Es ist die Zeit des Jahres, aber welche Bedeutung hat der ganze Weihnachtstrubel wirklich im kapitalistischen System? Jedes Jahr scheint Weihnachten früher zu beginnen. Kaum sind die Halloween-Kostüme aus den Schaufenstern verschwunden, werden sie durch Plastik-Weihnachtsbäume, Schoko-Kalender und Schnee aus Sprühdosen ersetzt. Während Weihnachten eigentlich eine „magische Zeit“ sein sollte, ist es für viele einfach nur unglaublicher Stress, indem man plötzlich zwanghaft seine ganze Familie lieb haben muss.
Vor allem für Frauen ist der Druck in dieser Zeit besonders hoch. Nehmen wir einmal die Werbungen im Fernsehen, die sie dazu animieren sollen, einzukaufen, so dass sie diejenigen sein können, die Weihnachten zu einer Veranstaltung machen, die den eigentlich ideologischen Zweck auch erfüllt, nämlich das fest verwurzelte Bild der Frau aufrecht zu erhalten. Diese hat sich um die Familie, die Küche und die Gäste zu kümmern, besonders Ende Dezember.
Das jährliche Weihnachts-Ritual ist wichtig für den Kapitalismus: es bringt normalerweise viel Geld ein. Die Leute geben viel aus, meist mehr als sie sich eigentlich leisten können, nicht nur für Geschenke, sondern auch für das Festessen und die Reisekosten zu ihrer Familie.
Man betrachtet die Kommerzialisierung dieser Feiertage kritisch. Der im 16. Jahrhundert zum Leben erweckte Weihnachtsmann, der anschließend mit einem anderen Volksmärchen verbunden wurde, nämlich dem Sankt Nikolaus, welcher ein griechischer Bischof war, der angeblich Nonnen aussendete, um den Armen Geschenke zu bringen, welche sie ihren Familien geben konnten.
Heute ist der Weihnachtsmann das Maskottchen der Spielzeugindustrie, der Inbegriff für das Konsumdenken, gekleidet mit der Fühl-dich-gut-Sentimentalität, tief eingebettet in die kulturelle Tradition von Milliarden von Menschen. Wir sollten auch darüber nachdenken warum, wenn der Weihnachtsmann nur Geschenke an die braven Kinder verteilt, die Reichen immer so viele und so tolle Geschenke bekommen.
Kaufen, kaufen, kaufen!
Viele Leute aus der Linken denken kritisch über das, was sie als Konsumkultur sehen. Die Idee, das wir durch die Massenmedien oder unseren achtlosen Konsum Teil des kapitalistischen Systems geworden sind, ist weit verbreitet. Sie kam auf durch Leute wie Daniel Bell und Theodor Adorno in den 1950er und 60er Jahren, die dafür argumentierten, dass das wirtschaftliche Wachstum eine „post-politische“ Gesellschaft hervorbringe, in der Klassengegensätze und -kämpfe abnehmen würden. Es war die Periode von noch nie dagewesenem Wachstum und der Beginn der Idee, jede Generation würde es besser haben als die vorherige.
Aber die Konsumkultur, in der wir heute leben, ist vielmehr ein Produkt der wiederaufstrebenden Löhne nach dem Krieg und den billigen Krediten, die die Bosse in dem Prozess der Globalisierung ausnutzten, um ihrem System einen massiven Aufschwung zu geben. Fallende Preise und billige Kredite ermutigten die Konsumenten, Geld auszugeben und erlaubten es Millionen, sich in das System „einzukaufen“ und zu spüren, dass auch sie am Kapitalismus teilhaben können. Heute fallen die Löhne und die Kredite sind uns ein Klotz am Bein, viele sind nicht in der Lage, den Lebensstandard zu erreichen, den unsere Eltern oder Großeltern hatten. In diesem Sinne ist es falsch, auch wenn es stimmt, dass die Leute weniger aktiv an sozialistischer Politik beteiligt sind, dass dies ein Resultat von Konsumdenken ist. Die Leute sind nicht weniger politisch aktiv, weil sie mehr konsumiert haben, sie sind weniger politisch aktiv, weil sie gemerkt haben, dass sich ihr Leben unter dem momentanen System irgendwie verbessert hat, warum sollte man es also abschaffen?
