Die Praxis der Leiharbeit – Bericht eines jungen Leiharbeiters

Da ich als 18jähriger mit Realschul-Abschluss von der Arbeitsagentur
Esslingen keinerlei Ausbildungs- oder regulären Arbeitsplatz angeboten
bekam, begann ich Mitte Februar eine Beschäftigung bei „persona Service
GmbH & Co.KG“ in Esslingen am Neckar, also einer Leiharbeits- bzw.
Zeitarbeitsfirma als „ungelernte Arbeitskraft“.
Mein Stunden-Entgelt betrug 7,75 € auf Basis einer 35 Stunden-Woche.
Das bedeutet, dass ich monatlich maximal zwischen 1.085 und 1.193 €
Brutto erreichen konnte.

Sklavenjob, Überausbeutung und Betrügereien

Es ist allgemein bekannt, dass für LeiharbeiterInnen in allen Bereichen schlechtere Bedingungen als für reguläre Arbeitsverhältnisse üblich sind: z.B. Urlaubsgeld (maximal 150 €), keine bzw. niedrigere Spät- und Nachtzulagen, deutlich weniger Urlaub usw. Dazu in meinem Fall ständig wechselnde Einsätze in einem weiten Umkreis, häufig auch körperlich schwere und sehr belastende Arbeit. Alles in allem ein Sklavenjob.

Meine Tätigkeit war vielseitig. Das klingt gut, bedeutet jedoch praktisch gerade das Gegenteil. Ich wurde ständig auf wechselnden Stellen eingesetzt: mal zum Maschinen-Putzen in einem Maschinenbau-Betrieb, dann zur Akkordarbeit (ohne Akkordzuschlag) an einer Verpackungsmaschine bei einem Lebensmittelhersteller, dann wieder als Hilfskraft bei Umzügen, dann Spätschicht (ohne Spätschichtzuschlag) in einem Metallbetrieb usw. Jedesmal jedoch war ich immer nur wenige Tage bei demselben Entleiher eingesetzt, bis dann der nächste „Einsatz“ kam.

Häufig kam es vor, dass „persona service“ gar keinen Einsatz für mich hatte. Dann sagte man mir jedesmal, ich solle mich bereit halten, man würde sich bei mir melden, sobald man wieder einen Einsatz für mich hätte. Laut Arbeitsvertrag hätte mich „persona service“ dennoch bezahlen müssen, da ja nicht ich für die Ausfallzeit verantwortlich war.

„Unentschuldigtes Fehlen“

Telefonisch und persönlich war ich immer erreichbar und einsatzbereit. Mein Handy war rund um die Uhr eingeschaltet. Zusätzlich meldete ich mich immer wieder telefonisch im Büro von „persona service“ und fragte, ob es eine Arbeit für mich gäbe. An jeweils 5 Tagen im Februar und im März sowie an 8 Tagen im April sagte man mir jedoch, sie hätten gerade keine Arbeit, ich solle mich jedoch bereit halten.

Tatsächlich verbuchte „persona service“ diese Tage jedoch als „Unentschuldigtes Fehlen“.

Ein weitgehend unbekanntes, aber bedeutendes Problem für LeiharbeiterInnen ist, dass immer gleichzeitig zwei „Arbeitgeber“ zuständig sind: Verleih- und Entleihbetrieb. Das bedeutet z.B., dass es schwierig ist, jemanden zu finden, der einem die Entgeltabrechnungen erklären kann. Allerdings habe ich auch nicht damit gerechnet, dass die Abrechnungen meiner Verleiher-Firma auf meine Kosten so falsch sein könnten.

Die Entgeltabrechnungen kamen immer erst zum Ende des nachfolgenden Monats. Die Februar-Abrechnung erhielt ich z.B. erst Ende März, die März-Abrechnung dann Ende April usw. Der Vormonat war deshalb in der Erinnerung kaum mehr present.

Für mich waren die Abrechnungen außerdem ziemlich unverständlich. Mein Problem war jedoch, dass ich leider meinem Arbeit“geber“ bei den Zahlenkolonnen vertraute – was dieser schamlos ausnutzte.

