterstattung über Hassverbrechen, die
ebenfalls nur langsam veröffentlicht werden, aber es gab eine 2000-prozentige
Zunahme der Angriffe und solche Vorfälle verharren auf hohem Niveau.

Verbot der islamischen Kleidung

In diesem Zusammenhang sind die Staaten dazu übergegangen,
muslimischen Frauen das Tragen traditioneller islamischer Kleidung zu
verbieten, was in der Bevölkerung breite Unterstützung findet. Eine 2016 in
Großbritannien durchgeführte YouGov-Umfrage ergab, dass mehr als zwei Drittel
der Bevölkerung ein Verbot der Burka unterstützten, wobei die 18-24-Jährigen
die einzige Altersgruppe waren, die sich gegen ein Verbot aussprachen. Umfragen
ergaben ein ähnliches Maß an Unterstützung für ein Verbot in Deutschland,
jedoch eine Zweidrittelmehrheit gegen ein Verbot in den Vereinigten Staaten,
was vielleicht eine historisch-kulturelle Opposition gegen die staatliche
Einmischung in persönliche Angelegenheiten widerspiegelt.

Im Jahr 2011 war Frankreich bekanntlich das erste
europäische Land, das Burkas und Niqabs verboten hat. Dasselbe Gesetz verbot
Staatsangestellten, einschließlich Lehrerinnen, das Tragen von Hidschabs.
Belgien folgte schnell dem Beispiel und verbot Burkas und Niqabs drei Monate
später, während die Niederlande 2016 ein ähnliches Gesetz verabschiedeten.

Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel hat sich für Verbote im
Jahr 2016 ausgesprochen: „Der volle Gesichtsschleier ist unangemessen und
sollte verboten werden, wo immer es rechtlich möglich ist“. Die Hälfte der
sechzehn deutschen Bundesländer hat Vorschriften eingeführt, die es
muslimischen Lehrerinnen verbieten, ihr Haar oder ihr Gesicht zu bedecken.
Österreich hat 2017 den Niqab und die Burka in Gerichten und Schulen verboten.

In Großbritannien hat der Staat das Recht der Frauen, ihr
Gesicht oder ihre Haare zu bedecken, nicht eingeschränkt, erlaubt aber
einzelnen Schulen, Verbote auszusprechen.

Eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte gegen das französische Verbot ist gescheitert, und so wurde
diese Behandlung muslimischer Frauen auf supranationaler Ebene gebilligt, so
dass europäische Frauen keine weiteren Rechtsmittel gegen diese Verbote
besitzen.

Die „feministische“ Verteidigung

Das Verbot islamischer Kleidung hat bei den rechten
FeministInnen Unterstützung gefunden, insbesondere in Frankreich. Diese
Rechtfertigungen geben der Islamophobie einen feministischen Deckmantel und
wurden von den GesetzgeberInnen aufgegriffen.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sagte 2009: „Das
Problem der Burka ist kein religiöses Problem, es ist ein Problem der Freiheit
und der Würde der Frau. Sie ist kein religiöses Symbol, sondern ein Zeichen der
Unterwürfigkeit und Entwürdigung. Ich möchte feierlich sagen, dass die Burka in
Frankreich nicht willkommen ist. In unserem Land können wir keine weiblichen
Gefangenen hinter einem Wandschirm aufnehmen, die von allem sozialen Leben
abgeschnitten und jeder Identität beraubt sind. Das ist nicht unsere
Vorstellung von Freiheit.“

Die französische feministische Organisation, die
Internationale Liga für Frauenrechte, betrieb beim Europäischen Gerichtshof für
Menschenrechte das Verbot von Niqabs und Burkas und schrieb: „Der
Ganzgesichtsschleier, indem er [buchstäblich den Körper und] das Gesicht
begräbt, stellt eine wahre Auslöschung der Frau als Individuum in der
Öffentlichkeit dar… Wie kann man nicht sehen, dass das Tragen des
Vollschleiers auch eine symbolische Gewalt gegenüber anderen Frauen darstellt?“

Die Wirkung dieses „Feminismus“ besteht darin, muslimische
Frauen von der Arbeit zu verdrängen und sie auf der Straße unsicherer zu
machen. Verbote geben RassistInnen, die muslimische Frauen missbrauchen oder
angreifen wollen, mehr Auftrieb. Sie ermutigen KundInnen und KolleInngen,
diejenigen herauszufordern, die islamische Kleidung tragen, und sie
legalisieren die Entlassung muslimischer Frauen aus dem Arbeitsleben.

Nach der Verhängung des französischen Verbots von Niqabs und
Burkas berichtete das französische Kollektiv gegen Islamophobie über einen
Anstieg der Zahl der körperlichen Angriffe auf Frauen, die diese Kleidung
tragen.

Die Logik dieser Verbote verweigert den muslimischen Frauen
die Fähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen, politische Ideen zu entwickeln
und sich zu organisieren. Muslimische Frauen werden als Opfer ihrer Familien
und Gemeinschaften behandelt, und die Tatsache, dass sie nie um diese Verbote
gebeten haben, wird nicht einmal in Betracht gezogen.

Das Integrationsargument

Es ist auch nicht so, dass der Niqab und die Burka weit
verbreitet sind. In Vorbereitung auf das Verbot der islamischen Kleidung in
Frankreich, einem Land mit fünf Millionen MuslimInnen, hat die Regierung den
Geheimdienst gebeten, Statistiken über die Anzahl der französischen Musliminnen
zu erstellen, die diese Kleidungsstücke tragen. Als der Geheimdienst
berichtete, dass weniger als vierhundert ihr Gesicht bedeckten, wurde er
gebeten, erneut zu zählen, und kam mit einer Zahl von knapp zweitausend zurück.

MuslimInnen werden für die Diskriminierung gegen sie
verantwortlich gemacht, und der Niqab und die Burka werden als Symbole für ein
„Versagen“ bei der Integration hochgehalten. Es wird argumentiert, dass
MuslimInnen, wenn sie sich besser integrieren würden, nicht mit rassischer oder
religiöser Diskriminierung konfrontiert würden. Es ist jedoch die
Diskriminierung, die der Teilnahme muslimischer Frauen am öffentlichen Leben
Hindernisse in den Weg legt. In Großbritannien stellte der Ausschuss für Frauen
und Gleichberechtigung fest, dass muslimische Frauen dreimal so häufig arbeitslos
sind und nach Arbeit suchen.

