Griechenland: Bedingungsloser Widerstand – die einzige Antwort auf bedingungslose Kapitulation!

Nach 17-stündiger Sitzung in Brüssel haben Deutschlands „eiserne Kanzlerin“, Angela Merkel, und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble schließlich die vollständige Kapitulation von Alexis Tsipras akzeptiert.

Schon haben Demonstrationen in Athen stattgefunden, die ein deutliches OXI (NEIN) zu diesem unterwürfigen Ausverkauf artikulierten. Die einzige Hoffnung, um eine noch schlimmere soziale Katastrophe zu vermeiden, liegt darin, dass daraus eine Massenrevolte entsteht, die die seitens der Syriza-FührerInnen gesäte Verwirrung und Entmutigung überwindet und die Umsetzung dieser brutalen Angriffe auf ArbeiterInnen, RentnerInnen, Arbeitslose und Jugendliche verhindert.

Die Speerspitze einer solchen Revolte müssen Lohnabhängige und Jugendliche bilden. Die Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes, ADEDY, hat für Mittwoch zum Generalstreik im Öffentlichen Dienst aufgerufen. Können die Basismitglieder des Dachverbands der größten Gewerkschaft (GSEE) mit ihren SpitzenfunktionärInnen brechen, die nicht nur Tsipras’ Ausverkauf unterstützten, sondern ihn sogar anflehten, die Bedingungen der Troika anzunehmen, bevor er nach Brüssel abflog? Wird PAME, die kämpferische Gewerkschaft der Griechischen Kommunistischen Partei (KKE), zusammen mit anderen GewerkschafterInnen streiken im Aufbegehren gegen den großen Betrug?

Die Kräfte der – subjektiv – revolutionären Linken sowohl innerhalb Syrizas, deren Parlamentsabgeordnete mit „Nein“ gestimmt haben, wie außerhalb, in Antarsya, können und müssen jetzt eine entscheidende Rolle spielen. Das trifft auch auf die KKE zu, falls sie ihre sektiererische Politik überwinden kann.

Die trügerischen Reden Merkels und Hollandes in Brüssel mit ihren Behauptungen, drei weitere Jahre an Sparauflagen, massive Privatisierungen staatlicher Dienstleistungen und Industrien sowie die Beseitigung von Gewerkschaftsbefugnissen würden die griechische Wirtschaft wieder flott machen, werden bald entlarvt sein, wenn das Land tiefer denn je im Sumpf versinkt. Wenn es keine machtvolle Gegenwehr geben wird, können wir erwarten, dass die Truppen der Rechten, einschließlich der Faschisten, in einer Atmosphäre der Verzweiflung aufleben und gedeihen werden. Es gilt, keine Zeit zu verlieren.

Die Wiederkehr der Troika

Als Tsipras im Januar gewählt worden war, teilte er den RepräsentantInnen der Europäischen Zentralbank (EZB), der EU-Kommission und des IWF – der Troika – mit, sie sollten ihre Sachen packen, und viele frohlockten. Die Rückkehr der Troika nach Athen, wieder einmal für die griechische Wirtschaft zuständig, stellt nicht nur eine absichtliche Erniedrigung der Syriza-Regierung dar, sie trampelt vorsätzlich auf dem Mehrheitswillen des griechischen Volkes herum. Sie ist darüberhinaus eine Warnung an alle zukünftigen HerausforderInnen der Oberherrschaft Deutschlands und seiner engsten Verbündeten über die Eurozone.

Das enthüllt die Tatsache, dass die wirkliche Macht nicht in der parlamentarischen Demokratie liegt, sondern bei der Diktatur der Großbanken und –kapitalistInnen Londons, Frankfurts, Paris’ und Zürichs. Griechenland wird nicht nur alle Maßregeln, die von der Volksabstimmung Anfang Juli zurückgewiesen wurden, und zusätzliche Kürzungen befolgen müssen, sondern Vermögenswerte in Höhe von 50 Mrd. Euro werden in Gewahrsam genommen. Die Hälfte davon wird zur Rekapitalisierung und nachfolgenden Privatisierung der griechischen Banken verwandt werden, ein kleinerer Teil für mutmaßliche Investitionen innerhalb Griechenlands; der Rest wird als Deckung, zusätzliche Sicherheit für vollständige und pünktliche Erfüllung des weiteren Schuldendienstes vorgehalten. In Wahrheit bedeutet es einen wahrhaft blitzartigen Ausverkauf griechischer Vermögenswerte, See- und Flughäfen sowie von Grund und Boden.

Die Wirtschaft wird „liberalisiert“, Renten werden gekürzt, Hilfszahlungen abgeschafft, Berufsschutz wird aufgeweicht. Automatisch werden Ausgaben gestrichen, die Häfen von Piräus und Thessaloniki privatisiert. Die Troika wird ein Veto über zuvor erlassene Gesetze und Verordnungen erhalten, wieder in Kraft gesetzte gewerkschaftliche Rechte werden annulliert. Dies ist eine vollständige Zurückweisung des beschränkten Programms, auf dem Syriza gewählt wurde.

Dieses Ergebnis stellte von Beginn an das Ziel des deutsch angeführten europäischen Imperialismus’ dar. Es machte überhaupt keinen Sinn, mit ihm aus der Position völliger Schwäche heraus zu verhandeln, während die Reichen Woche um Woche Milliarden Euro außer Landes schafften. Ohne die Übernahme der Kontrolle von Griechenlands ökonomische Ressourcen, ohne aufzuhören, einen einzigen Euro an ausländische Banken und die Institutionen des Finanzkapitals zu zahlen und ohne die Vermögen der griechischen Oligarchen einzufieren, verfügte die Regierung über keine Machtmittel.

Illusionen und Verrat des Reformismus

Am 5. Juli errang Syriza 61 % für ein Mandat, das Sparpaket abzulehnen – und bot ein schlechteres Abkommen als das abgelehnte an. Das war ein klares Signal, dass Syriza reif für ein Abkommen zu jedem Preis war. Tsipras offenbarte, welches seiner zwei Politikversprechen, Schluss mit der Kürzungsorgie und Verbleib innerhalb des Euro, das echte war und welches eine listige Täuschung. Die ImperialistInnen behielten alle Asse in der Hand und wussten das. Deutschland musste lediglich die Daumenschrauben anziehen und Tsipras mit Schäubles Drohungen, Griechenland aus der Eurozone zu entfernen und kaum einen Euro behalten zu lassen, Angst einflößen.

Der „Plan B“ des Akademikers und Abgeordneten der Linken Plattform, Costas Lapavitsas; war um nichts besser. Tatsächlich war er eine Utopie: der „ausgehandelte“ Austritt aus dem Euro gründete auf der Annahme, Deutschland wolle Griechenland aus der Währungszone herauswerfen und dafür bezahlen. Das kam dem Angebot gleich, friedlich auszuscheiden im Gegenzug für einen goldenen Händedruck Schäubles. Natürlich stand das nie zur Wahl. Wie Tsipras’ Plan A verwarf Plan B auch nur den Gedanken an eine Mobilisierung der LohnarbeiterInnen in Verteidigung ihrer eigenen Interessen zugunsten von Kungeleien.

Ebenfalls ging Tsipras’ Strategie niemals auf, zwischen die Herrschenden der EU einen Keil treiben zu können und die Unterstützung eines Teiles von ihnen für keynesianische Maßnahmen zu gewinnen, um die krisenverschärfenden Sparprogramme zu ersetzen. Regierungen von Staaten wie Spanien, Portugal, Irland, Italien wollten Syrizas Strategie, ein Ende der Kürzungspolitik auszuhandeln, nicht unterstützen, nachdem sie jahrelang in ihren eigenen Ländern solche schmerzhaften Einschnitte umgesetzt hatten.

Wenn Syriza jemals damit rechnete, Frankreich und Italien würden sich gegen den deutschen Imperialismus stellen und Griechenland ein besseres Angebot machen, dann ist diese Illusion fürchterlich zerstoben. François Hollande führte eine Komödie auf, Schäuble zu überreden, Griechenland nicht aus der Eurozone herauszukatapultieren, während er die GriechInnen zum Nachgeben drängte. Innerhalb der Eurozone kann kein anderes Land Deutschland finanziell und ökonomisch herausfordern, wenn es drauf ankommt.

Angesichts dieser Unnachgiebigkeit weigerte sich Syriza, das Einzige zu unternehmen, welches das Aufzäumen des Sparzügels hätte aufhalten können: Nichtanerkennung der Staatsschuld, Übernahme der Kontrolle über Bankensystem und Produktionsmittel, Mobilisierungsaufruf an die europäische ArbeiterInnenklasse zu ihrer Verteidigung gegen Gewalt und Erpressung durch ihre Regierungen.

Doch hier ließ ein anderer Faktor die griechische arbeitende Bevölkerung schmählich im Stich: die europäische ArbeiterInnenbewegung. Gewerkschaften und sozialdemokratische Parteien tragen eine schwere Verantwortung, Griechenland, nicht zu Hilfe  geeilt zu sein. Die deutschen SozialdemokratInnen, die mit Merkel und Schäuble das Regierungsamt teilen, unterscheiden sich außer in ein paar Worten in Nichts von diesen imperialistischen RäuberInnen. Die SozialdemokratInnen im restlichen Europa unterstützten ihre Regierungen und Austeritätsprogramme und boten nichts außer Rhetorik zu Syrizas Hilfe an.

Was ist mit den europäischen Linksparteien? Wo war Podemos, das spanische „Syriza“? Obwohl es Mahnwachen und Demonstrationen gab, war es doch kein Vergleich mit den Massendemonstrationen vom letzten Jahr. Das ist ein Eigentor, wenn du wie Podemos im November eine Wahl auf Grundlage einer Politik gewinnen willst, die die Kürzungspakete ablehnt. Die unkritische Schmeichelei gegenüber Syriza, die so verbreitet in der Linken seit ungefähr letztem Jahr ist, brachte Lähmung mit sich, als eine entscheidende Niederlage für die ArbeiterInnen auf dem ganzen Kontinent in Brüssel drohte. Ohne radikale Erhebung in Griechenland und eine Welle an Solidaritätsaktionen im Rest Europas werden wir alle einen hohen Preis für unsere Untätigkeit zahlen.

Der Grad an Bestrafung Griechenlands durch den europäischen Imperialismus für dessen trotzige Herausforderung wurde ermöglicht durch die Passivität der Spitzen der europäischen ArbeiterInnenbewegung. Diese führenden FunktionärInnen, zu ängstlich, ihren eigenen Sparregimes ernsthaft entgegenzutreten, haben ihrem Konto an Feigheit und Verrat im kritischen Moment einen neuen Schandfleck hinzugefügt.

Die Lehren aus dem Verrat

Die Institutionen der EU und die Eurozone beziehen ihre Daseinsberechtigung aus der Durchsetzung der Dominanz einer Handvoll imperialistischer Mächte, deren stärkste in Bezug auf die Wirtschaftspolitik der EU Deutschland ist. Die Europäische Union, die Europäische Zentralbank, die Europäische Kommission usw. können nicht reformiert werden, sondern müssen europaweit entschlossen bekämpft werden mit dem Ziel,
sie zu Fall zu bringen und durch die Herrschaft der ArbeiterInnenklasse zu ersetzen.

Wesen und Ausmaß des Kampfes ist klar: keine reformistische oder keynesianistische Strategie führt zum Ziel, und keine Sektion des europäischen Kapitals hat sich von der neoliberalen Linie abbringen lassen. Ein Ende der Austerität auf absehbare Zeit heißt Sturz der kapitalistischen Klassendiktatur, die Griechenland pulverisiert hat. Das Haupthindernis für den Kampf ist die Führung der Klasse, die die Klassenkonfrontation vermeiden und sich an die „Realitäten“ des Neoliberalismus anpassen will.

Die europäischen linken Parteien und die Führung der Arbeiterbewegung sind nicht geeignet für diesen Zweck. Sie sind nicht nur unfähig, einen tragfähigen Widerstand in ihren eigenen Ländern zu mobilisieren, sie scheuen auch davor zurück, eine elementare europaweite Solidarität mit der Bevölkerung zu organisieren, der von der rücksichtslosen Kapitalistenklasse das Messer an die Kehle gesetzt wird und der klar gemacht werden soll, dass Widerstand zwecklos sei.

Europa – was tun?

Wir müssen ArbeiterInnenparteien aufbauen, die willens und imstande sind, einen Klassenkampf gegen Austerität zu führen, eine internationale Partei, die auf der Strategie des revolutionären Sturzes des Kapitalismus beruht.

Das Modell einer Linkspartei, die vorgibt, die Austerität nur durch die Übernahme von Posten bei Wahlen zu besiegen, vielleicht mit der Unterstützung von sozialen Bewegungen, nicht aber auf dem harten Weg des Klassenkampfes und der Machteroberung ist in Griechenland auf den Prüfstand gestellt worden und verheerend gescheitert.