Aber der steigende Verbrauch ist nur ein Nebenprodukt dessen, nicht der Grund. Es war der deutsche Marxist Walter Benjamin, der die Rolle des Konsumverhaltens prüfte und wie die herrschenden Eliten versuchen, unsere Aussichten des Lebens zu formen und zu beeinflussen. Überflutet zu werden mit Konsumgütern stellt ebenfalls ein Problem dar für die Herrschenden, da es uns eine Erfüllung unserer Bedürfnisse verspricht, die wir kaum erreichen können. Wir können niemals alle Dinge besitzen, von denen uns gesagt wird, dass wir sie haben sollten – das beweist der „unpolitische“ Aspekt der Riots im Sommer in England. Die Begierde nach teuren Schuhen oder Plasma-Fernsehern, während Gehälter gekürzt, ArbeiterInnen entlassen und Sparpakte geschnürt werden.
Diese Enttäuschung, die Lücke zwischen dem, was versprochen wurde und dem, was tatsächlich möglich ist für die Mehrheit, öffnet einen Raum, der radikalisiert werden kann, wenn er verbunden ist mit einer antikapitalistischen Kritik, eher als ein Gefühl der Apathie gegenüber der politischen Aktion.
Weihnachten nach dem Kapitalismus
Macht man einen Schnitt durch die vom Konsumwahnsinn verfremdete Gesellschaft und dem künstlichen „guten Willen“ in der Weihnachtszeit, stößt man auf das Gefühl, in einer Welt zu leben, in der die alltäglichen Probleme auf der Arbeit oder zwischen den Menschen verflogen sind, wo man getrost Freude und eine vergnügte Zeit zusammen genießen kann. Es ist nicht nur die christliche Botschaft die lügt, zunehmend verschleiert und verpackt in Disney-Kitsch, die in uns das Mitgefühl wecken soll. Wir überhäufen uns mit Geschenken und jeder denkt sich, warum nicht jeden Tag Weihnachten sein kann. Aber warum sollte es denn nicht so sein?
Die Idee von Wohlwollen und Frieden auf der ganzen Erde, die Wohlfühl-Filme, die im Fernsehen laufen, die klassische Weihnachtsgeschichte von Dickens und der Wandlung eines widerwärtigen Kapitalisten hin zu einem netten Kerl sind alle Teil einer ideologischen Botschaft über die menschliche Gesellschaft, Vergebung und Toleranz. Normalerweise würde man obdachlose Leute ignorieren, aber im Dezember ist das ein wenig anders. Vielleicht kann man auf der Arbeit ein bisschen früher gehen, um mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Man freut sich darüber und nimmt stillschweigend hin, dass man den Rest des Jahres miserabel behandelt wird, dass man Opfer eines zunehmend stressigen Arbeitslebens ist, das einen aufreibt. Man sollte sich fragen, warum wir ausgerechnet zu Weihnachten auf einmal nett zueinander sein sollen.
Weihnachten ist die Zeit der gemischten Gefühle, es kann berauschend und frustrierend sein, ein Hoch- oder ein Tiefpunkt im Jahr. Als Teil des Kampfes für die menschliche Befreiung müssen wir kritisch gegenüber dieser kapitalistisch manipulierten Auszeit sein, da sie von den Kapitalisten genutzt wird, um einen Nutzen für sich daraus zu ziehen und einen bestimmten Lebensstil festzulegen.
Es gibt keine Kristallkugel, in die wir starren können, um ein Bild vom Leben nach dem Kapitalismus zu erspähen. Aber eine Gesellschaft, die den Kapitalismus ersetzt, wird notwendigerweise eine sein, die sich auf die Abschaffung der Ausbeutung gründet. Eine Gesellschaft, in der es kein Privateigentum gibt, in der die Profitlogik nicht mehr existiert, wodurch die Armut zu Hause und die Entfremdung am Arbeitsplatz endlich aufhören würden. Es wäre eine Gesellschaft, in der die Produktivkräfte dafür verwendet werden würden, Probleme wie Wohnungsmangel, Bildung und Unterdrückung zu bekämpfen, nicht um massiven Wohlstand für einzelne Individuen zu fördern. Die Welt wäre gelenkt von Solidarität, Mitgefühl und kollektiver Aktion anstatt von Selbstsüchtigkeit, Individualismus und Gier. Besser als alle Weihnachtsfeste zusammen!
Ein Artikel von Simon Hardy, „Workers Power“, übersetzt von Sonja Spunk