Marxismus, Sexismus und Islamfeindlichkeit

Als MarxistInnen erkennen wir natürlich den Sexismus, der
der Idee innewohnt, dass Frauen sich „bescheiden“ kleiden sollten. Es ist nicht
Sache der Frauen, sich zu kleiden, um sexuelle Belästigung zu vermeiden,
sondern es ist Sache der Männer, sich zu entscheiden, nicht zu belästigen. Das
Christentum blickt auch auf eine lange Tradition zurück, in der Frauen ihre
Haare aus Bescheidenheit bedecken, daher die Bekleidungsgebräuche bei Nonnen.
Religionen wie das Christentum und der Islam gründen auf den
Geschlechterverhältnissen, wie sie vor Jahrhunderten bestanden, und während sie
sich ständig an die Ideologien der derzeit herrschenden Klassen christlicher
und muslimischer Länder anpassen, sind sie wie alle Religionen konservative
Ideologien, die zur Rechtfertigung der Unterdrückung von Frauen in der
Klassengesellschaft benutzt werden.

Das Verbot islamischer Kleidung schafft nicht nur ein
feindseliges Umfeld für muslimische Frauen, sondern trägt auch dazu bei, Kriege
im Nahen und Mittleren Osten und die Unterdrückung der muslimischen Bevölkerung
imperialistischer Länder zu rechtfertigen, indem Muslime als einzigartig
sexistisch dargestellt werden , die eine oft ghettoisierte Gemeinschaft „entfremden“.
Feministinnen, die die Verbote unterstützen, verleihen der rassistischen
Politik, die die Unterdrückung der muslimischen Frauen verschlimmert, einen
feministischen Deckmantel.

RevolutionärInnen sollten sich auch gegen die Verbote
wenden, weil jedes Gesetz, das die individuelle Freiheit einschränkt, gegen
Andersdenkende eingesetzt wird. Im Jahr 2012 benutzte die Polizei in Marseille
die französischen verbotenen Burkas und Niqabs, um Frauen in Sturmhauben zu
verhaften, die gegen die Verurteilung der russischen Punkband Pussy Riot
protestierten. Die Verhaftung weißer Feministinnen war nicht die Absicht des
Verbots, aber die Polizei wird immer alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel
einsetzen.

Die entscheidende Lösung für die Befreiung der muslimischen
Frauen ist die gleiche wie für alle Frauen: volle und uneingeschränkte
Teilnahme am öffentlichen Leben. Dazu gehört alles, von der kostenlosen
Kinderbetreuung über die gleiche Bezahlung zur Beseitigung der materiellen
Basis der Frauenunterdrückung bis hin zur Bekämpfung von Belästigungen und der
Bereitstellung von Zuflucht für Überlebende. Für muslimische Frauen gibt es
auch spezifische Maßnahmen, und dazu gehören die Freiheit, islamische Kleidung
zu tragen, und offene Grenzen, um die Superausbeutung von Menschen ohne
Staatsbürgerschaft zu verhindern. Es muss auch anerkannt werden, dass der
Rassismus, den muslimische Frauen erleben, sich mit dem Sexismus überschneidet,
und der Kampf für die Befreiung der Frauen kann nicht vom Widerstand gegen imperialistische
Kriege im Ausland und rassistische Maßnahmen zur Stigmatisierung der
muslimischen Bevölkerung der imperialistischen Länder, insbesondere von
MigrantInnen und Flüchtlingen, getrennt werden.




Politisch streiken – aber wie?

Michael Märzen, Arbeiter*innenstandpunkt Österreich, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 8, März 2020

In den letzten zwei Jahren haben millionenstarke
Frauenstreiks ein großes Potential für den Kampf um Frauenbefreiung aufgezeigt.
Die Arbeitsniederlegungen im produktiven und reproduktiven Bereich richten den
politischen Fokus auf die Ungleichheit der geschlechtlichen Arbeitsteilung,
welche die materiellen Grundlage für sexistische Ungerechtigkeit und
Unterdrückung darstellt. Gleichzeitig kann der ökonomische Stillstand, der bei
einem Streik angerichtet wird, den nötigen Druck erzeugen, damit die
frauenpolitischen Forderungen auch ernst genommen und letztlich durchgesetzt
werden. Doch die internationale Frauenbewegung hat diese proletarische
Strategie noch nicht bewusst angenommen und verallgemeinert. Dazu braucht es
nicht nur positive Bezugspunkte wie die Mobilisierungen in Spanien oder der
Schweiz, sondern Organisation, Know-how und einen Kampf gegen andere, falsche
Strategien.

Bündnispolitik

Ein Streik ist im Normalfall kein spontanes Ereignis. Obwohl
der Unmut über Missstände schon hoch sein mag, braucht es Strukturen, die ihn
organisieren. Jene Kräfte, die bereit sind, einen Frauenstreik zu organisieren,
müssen gesammelt werden. In der Regel sind das schon bestehende Organisationen
der radikalen Linken oder der Frauenbewegung, aber auch eine Hand voll Einzelpersonen
kann ein Komitee für die Organisierung des Streiks gründen und den Stein ins
Rollen bringen. Kanäle wie soziale Medien müssen genutzt werden, um die
Organisation auf eine kräftigere Grundlage zu stellen. Für die Mobilisierung
braucht es klare und radikale Forderungen wie etwa eine Arbeitszeitverkürzung,
die demokratisch bestimmt werden sollten und für die die beteiligten Kräfte
frei nach innen und außen werben können. Dabei muss auch sehr gut abgewogen
werden, welche in den Vordergrund gestellt und wie sie formuliert werden
können, damit sie die bestmögliche Wirkung auf das politische Bewusstsein der
Zielgruppen haben werden.

Basisorganisierung

Zentral ist es lohnabhängige, aber auch erwerbslose Frauen und
Männer für den Streik zu gewinnen. Dazu eignet sich der Aufbau von
Aktionskomitees auf regionaler sowie betrieblicher Ebene bzw. in der
Ausbildungsstätte. In diesen Komitees organisieren sich Aktivist*innen, um
gemeinsame Aktivitäten für die Mobilisierung zu planen. Darüber hinaus sollten
eigene Forderungen diskutiert und in die Bewegung getragen werden. Sie müssen als
politische im Interesse der gesamten Arbeiter*innenklasse formuliert werden,
die also nicht auf einzelne Branchen beschränkt bleiben. Als Ausgangspunkt zum
politischen Ziel der Aufhebung der geschlechtlichen gesellschaftlichen Arbeitsteilung,
der Sozialisierung der Haus- und Sorgearbeit kann z. B. die nach einer gesetzlichen
Mindeststellenbesetzung in der Pflege dienen, wie in Deutschland aufgestellt. Die
überregionale Vernetzung mittels wähl- und abwählbarer Delegierter ermöglicht
den Aufbau von demokratischer Kontrolle über die Bewegung selbst und in
weiterer Folge von Gegenmacht gegenüber den bürokratischen staatlichen
Institutionen, über welche die herrschende Klasse ihre Interessen sichert. Das
ist auch kein Widerspruch zu einer Bündnispolitik von politischen
Organisationen. Aktionskomitees können solche Bündnisse ergänzen oder im besten
Fall der Ausdruck einer demokratisch organisierten Bewegung sein.