Die Mehrheit der Linken in Syriza, nach den Stimmen im Parlament zu urteilen, war für eine unnachgiebigere Haltung, schreckte aber vor der Spaltung zurück und vor der Mobilisierung gegen den Ausverkauf. Das ist die historische Rolle des Linksreformismus, und jene ZentristInnen, die dem anhängen, reden zwar von Revolution, aber wenn es darauf ankommt, handeln sie wie ReformistInnen.

Mittlerweile ist es in Griechenland klar geworden, dass Tsipras eine Regierung der nationalen Einheit bilden will – jedenfalls in der Praxis, wenn auch nicht unbedingt unter diesem Namen. Dabei wird er sich auf die diskreditierten und eigentlich besiegten bürgerlichen Oppositionsparteien verlassen, die auf die Austerität eingeschworen sind. Gegen die Gefahr, das wirtschaftliche und politische System des Landes der direkten Verwaltung der Troika und den Pro-Austeritäts-Parteien auszuliefern, müssen sich die ArbeiterInnen, Arbeitslosen und die Jugend organisieren und das Land unregierbar machen für die Troika und ihre Gehilfen.

Dennoch können auch die Linken in Syriza, die es wagten, gegen den Verrat zu stimmen, sich einbringen, indem sie die Kräfte des Widerstands vereinigen helfen. Sie sollten alles daran setzen, die Basis von Syriza gegen die kollaborationistische Führung aufzubringen. Sie sollten alle Parteigliederungen aufrufen, die Kapitulanten zu verurteilen, eine Notkonferenz einberufen, die Führung davonjagen und gegen den Ausverkauf auf die Straße zu gehen.

Falls jedoch, wie gerüchteweise verlautet, Tsipras die Partei von den Linken säubern will, sollten sie alles tun, um sich mit der Linken außerhalb der Partei, besonders jener in Antarsya, zu vereinigen. Die erste Grundlage für die Vereinigung in einer neuen ArbeiterInnenpartei sollte ein Aktionsprogramm des Widerstands gegen die Troika und deren Regierung bilden. Darin enthalten sollten folgende Forderungen sein:

• Besetzung die Häfen und Flughäfen, Transportwege und Großindustrien unter ArbeiterInnenkontrolle!

• Organisierung von Aktionsräten, bestehend aus Delegierten von ArbeiterInnen und Jugend, um sich auf die Verteidigung gegen die konterrevolutionäre Reaktion vorzubereiten!

• Für einen allgemeinen, unbefristeten Generalstreik, um die Troika-Regierung zu stürzen und eine ArbeiterInnenregierung an die Macht zu bringen!

• Aufruf an alle sozialistischen und proletarischen Anti-Austeritäts-Kräfte, eine neue revolutionäre Kampfpartei des Widerstands gegen die kapitalistische Offensive aufzubauen!

• Internationale Solidarität und ArbeiterInnenmobilisierung in den imperialistischen Kernländern, um die Troika zu zwingen, von ihren Plänen abzulassen!

• Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa, um die kapitalistische Europäische Union zu ersetzen!

Eine Stellungnahme der Liga für die Fünfte Internationale, 14. Juli 2015




To the struggling Youth of Greece

We young students, workers and unemployed from all over Europe, but especially from Germany, declare our deepest sympathies and solidarity to you, the struggling youth of Greece.

We know how you have suffered under the crisis of the past years. And we know who’s fault this is.
It’s the fault of the Greek capitalists, but even more the big European imperialist powers with Germany at its heart who sent the Troika to Greece to impose cuts and attacks on the Greek working class and the youth of Greece.

In the past weeks we could see how the Troika tried to impose even bigger attacks. In the past weeks we saw how Merkel, Schaeuble and Co. tried to ashame the Greek people and take their dignity. They linked this to an outrageous hate campaign against the Greek workers and youth, they tried to let you feel isolated within Europe.

We want to let you know: You are not alone. We despise the German government, the EU bureaucrats and the banks and companies behind them as much as you do. We know as much as you do that it’s their fault we are in a deep crisis.

Now they want to divide us to let you suffer first and then go on to let us suffer all over Europe.
But we say „OXI“. We say „NEIN“. We say „NO“.

For millions of workers and youth all over Europe you are an inspiration. There are many German youth and young workers who don’t believe the lies of the media and politicians. Still, the long tradition of revolutionary thought is weak after decades of co-management and the rotten compromises of social democratic leadership. But there are a growing number of youth in Germany who recognize: „The main enemy is at home“.

We hereby declare to fight against this enemy, German imperialism and the capitalist rulers all over Europe, to help you breathe and fight against the capitalists in Greece more confident.

We want to encourage you to let them know on Saturday that Greece says „OXI“. OXI to the memoranda and OXI to the Europe of capitalist crisis.

We don’t want the rulers to kick you „out of Europe“. Instead we want to kick them out together. Don’t let us fight for national solutions. Let us coordinate, organise together for a struggle for the United socialist states of Europe. May the first flame of Revolution start from the rising fists of the Greek Youth!

REVOLUTION – international communist youth organization




OXI, NEIN, NO – Gegen Spardiktat und Kapital!

Für einen europaweiten Kampf, für die vereinigten sozialitischen Staaten von Europa

Am vergangenen Freitag platzten die Verhandlungen zwischen der griechischen Regierung und der Troika aus internationalem Währungsfond, Europäischer Union und der europäischen Zentralbank. Letztere versuchten Griechenland weitere Spardiktate aufzuzwingen, um im Gegenzug weitere Kredite auszuzahlen, mit deren Hilfe in den vergangenen drei Jahren Milliarden Euros an Schulden, insbesondere bei deutschen und französischen Banken, auf die Schultern der europäischen ArbeiterInnenklasse abgewälzt wurden. Die SYRIZA geführte Volksfrontregierung mit Beteiligung der rechtsnationalistischen ANEL versuchte einen Kompomiss mit der Troika zu verhandeln.

Doch die aktuelle Situation, die Tiefe der Krise haben deutlich gemacht, dass „ehrenwerte“ Kompromisse mit den KapitalistInnen, insbesondere in Griechenland, nicht mehr möglich sind. In Griechenland ist heute ganz praktisch die Frage von „Sozialismus oder Barbarei“ gestellt. Dass sieht jede/r der/die durch die Straßen Athens dieser Tage geht, wo Armut und Verelendung grassieren.

Das ist der tiefere Grund warum die Verhandlungen scheiterten. Darüber hinaus geht es der Troika darum ein Exempel zu statuieren. Selbst der begrenzte Protest seitens SYRIZA geht ihr zu weit. Es soll klar gezeigt werden, dass wer sich zur Wehr setzt, kein Gnade zu erwarten hat. Jede Hoffnung auf Alternativen und Veränderungen, und seien auch von refomistischen Illusionen behaftet, soll in Griechenland stellvertretend für ganz Europa im Keim erstickt werden.

Deshalb sieht sich die griechiche ArbeiterInnenklasse einer riesigen Hetzkampagne gegenüber. Die herrschende Klasse Europas will sie isolieren, die aktuelle Regierung von rechts stürzen und ihr – und damit der gesamten europäischen ArbeiterInnenbewegung – eine verheerende Niederlage beifügen.

Gleichzeitig organisiert die Regierung in Griechenland eine Volksabstimmung über die Spardiktate für Samstag. Gleichzeitig steigen die Mobilisierungen in Griechenland erneut an, sowohl seitens der rechten Opposition, als auch seitens der ArbeiterInnenbewegung.

Deswegen ist es gerade für uns als ArbeiterInnen und Jugendliche in Deutschland, dem Land dessen Kapital und seine Regierung ganz Europ zu erwürgen drohen, das Gebot der Stunde in Solidarität mit der griechischen ArbeiterInnenbewegung auf die Straße zu gehen. In den aktuellen Streiks, den aktuellen politischen Auseinandersetzungen gegen Rassismus oder bei den Protesen gegen den G7 Gipfel in Garmisch können wir sehen, dass was die KapitalistInnen in Griechenland durchsetzen wollen, auch gegen uns durchgesetzt werden soll.

Wir rufen daher alle linken ArbeiterInnen- und Jugendorganisationen, die Gewerkschaften und die LINKE dazu auf gemeinsam am Freitag mit uns bundesweit Demonstrationen und Kundgebungen in Deutschland zu organisieren. Wir müssen ein klares „OXI“, ein klares „NEIN“ der deutschen Regierung entgegenrufen. Ein Nein zu den Spardiktaten. Ein Nein zu dem Versuch die kapitalistische Krise auf uns abzuwälzen. Ein Nein zu dem Versuch die europäische ArbeiterInnenklasse zu spalten, um die griechische Bevölkerung zu ermuntern am Samstag mit Nein gegen weitere Sparmaßnahmen zu stimmen.

Was wir brauchen ist ein deutschlandweiter Aufbau von Solidaritätskomitees mit Griechenland und Komitees gegen die Krise. Was wir brauchen ist auch europaweit koordinierter Widerstand, an dem sich nicht nur kleinere linke Organisationen, sondern alle ArbeiterInnenparteien und Gewerkschaften Europas konsequent beteiligen.

In diesen Widerstand wollen wir folgende Forderungen tragen:

– Für die komplette Streichung der Schulden. Die Banken und Konzern sollen die Krise bezahlen, nicht die ArbeiterInnen in Griechenland und Europa.
– Für die entschädigungslose Enteignung der Banken und ihre Zusammenführung zu Staatsbanken unter ArbeiterInnenkontrolle.
– Für die Enteignung aller Konzerne, die Entlassungen oder Schließungen androhen unter ArbeiterInnenkontrolle.
– Für massive Pogramme öffentlicher Arbeiten in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur, bezahlt durch die massive Besteuerung der Reichen und unter Kontrolle der ArbeiterInnen, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und den ökonomischen Zerfall zu verhindern.
– Für den Bruch von ArbeiterInnenparteien wie SYRIZA mit ihren bürgerlichen Koalitionspartnern und die Errichtung von Arbeiterregierungen, die sich auf die Mobilisierungen und Organe ihrer Klasse stützen.
– Nein zum Europa des Kapitals, Nein zu nationalistischer Spaltung und Hetze, für die vereinigten sozialistischen Staaten von Europa!

Ein Aufruf von REVOLUTION Germany




Der Streik: Ein politisches Mittel?

Wir erleben in Deutschland gerade eine der größten und breitesten Streikwellen seit langem. Die wohl bekanntesten Streiks fanden bei der Deutschen Bahn statt, durchgeführt von der Gewerkschaft deutscher Lokführer (GdL) statt, außerdem wurde auch in Kindertagesstätten, in Vertriebszentren des Konzerns Amazon und zuletzt bei der Deutschen Post die Arbeit niedergelegt.

International sieht es ähnlich aus: ob in Griechenland mit dem letzten Generalstreik gegen Ende 2014, den Streiks der Fluglotsen in Italien, bei den Aktionen der McDonald´s-Beschäftigten in den USA, den besonders kämpferischen Demonstrationen der streikenden Eisenbahner_innen und Hafenarbeiter_innen Anfang 2015 in Belgien oder bei den unzähligen Streiks der Arbeiter_innen in China; überall auf der Welt entscheiden sich Lohnabhängige für das Kampfmittel des Streiks. Und dafür gibt es gute Gründe.

Warum streiken?

Während auf der einen Seite deutsche Unternehmen neue Rekordgewinne einfahren und Deutschland in den bürgerlichen Medien wieder als „Exportweltmeister“ abgefeiert wird, haben immer mehr Menschen mit Armut zu kämpfen. Denn damit die Kapitalist_innen ihre Profite bekommen können, muss bei den Arbeiter_innen gekürzt werden. Die Höhe der tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit stieg in den vergangenen Jahren, die reale Lohnentwicklung sank in den letzten 10 Jahren um 3,3%. Außerdem wird die zu leistende Arbeit immer anstrengender. Gerade in den Niedriglohnbereichen, bei denen Spätschichten und kurze Pausenzeiten bei teilweise Knochenarbeit dazugehören, führt dies zu einer ansteigenden Belastung für die Arbeiter_innen. Mittlerweile gehören etwa ein Viertel der Beschäftigten in Deutschland zum Niedriglohnbereich. Es gibt also viele Menschen die mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden sind – Tendenz steigend.

Der Streik ist in dieser Situation eines der besten Mittel, um den Kapitalist_innen etwas entgegenzusetzen. Mit einem Streik lassen sich die Interessen der Arbeiter_innen meist besser durchsetzen als wenn sie bloße Forderungen bleiben. Ein/e Kapitalist_in in dessen/deren Betrieb gestreikt wird, kann gezwungen werden auf die Forderungen der Streikenden einzugehen. In Krisenzeiten stellen Streiks oft die einzige Möglichkeit dar, um überhaupt noch ökonomische Erfolge für die Lohnabhängigen zu erzielen. Je größer die Beteiligung der Arbeiter_innen und je wichtiger die Position, die der bestreikte Betrieb oder die bestreikte Branche in der Gesellschaft einnehmen, desto wirkungsvoller der Streik. Klar, wenn bei Daimler ein paar weniger am Band stehen fällt das erst mal kaum auf, wenn allerdings die Lokführer_innen streiken, wird der Streik zu einem wirksamen Kampfmittel und zum gesellschaftlichen Gesprächsthema.

