Aufbruch und Zerfall – 75. Jahrestag der Gründung der Vierten Internationale

Vor einigen Tagen jährte sich die Gründung der vierten Internationale zum 75. mal. WIr veröffentlichen hier einen Artikel aus der „Neuen Internationale“ der Zeitung der „Liga für die 5. Internationale“, einer internationalen kommunistischen Arbeiterorganisation, mit der wir in politischer Solidarität stehen.

1917 brach in Russland der Sturm der proletarischen Revolution in Europa los. Doch der Verrat der Sozialdemokratie und die politische Unreife und Schwäche des Kommunismus führten zur Isolierung der jungen Sowjetunion.

Das Steckenbleiben der internationalen Revolution führte auch zu einer Verschiebung des sozialen und politischen Kräfteverhältnisses in der Sowjetunion. Eine politische Kaste, die Sowjetbürokratie, konnte sich der Errungenschaften der Oktoberrevolution bemächtigen und die politische Macht monopolisieren. Ihr Aufstieg und ihre Machtergreifung sind untrennbar mit der politischen Degeneration der sowjetischen Innen- und Außenpolitik und der Kommunistischen Internationale (Komintern) verbunden.

Der Internationalismus der frühen Komintern und des Bolschewismus wurde durch Stalins reaktionäre und utopische Politik des „Aufbaus des Sozialismus in einem Land“ ersetzt.

Die Politik der Stalin-Bürokratie schwankte über ein Jahrzehnt lang zwischen rechts-opportunistischen Positionen (z.B. in der chinesischen Revolution) und ultra-linken Phasen (Sozialfaschismus-Theorie). Selbst nach der Machtergreifung der Nazis in Deutschland zeigten sich weder die KPD noch die Komintern zu ernsthafter Selbstkritik fähig.

Stattdessen erfolgte ein krasser politischer Schwenk. War der Stalinismus bis Mitte der 1930er Jahre durch das Schwanken zwischen Reform und Revolution im Weltmaßstab gekennzeichnet, so erfolgte ab Mitte der 1930er mit der “Volksfrontpolitik” der endgültige Übergang ins Lager des Reformismus.

Gegen die Degeneration der Komintern hatte sich schon früh Widerstand formiert. Doch nur die Linke Opposition um Trotzki verfolgte von Beginn an ein Programm zur Wiederherstellung der Komintern auf revolutionärer, leninistischer Basis, was ihre Programmatik und ihr inneres Regime anging.

Die Linke Opposition

Trotzki ging es nicht in erster Linie um Kritik an Stalin, sondern v.a. um die Verteidigung und Weiterentwicklung des politisch-programmatischen Erbes der Kommunistischen Internationale, insbesondere deren erster vier Kongresse.

„Die revolutionäre Politik kann nicht ohne revolutionäre Theorie entwickelt werden. Es geht hier keineswegs darum, ganz von vorne anzufangen. Wir stellen uns auf den Boden von Marx und Lenin. Die ersten Kongresse der Kommunistischen Internationale haben uns ein unschätzbares programmatisches Erbe hinterlassen: die Charakterisierung unserer Epoche des Imperialismus, d.h. des Niedergangs des Kapitalismus; die Natur des zeitgenössischen Reformismus und die Methode des Kampfes gegen ihn; das Verhältnis zwischen Demokratie und proletarische Diktatur; die Rolle der Partei in der proletarischen Revolution; das Verhältnis zwischen der Partei und dem Kleinbürgertum, besonders der Bauernschaft (Agrarfrage); die nationale Frage und der Kampf der Kolonialvölker für ihre Befreiung; die Arbeit in den Gewerkschaften; die Politik der Einheitsfront; die Haltung zum Parlamentarismus usw.; alle diese Fragen waren im Laufe der Arbeit der vier Kongresse Gegenstand von Analysen und prinzipiellen Erklärungen, die in keinem Punkt überholt sind.“ (Trotzki, 17.8.33)

Bis 1933 hatte die Internationale Linksopposition noch den Kampf für die Gesundung der Kommunistischen Internationale ins Zentrum gestellt. Der Sieg des Faschismus zeigte dann jedoch, dass sie als Instrument zum Sturz des Weltkapitalismus vollends verloren und nicht reformierbar war.