Rolle der Gewerkschaften

Ein wesentlicher Erfolg von bisherigen Frauenstreiks war die
Unterstützung durch Gewerkschaften in der Schweiz und in Spanien. Wenn diese
Organisationen, die oft einen großen Anteil der lohnabhängigen Bevölkerung
organisieren, für kämpferische Massenaktionen gewonnen werden können und die
Mobilisierungen dafür ernst nehmen, dann hat das eine sehr große Wirkung. Viele
Gewerkschaften haben auch frauenpolitische Abteilungen, die natürlich eine
Anlaufstelle für die Mobilisierung sein können und wo sich womöglich auch
schneller Unterstützer*innen finden lassen. Das Problem ist aber, dass die
großen, reformistischen Gewerkschaften von einer konservativen Bürokratie
geführt werden, die radikale Aktionen und die Einbeziehung der Massen mehr
fürchten als fördern. Dies gilt für alle Gewerkschaften, die nicht von einer
revolutionären Arbeiter*innenpartei geführt werden. Die reformistischen
Parteien, die oft über großen Einfluss in den Gewerkschaften verfügen, haben
längst ihren Frieden mit dem kapitalistischen System gemacht und verteidigen es
letzten Endes gegen einen Ansturm durch die Lohnabhängigen. Dies gilt auch für
reine Gewerkschaftspolitik, die sich nicht den Sturz des Kapitalismus auf die
Fahnen geschrieben hat. Wir können uns also weder auf sie verlassen noch auf
den Erfolg vehementer Aufforderungen hoffen, sondern müssen mit
Basisorganisationen ein Gegengewicht zur abgehobenen Stellvertretungspolitik
schaffen. Diesen Zweck können die schon angesprochenen Aktionskomitees zum Teil
erfüllen, sie müssen sich dafür aber bewusst auch auf die Gewerkschaften
ausrichten. Letztlich muss eine antibürokratische Gewerkschaftsopposition aber
eigenständige Strukturen aufbauen, denn der Kampf gegen die reformistische
Bürokratie ist allgemeiner als der für eine bestimmte politische Mobilisierung.

Proletarische Strategie

Wenn alle für einen starken Frauenstreik eintreten und eine
proletarische Frauenbewegung aufbauen wollen würden, dann müssten wir die Frage
nach der Umsetzung eines Streiks gar nicht so genau diskutieren. Aber so ist es
leider nicht. Gerade auch im Feminismus gibt es bürgerliche und
kleinbürgerliche Kräfte, die ganz andere Strategien als Sozialist*innen
verfolgen und die die Organisierung und Mobilisierung der Arbeiter*innenklasse
für die politischen Anliegen der Frauen sogar ablehnen. Oft beschränken sich
diese Kräfte auf Forderungen wie Quoten in politischen Ämtern oder in
Unternehmen, den ideologischen Kampf gegen Alltagssexismus oder eine
gendergerechte Sprache, die dann von sozialliberalen Parteien umgesetzt werden
sollen. Eine solche Politik hemmt natürlich die eigenständige Aktion der
Ausgebeuteten und Unterdrückten und muss daher natürlich auch bekämpft werden. So
wurde z. B. in den verschiedenen feministischen Bündnissen für den
letztjährigen Frauenstreik in Deutschland zwar eine Liste unterstützenswerter
Forderungen aufgestellt, aber über die Frage, wie ein Streik der gesamten
Klasse gegen die Paragraphen zustande kommen kann, der auch den Namen verdient,
kaum diskutiert. Debatten um Einbezug der Gewerkschaften und der Männer waren also
von untergeordneter Bedeutung.

Es geht also nicht nur um einzelne Forderungen, sondern um
eine zusammenhängende proletarische Strategie, die ihren klarsten Ausdruck in
einem kommunistischen Übergangsprogramm findet. Darin stellt sich der Kampf für
Frauenbefreiung und gegen Sexismus als integraler Teil des allgemeinen
Klassenkampfs der gesamten Arbeiter*innenklasse dar, unabhängig von Geschlecht,
Identität oder Herkunft. Deswegen halten wir es zum Beispiel auch für einen
Fehler, wenn von feministischen Organisationen bei frauenpolitischen Aktionen
der Ausschluss von Männern gefordert wird. Der Kampf gegen Frauenunterdrückung
und die ganze sexistische Ideologie geht unsere männlichen Genossen genau so
etwas an. Aber unsere Genossinnen sollten ganz klar im Vordergrund eines
Frauenstreiks stehen.




Respect my Authority? Rolle der Autorität in der Schule

In jeder Schule, in jedem Land sind wir Schüler_Innen ständiger Schikanen und Repressionen durch Lehrkräfte ausgesetzt. Heute sehen wir das zum Beispiel an der Kriminalisierungswelle, welcher diejenigen von uns ausgesetzt sind, die jeden Freitag auf die Straße gehen, um für unser aller Zukunft zu kämpfen. Auftrag der Schule laut Gesetzbuch ist es uns zu befähigen, für uns und unsere Umwelt Verantwortung zu übernehmen, unsere Lebensgrundlagen zu schützen und für nächste Generationen zu erhalten. Doch von der Politik und auch den Medien wurde auf die Verletzung der Schulpflicht hingewiesen und die Schulleitungen aufgefordert die Fridays for Future Aktivist_Innen härter zu bestrafen. Dass wir ein Grundrecht auf Versammlungen und politisches Engagement haben, welches uns nicht verwehrt werden darf, wird hierbei nicht erwähnt. Auch wenn einige Schulen versuchen die Bewegung zu unterstützen, müssen die Aktivist_Innen um ihre Abschlüsse bangen. Neben den Fehlstunden werden vermehrt Tests auf den Freitag gelegt, Schüler_Innen wird mit Nichtversetzung gedroht, Bußgelder werden fürs „Schwänzen“ gefordert und vieles mehr. Viele haben daher den Mut verloren auf die Straße zu gehen.