Der politische Streik: Eine gesellschaftliche Waffe

Denn der Streik ist nicht nur ein gutes Mittel, um den Kapitalist_innen zu schaden und um den Arbeiter_innen bei Verhandlungen um höhere Löhne oder kürzere Arbeitszeiten eine Waffe in die Hand zu geben. Ein Streik und vor allem der Generalstreik (also der Streik möglichst aller Beschäftigten eines Landes), kann durch die Unterbrechung der Produktion von Profit sowie der Störung des gesellschaftlichen Lebens eine noch viel größere soziale und politische Kraft entfalten, als andere Formen des Protests (Demonstrationen, Besetzungen,…).

Durch eine gemeinsam durchgeführte Massenaktion werden die Arbeiter_innen aus ihrer Isolation gerissen und zu einer organisierten Einheit. Sie sehen, dass sie nicht alleine sind und gemeinsam ihre Rechte verteidigen und können. Vor allem durch gewonnene Kämpfe kann so das Bewusstsein der Klasse (sprich: Arbeiter_innen sehen sich als Teil des Proletariats in Abgrenzung zur Bourgeoisie) für ihre Möglichkeiten und Kämpfe enorm erhöht werden. Um aber ein politisches Klassenbewusstsein (die Klasse begreift sich als politische Kraft) zu schaffen, müssen die ökonomischen Kämpfen (Streiks um z.B. höhere Löhne) mit den politischen Kämpfen verbunden und kombiniert werden, ebenso müssen die einzelnen Streiks zusammengeführt werden. Ein unbefristeter, europaweiter Generalstreik könnte z.B. verbunden mit der politischen Forderung „Streichung der Schulden Südeuropas – Wir zahlen nicht für eure Krise!“ dieses Ziel auch erreichen. Dies ist auch ein gutes Mittel gegen Sozialpartnerschaft und Standortpatriotismus. Damit meinen wir die Politik, die seit langem von den reformistischen Parteien, Gewerkschaften und Organisationen auf dem Rücken ihrer Wähler_innen und Mitglieder betrieben wird. Die Parteien drücken Kürzungen in allen sozialen Bereichen durch, während die Gewerkschaftsführungen die Basis still halten und gleichzeitig mit der Bourgeoisie einen Kompromiss aushandeln. Das tun diese Führungen, weil sie selbst weitaus mehr verdienen als wir einfachen Arbeiter_innen und Jugendlichen.

Eine zentrale Wichtigkeit zur Verhinderung von Verrat hat deswegen die Kontrolle des Streiks durch die Basis: Es braucht demokratisch gewählte und jederzeit abwählbare, rechenschaftspflichtige Streikleitungen, Verhandlungs- und Aktionskomitees sowie Vollversammlungen in den Betrieben auf denen Forderungen und Aktionsform beschlossen werden. Ein europäischer Generalstreik braucht eine europaweite Koordination der Arbeiter_innen!

Aufklärung nötig!

Aber trifft so ein Streik nicht auch häufig die Falschen? Natürlich ist es nicht toll, wenn wegen eines Streiks, z.B. im Nahverkehr, Menschen zu spät zu wichtigen Terminen kommen. Anstatt jedoch darüber zu meckern, dass sie zu spät zur Arbeit kommen, auf der sie selber ausgebeutet werden, sollten sich die Menschen lieber mit den Streikenden solidarisieren und erkennen, dass was dort erkämpft wird auch in ihrem Interesse steht. Dafür sollten seitens der Beschäftigten und Gewerkschaften breite Aufklärungskampagnen über die Ziele des Streiks gestartet werden, denn die bürgerliche Presse hat für Streiks oft nur Hetze übrig – weshalb sich dann auch Leute über Streiks beschweren.

Das Ziel bei einem Streik ist eine Verbesserung der Situation der Lohnabhängigen, nicht das Schaden von anderen Lohnabhängigen, auch wenn das von der bürgerlichen Presse gerne so dargestellt wird. Denn gäbe es keine Streiks und hätte es nie eine organisierte Arbeiter_innenbewegung gegeben, wären unsere Arbeitsbedingungen und Lebensumstände heute noch viel katastrophaler. Mindestlöhne, Krankenversicherungen, Kündigungsschutz sowie das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung und zum Streiken überhaupt, sind Dinge, die immer wieder gegen die Angriffe  der Kapitalist_innen und Regierung (wie. z.B. das aktuelle Tarifeinheitsgesetz das Streikrecht einschränken soll) verteidigt, und täglich neu erkämpft werden müssen.

Ein Artikel von Felix Ernst, REVOLUTION Leipzig




Südeuropa: Lage der Jugend nach 7 Jahren Krise

Zunächst einmal: Jugend beinhaltet Verschiedenes: sowohl verschiedene Klassenabstammungen, Schüler_innen, Migrant_innen… all dies und die jeweilige Situation könnten wir in gewisser Weise mit in diesen Text einfließen lassen – aber das würde den Rahmen des Textes sprengen. Daher konzentrieren wir uns auf die schlechtesten ökonomischen und sozialen Situationen der europäischen Jugend.

Die jungen Arbeiter_innen Europas, aber auch Schüler_innen und Student_innen, sind eine der am härtesten von der Krise betroffenen Gruppen. Sie werden arbeitslos, verlieren ihre Perspektive, erfahren kaum noch soziale Hilfe und werden als „Druckmittel“ gegen andere Teile der Arbeiter_innenklasse eingesetzt, z.B. als billige Arbeitskraft.

Sie sind jedoch auch ein wichtiger Bestandteil der Klasse mit steigendem Einfluss. Da sie zum treibenden Motor möglicher Veränderungen werden können, wird versucht sie in der Passivität halten.

Sie sind es, die Protestbewegungen hervorbrachten und anführten. Sie setzten sich gegen den Ausverkauf ihrer Heimat in Südeuropa zur Wehr und nur mit ihnen können nachhaltige Veränderungen in Europa herbeigeführt werden.

Von Spardiktat und Perspektivlosigkeit

Wie das Spardiktat vor allem den jungen, oftmals prekärer beschäftigten Teil der Klasse in Südeuropa trifft, lässt sich an der der Bezeichnung „Generation Null“ für die spanische Jugend erkennen. Null Einnahmen. Null Arbeitschancen. Null Hoffnung.

In Griechenland liegt die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen laut Eurostat bei 57% und in Spanien bei 54% – das ist eine Verdopplung seit Ausbruch der Krise. Im gesamtem Europa ist die Jugendarbeitslosigkeit von 15% (vor der Krise) auf 23% angestiegen. In Deutschland dagegen lag die Jugendarbeitslosigkeit zwischen 2008 und 2014 immer unter 12%. Die Angriffe der Troika haben die Sozialsysteme weitgehend zerstört. Dies wälzt die Kosten für Massenarbeitslosigkeit vom Staat auf das direkte Umfeld, also Familie und Freunde, und trägt so zur weiteren Spaltung und Prekarisierung bei. So verarmen auch die Erwerbstätigen noch weiter. Die Löhne sinken und der Druck, ihre Nächsten mit ernähren zu müssen bleibt.

Denn auch die ausgezahlten Löhne sind in drastischer Weise zurückgegangen. Dies gilt für Beschäftigte aller Altersgruppen, besonders in Griechenland. Bei Arbeiter_innen im Alter zwischen 16 und 24 ist der Durchschnittslohn um 35% gesunken.

Der ökonomischer Druck sorgt dafür, dass immer mehr Jugendliche bereit sind ihre Arbeitskraft für noch weniger Geld zu verkaufen – was wiederum dazu führt, das sich auch der Druck auf alle anderen Arbeiter_innen erhöht.

Auch die wachsende Arbeitsmigration innerhalb der Europäischen Union, besonders der jungen Arbeiter_innen, lässt sich dadurch erklären. Dies erhöht damit auch den Konkurrenzdruck zwischen den Arbeiter_innen, auch in den europäischen Kernländern, auch wenn diese Auswirkungen mit Verzögerung und ihr ganzes Ausmaß erst in den nächsten Jahren spürbar werden – einen Vorgeschmack gibt es aber schon: So bezahlte Amazon in Bad Hersfeld 2012 spanischen Saisonarbeiter_innen – viele davon junge Menschen – weit weniger als anderen Zeitarbeiter_innen, die ohnehin schon wenig bekommen. Die Krise hat vor allem für das deutsche und französische Kapital eine europaweit anwachsende industrielle Reservearmee – sprich Arbeitslose – geschaffen, welche Lohndruck und Konkurrenzkampf verschärft.

In diesen Statistiken nicht eingerechnet sind die Menschen, die als Schüler_innen, Auszubildende und Studierende nicht als Teil der Arbeiter_innenklasse gezählt werden. Ohne diese statistische Verschleierung sähen die Zahlen wohl noch viel schlimmer aus. Dieser beachtliche Teil der Jugend ist zumeist noch von den Eltern abhängig, die selbst um ihren Job bangen müssen oder ihn bereits verloren haben.

Dies alles zeigt nicht nur, dass die Politik von Troika, EZB und Co. vor allem den jungen, oftmals prekär beschäftigten Teil der Klasse trifft. Es zeigt auch, dass die Errungenschaften der älteren Beschäftigten Stück für Stück mit diesen in Rente gehen und junge Arbeiter_innen als perspektivarme und prekäre Beschäftigte in den Arbeitsmarkt eingeführt werden. Somit werden neue Trennlinien zwischen verschiedenen Generationen der Arbeiter_innenklasse durch schon erkämpfte Rechte geschaffen. Auch wichtige rechtliche Grundlagen für eine kämpferische Klasse werden immer kleineren Teilen der Klasse zugänglich.

Die Krise und die darauf folgende Unterwerfung ganzer Länder unter das Spardiktat der Europäischen Union dient dem Kapital, ob bewusst so inszeniert oder nicht, als Knüppel um die Jugend ins Prekariat zu prügeln und brutale Angriffe gegen die Arbeiter_innenklasse einzuleiten. Diese Aussage sollte mit Blick auf die brutale Niederschlagung der Proteste an vielen Orten wörtlich genommen werden.

Wir stellen diesem Europa der Perspektivlosigkeit die Losung der „Vereinten sozialistischen Staaten von Europa“ entgegen.

Dieses Ziel können wir Jugendlichen nur erreichen, wenn wir gemeinsam mit unseren Kolleg_innen der Arbeiter_innenklasse kämpfen und uns international gegen die weltweiten Angriffe des Kapitals organisieren: Wir wollen eine neue Jugendinternationale und eine neue revolutionär-kommunistische Internationale mit einem revolutionären Programm, das als Wegweiser aus der Perspektivlosigkeit zum Sozialismus dient.

Lasst uns in der aktuellen Situation Bündnisse der organisierten Arbeiter_innenklasse, Gewerkschaften, Arbeiter_innenparteien und Jugendorganisationen der Klasse aufbauen und europaweit koordinierte Aktionen und Demos gegen die Angiffe der Troika organisieren!

Kommt am 20.6 zur Griechenland-Solidaritätsdemo (Europa. anders. machen) nach Berlin / 13:00 Uhr / Oranienplatz / Antikapitalistischer Block

Ein Artikel der REVOLUTION Redaktion




Kompromissloser Widerstand gegen die Troika-Erpresser!

Schluss mit der Erfüllungspolitik durch Tsipras!

Trotz aller verzweifelten Strampelei von Tsipras und Varoufakis: Die über Leichen gehende Troika (IWF, EBZ, EU-Kommission) – und allen voran der gierig-grimmige Schäuble als Repräsentant des deutschen Kapitals – lassen nicht locker. Nach Renten“reform“, Lohn- und „Arbeitsmarktreform“ in Griechenland schreien sie. Im Klartext: Die ArbeiterInnen und die Mittelschichten, die Bevölkerung soll die Zeche zahlen, die ihnen über Jahrzehnte Nea Demokratika und Pasok eingebrockt haben.

Vor allem die deutsche Regierung hält an ihrer Politik des Drucks und der Erpressung fest, auch um Signale an die von Schulden geschüttelten anderen (süd-)europäischen Länder zu senden. Noch die Enkel und Urenkel sollen zahlen! Konkret für Griechenland heißt das allein für 2015: mindestens 5,3 Milliarden Euro bis Juni, insgesamt über 17 Milliarden bis Dezember! Wenn es nach den Herrschenden ginge, dann muss Syriza mit seinen Wahlversprechen in die Knie, damit der neue, dann gewährte Kredit …. direkt wieder zurück in die Taschen der Troika fließt!