Vermutlich behauptet „persona service“, ich hätte tatsächlich unentschuldigt gefehlt. Dann müsste „persona service“ jedoch diejenigen Betriebe und die Arbeitsplätze mit den exakten Tagen nennen können, bei denen ich angeblich „unentschuldigt“ nicht zur Arbeit erschienen sein soll! Für „persona service“ müsste dies ein Leichtes sein, denn jeder Personaleinsatz wird mit dem Entleiher schließlich exakt abgerechnet. Fehlzeiten müssten dann auch dokumentiert sein.

Außerdem: Weshalb bekam ich nicht sofort beim ersten Mal „unentschuldigten Fehlens“ irgendwelche Konsequenzen zu spüren – noch nicht mal eine Abmahnung?!

Was geschieht denn üblicherweise mit einem Arbeit“nehmer“, der bereits in den ersten 3 Monaten seiner Beschäftigung dermaßen häufig „unentschuldigt“ fehlt!? Es gibt genügend Fälle, bei denen selbst entschuldigtes Fehlen während der Probezeit zur sofortigen Kündigung führt. Was dann erst bei „unentschuldigtem“ Fehlen?

Ich behaupte: LeiharbeiterInnen sind Beschäftigte zweiter Klasse. Bezahlung und Arbeitsbedingungen sind deutlich schlechter als in regulären Arbeitsverhältnissen. Die Not von Leiharbeitern wird besonders von den Personalagenturen schamlos ausgenutzt – selbst dann, wenn die Arbeitsverträge und die Bezahlung korrekt eingehalten werden. Was aber, wenn auf Kosten der Leiharbeiter getrickst und betrogen wird? Nicht nur ich empfinde dies persönlich als kriminell!

Vorsätzlicher Betrug gilt normalerweise als Straftat. Allerdings gelten wohl unterschiedliche Maßstäbe dabei, wer wen betrügt. Betrügt z.B. ein abhängig Beschäftigter seinen Arbeit“geber“, drohen ihm schnell Gefängnis, mindestens aber saftige Geldstrafen, in jedem Fall aber die Kündigung – was durchaus den Verlust der Existenzgrundlage bedeuten kann.

Betrügt dagegen ein Arbeit“geber“ seine Leute, droht ihm allerhöchstens die Nachzahlung des eigentlich „korrekten“ Entgelts. Etwas Schlimmeres als vielleicht noch einen Imageverlust braucht insbesondere eine Leiharbeitsfirma ja wohl nicht zu fürchten.

Ich selbst habe, nachdem ich schließlich Ende Mai meine April-Abrechnung mit den dann angeblichen 8 Fehltagen erhielt, umgehend fristlos gekündigt. Denn obwohl ich dadurch kurzfristig ohne Beschäftigung und ohne Einkommen war, konnte ich unter diesen Bedingungen unmöglich weiterarbeiten.

Meinen vorenthaltenen Arbeitslohn habe ich nachträglich bei „persona service“ eingefordert – erfolglos. Also ging ich zum Arbeitsgericht. Dort wurde für mich ein „Gerichtliches Mahnschreiben“ aufgesetzt, wogegen „persona service“ jedoch Widerspruch einlegte. Also verfasste ich ein Klageschreiben.

Am 26. August 2011 um 10:30 ist „Gütetermin“ beim Arbeitsgericht Stuttgart.

Der Termin ist öffentlich. Ich hoffe, dass viele UnterstützerInnen kommen!

Ich weiß nicht, ob ich ein Einzelfall bin – für mich persönlich ist dies letztendlich egal. Was ich jedoch erreichen will, ist neben der Nachzahlung meines ausstehenden Lohnes, dass die Vorgehensweisen von Leiharbeitsfirmen wie „persona service“ öffentlich bekannt werden. Denn solchen Methoden, sich auf Kosten der Schwächsten am Arbeitsmarkt zusätzlich zu bereichern, sind das Letzte!

Mein persönlicher Fall bestätigt jedoch meine Meinung zutiefst: Leiharbeit gehört generell abgeschafft und verboten!

image_pdfimage_print

Related Posts

Besuch uns auch auf

Unser Programm

Neueste Zeitung

Zeitung Februar 2024

Archiv