Viele haben aber auch schon seit längerem immer wieder zu spüren bekommen, wer im Klassenzimmer am längeren Hebel sitzt. Ob du Kaugummi kaust, ob du eine Mütze aufhast, wann du kommst und gehst, ob du dein Handy benutzt, worum es im Unterricht geht, was richtig und was falsch ist, usw. usf. Das alles wird nicht von dir selbst entschieden, sondern von der Lehrperson. Dabei sind natürlich nicht alle gleich schlimm: Während die einen sich bemühen, hie und da z. B. offene Diskussionen zuzulassen, führen uns die anderen vor, lassen uns nicht auf die Toilette gehen oder denken sich irgendwelche anderen Schikanen aus. Das Prinzip ist aber immer das gleiche und scheinbar können wir nur darauf hoffen, kein Arschloch abzukriegen. Die Frage ist, woher kommt das alles? Warum werden wir in unserem Kampf für die Umwelt nicht unterstützt? Was ist das für eine Bildung und was können wir tun, um sie zu ändern?

Bildung ist im kapitalistischen System nicht darauf ausgelegt, dass wir uns entwickeln wie wir es wollen, sondern so wie es das System benötigt. Dass wir Bildung bekommen hat sich erst dadurch ergeben, dass die Ansprüche an die Arbeiter_Innen durch die Industrialisierung gestiegen sind. Vorher war es nur dem Adel erlaubt, heute ist jede_R verpflichtet in die Schule zu gehen. Es braucht aber neben wenigen klugen Köpfen in den Chefetagen, viele preisgünstige Arbeitskräfte. Die Schule ist dabei eine vollkommen autoritäre Institution die verschiedene Funktionen erfüllt. Neben dem Wissen, das vermittelt wird, dient sie auch dazu, dass wir dieses System und die Art und Weise wie darin zu leben ist beigebracht zu bekommen. Und genau davon ist Disziplin und Gehorsam ein wichtiger Bestandteil. Wir sollen nämlich auch später die Autoritäten wie z. B. unsere_N Chef_In oder den Staat anerkennen. Sowohl Inhalte als auch Art und Weise unseres Lernens werden dabei vom Schulministerium in Zusammenarbeit mit FachvertreterInnen und LobbyistInnen festgelegt. Die Schulen setzen diese um. Wer sich dem entgegenstellt, wird abgestraft, dafür gibt es einen ganzen Katalog an Disziplinierungsmaßnahmen, damit wir uns fügen.
Autorität bedeutet, dass eine Person oder eine Organisation durch fachliches Können oder gesellschaftliche Akzeptanz, die Macht erhält, dass andere Menschen sich ihrem Denken und Handeln fügen. Unsere Lerninhalte werden dazu vom Schulministerium in Zusammenarbeit mit FachvertreterInnen und LobbyistInnen festgelegt. Die Schulen setzen diese um. Wer sich dem entgegenstellt, wird abgestraft, dafür gibt es einen ganzen Katalog an Disziplinierungsmaßnahmen, damit wir uns fügen.

Dieses Bildungssystem muss komplett erneuert werden! Seit über 60 Jahren gibt es genug Studien und Theorien, die aufzeigen, dass zu viel Autorität und Zwang in der Erziehung in hohem Maße kontraproduktiv sind, da es die Schüler_Innen nicht dazu bringt bewusst zu Handeln, sondern nur lehrt Gehorsam vorzutäuschen (Rousseau). Jeder Mensch hat das Bedürfnis sich zu entwickeln, zu lernen und Fähigkeiten einzusetzen. Wir wollen eine selbstbestimmte Schule, die in Zusammenarbeit von Schüler_Innen, Lehrer_Innen und Arbeiter_Innen gestaltet wird. Wo wir unsere Lerninhalte von unseren Interessen abhängig machen. Wo wir keinen Hierarchien unterliegen, sondern demokratisch Verbesserungen schaffen. Wo wir nicht für ein ausbeuterisches System ausgebildet werden, sondern für unser Leben. Uns ist dabei sehr wohl bewusst, dass wir dafür kämpfen müssen! Aber wie wir auch beim Klimawandel sagen, dass dieser mit grünem Kapitalismus nicht abzuwenden ist, sagen wir auch, dass eine solche Bildung nicht innerhalb dieses Systems erreicht werden kann. Daher müssen wir die Kämpfe verbinden mit dem Kampf für eine befreite Gesellschaft, in der wir demokratisch eine Wirtschaft, die sich nach den Bedürfnissen von Mensch und Natur richtet, aufbauen und Bildungsstätten, in denen wir uns nach unseren Bedürfnissen entwickeln und nicht schikaniert werden. Vernetzt euch! Macht Probleme öffentlich und kämpft gegen die Unterdrückung der Jugend!




Was hilft Satire?

Emilia
Sommer

Jan
Böhmermann, DIE PARTEI und heute-show – uns allen ein Begriff und
entspannte Polit-Unterhaltung. Sie alle versuchen mit Hilfe von
Satire das tagespolitische Geschehen zu kommentieren und haben damit
großen Erfolg . Doch was genau ist Satire und hilft sie uns im
politischen Kampf?

Bei
Satire handelt es sich um eine Kunstform, welche durch Spott, Ironie
oder Übertreibungen Kritik übt, die gerade bei Jugendlichen sehr
gut ankommt. Beispiele dafür lassen sich zuhauf im Programm der
Partei „DIE PARTEI“ finden. So fordern sie beispielsweise, dass
Managergehälter an BH-Größen gekoppelt werden oder eine Obergrenze
für Geflüchtete jedes Jahr neu definiert wird, bei der Deutschland
nicht mehr Geflüchtete als das Mittelmeer aufnehmen darf. Sie nehmen
also realpolitische Probleme auf die Schippe, wie in diesem Falle die
ungleiche Bezahlung von Männern* und Frauen* oder die aktuelle
Flüchtlingspolitik.