Sollte jedoch dieses Manöver scheitern, Staatsbankrott und/oder „Grexit“ unvermeidlich werden, dann haben Schäuble, Merkel, Gabriel und Co. schon vorgesorgt und rechtzeitig die Schulden Griechenlands an die Deutsche Bank und andere als öffentliche Schulden gesichert, womit dann v.a. die deutschen Lohnabhängigen wieder zur Kasse gebeten würden (und der nationalistische Hass auf die „faulen Griechen“ weiter geschürt wird). Die internationale Solidaritätsbewegung muss den Vorhang dieses hinterhältigen Spiels zerreißen. Statt eines lauwarmen „Schuldenschnitts“ muss die ersatzlose Streichung der griechischen Schulden durchgesetzt werden. Die Profiteure der Vergangenheit, insbesondere die deutschen Banken und die deutschen Unternehmen sollen jetzt auch bezahlen! Für uns in Deutschland sollte deshalb internationale Solidarität heißen: Der Hauptfeind steht im eigenen Land!

Mit der Hereinnahme der rassistischen, rechtsextremen Anel in die Regierung zeigte Tsipras gleich zu Beginn den internationalen Regierungen und Kapital an, den Rahmen des Privateigentums zu respektieren. Tsipras, Varoufakis und seine Mehrheit in Regierung und Syriza-ZK haben dann mit ihrer Erklärung vom 24. Februar darüber hinaus ihre prinzipielle Bereitschaft erklärt, die Troika-Forderungen zu erfüllen. Nach dieser Kapitulation besteht der schlichte Sinn ihrer weiteren Politik darin, größere Konzessionen und bessere Konditionen von den internationalen Geldgebern zu erhalten. Sie wollten Zeit gewinnen, die Schulden (etwa bis 2035 (!?)) sollen gestreckt werden. Sie wollten Luft holen, doch trotz ihres Flügelschlagens und aller Mätzchen wird nichts draus. Griechenland blutet durch eine exorbitante Kapitalflucht weiterhin aus. Um die bis Juni fälligen Kredite zu begleichen, wurden die staatlichen Institutionen, Staatsunternehmen und Rentenfonds geplündert. Die am 23./24. Mai erfolgte Ablehnung des Antrags der Syriza-ZK-Minderheit auf Aussetzen der Schuldenzahlung und Enteignung der Banken zeigt nun in aller öffentlichen Hässlichkeit den eingetretenen Funktionswandel dieser Regierung. Tsipras, Varoufakis und Co. werden jetzt immer deutlicher zum Erfüllungsgehilfen des internationalen Kapitals und damit gezwungen, in eigenem Namen die griechische Bevölkerung anzugreifen.

Mit dieser Kompromiss-Politik der Syriza-Mehrheit muss jetzt konsequent gebrochen und der Widerstand in Griechenland verbreitert werden: Betriebsbesetzungen, ArbeiterInnenkontrolle gerade auch über den Außenhandel, entschädigungslose Enteignung der Banken, Schluss mit den Schuldenzahlungen – der Phantasie der Lohnabhängigen sollten keine Grenzen gesetzt sein. Der immer stärker werdende Widerstand innerhalb Syrizas muss sich der Politik und der Regierung Tsipras konsequent widersetzen, den Rauswurf von Anel einfordern, im Parlament gegen alle Austeritätsprogramme stimmen und sich auf der Straße und in den Betrieben mit den revolutionären Kräften außerhalb Syrizas in einer konsequenten, antikapitalistischen Organisation vereinigen. Eine solche revolutionäre Zuspitzung der Lage würde unserer Ansicht nach die Notwendigkeit einer sozialistischen Regierung auf die Tagesordnung setzen, die die Wirtschaft auf Basis eines demokratischen Plans reorganisiert, den bürgerlichen Staatsapparat zerschlägt und durch Arbeiter, Bauern- und Soldatenräte ersetzt.

Die Entwicklung in Griechenland zeigt, dass der Spielraum für reformistische Zwischenlösungen immer enger wird; die Herrschenden sind immer weniger bereit und in der Lage, substantielle Zugeständnisse zu machen. Ob in oder außerhalb der EU: Geht es nach dem Willen der Kapitalistenklasse und ihrer Regierungen, soll vor allem die ArbeiterInnenklasse zahlen. Gegen diese Angriffe braucht es europaweite aktive Solidarität! Außer vereinzelten Demonstrationen und hilflosen Syriza-Sympathie-Erklärungen war davon aber auch in der BRD bisher wenig zu sehen. Machen wir deshalb die Demonstration am 20.06. – nach dem G7-Gipfel – zu einem Auftakt einer mächtigen, europaweiten Solidaritätsbewegung mit der griechischen Bevölkerung, die nicht bei symbolischen Aktionen stehen bleibt. Europaweite, militante Aktionen der Lohnabhängigen, der Gewerkschaften und ArbeiterInnenorganisationen bis hin zu Solidaritätsstreiks sind bitter nötig!

Demonstration „Europa.anders.machen.“ / Berlin / 20.6 / 13:00 Uhr / Oranienplatz / Antikapitalistischer Block

Ein Aufruf der NaO Berlin




Griechenland: An einem Wendepunkt

Viele Hoffnungen waren mit den Wahlen vom 25. Januar in Griechenland verknüpft. Die gesamte klassenbewusste ArbeiterInnenschaft und Jugend Europas blickte auf dieses Ereignis. Die Niederlagen der ökonomischen Abwehrkämpfe der vergangenen fünf Jahre mit über 30 Generalstreiks in Griechenland verlagerten den Klassenkampf zunehmend auf die politische Ebene. Hunderttausende GriechInnen hofften mit der Wahl SYRIZAs einen politischen Sieg erringen zu können. Doch die ersten Illusionen wurden bereits in der Wahlnacht zerstreut, in der Tspiras, heutiger Ministerpräsident und Vorsitzender der linksreformistischen SYRIZA, erklärte, mit der rechtsnationalen ANEL eine Regierungskoalition einzugehen.

„Bescheidener Vorschlag“ oder fauler „Kompromiss“?

Natürlich war es im schon im Vorhinein abzusehen, dass SYRIZA und insbesondere ihre bürokratische Führung einen politischen Verrat begehen würde. Alle, die sich Pamphlete wie ein „Bescheidener Vorschlag“ von Yanis Varoufakis (Finanzminister, SYRIZA), „Revolution für Europa“ in dem auch Alexis Tsipras schrieb, sowie Erklärungen von Synaspismos (1), der aktuell führenden rechten Strömung in SYRIZA ansah, wusste, dass sie einen Kompromiss mit der Troika, dem griechischen Kapital und dem internationalen Imperialismus anstrebten.

Alle Organisationen, die dies verleugneten, haben den ArbeiterInnen und der Jugend Europas Sand in die Augen gestreut. Aber auch alle Organisationen, die während der Wahlen am Rande standen, SYRIZA zwar kritisierten, aber kein taktisches Verhältnis zu ihr bezogen, haben die ArbeiterInnen in der politischen Auseinandersetzung allein gelassen.

Der Umstand, dass wir als MarxistInnen den Verrat von SYRIZA voraussehen konnten, bedeutet aber noch lange nicht, dass die Massen dies auch so sehen. Jetzt, wo dieser Verrat in die Praxis umgesetzt wird, in dem Sinne, dass die Regierung seit dem 20. Februar, an dem das europäische Finanzministertreffen in Brüssel stattfand, alle ihre Versprechen wieder zurückgenommen hat; während sie beginnt, die Sozial-und Rentenversicherungen zu plündern, um die kapitalistischen Gläubiger zu bezahlen, bis der letzte Cent ausgepresst ist, verlieren sicher Viele ihre Hoffnungen in die jetzige Regierung und in SYRIZA.

Damit haben sie jedoch noch längst nicht alle Illusionen in den Reformismus, die bürgerliche Demokratie und die kapitalistische Herrschaft verloren. Es gibt keinen Automatismus, nach dem sich die Massen nun den „RevolutionärInnen“ anschließen werden, die während dieses Verrats isoliert am Rande standen. Stathis Kouvelakis, einer der FührerInnen der „Linken Plattform“ in SYRIZA stellte dazu Ende Mai fest (1), dass „der Stand der öffentlichen Meinung Unsicherheit widerspiegelt. Der Enthusiasmus und der Kampfgeist der ersten drei Wochen haben nun einem gemischten Bild platz gemacht: die Unterstützung für die Regierungsstrategie ist nach wie vor hoch, aber bedeutend unter dem Niveau der vorherigen Monate. Es ist still in den Straßen.“

Während Vielen klarer wird, dass sich hinter dem „Bescheidenen Vorschlag“, der durch eine „Linksregierung“ umgesetzt werden sollte, ein als Niederlage getarnter „fauler Kompromiss“, der durch eine Volksfrontregierung (2) durchgesetzt wird, steht, ist die Frage nach der Alternative nur eine, die im praktischen Kampf um eine alternative Führung im Klassenkampf beantwortet werden kann. (3)

Der bedeutendste Kampf um die Frage der Führung wird aktuell wohl in aller Schärfe in SYRIZA zwischen dem linksreformistischen Flügel um die „Linke Plattform“ und dem rechten Flügel um Synaspismos unter Tsipras geführt. Wie er entschieden wird, hat einen enormen Einfluss auf die kommenden Klassenkämpfe der gesamten Nation.

Konflikte in SYRIZA

Wir sollten keine Illusionen haben: Die „Linke Plattform“, die in etwa die Hälfte der aktuellen Minister und der 129 SYRIZA-Abgeordneten stellt, und die ZentristInnen (4) um die „Werktätige Linke“ (DEA) waren bisher nicht dazu bereit, gegen eine Regierungskoalition mit ANEL zu stimmen, votierten im Parlament für die Wahl des rechtskonservativen Prokopis Pavlopoulos zum Staatspräsidenten und akzeptierten bis jetzt die Dominanz des rechten Flügels der Partei.

Der wachsende Unmut an der Basis der rund 40.000 Mitglieder starken Partei und in der ArbeiterInnenklasse über den Ausverkauf der Wahlversprechen in den „Verhandlungen“ mit Schäuble und der Troika, zwingt diesen Flügel aktuell aber dazu, eine Auseinandersetzung mit Tsipras und Co. zu suchen. Auf dem Treffen des Zentralkomitees von SYRIZA vom 23./24. Mai kam es zu einer Kampfabstimmung, in der 75 der 171 Delegierten gegen den aktuellen Kurs der Führung stimmten. Sie stellten dem u.a. den sofortigen Stopp weiterer Kürzungen bei Gehältern und Renten, die Restrukturierung der Schulden, massive Investitionen in Infrastruktur und neue Technologien entgegen. Darüber hinaus erklärten sie, dass der Mindestlohn vor 2009 von 751 Euro unmittelbar wieder hergestellt werden solle, die gewerkschaftlichen Rechte wiederhergestellt, die Banken verstaatlicht und eine massive Besteuerung der Reichen umgesetzt werden müssten.

Uns sollte klar sein, dass diese Maßnahmen – die Forderung nach „Restrukturierung der Schulden“ zeigt dies eindeutig – nicht auf den Sturz des Kapitalismus, sondern auf einen für die ArbeiterInnenklasse günstigeren Kompromiss hinauslaufen sollen. Ein reformistisches Programm also, das selbst utopisch ist. Utopisch insofern, da die herrschende Klasse Griechenlands und das imperialistische Kapital der EU zu keinen dauerhaften Kompromissen bereit, ja aufgrund der Krise nicht in der Lage sind.

Selbst wenn der Kapitalismus international nicht in einer scharfen, historischen Krise wäre, würden solche Maßnahmen sofort die geballte Reaktion auf den Plan rufen. In diesem Sinne sind die strategischen Überlegungen der „Linken Plattform“ nicht nur utopisch, sondern würden auch in Niederlagen enden, wenn sie die Führung in den kommenden Kämpfen behalten würde.

Gleichzeitig würde ein Sieg der „Linken Plattform“ über die aktuelle Führung auch notwendigerweise neue Klassenkämpfe herauf beschwören. Die Verstaatlichung der Banken, ein Bruch mit der Troika und eine Kampfansage an die griechischen KapitalistInnen könnten nur mit Mobilisierungen der gesamten Klasse Bestand haben.

Obwohl wir keine Illusionen in die „Linke Plattform“ haben dürfen, ist es aber unsere Aufgabe, im Kampf gegen Tsipras und Synaspismos auf ihrer Seite zu stehen, sie aufzufordern, ihren Forderungen durch eigene Mobilisierungen in der Partei und auf der Straße Nachdruck zu verleihen, während wir ein revolutionäres Programm als Alternative zu ihren überholten reformistischen Konzepten vorschlagen.

Brecht mit Tsipras Politik!