Nun wurde der Kampf für den Aufbau einer neuen, Vierten Internationale aufgenommen. Bei aller Verschiedenheit der Aufbauphasen und Taktiken zieht sich ein roter Faden durch die Politik Trotzkis: die Verbindung programmatischer und politischer Unnachgiebigkeit mit taktischer Flexibilität (Blöcke mit nach links gehenden Zentristen, Entrismus in reformistische Parteien, Taktik der Arbeiterpartei …).

Für die Vierte Internationale!

„Wie auch immer eine neue Internationale Form annehmen wird, welche Stadien sie durchlaufen wird, welche abschließende Form sie annehmen wird – das können wir heute nicht voraussagen. Ja, es gibt keine Notwendigkeit, das zu wissen. Das wird die Geschichte zeigen. Aber es ist notwendig, damit zu beginnen, ein Programm zu proklamieren, das den Aufgaben der historischen Epoche entspricht. Es ist notwendig, Mitstreiter auf der Basis dieses Programms zu mobilisieren, die Vorkämpfer einer neuen Internationale. Ein anderer Weg ist nicht möglich.“ (Trotzki, Writings 35-36, S. 159)

Das Programm, so Trotzki, ist die Partei. Es ist die wissenschaftlich begründete Zusammenfassung der bisherigen historischen Erfahrungen der Arbeiterklasse. Es ist ein Programm, das von den objektiven Verhältnissen ausgeht und daraus ableitet, welche Aufgaben die Arbeiterklasse hat, welche Taktiken und Methoden die Avantgarde der Klasse anwenden muss, um die Massen zum Sieg zu führen.

„Was ist nun die Partei? Worin besteht ihr Zusammenhalt? Dieser Zusammenhalt ist das gemeinsame Verständnis der Ereignisse, der Aufgaben; und dieses gemeinsame Verständnis – das ist das Programm der Partei“, so Trotzki.

Ein solches Programm muss nach Trotzkis Auffassung von der objektiven Lage ausgehen.

„Überall frage ich, was sollen wir tun? Unser Programm der objektiven Lage oder der Mentalität der Arbeiter anpassen?“ (Diskussion zum Programm, S. 67)

Trotzki Antwort darauf ist eindeutig, ja kategorisch:

„Jetzt treten die Vereinigten Staaten in eine vergleichbare Lage (wie Europa; die Red) ein, mit vergleichbaren Gefahren einer Katastrophe. Die objektive Lage des Landes ist in jeder Hinsicht und sogar mehr als in Europa reif für die sozialistische Revolution und für den Sozialismus, reifer als die jedes anderen Landes der Welt. Die politische Rückständigkeit der amerikanischen Arbeiter ist sehr groß. Diese ist der Ausgangspunkt unserer Aktivität. Das Programm muss die objektiven Aufgaben der Arbeiterklasse eher ausdrücken als die Rückständigkeit der Arbeiter. Es muss die Gesellschaft widerspiegeln so wie sie ist, und nicht die Rückständigkeit der Arbeiter.“ (Diskussion zum Programm, S. 57)

Trotzki folgt damit dem Gebot von Marx und Luxemburg, dass KommunistInnen ihre Ziele offen und klar darlegen müssen. Es geht darum zu sagen, „was ist“ – was notwendig ist, die Arbeiterklasse zum Sieg zu führen. Dazu muss sich die Avantgarde der Klasse, müssen sich die bewusstesten Teile des Proletariats in einer revolutionären Partei organisieren – auf Basis eines solchen Programms, das sowohl der Partei (der Führung wie den Mitgliedern) als auch der Klasse die Überprüfung ihrer Politik erlaubt (so wie auch die Partei im Lichte der Erfahrung ihr Programm modifizieren wird).

Für Trotzki ist das Programm eine Anleitung zum Handeln, eine Anleitung, die „Tageskämpfe“ der Arbeiterklasse, ja alle Formen des Kampfes gegen Unterdrückung und Ausbeutung mit dem Kampf um die Eroberung des Macht zu verbinden. Daher knüpft er an der Methode der Übergangsforderungen an, wie sie schon bei Marx im “Kommunistischen Manifest” erscheinen.