Also werden einem die Probleme des oft tristen und vielleicht auch beängstigenden politischen Geschehens auf amüsante, unterhaltende und provokante Art und Weise nähergebracht oder durch die Entbindung von der biederen Politkultur Themen ganz anders angegangen und wichtige Aufklärungsarbeit geleistet, doch wir brauchen mehr. Zwar kann sie gut die Widersprüche des Kapitalismus aufzeigen oder den Rassismus der AfD entlarven und durch ihr breites Publikum viele Menschen oberflächlich politisieren, hat aber selten den Anspruch, darüber hinaus etwas aufbauen. Sie kann dadurch diese Probleme auch nicht wirksam bekämpfen und wirken oftmals wie ein bloßes Ventil. Um die Probleme anzugehen, müssen wir uns organisieren und sie mit Hilfe eines ernsthaften Programms bekämpfen. Wir müssen eine politische Perspektive bieten und allen Menschen, vor allem Arbeiter_Innen, die Möglichkeit geben, politisches Geschehen zu verstehen und daran mitzuwirken.




Dresden: Bericht zu den antifaschistischen Aktionen zum 13. und 15. Februar!

Am 13. Februar 1945 wurde Dresden von der Royal Air Force bombardiert. Zum 75. Jahrestag versuchten Neonazis und die AfD, wie in den vergangenen Jahren auch schon, einseitig der Bombenopfer zu gedenken und diese für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Jedoch wird nicht nur von faschistischen Kräften und anderen Rechten, sondern auch von der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“, von der Stadtverwaltung und den bürgerlichen Parteien seit Jahren hartnäckig ein Opfermythos um das angeblich „unschuldige Dresden“ konstruiert, an den die Neonazis und RechtspopulistInnen mit ihren sogenannten „Trauermärschen“ und Gedenkkundgebungen nahtlos anknüpfen. Daher sollte man sich auch nicht über die Beteiligung von militanten Neonazis und faschistischen Kadern an den offiziellen Gedenkveranstaltungen der Stadt, wie an der undifferenzierten Verlesung der Namen aller Bombenopfer auf dem Heidefriedhof oder an der Menschenkette, wundern. Dass am 13. Februar beim Gedenken auf dem Friedhof undifferenziert Namen von Bombenopfern verlesen wurden, unter denen neben denen von ZivilistInnen auch viele NSDAP-Mitglieder und andere faschistische TäterInnen genannt wurden, ist für sich genommen schon bizarr. Dass aber Mitglieder von FDP (Stefan Scharf) und CDU zusammen mit der AfD beim Verlesen der Bombenopfer ausgerechnet dem stadtbekannten Neonazi Sebastian P. A. lauschten, stellte dabei die Spitze des Eisbergs dar. (1) Natürlich war vor allem die Bombardierung der ArbeiterInnen-Viertel durch die Alliierten zum Ende des Zweiten Weltkriegs ein unnötiges (aus heutiger Sicht) Kriegsverbrechen. Insbesondere, weil zu diesem Zeitpunkt die Rote Armee bereits vor Görlitz stand, also kaum mehr 100 Kilometer von Dresden entfernt war und immer weiter vorstieß. Jedoch stellt das einseitige Gedenken der Bombenopfer eine Form des Geschichtsrevisionismus dar, da dieses ausblendet, dass der Zweite Weltkrieg durch das faschistische Deutschland begonnen wurde und der Bombardierung Dresdens die Luftangriffe der Wehrmacht auf Städte wie Coventry und Rotterdam vorausgingen. Ein solches Gedenken kann nur als perfider Versuch einer Täter-Opfer-Umkehr verstanden werden.

Wir haben uns auch dieses Jahr wieder der AfD und den Neonazis in den Weg gestellt und uns an den antifaschistischen Gegenaktivitäten beteiligt. Am 13. Februar hatte die AfD wieder zu einer Kranzniederlegung auf dem Altmarkt mobilisiert, an der sich etwa 150–200 Rechte, unter ihnen auch militante Neonazis, beteiligten. An der Gegenkundgebung nahmen etwa gleich viele AntifaschistInnen teil. Durch den lautstarken Protest gegen die AfD konnte die Vereinnahmung der Bombardierung der Stadt an diesem Abend zumindest akustisch teilweise erheblich gestört werden.

Am 15. Februar fand dann der alljährliche „Trauermarsch“ der FaschistInnen statt. Dieses Jahr hatte der NPD-Kreis- und stellvertretende Landesvorsitzende Maik Müller die Demonstration angemeldet, die 14 Uhr am Skatepark in der Nähe des Hauptbahnhofs beginnen sollte. Aufgrund des 75. „Jubiläums“ der Bombardierung Dresdens und des gesellschaftlichen Rechtsrucks, unter dem auch faschistische Kräfte wieder erstarken, wurden dieses Jahr bis zu 1.500 TeilnehmerInnen erwartet. Tatsächlich beteiligten sich allerdings „nur“ etwa 1.000 Menschen am Fackelmarsch der Neonazis, darunter wie in der Vergangenheit auch schon viele aus den umliegenden Nachbarländern. Erfreulich hingegen war dieses Jahr die Beteiligung an den antifaschistischen Gegendemonstrationen und Aktionen. Laut dem Bündnis „Dresden Nazifrei“ nahmen hieran sogar bis zu 5.000 Menschen teil. Dies stellt für sich bereits einen enormen Mobilisierungserfolg dar, wenn man bedenkt, dass sich im Vorjahr gerade mal 1.000 Menschen an der antifaschistischen Gegendemo beteiligten. Hierdurch und durch das entschlossene Handeln vieler AntifaschistInnen konnte der Naziaufmarsch mittels Blockaden erheblich gestört werden. Trotz der 1.500 PolizistInnen, die an dem Tag im Einsatz waren und auch nicht gerade zurückhaltend und zimperlich im Umgang mit den AntifaschistInnen vorgingen, gelang es der Polizei nicht, den „Trauermarsch“ wie geplant durchzusetzen. Das Ziel der Neonazis, durch die Innenstadt zu laufen, konnte erfolgreich verhindert werden. Stattdessen mussten die FaschistInnen eine alternative, weitaus kürzere Route vom Skatepark über die Wiener Straße, Strehlener Straße hin zur Hochschule für Technik und Wirtschaft ablaufen, wo dann der Aufmarsch bereits endete. An der Abschlusskundgebung gab es dann schließlich Protest in Hör- und Sichtweite, an dem sich rund um den Hauptbahnhof so viele Menschen beteiligten, dass die Nazis unter massivem Polizeischutz von der HTW zum Hauptbahnhof geführt werden mussten.