Ein solcher Kampf kann und muss, will er konsequent geführt werden, auch mit dem politischen Bruch mit dem rechten Flügel der Partei und der Bürokratie verbunden werden. Die Parteidisziplin und die „formale Demokratie“ der Partei müssen den realen Interessen und Bedürfnissen der ArbeiterInnen Griechenlands untergeordnet werden.

Natürlich gilt es, SYRIZA und die Regierung gegen Angriffe der Imperialisten oder Umsturzversuche der Reaktion zu unterstützen. Aber das darf nicht mit einem Blankoscheck für die Politik der rechten Führung verwechselt werden.

Das würde auch bedeuten, in Parlamentsabstimmungen gegen Tsipras und die Regierung zu stimmen, wenn sie Gesetze und Maßnahmen durchsetzen, die die Kampfkraft der Bewegung schwächen oder einen Verrat an den bereits reformistischen und seit 2012 zurechtgestutzten, Wahlversprechen der Partei bedeuten. Es muss auch bedeuten, konkrete Forderungen an die Führung von SYRIZA, ja an die gesamte Regierung zu richten – Forderungen, die an die Versprechen vor der Wahl und an die aktuellen Abwehrkämpfe in den Betrieben, Universitäten, Schulen und auf der Straße anknüpfen. Es geht nicht nur darum, eine korrekte Politik vorzuschlagen, sondern aufzuzeigen, dass Tsipras und die Regierung nicht dazu bereit sind, für diese einzutreten. Auch sind das Parlament und die Auseinandersetzung in SYRIZA der größte Resonanzkörper für eine alternative Politik, den die ArbeiterInnenklasse aktuell in Griechenland besitzt.

Raus mit den kapitalistischen Ministern!

Eine solche Konfrontation wäre auch mit der Regierungsfrage überhaupt verbunden. Das Versprechen, eine „linke Regierung“ zu bilden, wurde durch die Koalition mit ANEL und die Einbindung parteiloser kapitalistischer Minister gebrochen. Diese Koalition ist nicht nur ein Moment der Demobilisierung der Kämpfe der ArbeiterInnen und Jugend, sie ist auch ein Zeichen an die Herrschenden, dass SYRIZA keine Bestrebungen hat, den Kapitalismus als solchen anzutasten.

Diese Regierung ist der Versuch, einen politischen Kompromiss, eine Versöhnung zwischen den Klassen herzustellen. Während sich die KapitalistInnen zum Zeitpunkt der Wahl nicht dazu in der Lage sahen, eine offene, im Zweifel auch gewaltsame, Konfrontation mit den griechischen ArbeiterInnen zu suchen, ist eines vollkommen klar: die Zeit, die sie durch diese Regierung gewinnen, die Demoralisierung, die diese Regierung unter den ArbeiterInnen schafft, werden sie nutzen, um kommende Auseinandersetzungen vorzubereiten. Es ist also nicht als Zufall anzusehen, dass der einzige Posten, den ANEL bekleidet, die Kontrolle über das Heer bedeutet und der Minister, der über die Polizei entscheidet, ein parteiloser Bürgerlicher ist.

Unser Slogan, der Slogan der griechischen ArbeiterInnen muss also, wie bereits in der Februarrevolution 1917 in Russland „Raus mit den kapitalistischen Ministern“ sein. Eine Syriza-Alleinregierung ohne die Beteiligung von ANEL
könnte sich nicht auf eine parlamentarische Mehrheit stützen. Das ist vollkommen korrekt. Sie würde zwangsläufig an den Rahmen der bürgerlichen Demokratie stoßen. Doch das tut bereits die aktuelle Regierung, wenn sei praktisch gemäß den Diktaten des internationalen Imperialismus, von IWF, Europäischer Zentralbank, der EU und nicht zuletzt der deutschen Regierung handelt.

„An diesem Regime fallen am deutlichsten seine bonapartistischen Züge auf: Unabhängigkeit der Macht von Parteien und Programmen, Liquidierung der parlamentarischen Gesetzgebung mittels außerordentlicher Vollmachten, eine Regierung, die sich über die kämpfenden Lager, d.h. faktisch über die Nation erhebt als ihr ‚Schiedsrichter’“. (5)

Solche Momente, die Trotzki bei seinem Studium der französischen Volksfront ausmacht, finden sich – wenn auch oft in Form imperialistischen Einflusses – auch in Griechenland.

Der Schiedsspruch kann nur zu Ungunsten der Massen in Griechenland ausgehen. Die Syriza-Regierung erkauft nicht ihnen, sondern den Herrschenden die Zeit, die sie brauchen, um einen reaktionären Sieg davonzutragen.

Nicht alternativlos

Aber es ist nicht so, dass die aktuelle Regierung alternativlos wäre. Eine Regierung, die sich auf die Mobilisierung der Klasse, die in 36 Generalstreiks und etlichen Fabrikbesetzungen gezeigt hat, dass sie fähig ist zu kämpfen, in der SYRIZA sich an die KKE und ANTARSYA (6) wenden würde, um gemeinsame Aktionen vorzubereiten, würde mehr praktische Sprengkraft entwickeln, als die kümmerlichen Verhandlungsversuche an den Schreibtischen deutscher Minister oder Brüsseler Bürokraten.

Keine Frage: eine solche Regierung unter der aktuellen Führung, wäre immer noch eine bürgerliche Arbeiter-Regierung. Sie wäre aber eine Regierung, die sich auf Mobilisierungen um Forderungen stützen würde, die unmittelbar das kapitalistische System in Frage stellen würden. Ob sie tatsächlich zu Stande kommen würde oder nicht, ist eine andere Frage. Sie wäre zwangsläufig ein „Zwischenschritt“, eine „Übergangsforderung“, die früher oder später auf die Frage Revolution oder Konterrevolution hinauslaufen müsste.

Aber die Forderung nach einer ArbeiterInnenregierung an SYRIZA, als auch an KKE und ANTARSYA, gestützt durch die Gewerkschaften und stattfindenden Kämpfe, vor den Augen der griechischen Massen, hätte unglaublichen „pädagogischen“ Wert, weil sie aufzeigen würde, dass die revolutionäre Linke eine alternative Machtperspektive anzubieten hat.

Die Troika, aber auch die griechischen KapitalistInnen haben gezeigt, dass sie zu keinerlei Kompromissen bereit sind. Noch ist die Situation so, dass die Vorbereitung von Offensiven seitens der ArbeiterInnen und der Jugend möglich ist. Was sie sich im Grunde erhoffen – und alle Umfragen bestätigen dies – ist eine solche Offensive von SYRIZA. Auch der dramatische Anstieg der Umfragen, die in den Wochen nach der Wahl SYRIZA bei über 45% Prozentpunkten sahen, können als solche gedeutet werden. Sie können darüber hinaus aber auch als eine Aufforderung gedeutet werden, sich der kapitalistischen Minister zu entledigen und allein zu regieren.

RevolutionärInnen müssen eine kompromisslose Politik einfordern, die die KapitalistInnen ihrerseits bereits betreiben; nicht zuletzt, weil sich das Kleinbürgertum, die BäuerInnen und „kleinen Leute“, die nicht Teil der ArbeiterInnenklasse sind, früher oder später nach Alternativen umsehen werden, die sie für kampffähiger halten. Sollte diese Alternative nicht innerhalb der ArbeiterInnenbewegung zu finden sein, wird die Karte des Faschismus in Form von Chrysi Avgi (7) oder einer Militärdiktatur gespielt werden – als „starke Hand“, die die Probleme im Namen „der Nation“ löst.

„Keine Opfer für den Euro“

Der Slogan „Keine Opfer für den Euro“, war einer der Gründe für die Wahlerfolge von SYRIZA 2012 und 2015. Mit Sicherheit stellte er den Versuch der Führung dar, die griechischen Massen zu gewinnen und gleichzeitig ein Zeichen der Entwarnung an Brüssel zu senden. Doch er kann auch eine kompromisslose, mutige Deutung haben. Es ist wichtig, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen, weil sie eine der zentralen Fragen ist, die griechische Bevölkerung und die Linke umtreiben.

Die Massen in Griechenland spüren, dass ein Austritt aus dem Euro eine ökonomische Katastrophe für das Land bedeuten würde. Dieses Szenario ist keine rein bürgerlich-mediale Hetze. Die Rückkehr zur Drachme, die mit einer riesigen Entwertung der Währung verbunden wäre, würde die Schulden, die in Euro und Dollar gehalten werden, schnell massiv vergrößern. Auch ein Schuldenschnitt würde nur dann erfolgreich sein, wenn er mit der Enteignung der kapitalistischen Wirtschaft, unter demokratischem Plan und mit einem Außenhandelsmonopol verbunden würde. Doch selbst dies würde eine sozialistische Wirtschaft nicht vor einem Handelskrieg, Investitionsstopps und möglicherweise auch gewaltsamen Interventionen schützen.

Die Perspektive des griechischen Widerstandes müsste deshalb viel enger mit der Frage der europäischen Revolution verbunden werden. Eine solche Perspektive würde auch die Frage nach einer gemeinsamen, europaweiten sozialistischen Ökonomie, mit einer gemeinsamen Währung aufwerfen. Es ist keine Frage, dass in diesem Zusammenhang der imperialistische Block der EU und ihre antidemokratischen, bürokratischen Strukturen zerschlagen werden müssten. Doch eine Revolution in Griechenland würde auch die Frage aufwerfen, welche gesellschaftliche Kraft in Europa den Euro kontrollieren sollte: die arbeitenden Massen oder die bisherigen Krisenprofiteure, die großen Monopole, Banken und KapitalistInnen.

Ob diese Frage unmittelbar mit einem europaweiten Sieg der ArbeiterInnenklasse einhergehen würde, ist in der aktuellen Situation sicher zu bezweifeln. Man darf der griechischen ArbeiterInnenklasse nicht das Versprechen machen, den Euro in jedem Falle beibehalten zu können.

Es ist aber durchaus korrekt, die Euro-Problematik mit der Notwendigkeit eines europaweiten Widerstands zu verbinden. Es ist wichtig, die Frage in einen europäischen Kontext zu stellen. Es gilt, Aktionskonferenzen aller europäischen Gewerkschaften, ArbeiterInnenparteien und linken Organisationen gegen die Maßnahmen der aktuellen kapitalistischen VerteidigerInnen des Euros einzufordern und durchzuführen, die gemeinsame Massenstreiks gegen die stattfindenden Angriffe und Solidarität mit besonders betroffenen Ländern organisieren. Hier müssten KommunistInnen die Strategie der europaweiten Revolution für die Vereinigten sozialistischen Staaten von Europa darlegen. Der Slogan „Keine Opfer für den Euro“ könnte die Ablehnung der Kürzungen in Verbund mit der Ablehnung des Rückfalls in „nationale Lösungen“ in sehr populärer Form aufgreifen.

Aktionskomitees im Kampf „Klasse gegen Klasse“

Soll es tatsächlich zu einem derartigen Widerstand kommen, braucht es aber nicht nur gute Ideen, sondern auch Organe, die sie durchführen können. Dass die aktuelle SYRIZA-ANEL Regierung ein Hindernis dafür ist, haben wir bereits ausgeführt.

Eine Möglichkeit, diese Regierung zu sprengen wäre aber, eben SYRIZA dazu aufzufordern, Aktionskomitees in jedem Dorf, jedem Stadtteil, jedem Betrieb und auch in den Kasernen einzuberufen, die die Umsetzung der versprochenen Maßnahmen verteidigen und umsetzen könnten. Diese lokalen Aktionskomitees sollten sich VertreterInnen wählen, um sie auf höherer Ebene zu repräsentieren. Alle TeilnehmerInnen des Kampfes sollten sich darauf verpflichten, die Disziplin der Komitees anzuerkennen.

„Auf diese Weise entsprechen die Aktionskomitees vortrefflich den Aufgaben des Kampfes des Proletariats, um den Einfluss auf das Kleinbürgertum. Dafür aber erschweren sie ungemein die Zusammenarbeit der Arbeiterbürokratie mit der Bourgeoisie. […] Wirkliche Massenwahlen zu den Aktionskomitees werden automatisch die bürgerlichen Schieber aus den Reihen der Volksfront verdrängen.“ (8)

Der Kampf „Klasse gegen Klasse“, also die Notwendigkeit einer gemeinsamen Front, die die Gewerkschaften, die KKE, ANTARSYA und SYRIZA umfassen müsste, sollte sich aber „nicht um die formell-demokratische Vertretung aller und jeder Massen, sondern um die revolutionäre Vertretung der kämpfenden Massen“ (9) handeln.

Die Revolution vorbereiten!

In Griechenland stellt sich heute wie in kaum einem anderen Land Europas die Frage nach Revolution oder Konterrevolution. Die Ausgangsbedingungen sind, verglichen mit den „subjektiven“ Voraussetzungen, das heißt der Kraft der politischen Organisationen der ArbeiterInnenbewegung und dem Bewusstseinsstand der gesamten ArbeiterInnenklasse in Griechenland, vieler anderer europäischer Länder (noch) vergleichsweise günstig.

