Hände weg von unseren Schulen! Stoppt die Schulprivatisierungen des Berliner Senats!

Wilhelm Schulz, REVOLUTION Berlin

Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und der Linken aus dem Jahr 2016 kündigten diese massive Investitionen bis zum Jahre 2026 in den Neubau und die Sanierung von Berliner Schulen an. Von 5,5 Milliarden Euro war die Rede. Doch wie will der Senat das stemmen?

Der rot-rot-grüne Berliner Senat plant die Privatisierung der 798 Schulen des Landes. Mittels einer Privat-Public-Partnership (Öffentlich-Private-Partnerschaft = PPP) soll staatliches Eigentum schleichend unter die Interessen privatwirtschaftlicher Investor_Innen gestellt werden. Schon in den 2000ern gab es in Berlin eine Privatisierungswelle, nur im Wohnungsbereich. Die verheerenden Auswirkungen und die geringen Möglichkeiten in privatisiertes Eigentum einzugreifen, ist nicht nur für alle die offensichtlich, die in Berlin je eine Wohnung gesucht haben. Den Hintergrund für die geplante Privatisierung von fast 800 Schulen bildet die Zielsetzung der rot-rot-grünen Regierung, einen ausgeglichenen Haushalt zu gewährleisten. So kommt es, dass das Land seit knapp 6 Jahren eine Sparpolitik fährt, die versucht, die Neuverschuldung auf Null halten.

Den bundespolitischen Hintergrund für die geplanten Privatisierungen bildet die sogenannte Schuldenbremse. Nach dieser dürfen die Bundesländer und Kommunen ab 2020 keine neuen Schulden machen, somit keine Kredite mehr aufnehmen. Das bringt ein Investitionsverbot in bitter notwendige soziale Infrastruktur mit sich. Wenn Länder und Kommunen nicht oder nicht ausreichend investieren dürfen, so müssen diese eben staatliches Eigentum verscherbeln. Dieser Ausverkauf soll Investitionsmöglichkeiten für das Kapital schaffen. Solcherart werden Milliarden billig verschleudert zum Nutzen der Investor_Innen, die sich über sichere und regelmäßig steigende Gewinne freuen dürfen.

Hierfür gibt es bereits ein bundesweites Pilotprojekt und zwar aus Offenbach, was in den letzten Jahrzehnten infolge der Deindustrialisierung der Stadt extrem verarmt ist. Der Landkreis hatte mittels einer PPP im Jahre 2004 die Grundstücke seiner 88 Schulen an die Baukonzerne Hochtief und Vinci vergeben und seit diesem Verkauf mietet die Stadt Grundstücke und Schulen an. Die vereinbarte Jahresmiete belief sich ursprünglich auf 52 Millionen Euro. Im Jahre 2014 betrug sie jedoch schon 82 Millionen und bei Vertragsende in 2019 sollen es sogar 95 Millionen sein. Grund dafür ist, dass die Investor_Innen Profit aus ihrer Immobilie ziehen müssen und sich die Miete somit mit der Zeit immer weiter erhöhen muss.

Auch International gibt es ähnliche Beispiele. So wurden unter Margaret Thatcher Ende der 70er Jahre große Teile der Wasserversorgung verkauft, sodass es heute in Großbritannien Haushalte gibt, die im Keller eine Art Münzeinwurf haben, um Zugang zu Wasser zu erhalten. Auch wenn wir an dieser Stelle glücklicherweise darauf hinweisen können, dass Thatcher tot ist, so blieb uns ihr neoliberales Vermächtnis leider erhalten. Es bleibt hier zu sagen, dass in all diesen Fällen die versprochenen Investitionen von Kapitalseite ausblieben. Warum sollte es auch anders sein? Sie investieren gemäß der Logik der Gewinnmaximierung, nicht zur Sicherung des Gemeinwohls. So steht die Bundesrepublik aktuell im Rechtsstreit mit der Telekom, Vinci und Daimler im PPP der Autobahn-Maut wegen Minderleistungen von 7 Milliarden Euro!

Was genau plant das Land Berlin?

Der Senat will der Berliner Wohnungsbaugesellschaft HOGOWE GmbH mittels Erbpacht die Gebäude der 798 Berliner Schulen übertragen. Dies soll durch eine Tochtergesellschaft, im Arbeitstitel Schul-GmbH genannt, geschehen. Die Wohnungsbaugesellschaft ist eine teilstaatliche, d.h. sie verwaltet formal staatliches Eigentum, jedoch unter privatwirtschaftlicher Führung. Das Land kann also Verhaltensweisen des Konzerns kritisieren, jedoch nicht eingreifen. So auch bereits 2010 geschehen, als die HOGOWE ohne Ausschreibung Großaufträge vergab, wo die Kritik zwar groß war, der Auftrag jedoch blieb. Vor allem ist davor zu warnen, da das Land Berlin zu Beginn der 2000er Jahre viele städtische Wohnungsbaugesellschaften bereits voll-privatisierte.