Wir bewerten vor allem die antifaschistischen Aktionen am 15. Februar als erfolgreich. Dass es gelang, derartig viele Menschen zu mobilisieren und in die Blockaden mit einzubinden, war alles andere als vorher absehbar. Dass die Blockaden trotz der 1.500 Cops, die an dem Tag im Einsatz waren, standhalten konnten und somit den Neonazis den Tag vermiesten, kann nur als positive Entwicklung gesehen werden. Wir werden die Ereignisse vom 13. und 15. Februar auf unserem Auswertungstreffen am 24.02. noch mal ausführlich analysieren. Jedoch lässt sich jetzt schon sagen, dass wohl vor allem die Ereignisse in Thüringen um die Wahl von Kemmerich zum Ministerpräsidenten von AfD Gnaden der Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch in Dresden in die Hände gespielt haben. Auch die Debatte über die unglückliche Entscheidung des #Unteilbar-Bündnisses, gleichzeitig am 15. Februar für eine bundesweite Großdemonstration in Erfurt wegen der Causa Kemmerich zu mobilisieren und der darauf folgende „Kompromiss“ des Bündnisses, sowohl zur Teilnahme an der Demo in Erfurt als auch zur Beteiligung an den antifaschistischen Gegenaktionen in Dresden aufzurufen, wird mit zum Mobilisierungserfolg beigetragen haben. Nicht zuletzt hat sich dieses Jahr ein neues Aktionsbündnis gegründet, um den faktischen Zusammenbruch des Bündnisses „Dresden Nazifrei“ abzufedern und die Mobilisierung und Organisation der Gegenproteste zu organisieren. Es ist nicht auszuschließen, dass sich dieser neue Zusammenschluss von vielen linken Gruppen ebenfalls positiv auf die Mobi ausgewirkt hat und ein weiterer Grund für die rege Teilnahme darstellt.

Leider kam es wieder einmal gleich zu mehreren Angriffen auf uns und Vorwürfen uns gegenüber durch die sogenannten „Antideutschen“ und jene Linken, die deren Argumente unreflektiert teilen. Bereits auf der Auftaktkundgebung „Nazis stören“ am Hauptbahnhof, wo auch wir uns versammelten, kam es noch vor Beginn der eigentlichen Demonstration zu einem Übergriff durch vermeintliche Antideutsche auf uns. Eine Gruppe aus drei Menschen versuchte, unser Transparent zu entwenden, und zerrte minutenlang daran, konnte ihr Ziel jedoch nicht erreichen. Daraufhin wurde über den Lauti durchgesagt, dass antisemitische Gruppen (gemeint waren unter anderem die MLPD und wir) auf der Demo nicht erwünscht seien. Für diese Durchsage ist vermutlich die Gruppe HOPE verantwortlich, die uns auch schon in der Vergangenheit regelmäßig als antisemitisch diffamierte. Eine Begründung für diesen haarsträubenden Vorwurf wurde natürlich nicht mitgeliefert. Als wir das Gespräch mit dem Anmelder der Demonstration suchten, wurde behauptet, dass der Antisemitismus sich in einer angeblichen Solidarität mit der Hamas zeigen würde. Auf den Hinweis, dass sogar in unserem Programm wortwörtlich steht, dass die Hamas eine theokratisch-fundamentalistische, antisemitische und sexistische, reaktionäre Kraft darstellt, die den gemeinsamen Kampf der unterdrückten PalästinenserInnen mit der israelischen ArbeiterInnenklasse blockiert, wurde nicht weiter eingegangen. Es zeigte sich jedoch, dass unsere konsequente Ablehnung des bürgerlichen Nationalismus und unsere sozialistische Perspektive, die wir im Nahostkonflikt aufwerfen, das eigentliche Problem für die Antideutschen war. Dies als Antisemitismus zu diffamieren, entbehrt jeglicher Grundlage und zeigt die Schwäche in der Analyse von vielen Linken auf. Erwähnenswert ist auch, dass auf der Demonstration nur antikapitalistische Gruppen offen angegriffen wurden, während bürgerliche Parteien wie die Grünen und die verbürgerlichte SPD, die mit ihrer Politik mitverantwortlich für den Rechtsruck, die rassistische Abschiebepraxis und Asylgesetzverschärfung sind, überhaupt nicht kritisiert wurden. Im Verlauf der Demonstration und Blockaden hatten wir dann immer wieder Probleme mit Antideutschen und anderen Verwirrten, die meinten, uns den Verkauf von Zeitungen und das Verteilen von Flyern verbieten zu müssen. In den darauf folgenden Diskussionen kamen die absurdesten Argumente zum Vorschein. Neben unseren Fahnen störten diese übereifrigen „Linken“ sich vor allem auch an einigen GenossInnen, die eine Kufiya (arabische Kopfbedeckung) trugen, und versuchten teilweise, diese herunterzureißen. Danach holten diese Antideutschen wieder den Anmelder, der versuchte, die Blockade an der Prager Straße als Versammlung anzumelden. Dieser wollte uns das Verteilen unserer Flyer verbieten und drohte sogar damit, uns durch die Polizei von der Blockade entfernen zu lassen, falls wir uns nicht daran halten.

Wir weisen den Vorwurf, dass wir eine antisemitische Organisation sind, entschieden zurück. Unsere Solidarität mit der palästinensischen Befreiungsbewegung und das Eintreten für einen gemeinsamen, säkularen und sozialistischen Staat, in dem kein Mensch mehr aufgrund seiner Herkunft oder religiösen Überzeugung unterdrückt wird, hat absolut gar nichts mit Antisemitismus zu tun. Ganz im Gegenteil: Als KommunistInnen sind wir die entschlossensten GegnerInnen des Antisemitismus, da wir diesen nicht nur täglich auf der Straße, in der Schule, Uni und im Betrieb bekämpfen, sondern auch dessen Wurzel, den Kapitalismus.