Wenn es aktuell ein Land in Europa gibt, in dem revolutionäre Politik nicht nur angebracht, sondern unerlässlich ist, so ist es Griechenland. JedeR, der etwas Anderes behauptet, hat nicht nur die Hoffnung auf eine reale Alternative zum kapitalistischen Würgegriff der heutigen Zeit verloren, sondern hilft mit seiner Passivität oder unkritischen „Solidarität“ gegenüber der reformistischen Führung SYRIZAs kommende Niederlagen für die ArbeiterInnenklasse Griechenlands und ganz Europas vorzubereiten.

Niemand kann versprechen, dass eine korrekte Politik auch unmittelbar zu Erfolgen führt, insbesondere mit den bescheidenen Mitteln, die RevolutionärInnen heute zur Verfügung stehen. Aber es geht darum, diese Mittel auszubauen. Das ist nur möglich, in dem gesagt wird „was ist“, aber auch, was notwendig ist und was Veränderungen im Wege steht. Die Politik der aktuellen SYRIZA-Führung und der reformistischen Bürokratie, die mit letzter Kraft auf den Regierungsbänken der bürgerlichen Demokratie thront, deren
Beine die Kapitalisten mit aller Kraft abzusägen versuchen.

Die Revolution vorzubereiten heißt also auch, den Kampf für eine ArbeiterInnenregierung zu führen, die nicht nur die ökonomische Grundlage der Gesellschaft verändert, sondern auch den Staat zerschlägt, der insbesondere in Griechenland, durch seine Bereitschaft für Militärdiktaturen, monarchistische und faschistische Regime bekannt ist, eben diese ökonomische Grundlage zu verteidigen.

Die Umsetzung selbst kleinster Reformen, die sich gegen das griechische und internationale Kapital richten, dürfen also nicht nur von Aktionskomitees und einer ArbeiterInneneinheitsfront organisiert werden, sie müssen auch mit der Agitation dafür in der Armee und dem Aufbau von Kampforganisationen der ArbeiterInnenbewegung (Milizen) verbunden werden, die diese Maßnahmen gegen die Angriffe der Polizei und der Faschisten verteidigen können.

Eine kommunistische Partei aufbauen

Diese Aufgabe kann nicht von SYRIZA, als Partei wie sie heute besteht, getragen werden. Doch zweifellos bieten die momentanen Auseinandersetzungen ein wichtiges Feld, in das RevolutionärInnen eingreifen müssten, um die kämpferischen ArbeiterInnen, die heute in SYRIZA organisiert sind, für eine alternative Führung zu gewinnen.

Die Mitglieder der KKE, die viele industrielle ArbeiterInnen organisiert, werden ihrerseits nur für eine alternative Politik zu gewinnen sein, wenn sie unter dem Druck einer breiteren Bewegung von ihrer sektiererischen und stalinistischen Führung, die ihrerseits auf eine nationale, letztlich kapitalistische, Lösung abzielt, gebrochen wird.

Die AktivistInnen von ANTARSYA, die mehr als 3.000 Mitglieder in Griechenland zählen und heute den fortschrittlichsten Flügel der ArbeiterInnenklasse und Jugend repräsentieren, könnten eine bedeutende Rolle in dieser Auseinandersetzung spielen. Doch dafür sind zwei Voraussetzungen unabdingbar: Erstens der Kurs auf ein gemeinsames revolutionäres Übergangsprogramm, das von den, sich selbst als TrotzkistInnen verstehenden, AktivistInnen von SEK (Sozialistische Arbeiterpartei, Schwesterorganisation von Marx21) und OKDE Spartacos (Sektion der Vierten Internationale) eingebracht werden müsste. ANTARSYA müsste zu einer wirklichen Organisation werden und nicht nur ein Block aus Organisationen sein. Zweitens: ein aktives Eingreifen nicht nur in die ökonomischen und gewerkschaftlichen Kämpfe, sondern auch in die politischen Auseinandersetzungen, die die Regierung, SYRIZA und die Organisierung von europaweitem Widerstand betreffen.

Ein rein gradueller, durch rein individuelle Gewinne gekennzeichneter Aufbau einer kommunistischen Partei, ist nicht nur generell eine Utopie, sondern insbesondere in Griechenland eine grobe Fahrlässigkeit, die außer acht lässt, dass breite Massen auch heute noch von der KKE und SYRIZA organisiert und beeinflusst sind.

Es gilt also, taktisch flexibel gegenüber diesen Parteien zu sein, ihnen klare Angebote für gemeinsame Aktionen zu machen und sie vor den Augen aller an ihren selbst gestellten Forderungen zu messen. Gleichzeitig muss eine alternative Führung aufgebaut werden, die die bestehenden Führungen einer schonungslosen Kritik unterzieht und ihre Aktivitäten nach den Bedürfnissen der griechischen ArbeiterInnen und nicht nach „den Möglichkeiten“ der kapitalistischen Verwertung ausrichtet.

Kommt am 20.6 zur bundesweiten Griechenland-Solidaritätsdemo nach Berlin / 13:00 Uhr / Oranienplatz / antikapitalistischer Block

Ein Artikel von Georg Ismael, REVOLUTION Berlin, zuerst erschienen in der „Neuen Internationalen Nr. 200, Zeitung der Gruppe Arbeitermacht“

www.arbeitermacht.de

Endnoten

(1) Synaspismos, Abspaltung der stalinistischen KKE, der traditionellen ArbeiterInnenpartei Griechenlands, 1992, die der Strömung der „EurokommunistInnen“ (d.h. dem Flügel, der stalinistischen Parteien, der eine „Sozialdemokratisierung“ und Abkehr von dem traditionellen Stalinismus aus Moskau befürwortete) zuzurechnen ist.

(2) https://www.jacobinmag.com/2015/04/ syriza-eurozone-default-exit-stathis/

(3) Unter Volksfrontregierung verstehen wir eine Koalition von ArbeiterInnenparteien mit bürgerlichen Parteien im Rahmen einer zugespitzten Krise, die in einer vorrevolutionären Situation gebildet wird. Sie charakterisiert in der Regel den Versuch der reformistischen Führung der ArbeiterInnenklasse, einen Kompromiss mit dem Kapital zur Rettung der bürgerlichen Demokratie herzustellen, während der Raum für Kompromisse schwindet und die Frage von Revolution oder Konterrevolution immer offensichtlicher wird. Zuerst trat der Begriff im Bezug auf das Bündnis und die spätere Regierung von kommunistischer Partei, sozialistischer Partei und den bürgerlichen Radikalen Mitte der 1930er in Frankreich auf.

(4) Zentrismus ist eine politische Strömung, die zwischen Revolution und Reform schwankt. DEA ist eine Abspaltung von SEK zu Beginn des 21. Jahrhunderts.

(5) Trotzki, Frankreich an der Wende, in: Wohin geht Frankreich?, S. 77

(6) KKE (siehe 1); ANTARSYA (antikapitalistische Linke für den Umsturz) ist ein Block von aktuell neun sich als revolutionär verstehenden Organisationen mit maoistischer und trotzkistischer Tradition, das 2008 kurz nach den „Riots“ im Zusammenhang mit der Ermordung des Jugendlichen Alexandros Grigoropoulos zuerst vornehmlich als Wahlbündnis gegründet wurde.

(7) Chrysi Avgi, zu deutsch Goldene Morgenröte ist eine faschistische Partei in Griechenland, sie erhielt 6,3% der Stimmen in den Wahlen 2015.

(8) Trotzki, „Wohin geht Frankreich?“, Die Volksfront und die Aktionskomitees, S. 86

(9) Ebenda




Parlamentswahlen in der Türkei: Ende der Alleinherrschaft Erdogans – und dann?

Die Parlamentswahlen in der Türkei am 07. Juni 2015 fanden vor einem besonderen politischen Hintergrund statt. Die AKP (Adalet ve Kalkınma Partisi – Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) prägt seit ihrer Übernahme der Regierung vor 13 Jahren das Land mit ihrem islamistisch-konservativen Kurs. Erst im Februar 2015 verabschiedete sie im Parlament ein neues „Sicherheits“gesetz, nach dem Demonstrationen ohne gerichtlichen Beschluss verboten und Polizisten auf Demonstranten schießen dürfen. Um weitere repressive Gesetze beschließen zu können, plante Recep Tayyip Erdogan das Präsidialsystem einzuführen. Dafür wäre eine Zweidrittelmehrheit bei den nationalen Wahlen nötig gewesen.

Für viele Jugendliche und andere sozial Unterdrückte, beispielsweise KurdInnen, Frauen, AlevitInnen (1), AtheistInnen und Homosexuelle schien jedoch eine neue Partei der ersehnte Hoffnungsträger zu sein. Die HDP (Halkların Demokratik Partisi – Demokratische Partei der Völker) ist die einzige Partei mit einer männlichen und weiblichen Doppelspitze und fordert Gleichberechtigung und friedliches Zusammenleben für alle Menschen, die in der Türkei leben. Dieses Jahr trat die HDP das erste Mal zu den Wahlen an und musste die 10 Prozent Hürde überwinden (im Vergleich: in Deutschland sind es 5 Prozent) um ins Parlament einzuziehen. Die HDP wurde als die gefährlichste Oppositionspartei dargestellt. Nicht nur in den Medien wurde gegen sie gehetzt, auch gegen ihre Büros, ihre Wahlveranstaltungen und einzelne UnterstützerInnen gab es Anschläge, bei denen Menschen getötet und schwer verletzt wurden.

Bis zuletzt war noch unklar, ob die HDP diese 10-Prozent-Hürde überwinden würde, deshalb waren die erreichten 13,1 Prozent ein großer Erfolg, der in der Türkei ausgiebig gefeiert wurde. Die erste große Niederlage seit 13 Jahren musste jedoch die regierende AKP einstecken. Auch wenn sie mit 40,9 Prozent die Wahl klar gewonnen haben, müssten sie nun in einer Koalition regieren. An erste Stelle käme dafür die MHP (Milliyetci Hareket Partisi – Partei der nationalistischen Bewegung) in Frage. Dies ist eine nationalistisch-faschistische Partei, die bekannt ist für ihre militante Verteidigung des „Türkentums“ und ihre Kompromisslosigkeit in der Kurdenfrage. Dass sie über 5 Prozent mehr als bei den letzten Wahlen erhielt (von ca. 11 auf 16,3 Prozent) ist darauf zurück zu führen, dass sie sich als Bollwerk gegen die kurdische Bewegung darstellten, der sie die Spaltung des Landes und Kooperation mit „Terroristen“ unterstellen.

Die kemalistische (2) Partei CHP (Cumhurriyet Halk Partisi) ist nach wie vor zweitstärkste Partei im Parlament und käme auch als Koalitionspartner in Frage. Besonders unwahrscheinlich ist die Bildung einer Regierung ohne die AKP, die dann aus CHP-MHP-HDP bestünde. Falls sich jedoch in den nächsten 45 Tagen keine Regierung bildet, muss der Präsident zu Neuwahlen aufrufen. Dabei könnte die HDP wichtige Stimmen verlieren, die es aktuell verhindern, dass Erdogan das diktatorische Präsidialsystem einführen kann. Trotz seiner Niederlage ist die AKP nach wie vor mit großem Abstand die stärkste Partei und ihre politische Macht darf auf keinen Fall unterschätzt werden! Jedoch hat sich Präsident Erdogan, der eigentlich bekannt ist für seine überdimensionale Medienpräsenz, bisher noch nicht zum Ausgang der Wahlen geäußert.

Vor allem im Osten, in den kurdischen Gebieten, ist die HDP die stärkste Partei geworden. Obwohl sie auch Teile der türkischen Linken vereint und diese zu ihrer Wahl aufgerufen haben, ist ihr Einfluss im Westen der Türkei nach wie vor sehr gering. Ihre deutliche Unterstützung der KurdInnen sammelt einige fortschrittliche TürkInnen in ihren Reihen und ist ein Ansatz, um die nationale Spaltung in der Türkei zu überwinden. Jedoch lenkt dies auch ab von der tatsächlichen Spaltung, die zu Unterdrückung und Ausbeutung führt: die Spaltung in Klassen. Nicht allein ob man Türke oder Kurde ist, entscheidet über politische Fortschrittlichkeit. Die Jugendlichen und die Frauen werden durch die patriarchale Familie überall unterdrückt. Die ArbeiterInnen in Ankara werden an ihrem Arbeitsplatz genau so ausgebeutet wie die ArbeiterInnen in Mardin. Und an keinem Ort in der Türkei ist es leicht, sich als homosexuell zu outen. Obwohl die HDP sich offen gegen Frauenunterdrückung, Ausbeutung und für sexuelle Freiheit ausspricht, geht ihr Programm nicht an die Wurzeln des Problems. Natürlich muss man den Kampf der KurdInnen gegen den unterdrückerischen türkischen Staat unterstützen, der ihnen seit Jahren viele Rechte verwehrt, jedoch wäre ein autonomer kurdischer Staat nicht automatisch ein sozialistischer, der frei ist von all diesen Problemen. Ebenso wenig wird in keinem Parlament der Welt jemals über die Enteignung und Vergesellschaftung von Produktionsmitteln abgestimmt werden.