Auch die Kommunistische Internationale hatte nach dem Abebben der Revolution nach 1918/19 begonnen, den Defensivkampf und die Abwehrfront gegen Angriffe der Kapitalisten mit Übergangsforderungen zu verbinden, um so eine Brücke zum Kampf für den Sozialismus zu schlagen.

Unter Übergangsforderungen verstehen wir Forderungen wie „Arbeiterkontrolle über die Produktion” usw., die allesamt in Richtung Schaffung von Doppelmachtorganen (Räte, Arbeitermilizen, Streikkomitees) der Klasse weisen und auf Dauer mit dem Fortbestand des Kapitalismus unvereinbar sind.

Die zentrale Bedeutung der Übergangsforderungen ist im Gründungsprogramm der „Vierten Internationale“ klar dargelegt.

Übergangsmethode

Ein „Übergangsprogramm“ muss sowohl aus aktuellen, unmittelbaren ökonomischen und politischen Forderungen, aus Maximalforderungen wie auch aus Übergangsforderungen bestehen, die eine Brücke schlagen zwischen dem aktuellen Bewusstsein der Klasse, das vorwiegend reformistisch oder gewerkschaftlich geprägt ist, und dem Kampf um die Macht.

Dieser neue Typ von Programm macht jedoch nur aus dem Blickwinkel der sozialistischen Revolution Sinn. Für jeden Reformismus ist die Überwindung von Maximal- und Minimalprogramm sinnlos, da die Machtergreifung ohnedies nicht angestrebt wird.

Ebenso wenig macht es für Sektierer Sinn, die meinen, ohne Taktik, ohne die Heranführung und Gewinnung der Massen in der theoretischen und praktischen Konfrontation mit Reformisten und Gewerkschaftsführern nur durch reine „Kritik“ und „Aufklärung“ die ArbeiterInnen gewinnen zu können.

Programm und Partei jedoch sind Kampfinstrumente, um die Führung der Klasse zu erringen. Dazu ist ein taktisches Arsenal nötig, das den Kampf gegen reformistische, kleinbürgerliche etc. Strömungen (einschließlich einer Bündnispolitik gegen Imperialismus und Kapital) überhaupt ermöglicht.

Ein weiterer wesentlicher Aspekt der Gründung der Vierten Internationale war Trotzkis Bestehen darauf, dass die revolutionäre Partei von Beginn an international aufgebaut werden muss. Jedes Warten nach dem Motto „Zuerst nationale Parteien – danach internationaler Zusammenschluss” würde von Beginn an die Gefahr der Nationalborniertheit beinhalten – und damit der Wiederholung der nationalen Anpassung von Sozialdemokratie und
Stalinismus.

Die Gründung

Der Aufbau einer revolutionären Internationale ergibt sich also folgerichtig aus dem Charakter des Imperialismus, als Niedergangsstadium, als Übergangsepoche vom Kapitalismus zum Sozialismus. Das Proletariat kann zwar in einem oder einer Reihe von Ländern siegen – der Übergang zum Sozialismus, zur klassenlosen Gesellschaft ist aber nur im internationalen Rahmen möglich. Daher ist auch die internationale Verbindung der revolutionären ArbeiterInnen von Beginn an so wichtig.

Die Vierte Internationale entstand im September 1938 als Organisation von Propagandaorganisationen und kleinen Avantgardeparteien. Ihre Gründung war aber trotz ihrer geringen Größe notwendig und korrekt. Ein weiteres Hinauszögern der Gründung hätte nicht – wie Kritiker meinen – zu einem späteren, besseren Start mit „mehr Masse“ geführt, sondern Isolation, Verwirrung und Schwäche der Avantgarde nur noch verstärkt.

Dass die Vierte Internationale nicht zur Massenkraft wurde, spricht nicht gegen das Projekt, sondern eher für die verstärkte Schlagkraft ihrer politischen Gegner und die Fähigkeit des Kapitalismus, im Verbund mit dem Stalinismus die Weltordnung nach 1945 auf dem Rücken der Arbeiterklasse zu stabilisieren.