Wir halten den Versuch, den antifaschistischen Gegenprotest noch vor Beginn der eigentlichen Demo zu spalten und uns durch absurde Vorwürfe öffentlich zu diffamieren, für einen schwerwiegenden politischen Fehler. Im Kampf gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft und gegen faschistische Aufmärsche brauchen wir eine gemeinsame Aktionseinheit, wenn wir erfolgreich sein wollen. Eine Spaltung nützt letztlich nur den Rechten und dem/der KlassenfeindIn, aber sicher nicht der Entwicklung einer schlagkräftigen antifaschistischen Bewegung. Gerade vor dem Hintergrund der allgemeinen Schwäche der Linken hierzulande, aber auch aufgrund der stetig stärker werdenden Repression und Kriminalisierung von Linken durch den bürgerlichen Staat sollten wir enger zusammenrücken und uns trotz vorhandener Differenzen zumindest auf der Straße solidarisch zeigen. Vorhandene Kritik und Diskussionen um die richtigen Inhalte sollten nicht verschwiegen oder abgewürgt werden, sondern müssen und können auch öffentlich geäußert werden. Jedoch bringen uns unbegründete, an den Haaren herbeigezogene Vorwürfe, Verbote, als Organisationen offen aufzutreten und die eigenen Inhalte zu verbreiten und zu bewerben bis hin zu körperlichen Übergriffen und Auseinandersetzungen, keinen Schritt voran. Vielmehr sabotiert ein solcher „Stil“ lediglich die Handlungsfähigkeit unserer Bewegung. Stattdessen müssen wir für eine bedingungslose Kritik- und Propagandafreiheit in der Aktionseinheit eintreten und uns kritisch-solidarisch miteinander über die richtigen Inhalte streiten. Falsche Positionen innerhalb der hiesigen Linken werden nicht durch Verbote und physische Übergriffe überwunden, sondern durch den Austausch von Argumenten. Wir waren bisher immer zu Diskussionen bereit und sind es auch nach wie vor, um die falschen Vorwürfe und vorhandene Vorurteile uns gegenüber aus der Welt zu schaffen. Dass wieder einmal nicht der solidarische Streit, sondern technische Angriffe uns gegenüber bevorzugt werden, können wir nur als Fehlen von vernünftigen Argumenten bewerten. Daher sind wir uns nach wie vor sicher, dass unsere sozialistischen Positionen richtig sind und dass nicht wir das Problem innerhalb der Dresdner Linken darstellen.

Am kommenden Montag ist Höcke bei Pegida als Gastredner angekündigt. Beim Gegenprotest wird sich zeigen, ob die Linke hier lernfähig ist oder aber ihren falschen Stil beibehält. Wenn sich am sektiererischen Verhalten von einigen „linken“ AktivistInnen nichts ändert, braucht sich auch keiner zu wundern, warum Pegida auch nach über 5 Jahren noch läuft und weiterhin regelmäßig 1.500 Rechte mobilisiert, während der Gegenprotest stets bei unter 50 TeilnehmerInnen stagniert.

Am 24.02. führen wir ein offenes Nachbereitungstreffen durch. Kommt vorbei, diskutiert mit uns über die Aktionen und darüber, wie wir die Bewegung weiter aufbauen können und welche Inhalte wir hierfür brauchen! Werdet auch über die bisherigen Aktionen hinaus aktiv und organisiert euch revolutionär!




Wie der Verfassungsschutz Einfluss auf unsere Bildung nehmen will

Im November 2019 veröffentlichte das hessische
Innenministerium eine neue Kampagne zur „Prävention gegen Linksextremismus“
namens „aufgeklärt statt autonom“. Im Zuge dessen wurden an alle hessischen
Schulen, die eine 9. und 10. Klasse haben, eine Reihe von Plakaten und
dazugehörigen Unterrichtsmaterialien geschickt. Wir haben uns das sogenannte
Bildungsmaterial mal genauer angeschaut, damit ihr das nicht machen müsst.

Auf den ersten Blick fällt schon einmal auf, dass auf jedem
Plakat kleine Bombensymbole verteilt sind. Text gibt es zwar nicht viel, aber eine
Bild von einer Bombe mit Zündschnur reicht eigentlich schon aus, um zu
erkennen, was das Innenministerium hier ausdrücken wollte. Auf den in
apokalyptischen Farben gestalteten Plakaten sind auch ab und zu reale Menschen
abgebildet, die zeigen, wie sich das Innenministerium seine „Linksextremisten“
vorstellt (oder gerne hätte): grimmig schauend, vermummt und mit
Molotowcocktail in der Hand. Neben viel dramatischer Symbolpolitik gibt es auf
einigen Plakaten sogar ein bisschen Schrift. An diesen Stellen wird es
allerdings noch finsterer: So wird zum Beispiel eine Statistik angeführt, auf
der die „Linksextremisten“ mit „Rechtsextremisten“ und „“Islamisten/Salafisten“
vergleichen werden. Natürlich kommt das Plakat zu dem Schluss, dass
„Linksextremisten“ die größte Gefahr für die Demokratie darstellen. Als Grund
dafür wird ihre zahlenmäßige Überlegenheit gegenüber den anderen
Extremistengruppen angeführt. Die Plakate konstruieren hier also drei
verschiedene, gewaltbereite, gefährliche Horden, von denen die
„Linksextremisten“ die schlimmsten seien. Das ist eine dreiste Verhöhnung der
seit 1990 in Deutschland ermordeten 200 Todesopfer rechter Gewalt

Hier liegt eigentlich die Kernaussage der Plakate: Links-
und Rechtsextremismus sollen miteinander gleichgesetzt, wenn nicht sogar die
Gefahren rechter Ideologie und Gewalt relativiert werden. Für das hessische
Innenministerium scheint es also keinen Unterschied zu machen, ob Menschen vor
einer Geflüchtetenunterkunft stehen, um diese abzubrennen oder ob sie davor
stehen, um die darin eingesperrten Menschen zu beschützen. Diesem
Extremismusbegriff liegt die sogenannte „Hufeisen-Theorie“ zugrunde. Sie geht davon
aus, dass es eine gute demokratische Mitte gebe, die von rechts und links durch
extremistische Ränder bekämpft wird. Damit wird nicht nur rechte Gewalt durch
die Gleichsetzung relativiert sondern auch suggeriert, dass es soetwas wie eine
„demokratische Mitte“ gäbe. Wenn wir uns allerdings mal anschauen, wie die
„Parteien der Mitte“ gerade Demokratieabbau vom Feinsten betreiben und wie sehr
rassistische und antisemitische Einstellungen in dieser sogenannten Mitte in
den letzten Jahren gewachsen sind, gerät dieses Bild schnell ins Wanken.
Zugrunde liegt diesem Extremismusbegriff die „freiheitlich-demokratische
Grundordnung“ (FDGO). Diese gilt als Synonym für Demokratie. Komisch nur, dass
der Begriff in der Verfassung gar nicht näher definiert ist. Definiert wurde er
erst in Gerichtsverfahren zu Parteiverboten in den fünfziger Jahren. Zur FDGO
wurden 8 Prinzipien erklärt, die angeblich das „Wesen der Demokratie“
beschreiben. Auffällig ist dabei, dass die Menschenrechte zum Beispiel nur sehr
vage erwähnt werden und sich die Prinzipien hauptsächlich auf Institutionen und
den Aufbau des Staates beziehen. Demokratie als eine Lebensweise sowie als
sozialer und politischer Kampf, der oftmals auch gegen den Staat stattfinden
musste und muss taucht hier nicht auf. Die „Hufeisen-Theorie“ und der mit ihr
einhergehende Extremismusbegriff wurden bereits in zahllosen Publikationen
wissenschaftlich eindeutig widerlegt und stellen nichts anderes als Kampfmittel
gegen Linke und die Arbeiter_innenbewegung dar.