Es ist vergeudete Zeit, abzuwarten, welche Regierung sich die AKP zusammen bastelt und es ist gefährlich zu glauben, dass sich Erdogan moralisch belehren lässt. Für die Ziele, die die HDP erreichen will, ist ein revolutionärer Kampf unausweichlich. Der momentane Kurs der HDP, der auf eine bloße Reformierung und punktuelle Veränderung des Staates ausgerichtet ist, wird keine wesentlichen Erfolge erringen, sondern statt dessen zu einer großen Enttäuschung der WählerInnen führen.

Die HDP muss soziale Kämpfe im ganzen Land organisieren, die sich gegen die neoliberale Wirtschaft richten, gegen die Unterstützung von reaktionären Kräften wie dem Islamischen Staat und natürlich gegen die Unterdrückung sämtlicher Minderheiten in der Türkei. Die Basis dafür findet sich bereits in der Wählerschaft der HDP. Dieses große Potenzial, das vor allem in der Jugend liegt, muss durch ein revolutionäres Programm in die Tat umgesetzt werden, um eine gerechte, sozialistische Türkei aufzubauen.

Wir sagen deutlich:

  • Keine Beteiligung der HDP an einer Regierung mit Nationalisten, Islamisten und Faschisten!
  • Für einen säkularen Staat (Trennung von Staat und Religion)!
  • Aufbau einer landesweiten ArbeiterInnenpartei und Kampf um ein revolutionäres Programm in- und außerhalb der HDP!

Tek yol – Devrim! One solution – Revolution!

Ein Artikel von Svenja Spunk und Mahir Gezmis, REVOLUTION Berlin

1 Das Alewitentum bezeichnet eine religiöse Gruppe. Es gibt zwar eine historische Verbindung zum schiitischen Islam, jedoch bezeichnen sich auch viele Alewiten nicht als Muslime. Etwas 15 Prozent der Einwohner in der Türkei sind Alewiten, jedoch sind sie dort bis heute nicht als religiöse Minderheit anerkannt.
2 Der Kemalismus war die Staatsideologie der Türkei, die 1923 von Mustafa Kemal Atatürk gegründet wurde. Ein besonders wichtiger Aspekt ist der Laizismus, also die Trennung von Staat und Religion, aber auch der Nationalismus, welcher sich gegen ein multiethnisches Staatskonzept richtet, wie es im osmanischen Reich bestand. Der Kemalismus verankert das „Türkentum“ in der Verfassung, auf dessen Beleidigung Strafen erfolgen. Durch diese Staatsideologie wurden Grundsteine zur Unterdrückung vieler Minderheit in der Türkei gelegt, zum Beispiel der Kurd_innen oder Armenier_innen.




Der G7-Gipfel in Elmau 2015

Nach Heiligendamm 2007 kommt der G7-Gipfel Anfang Juni zurück nach Deutschland. Der Gipfel hat sich als Ziel gesetzt die drängendsten Fragen für die Interessen des Kapitals zu behandeln: Weltwirtschaft und Handel, Außen- und Sicherheitspolitik, Entwicklungspolitik und Ernährungssicherung, Klima und Energie sind die dauerhaften Themen. Dieses Jahr steht nun auch die Flüchtlingsbewegung auf der Tagesordnung. Hauptziel des Gipfels ist eine gemeinsame Koordinierung der Politik zur Wahrung der jeweiligen Interessen des Kapitals – Dies bedeutet, wenn die Lösung darin besteht, das Millionen Menschen zunehmend verarmen, wird dies in Kauf genommen!

Doch schon seine Zusammensetzung zeigt, warum die G8/G7-Gipfel in der Vergangenheit solch großen Massenprotesten gegenüberstanden. Mit Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan, den USA und Kanada sind eigentlich alle Größen des westlichen Imperialismus vertreten. Die achte Kraft Russland, ist nach der Aneignung der Krim „bis auf weiteres“ von den Treffen ausgeschlossen worden. Die USA und EU haben ein Bedrohungsszenario aufgebaut welches Russland als den Aggressor darstellt. Dieser Konflikt ist Ausdruck des Wettkampfes der Machtblöcke Russland, China, USA und EU um die wirtschaftliche Stellung, Ressourcen und Einfluss. Ganz nach dem Prinzip „Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“ wird das militärische Potenzial präsentiert: Der amerikanische „Dragoon Ride“, ein Konvoi mit 70 Radpanzern 1800 Kilometer durch Osteuropa endete Anfang April. Russland vollzieht Luft- und Marine Manöver beispielsweise in der Ostsee oder Truppenübungen an der ukrainischen Grenze. Weltweit sind die Rüstungsausgaben nach oben geschossen, vor allem in Osteuropa.

Die Krise des Imperialismus bedeckt die Welt mit Krieg

Tatsächlich gibt es diesem Kampf kein Böse und kein Gut. Die imperialistischen Staaten führen diesen Kampf mit allen Mitteln. Lüge, Propaganda, Einschüchterung politischer Gegner und sogar Mord. Fünf Milliarden Dollar haben die vereinigten Staaten laut der Vizeaußenministerin in die pro-westliche Opposition in der Ukraine investiert, zum Sturz der pro-russischen Regierung und der Etablierung eines „Europa offenen“ Systems. Beide Machtblöcke heizen in ihren Einflussgebieten nationalistische Strömungen an, um sich den Rückhalt der Bevölkerung in der Ukraine zu sichern.

Auch Deutschland unterstützte das Wahlbündnis für Poroschenko, welches auch von den Milizen des „Rechten Sektors“ getragen wurde. Diese begingen zu maßgeblichem Anteil das Massaker am 2.5.2014 im Gewerkschaftshaus in Odessa, bei dem 81 Menschen ums Leben gekommen sind. Die Armee, Polizei und Justiz in der Westukraine sind teils von offenen Faschisten durchsetzt, weshalb Mord oder Folter an politischen Gegnern meist unter den Teppich gekehrt wird. So wurde der Anführer des rechtsradikalen Asow-Bataillons Wadim Trojan sogar kürzlich zum Polizeichef von Kiew ernannt.

Natürlich sorgt solch eine doppelzüngige Außenpolitik immer wieder für Widerstand, wenn die imperialistischen Blöcke auf ihren Gipfeln zusammen kommen. Die Treffen in Prag und Seattle konnten von den Blockierenden erfolgreich abgebrochen werden. Die Reaktion der Gipfelorganisatoren auf die meist jugendlichen Massenproteste: Mittlerweil finden sie in dünn oder unbesiedelten Gebieten statt, um die Außenwirkung des Treffens nicht gänzlich von Gegenprotesten dominiert zu sehen.

Die Tagesordnung des Gipfels zeigt auf, wie weit sich Realität und Lippenbekenntnisse der Herrschenden inzwischen auseinanderbewegt haben. Sie tragen die Verantwortung für eine Politik, die in Südeuropa Millionen Menschen fast ohne soziale Sicherungssysteme und über die Hälfte der Jugend arbeitslos hinter sich lässt. Ganz zu schweigen von der Festung Europa. Zäune, Überwachungstechnik und Frontex lassen Zehntausende an den Außengrenzen sterben, während in der Öffentlichkeit heuchlerisch berichtet wird, man solle den kriminellen Schleußer-Banden das Handwerk legen. Wenn sie also von der Bekämpfung dieser Probleme sprechen, geht es zu aller erst darum, die eigene Positionen und den Wirtschaftsapparat zu sichern. Hierfür werden Schulden, bankrotte Unternehmen und Banken durch öffentliche Gelder gestützt – Gewinne und Besitz bleiben selbstverständlich Privat. Es findet unter den Augen der gesamten Weltöffentlichkeit ein Geldtransfer von Arm zu Reich statt. Der wohl größte „legale“ Raubzug der Geschichte wird uns noch als die einzig sinnvolle Politik verkauft, obwohl seit der Krise die globale Verschuldung weiter zugenommen hat. Und während man Tarifrechte zerschlägt und Sozialsystem zerstört, wird massiv Geld in den Aufbau des europäischen Sicherheitsapparates gesteckt – Die eigene Bevölkerung als eines der potenziellen Ziele. Nichts fürchten die Herrschenden mehr als der Aufstand der perspektivlosen Jugend in ihren eigenen Ländern.

Wenn wir den Blick in den Nahen Osten wenden, ist die Lage noch verheerender. Ägypten, der Irak, Libyen und Syrien sind von Massenarbeitslosigkeit, Hunger und Armut zerrissen. Die jahrelange Inszenierung eines religiösen Konflikts zwischen Schiiten und Sunniten, hat das Land zerrissen und einen Bürgerkrieg gestürzt. Die andauernden Kämpfe und der Sturz der Saddam-Regierung hinterließen ein Machtvakuum, welches von islamistischen Organisationen wie Al Qaida oder dem IS gefüllt wurden. Die weltweite Krise des Kapitalismus brachten auch die lokalen „verbündeten Regime“ in Libyen und Ägypten ins Wanken und ließ sie letztendlich einstürzen. Auch in Syrien herrscht nun offener Bürgerkrieg zwischen dem Diktator Assad, den reaktionär-fundamentalistischen Banden des Islamischen Staates (IS) und den Rebellen. Der Imperialismus hat dieses Feuer geschürt und heizt es mit den Waffenlieferungen an seine verbündeten Staaten weiter an. Perfider Weise liefert das NATO-Mitglied Türkei Waffen und Logistik an die Einheiten des IS, um die kurdische Autonomie-Bewegungen durch ihren zu ersticken. Diese humanitäre Katastrophe zu lösen bedeutet für den Imperialismus jedoch erst einmal: Die Flüchtlingsströme zu stoppen, stabile Vasallenstaaten zu etablieren und die Erdgas- und Öllieferung für den eigenen Markt sicherzustellen.

Wo Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht

Äußern sich die Jugendlichen dieses Kontinents und tragen ihre Unzufriedenheit, ihre Meinung auf die Straße und vor die Türen der Herrschenden ist es schnell vorbei mit Grundrechten und körperlicher Unversehrtheit. Die, die Widerstand aufbauen, die für eine neue solidarische Gesellschaft kämpfen, werden durch mediale Hetze, wie etwa gegen Blockupy, als terroristisch eingestuft. Leo Trotzki schrieb zu seiner Zeit: „Gern würden sie alle Aktivitäten des Proletariats, die gegen die Interessen des Klassenfeindes gerichtet sind, als Terrorismus abstempeln.“
Und genau diese Taktik verwenden sie auch heute im Vorfeld des G7-Gipfels. Zum einen um eine allgemeine Abneigung und Distanzierung der Massen, den Protesten gegenüber,  herzustellen bzw. weiter zu festigen. Und zum anderen ’notwendige Maßnahmen für die „Sicherheit des Volkes“ zu legitimieren, wie die CDU/CSU besonders gern betont. Diese ‚Maßnahmen‘ sind nichts weiter als Repressionen des Staates, unter denen wir zusammen mit Jugendlichen auf der ganzen Welt zu leiden haben. Neben der Schaffung einer Anti-Terror Einheit in Deutschland, will die EU bündnisweite Polizei- und Armeeeinheiten aufstellen und nahezu alle Länder verschärfen ihre Gesetze gegen Demonstrationen.

Das aus den G8 die G7 geworden sind, hat ihren Einfluss nicht geschmälert, sondern ist eine Ausrichtung der Blöcke. Die internationale Koordinierung ihrer Politik ist gleichzeitig eine Kriegerklärung an uns. Denn der Kapitalismus beutet uns immer rücksichtsloser aus und verfeinert seinen Repressions- und Überwachungsapparat. Die Weltlage macht uns mit aller Schonungslosigkeit deutlich, dass die Überwindung der internationalen Krise, Hunger und Armut nur mit der Zerschlagung des kapitalistischen Systems und der damit verknüpften bürgerlichen Staaten einhergehen kann. Wir kämpfen deshalb als kommunistische Jugendbewegung für den Aufbau einer revolutionären Partei der ArbeiterInnen, für den Sturz des Kapitalismus und der Errichtung der Sozialistischen Revolution.