Eine spätere Gründung der “Vierten”, ein Warten auf das Anwachsen nationaler Parteien usw. hätte nicht geholfen, sondern bestenfalls zur Wiederholung des Fehlers der sozialistischen Linken vor und während des Ersten Weltkriegs geführt: einer verspäteten fraktionellen und programmatisch fundierten Sammlung.

Die “Vierte” basierte auf einer politischen Perspektive. Der nahende imperialistische Weltkrieg wurde korrekt vorausgesehen. Seine barbarischen Konsequenzen wie der Holocaust wurden von Trotzki schon in den 1930er Jahren erkannt.

Degeneration

Die Vierte Internationale ging davon aus, dass der Krieg auch zu einem Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion führen und sich zeigen würde, dass die Stalin-Bürokratie zur Verteidigung des Landes gegen Imperialismus und kapitalistische Restauration unfähig wäre. Entweder, so Trotzki, würde der Arbeiterstaat zerschlagen und der Kapitalismus wieder restauriert oder aber – und dafür kämpfte die “Vierte” – eine politische Revoltion stürzt die Bürokratie und bringt die Arbeiterklasse wieder an die Macht.

Zudem sah man voraus, dass der Krieg mit einer Reihe von Kolonialaufständen gegen den britischen, französischen und japanischen Imperialismus einhergehen würde.

Ähnlich wie die InternationalistInnen im ersten Weltkrieg ging die „Vierte“ davon aus, dass der imperialistische Krieg von einem reaktionären Völkergemetzel zu einem Bürgerkrieg gegen die imperialistische Bourgeoisie transformiert werden könne und müsse.

Die letzte Phase des Weltkriegs und die unmittelbare Nachkriegsperiode verdeutlichen das reale revolutionäre Potential in Europa und in den imperialisierten Ländern.

Doch entgegen Trotzkis Annahme konnte sich der Stalinismus behaupten und sogar ausweiten. Das Überleben das Stalinismus und die Neuordnung der imperialistischen Welt unter Führung der USA sowie die aufgrund der riesigen Kapitalvernichtung und massiven Niederlagen der Arbeiterklasse geschaffenen Voraussetzungen für einen ökonomischen Aufschwung führten Ende der 1940er zu einer konterrevolutionären Stabilisierung der Weltlage.

Auf diese Änderung der Weltlage war die Vierte Internationale nicht vorbereitet. Die wichtigsten ihrer Führer und Sektionen weigerten sich hartnäckig, diese neue Situation ernsthaft zu untersuchen. Aus der Einschätzung von 1938 wurde ein Fetisch gemacht.

 

Konterrevolutionäre Stabilisierung

Deutlich zeigte sich das darin, dass ein weiterer Weltkrieg als unmittelbar bevorstehend betrachtet wurde und die Zeichen für einen Aufschwung der US-Wirtschaft und ihre hegemoniale Rolle negiert wurden (insbesondere von der SWP in den USA).

Das Überleben und umso mehr die Expansion des Stalinismus desorientierten die „Vierte“ komplett. Der Bruch Titos mit Stalin und die unter den jugoslawischen Stalinisten von oben bürokratisch durchgeführte Enteignung der Bourgeoisie und die Errichtung eines von Beginn an degenerierten Arbeiterstaates führte die „Vierte“ 1948 zur Anpassung an den Stalinismus.

Tito hätte aufgehört, ein „Stalinist“ zu sein. Daher wären dort eine politische Revolution und der Aufbau einer revolutionären Partei nicht mehr nötig. In anderen Ländern wurde den Anhängern Titos die Fusion angeboten.

Die Vierte Internationale erklärte Tito zum „unbewussten (!) Revolutionär“, der entgegen seiner eigenen Absicht vom „objektiven Prozess“ (dem Druck der Arbeiterklasse, der Zuspitzung und Krise der Weltlage) dazu gezwungen worden sei (und mit ihm der stalinistische KP-Apparat!), den Weg der proletarischen Revolution einzuschlagen.

Dieser heute sonderlich anmutende Bruch mit der Analyse des Stalinismus wurde in den folgenden Jahren auch von den Abspaltungen der “Vierten” nicht ausreichend analysiert und daher oft genug wiederholt.