Einer sozialistischen Gesellschaft wird auf den Plakaten
jegliche Vielfalt und Demokratie aberkannt. Freiheit, Antirassismus,
Umweltschutz, Gleichheit, Antisexismus und Solidarität werden als Beweggründe
für Menschen, die für Sozialismus kämpfen, mit den rassistischen Vernichtungsfantasien
von Nazigruppen gleichgesetzt. Auf dem Plakat zum Thema Antifaschismus wird
„Linksextremisten“ dagegen vorgeworfen, dass sie einen Zusammenhang zwischen
Faschismus und Kapitalismus herstellen würden. Abgesehen davon, dass dieser
Zusammenhang selbst für die CDU nicht von der Hand zu weisen ist, wird mit
seiner Leugnung auch die Unterstützung von Hitler durch das deutsche
Großkapital und dessen direkte Beteiligung am Holocaust verschwiegen. Auf einem
anderen Plakat wird den „Linksextremisten“ kurz zugestanden, dass es zwischen
Anarchismus und Maoismus schon gewisse Unterschiede gibt. Gleichzeitig wird
aber wieder betont, dass alle „Linksextremisten“ nur dasselbe Ziel haben: Die
gewaltsame Abschaffung der Demokratie, Massenmord und Staatsterror. Als Beweis
werden dafür ganz im Kalter-Krieg-Style die DDR oder die Volksrepublik China
angeführt, deren stalinistische Bürokratenherrschaft als Sinnbild des
Sozialismus herhalten muss. Zu jedem Plakat gibt es dann noch Arbeitsblätter,
in denen die Schüler_innen jedoch nicht nach ihrer Meinung gefragt werden,
sondern nur überprüft wird, ob sie die ideologischen Botschaften der Plakate
auch richtig verstanden haben.

Die Materialien des hessischen Innenministeriums stellen
einen klaren Verstoß gegen das Kontroversitätsprinzip des Beutelsbacher Konsens
dar. Ihr einziger Zweck ist es, Linke zu diskreditieren und zu kriminalisieren.
Offensichtlich ist auch die Handschrift des Verfassungsschutzes, die in den
Plakattexten auftaucht. Teilweise werden sogar genau dieselben Formulierungen
wie im Verfassungsschutzbericht verwendet. So beschreibt die Gewerkschaft GEW
die Plakatserie in einem wissenschaftlichen Gutachten auch als „didaktisierter
und illustrierter Verfassungsschnutzbereicht“ (vgl. GEW: Gutachten zur
Plakatserie „autonom statt aufgelärt“. Frankfurt 2020. URL:
https://www.gew-hessen.de/fileadmin/user_upload/bildung/themen/pol_bildung/200204_gutachten_aufgeklaert_statt_autonom_web.pdf).
Dort wird ebenfalls dazu geraten, die Unterrichtsmaterialien „unverzüglich aus
den Schulen zu entfernen“. Ferner warnt die GEW-Hessen davor, dass der
Verfassungsschutz immer häufiger als vermeintlich neutraler Akteur an Schulen
und auf Bildungsveranstaltungen auftritt. Neben Polizei und Bundeswehr will nun
also auch der Verfassungsschutz im Bildungswesen mitmischen. Dagegen müssen wir
uns wehren! Der Verfassungsschutz ist eine Institution mit großen
Machtbefugnissen, die sich jedweder demokratischer Kontrolle entzieht.
Insbesondere in Hessen war der Verfassungsschutz tief in die rassistische
Mordserie des NSU verstrickt. Es sagt schon sehr viel, über die politische
Ausrichtung des hessischen Innenministeriums, wenn es kurz nach dem von
Faschisten verübten Mord am hessischen Regionalpolitiker Walter Lübke erst
einmal „Bildungsmaterialien“ zur Prävention von „Linksextremismus“ in Auftrag
gibt. Linke Tendenzen bei Schüler_innen, verursacht durch Desillusionierung oder
Jugendbewegungen wie Fridays for Future scheinen die größere Gefahr für das
System darzustellen als rechte Mordanschläge.

Vom Innenministerium mit der Materialerstellung beauftragt
wurde die Arbeitsgemeinschaft „Jugend und Bildung e.V.“. Diese gehört zur „Eduversum
GmbH“, welche wiederum aus dem FDP-nahen „Universum-Verlag“ stammt. Dieser ist
bereits bekannt dafür Schulen, Lehrkräfte und Schüler_innen mit kostenlosen
Unterrichtsmaterialien vollzuspamen, die voll von neoliberalen und
unternehmensfreundlichen Positionen sind. Immer häufiger erstellen nicht nur
staatliche Repressionsbehörden sondern auch Unternehmen eigene
„Bildungsmaterialien“. So gibt es beispielsweise auch Arbeitsblätter der
Autofirma BMW, die Grundschüler dazu auffordert, kleine BMWs zu zeichnen. Hier
spielt nicht nur Marketing sondern auch Ideologie eine Rolle. Lehrer_innen
greifen leider angesichts Zeitmangels, wachsender Aufgaben und mangelhafter
Ausbildung immer häufiger auf die kostenlosen Angebote der Bourgeoisie zurück. Letztlich
verfolgt Schule im Kapitalismus ohnehin den Zweck Schüler_innen zu
funktionstüchtigen Mitgliedern der kapitalistischen Verwertungsgesellschaft zu
erziehen. Dennoch sollten wir uns gegen die Eingriffe von Verfassungsschutz,
Bundeswehr und Unternehmen in unsere Schulen wehren! Solche Plakate und
Arbeitsblätter gehören in den Müll und die Diskussion darüber in den Unterricht.
Unser Widerstand kann so auch zum Ausgangspunkt für eine neue Schule in einer
neuen Gesellschaft sein. Als sogenannte „Linksextremisten“ sind wir schließlich
keine Gefahr für die Demokratie, sondern die Bewegung für umfassende,
gesamtgesellschaftliche Demokratisierung. Eine Gefahr sind wir i lediglich für
ein Wirtschaftssystem- und Nationalstaatssystem, das sich uns dabei in den Weg
stellt!