Unsere Ziele sind:

  • Für Massenmobilisierungen gegen die imperialistischen Absprachetreffen müssen die Gewerkschaften, Arbeiterparteien, linken Organisationen und Befreiungsbewegungen halbkolonialer Länder internationale Absprachen treffen, die verbindlich sind. Wir brauchen eine neue Arbeitereinheitsfront, die gegen die zunehmende Kriegsgefahr und die Auswirkungen der Krise politische Massenstreiks und unbefristete Generalstreiks organisiert.
  •  Die G7: nicht nur blockieren sondern zerschlagen. Wir fordern außerdem die unmittelbare Offenlegung aller Gehemiverträge und Absprachen, die auf diesen Treffen im verborgenen gemacht werden und Komissionen der Arbeiterinnenbewegung und der Gewerkschaften, die diese untersuchen.
  • Die Militärbündnisse von NATO, OVKS oder arabischer Liga gehören zerschlagen. Sie werden aber nicht durch Appelle an die Kriegstreiber aufgelöst werden, sondern nur durch eine antiimperialistische Arbeiter_innen und Jugendbewegung. Eine solche Bewegung muss sich auch an die proletarischen und bäuerlichen Soldat_innen richten, um sie gegen Krieg und Militarismus zu gewinnen, in Komitees und Räten für ihre demokratischen Rechte zu organisieren und sie im Kriegsfall gegen ihre eigene Regierung aufzubringen mit dem Ziel einer sozialistischen Revolution.
  • Dem System Imperialismus stellen wir die internationale Revolution entgegen, die die
    Unterdrückung der halbkolonialen Welt beendet und die Arbeiter_innen der imperialistischen Nationen befreit. Dieses Ziel kann aber nur durch den Aufbau einer neuen kommunistischen 5. Internationale und dem Aufbau einer revolutionären Jugendinternationale erreicht werden.

Ein Artikel von Mahir Gezmis und Carlson von und zu Dach, REVOLUTION Berlin




Verstärkte Repression: Spaltung und Unterdrückung

Zunächst mal: Repression, was ist das überhaupt? Wir könnten auch Unterdrückung dazu sagen. In diesem Fall die Unterdrückung, die die herrschende Klasse mittels des Staates ausübt. Den Repressionen eines kapitalistischen Staates liegt das Interesse zugrunde, die bestehende Ordnung aufrecht zu erhalten und die Interessen der Kapitalist_innen zu verteidigen und zu vertreten. Das gilt für eine bürgerliche Demokratie genauso wie für den Faschismus. Um dieses Ziel zu erreichen, wird repressiv gegen Widerstand vorgegangen und die Arbeiter_innenklasse – bewusst oder unbewusst – gespalten, z.B. entlang rassistischer Trennungslinien. Die rassistischen Polizeimorde an schwarzen Jugendlichen oder die Räumung von Flüchtlingscamps im letzten Jahr sind Beispiele dafür.

Einige dieser Repressionen laufen schon seit Jahrzehnten – z.B. jene Israels gegen die Palästinenser_innen. Andere treten erst auf, wenn sich etwa im Zuge einer Krise Widerstand gegen die bestehende Ordnung bildet. Vor allem seit dem Krisenausbruch 2008 haben soziale Bewegungen als Folge einer Verelendung breiter Teile der Bevölkerungen weltweit zugenommen.

Wir wollen hier einige exemplarische Beispiele für aktuell verschärfte Repressionsmaßnahmen geben.

Türkei: Ein weiterer Schritt Richtung Polizeistaat

Immer wieder gerät die türkische AKP-Regierung aufgrund von Repressionen ins Schussfeld, selbst von bürgerlichen Politkern. In der Türkei kommt es bei größeren Protesten immer wieder zu Toten durch die Polizei, so z.B. bei der Gezi-Bewegung 2013, den Protesten gegen die Arbeitsbedingungen in Bergwerken nach dem Grubenunglück von Soma 2014 oder vor allem bei verschiedenen kurdischen Demos.

Auch soziale Medien wie Twitter und Co. geraten immer wieder ins Visier des Staates und werden eingeschränkt und zensiert, was nun auch ohne Gerichtsbeschluss für 3 Tage legal ist.

Mit den neusten „Sicherheitsgesetzen“ der Regierung Erdogan ist aber eine neue Dimension, der Schritt zum Polizeistaat getan worden. Demos können ohne richterliche Instanz verboten werden. Wer einen Molotow-Cocktail mit sich führt darf erschossen werden, lange Haftstrafen stehen auf die Teilnahme an verbotenen Demos, in öffentlichen Gebäuden dürfen Polizeistationen eingerichtet werden und 48 Stunden unbegründete Isolationshaft sind auch kein Problem.

Von all diesen Maßnahmen werden die türkische Linke, Gewerkschaften, streikende Arbeiter_innen und vor allem der kurdische Befreiungskampf hart getroffen. Leider gibt es von deren Anführer_innen keinen nennenswerten Widerstand gegen die Gesetze.

Griechenland und Ukraine: Faschisten im Staat

An manchen Stellen bedienen sich die Herrschenden, aber nicht nur der eigenen, offiziell-staatlichen Kräfte, sondern spannen sich Faschist_innen vor den Karren.

Wie das gehen kann zeigen die Beispiele der Ukraine und Griechenlands, wobei die Lage in der Ukraine momentan zweifelsfrei die gefährlichere ist.

So paktierte und unterstützte der pro-westliche Teil der ukrainischen Oligarchie früh mit militanten, nationalistisch-faschistischen Kräften wie Swoboda und dem rechten Sektor um das Janukowitsch-Regime zu stürzen, ein eigenes zu errichten und um dann den Widerstand dagegen zu brechen. Beim Massaker von Odessa am 2. Mai letzten Jahres wurde das offen gezeigt.

Die faschistischen Kräfte stellen mittlerweile eigene Bataillone – darunter das berüchtigte Asow-Bataillon – beim Krieg gegen die Aufständischen und Zivilist_innen der Ostukraine. Zudem dienen sie auch im Polizei- und Geheimdienstapparat zur Unterstützung der neuen Regierung. Mittlerweile wird „die Verbreitung kommunistischer Propaganda“ mit harten Strafen geahndet, gegen Wehrdienstverweigerer wird ebenfalls vorgegangen.

Auch in Griechenland finden wir diesen Pakt in abgeschwächter Form. So konnten die Faschist_innen der „Chrysi Avgi“ linke Demos, LGBTIA und Migrant_innen in der Vergangenheit offenbar ungestraft angreifen. Auch findet eine polizeiliche Ausbildung der faschistischen Kräfte statt.

Zur Zeit finden in Griechenland zwar Prozesse gegen Mitglieder der Chrysi Avgi statt, jedoch wäre es eine gefährliche Illusion hier auf den Staat zu vetrauen. Wie die Ukraine bereits zeigte, ist ein Putsch schneller durchgeführt, als viele denken.

Das sollten vor allem die Anhänger Syrizas im Gedächtnis haben – auch wenn ihre Partei zur Zeit alles andere als eine ernsthafte Gefahr für das Kapital darstellt. Doch wenn Syriza irgendwann doch eine zu hinderliche Kraft für die (europäischen) Kapitalist_innen wird, ist es nicht ausgeschlossen, dass diese sich Faschist_innen vor den Karren spannen um die Abwälzung der Krise auf die arbeitende Bevölkerung zu sichern.

Spanien & Frankreich: Demonstrieren verboten?

Nicht nur in Griechenland, sondern auch in Spanien kam es zu großen Protesten gegen die EU-Sparpolitik. Immer wieder wurden in diesem Zusammenhang Demonstrationen verboten. Hierbei hat es sich die konservativ-neoliberale Rajoy-Regierung im letzten Dezember nun leichter gemacht.

Auf die Teilnahme an verbotenen Demos stehen 1000 € Strafe, verboten ist die Verbreitung von Videomaterial, welches Polizeigewalt zeigt. Weiter entscheidet künftig die Polizei – kein Gericht – was auf Demos gesetzeswidrig war und was nicht und kann Strafen von bis zu 600.000 € verhängen.

Da dieses Gesetz Tür und Tor für staatliche Willkür öffnet, ist das Gesetz vor allem eines: Die weitgehende Abschaffung des Demonstrationsrechts mit dem Ziel den Widerstand einzuschüchtern.

Aber nicht nur in Spanien, sondern auch in Frankreich scheint das Demonstrationsrecht in Frage zu stehen: Der Jugendliche Gaëtan wurde für die Teilnahme an einer Demo gegen den Polizeimord an einem Umweltaktivisten zu zwei Monaten Knast, 4 Monate Bewährung und 1.100 € Bußgeld verdonnert. Neben ihm wurde auch Andere eingesperrt.

Der Fall Gaëtan ist nur ein Teil der den Anschlägen auf Charlie Hebdo folgenden Repressionswelle. Die Ursachen von Terror sind Rassismus und Imperialismus – und genau das verstärkt die französische Regierung jetzt.

Deutschland und der G7-Gipfel: Repression in der Vorbereitung

Auch in Deutschland wird aufgerüstet – schließlich darf man die Ausschreitungen bei Blockupy nicht ungestraft lassen, da wurde das System in Frage gestellt. Wenn Flüchtlingsheime brennen, ist das natürlich nicht der Fall – da reagiert man lieber mit einer Asylrechtsverschärfung.

Außerdem steht im Juni ja der G7-Gipfel in Bayern an – darauf und auf den Protest will man sich gut vorbereiten. Also wurde nach Blockupy der Aufbau einer neuen „Antiterroreinheit“ angekündigt. Diese soll der Polizei unterstellt sein und wird wohl vor allem dazu genutzt werden, ungemütliche Linke zurechtzuprügeln.

Am Beispiel Blockupy und den G7 lässt sich übrigens ein für Repressionen sehr typischer Bestandteil erkennen – die Hetze zur Rechtfertigung. Da das Handeln von Staat und Polizei von der breiten Öffentlichkeit als gerechtfertigt wahrgenommen werden soll, werden auch schon mal Details weggelassen oder stumpf gelogen. In Frankfurt wurden über 80 Polizist_innen vom eigenen Tränengas verletzt, aber das das ein Eigenbeschuss war, erzählte die Polizeisprecherin nicht.

Auch die Proteste gegen den G7-Gipfel werden, ähnlich wie 2007 in Heiligendamm, bereits im Vorfeld kriminalisiert: In den letzten Wochen fand eine breite „Aufklärungskampagne“ in und um Garmisch statt, um zu verhindern, dass Landwirte den DemonstrantInnen Wiesen für die Errichtung eines Protestcamps zur Verfügung stellen. So wird bei der Bevölkerung eine Ablehnung gegen die Demonstrierenden erzeugt, noch bevor sich diese mit den Inhalten der Bewegung auseinander gesetzt hat.

Widerstand organisieren – aber wie?

Es bleibt die Frage, wie wir und die Arbeiter_innenklasse künftig Repressionen begegnen soll – denn wenn es zu Massenbewegungen, politischen Streiks und Betriebsbesetzungen kommt, wird das von der herrschenden Klasse stets bekämpft.

Militanz ist nichts, mit dem die eigene „Radikalität“ demonstriert wird, sondern sollte konkrete Ziele verfolgen und möglichst massenhaft und organisiert stattfinden, um diese zu erreichen.

Elementar ist hierfür einerseits die geeinte Aktion der organisierten Arbeiter_innenklasse um die größtmögliche Kampfstärke des Proletariats herzustellen – Revolutionär_innen müssen also stets Einheitsfrontangebote an Gewerkschaften und reformistische Organisationen machen. Die Ziele und Aktionen müssen hierbei von der Basis selbst beschlossen werden.

Andererseits sollten in den Kämpfen klare Strukturen etabliert werden. Das heißt: Demonstrationen brauchen zentrale Einsatzleitungen, die jederzeit wähl– und abwählbar sowie der Basis rechenschaftspflichtig sind, was auch ebenso für Streikleitungen gilt.

Unsere Bewaffnung und Kampftaktiken sollten den Gegebenheiten entsprechen – in Deutschland mögen Demoketten und Knüppelfahnen noch ausreichend sein, in Bürgerkriegen sind sie es freilich nicht mehr. Während in Spanien der Sparpolitik mit Streik begegnet werden kann, wären Streiks in den verbliebenen Betrieben der Ostukraine eine Schwächung des eigenen Widerstandes.

  • Freiheit für alle politischen Gefangenen! Sofortige Niederschlagung aller Verfahren!
  • Für die volle Meinungs- und Versammlungsfreiheit überall und jederzeit!
  • Für den Aufbau einer neuen Internationalen und einer Jugendinternationalen, um den Kämpfen eine revolutionär – sozialistische Richtung vorzuschlagen!
  • Lasst uns Arbeiter_innen- und Jugendkomitees aufbauen, lasst uns aus Komitees Räte machen! Lasst uns Milizen der Bewegung aufbauen, die gegen die Entdemokratisierung
    kämpfen und demokratische Errungenschaften schützen!
  • Für den Aufbau einer proletarischen Doppelmacht um die bürgerlich – repressiven Staaten zu bekämpfen und zu stürzen!

Ein Artikel von Lars Filder, REVOLUTION Fulda