Wenn der objektive Prozess Tito in die Arme der Weltrevolution treiben konnte, warum nicht auch solche Figuren wie Mao, Castro, Ben Bella, Nasser oder Daniel Ortega? Warum sollte der “objektive Prozess”, wenn Stalinisten „revolutioniert“ werden konnten, nicht auch an Sozialdemokraten, an (klein)bürgerliche Nationalisten, an der Studentenbewegung, der Ökologiebewegung etc. Wunder vollbringen?!

Der Kampf für ein revolutionäres Programm wurde so folgerichtig zweitrangig. Wichtiger wurde die „Verschmelzung“ mit „Avantgarden“ – bei Verzicht auf den Kampf ums Programm.

1953 zerbrach dann die Vierte Internationale und “existiert” heute nur noch in Form vieler Splitter. Politisch hörte sie schon davor, am 3. Weltkongress 1951, auf, revolutionär zu sein, als die Politik gegenüber Tito kodifiziert wurde.

Die diversen „Vierten Internationalen“ degenerierten zu zentristischen Organisationen, die zwischen Reform und Revolution schwankten und über die Jahrzehnte auch ein ansehnliche Mischung von opportunistischen, aber auch ultra-linken Schwenks hervorbrachten.

Anders als der Zentrismus von Arbeiterparteien wie der deutschen USPD oder der spanischen POUM konnte sich der Zentrismus der Reste der “Vierten” jedoch jahrzehntelang am Leben erhalten. Warum? Weil die “Vierte” (anders als z.B. die USPD) bis auf wenige Ausnahmen von der Arbeiterklasse isoliert blieb und es keine revolutionäre Organisation gab, die den Zentrismus von Links bedrängt hätte.

Im Gegenteil: die revolutionäre Kontinuität – programmatisch, organisatorisch, personell – zerriss nach 1951 – für inzwischen über sechs Jahrzehnte! Der Grund dafür liegt darin, dass die verschiedenen subjektiv-revolutionären Gruppierungen, die sich nicht zuletzt auch in Form von Abspaltungen aus diesem oder jenem Fragment der “Vierten” gebildet hatten, unfähig waren, zu den Wurzeln des politischen und organisatorischen Scheiterns der “Vierten” vorzudringen und sie aufzuarbeiten.

Dahinter steht eine Leugnung des wissenschaftlichen Charakters des Programms und der Notwendigkeit, revolutionäres Klassenbewusstsein “von außen” in die Klasse zu tragen, wie es Marx und Lenin postuliert hatten. Diese Sicht unterstellt, dass die Klasse aufgrund ihres „Arbeiterseins“ revolutionäres Bewusstsein spontan hervorbringen würde.

Schließlich gehen viele von einer Art „trotzkistischer Familie“ aus, die nur wieder gekittet werden müsse, ohne dass ein programmatischer Neuanfang nötig wäre. Inzwischen ist die Geschichte reich an prinzipienlosen Fusionen und Spaltungen, die allesamt keinen Schritt aus dem Dilemma heraus geführt haben.

Lehren

Ohne einen grundsätzlichen Bruch mit der zum Zentrismus degenerierten „Vierten Internationale“ ist das revolutionäre Erbe Trotzkis, ist die Methode des Übergangsprogramms nicht zu retten.

Dieses Prinzip des “programm first” war maßgebend für die Entstehung unserer internationalen Tendenz, der Liga für die Fünfte Internationale (L5I) bzw. ihrer Vorgängerin, der LRKI. Wir bestanden auf einer genauen Analyse des Scheiterns der “Vierten”, der Aufarbeitung der revolutionären programmatischen Errungenschaften und der Neuerarbeitung der Programmatik. Wir bestanden auf dem demokratischen Zentralismus als Organisationsprinzip und der Schaffung einer von Beginn an internationalen Organisation.

Für die 5. Internationale!

Die Finanzkrise von 2008 und die aktuelle Krise Europas, die Revolutionen in den arabischen Ländern und die Massenproteste in Südeuropa zeugen davon, dass wir in einer revolutionären Periode leben, die von tiefen Krisen, großen gesellschaftlichen Erschütterungen, massiven sozialen Angriffen, von vorrevolutionären und offen revolutionären Situationen geprägt ist.

