Berliner Gericht verurteilt Antirassisten
Fast ein Jahr nach dem Ersten Mai 2018 verurteilte das Amtsgericht Mitte einen jungen Antirassisten und Genossen zu 6 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung. Warum? Weil er gemeinsam mit zahlreichen anderen AntifaschistInnen am 1. Mai 2018 gegen ein rassistisches Straßenfest der AfD in Berlin-Pankow protestiert hatte.
Die DemonstrantInnen versuchten damals, in Hörweite der rechten Versammlung möglichst lautstark deren Hetze und Demagogie entgegenzutreten.
Die Polizei schützte an diesem Tag wieder einmal das Demonstrationsrecht der RassistInnen, Rechts-PopulistInnen und „natürlich“ auch von FaschistInnen, die sich gern auf AfD-„Festen“ tummeln.
Demgegenüber musste das Recht der GegendemonstratInnen wieder einmal zurückstehen. Während sie versuchten, ihre Versammlung und ihren Protest durch Ketten zu verteidigen, wurden sie von Polizeikräften abgedrängt, geschubst und angegriffen. „Natürlich“ wurden diese Menschen dabei auch gefilmt und fotografiert. Schließlich steht der staatliche Überwachungsauftrag allemal höher als die Privatsphäre seiner BürgerInnen.
Schließlich kam es auch zu einigen Festnahmen, darunter der Genosse, der am 30. April vor Gericht stand. Festgenommen wurde er, weil ein einziger (!) Polizist bemerkt haben wollte, dass er mit einer Fahnenstange auf einen Polizisten eingeschlagen haben soll.
Auch wenn die Festnahme einige Zeit nach der angeblichen Aktion stattfand, so will der Beamte den Genossen aufgrund seines „markanten Erscheinungsbildes“ erkannt haben und leitete dann die Festnahme ein. Zu dem eigentlichen Tatvorwurf ließ sich – abgesehen von der Behauptung dieses einen Polizisten – kein/e weiterer ZeugIn beibringen. Eine Polizistin wollte zwar einen heftigen Schlag auf den Kopf eines neben ihr stehenden Kollegen bemerkt haben, ebendieser hatte den angeblich mit „voller Kraft“ geführten Schlag auf seinen Helm nach eigener Aussage aber gar nicht bemerkt. Er trug auch eingestandenermaßen keine Verletzung davon.
Während stundenlang Video-Material von den Protestaktionen vorlag, so ließ sich partout keine Aufnahme finden, auf der der behauptete Tatvorgang zu sehen gewesen wäre. Schließlich, so schon die fast tröstliche Erkenntnis, filmt die Polizei doch nicht alles. „Kameramann Zufall“ hatte offenkundig gerade dann gepennt, als die Situation, so der Gerichtsjargon, besonders „dynamisch“ gewesen wäre.
Verurteilung und Klassenjustiz
All das und so manche Widersprüche der ZeugInnen beeindruckten weder Staatsanwaltschaft noch das Gericht. Wegen angeblicher „versuchter gefährlicher Körperverletzung“ und „tätlichem Angriff auf Polizeibeamte“ wurde er zu sechs Monaten Freiheitsentzug verurteilt, wobei die Haftstrafe für zwei Jahre auf Bewährung ausgesetzt wurde. Damit folgte der Spruch der Forderung der Staatsanwaltschaft. Bemerkenswert war freilich nicht nur das Schandurteil selbst, das einmal mehr der Kriminalisierung von Antirassismus, Antifaschismus und der ansonsten von der bürgerlichen Gesellschaft viel beschworenen „Zivilcourgage“ gleichkommt. Bemerkenswert war auch seine politische Begründung.
Das Schandurteil zeigt also: Auf Polizei und Justiz können wir uns im Kampf gegen den Rechtsruck nicht verlassen. Sie schützen vielmehr RassistInnen und FaschistInnen; sie versuchen, den Widerstand zu kriminalisieren, und AktivistInnen einzuschüchtern.
So wichtig und richtig es ist, auch mit juristischen Mitteln gegen solche Verurteilungen vorzugehen, verlassen dürfen wir uns auf sie nicht! Entscheidend ist vielmehr die Solidarität mit dem Genossen und allen anderen AntifaschistInnen und AntirassistInnen, die von Repression betroffen sind. Entscheidend ist es vor allem, den Kampf gegen Faschismus, Rassismus und Rechtspopulismus mit dem gegen das kapitalistische System zu verbinden – organisiert, kämpferisch und massenhaft!