Diese Schul-GmbH soll zukünftig alle schulspezifischen Aufgaben koordinieren, also Bau, Sanierung (die dringend notwendig ist, denn die jahrzehntelange Vernachlässigung hat zu einem katastrophalen Zustand Berliner Schulen geführt), inneren Betrieb außerhalb des Bildungsauftrags, wie Hausmeister, Grünpflege, „Sicherheit“, Instandhaltung, „Gas, Wasser, Scheiße“ usw. Hierfür zahlt das Land die bereits angesprochene Miete. Auch kann es zu zeitlichen Begrenzungen des Nutzungsrechts kommen. So kann es sich beispielsweise tagsüber um eine Schule und Abends um ein AfD-Schulungszentrum handeln oder ein ‚Hotel der anderen Art‘ in den Schulferien – mal als fiktive Beispiele.

Solche Verträge laufen 25 Jahre. Somit hat das Land für diesen Zeitraum kein wirkliches Recht hiergegen Sturm zu machen. Hier werden also gerade die Weichen für die nächsten Jahrzehnte gestellt und das unter dem „Versprechen“, zu investieren. Zur Gewinnsteigerung sind hier dann auch alle möglichen anderen Tricksereien möglich. Beispielsweise könnte es Tür und Tor für kommerzielle Werbung an den Schulen öffnen. Dann darf nicht mehr „nur“ die Bundeswehr für ihr sogenanntes „Werben für’s Sterben“ in Schulen touren. Nein, wie wär’s mit einer Turnhalle ‚powered by McFit‘ oder einer Kantine ‚präsentiert vom Pizza Hut‘? Kurzum eine allgemeine Öffnung des Bildungswesens für das Kapital.

Was bleibt?

Szenarien wie diese könnten nicht nur den Schulbereich betreffen. Sie könnten in den kommenden Jahren auch in anderen staatlichen Einrichtungen bevorstehen, z.B. die Privatisierungen von Bäderbetrieben, Stadtwerken, Rathäusern, Hochschulen, Müllabfuhren. Das Personal dieser könnte durch billigere Arbeitskräfte und Leiharbeiter_Innen ersetzt werden, getragen durch private Dienstleister_Innen.

Wir halten diese Maßnahmen nicht für alternativlos. Denn es sind selbstgemachte Probleme. Es sind Maßnahmen, die vor allem der Stärkung des deutschen Kapitals dienen. Sie ermöglichen in Zeiten zunehmender Konkurrenz und wirtschaftlicher Unsicherheit „sichere“ Gewinne, für die die Allgemeinheit, also vor allem die Lohnabhängige Bevölkerung, zu zahlen hat. Zugleich verlagern sie das Problem der fehlenden staatlichen Einnahmen infolge von Jahrzehnten der Steuergeschenke an die Reichen, an Kapital- und Vermögensbesitzer_Innen: Die Sanierung der Schulen wird nicht aus der Besteuerung der Reichen oder der Gewinne und Großvermögen finanziert, sondern „ausgelagert“. Der Widerstand hiergegen regt sich bisher im Kleinen. So gibt es die Initiative „Gemeingut in Bürger_Innenhand“, die unter anderem zu diesem Thema arbeitet. Sie plant eine Volksinitiative. Bis Mitte des Jahres sammelt sie Unterschriften, damit es hierzu eine öffentliche Abstimmung geben kann. Dies halten wir für begrenzt, jedoch begrüßenswert und fordern zur Unterstützung dieser auf. Genaueres findet ihr auf ihrer Internetseite (https://www.gemeingut.org/volksinitiative-unsere-schulen-unterschreiben-wie-geht-das/).

Der „linke“ Senat will so gleich zwei politischen und gesellschaftlichen Gegnern ausweichen. Einmal den Kapitalbesitzer_Innen und privaten Investor_Innen, die rasche Gewinne wittern, zum anderen der Bundesregierung, die die Schuldenbremse durchzuziehen will. Statt den Kampf gegen dieses Gesetz und dessen Umsetzung zu führen, ziehen die Held_Innen aus dem Abgeordnetenhaus lieber ihre Wähler_Innen und Anhänger_Innen über den Tisch.

Das Land mag dann zwar schuldenfrei sein, dafür zahlen die Schüler_Innen bzw. deren Eltern mehr. Solche „Haushaltssanierung“ trifft diejenigen, die sich die privatwirtschaftlichen ‚Angebote‘ nicht leisten können. Dieser massive Angriff zeigt eindeutig, auf welche Seite sich die rot-rot-grüne Landesregierung stellt, auf die Seite des Kapitals. Dagegen müssen wir kämpfen!

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