Jeder Mensch, der sich ernsthaft darüber Gedanken macht, wie die Angriffe von Kapitalisten und Regierungen gestoppt werden können; alle, die imperialistische Kriege und Besatzungen beenden wollen; jeder fortschrittliche Mensch, der die großen Probleme unserer Zivilisation – Hunger, Armut, Umweltzerstörung – lösen will, wird feststellen, dass es zwar immer wieder an vielen Orten Widerstand gegen die Herrschenden und ihre Politik gibt, dass aber keine international koordinierte Bewegung existiert.

Dieser aktuellen Lage versuchen wir als kleine internationale Strömung Rechnung zu tragen, indem wir uns unterschiedlichen Neuformierungsprozessen der Arbeiterklasse zuwenden.

Schon vor Krisenausbruch 2008 begannen große Teile der Arbeitervorhut, sich neuen ‚antikapitalistischen‘ Parteien zuzuwenden oder hegten Hoffnungen auf linksreformistische Kräfte als Alternative zu den neoliberalen Parteien. Das zeigt,
dass ArbeiterInnen und Jugendliche nach einer politischen Alternative Ausschau halten, nach antikapitalistischen Parteien und Organisationen.

RevolutionärInnen müssen an der Seite dieser Militanten arbeiten. Das kann Eintreten für die Bildung neuer Arbeitermassenparteien bedeuten, Eintritt in eine bestehende Massenpartei oder Kampf für die Einheit mit antikapitalistischen und sozialistischen Organisationen, die den Aufbau neuer Parteien als Alternative zum Reformismus anstreben.

Aber die Erfahrung lehrt, dass solche Parteien durch die Prüfungen des Klassenkampfes nicht bestehen, sich als ungeeignet für die Herausbildung einer revolutionären Führung erweisen, wenn sie sich nicht auf einem revolutionären Programm, auf revolutionärer Strategie und Taktik gründen. In der augenblicklichen Lage werden linksreformistische Organisationen wie Syriza oder zentristische Organistionen wie die NPA schnell auf den Prüfstand des Klassenkampfs gestellt. Die Krise mit ihren scharfen politischen und wirtschaftlichen Wendungen prüft alle Programme in kurzer Zeit, enthüllt nicht nur den bürgerlichen Charakter des Reformismus, sondern auch die Sackgasse aller Bemühungen um Kompromisse zwischen reformistischen und revolutionären Programmen und Strategien.

Sektionen

Deshalb streiten die Sektionen und Mitglieder der Liga für die 5. Internationale auf solidarische Weise für den Erfolg solcher Konstellationen, z.B. in Pakistan mit der Teilnahme an der Awami Workers Party, in Deutschland am Aufbau einer neuen antikapitalistischen Organisation (NaO), in Britannien durch die Arbeit in „Left Unity“.

Wir schlagen den antikapitalistischen, sozialistischen, kommunistischen u.a. linken Organisationen dringend eine Debatte und eine Zusammenarbeit vor, die gemeinsam für Klassenkampfmethoden in der Arbeiterbewegung und demokratische Koordinationen des Widerstands gegen Kürzungspolitik, Krieg, nationale Unterdrückung, Rassismus und Faschismus vorgeht. Wir schlagen gleichzeitig vor, dass jene Organisationen, die sagen, dass sie sich für eine antikapitalistische Alternative zum Reformismus stark machen wollen, sich auf Diskussionen um das Programm und die Organisation einlassen, die die Arbeiterklasse brauchen, um sich an die Spitze des Kampfes stellen zu können.

Darin, wie in allen anderen Interventionen lassen wir uns von Marx´ Aussage leiten, dass es Kommunisten hassen, ihre Überzeugungen zu verschleiern. Wir stehen offen für ein revolutionäres Programm von Übergangsforderungen. Mit Trotzki erkennen wir die erste Pflicht von RevolutionärInnen an: die Wahrheit auszusprechen, „zu sagen, was ist“ und v.a. zu sagen, was notwendig ist, um die Arbeiterklasse zu gewinnen: Eine neue, 5. Internationale, eine Weltpartei der sozialistischen Revolution!

Ein Artikel von Martin Suchanek, Neue Internationale 182, September 2013

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