Diese Resolution wurde von der internationalen Deligiertenkonferenz der kommunistischen Jugendorganisation REVOLUTION beschlossen. Find the english version on our website.
Es herrscht Krieg: ob im Jemen, Myanmar, Kurdistan oder der Ukraine. Und wo immer der Krieg tobt, zerstört er unsere Heimat, treibt Millionen Menschen in die Flucht und bringt den Tod. Mittendrin zwischen Zerstörung und Waffenproduktion, aufgeheizt von den Interessen der profitierenden Parteien sind wir Jugendlichen, die mit den Folgen zurechtkommen müssen. Doch allein das Hoffen auf Frieden wird uns nicht helfen, denn die kriegerischen Auseinandersetzungen und Militärbudgets sind in den letzten Jahren stetig gestiegen. Insbesondere der russische Angriffskrieg auf die Ukraine stellt dabei eine neue Qualität der Auseinandersetzung dar. Dieser Krieg istdieZuspitzung des imperialistischen Konflikts zwischen Russland und der NATO und birgt in sich die Gefahr, noch weiter zu eskalieren. Wir sagen klar: Nein zur imperialistischen Invasion Russlands, für einen sofortigen Abzug aller russischen Truppen! Doch genauso stellen wir uns gegen die Einflussnahme der NATO-Mächte, die nur ihren eigenen Einfluss auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung ausbauen möchte. Denn es werden vor allem junge Menschen in diesem Konflikt verheizt. Sie haben letzten Endes nur zwei Optionen: an der Front zu kämpfen oder zu desertieren. Wir stellen uns dabei auf die Seite der ukrainischen Jugend und der Arbeiter:innenbewegung, gegen den russischen Angriffskrieg – mit dem Ziel, einen von der NATO politisch unabhängig Widerstand aufzubauen. Die Auswirkungen des Krieges machen dabei nicht an den Grenzen der Ukraine oder Russlands halt, sondern sind weltweit zu spüren. Der Krieg treibt die Inflation hoch, sodass Energie- und Lebensmittelpreise explodieren. Das soll nicht unsere Zukunft sein! Doch wenn wir effektiv gegen den Krieg und seine Folgen kämpfen wollen, müssen wir uns zuerst fragen: Warum gibt es Krieg überhaupt? Und warum gibt es so viel mehr kriegerische Auseinandersetzungen in den letzten Jahren?
Die stärkste Kraft gewinnt
Die Welt, in der wir leben, ist komplett der kapitalistischen Produktion und Profitlogik unterworfen. Es gibt keinen Fleck, keinen Rohstoff auf der Erde, welcher nicht eine:r Kapitalist:in gehört. Das ist ein Merkmal des höchsten Stadiums des Kapitalismus, des Imperialismus. Doch auch wenn alles aufgeteilt ist, besteht weiterhin eine Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Kapitalist:innen und auch unterschiedlichen Nationalstaaten. Um nicht abgehängt zu werden, haben sie manchmal gar keine andere Wahl, als Kriege um Wirtschaftswege (Westafrikanische Küste), Wirtschaftsräume (Mali) oder geostrategische Einflusssphären (Ukraine, Syrien, Afghanistan) zu führen. In manchen Krisen sind aber Profite zu gering, als dass Kapitalist:innen in ihre eigene Produktion investieren wollen, dann kann es sich für sie lohnen, in einem Krieg konkurrierende Produktivkräfte zu zerstören. Kurz um, die Politik der letzten Jahre ist eine zugespitzte Form der ökonomischen Konkurrenz und der Krieg ist letztendlich die Fortführung dieser Politik mit anderen Mitteln.
Der Kapitalismus hat den Zwang immer mehr Profit anzuhäufen, immer neuere Absatzmärkte zu erschließen und immer günstigere Arbeitskräfte zu erhalten. Die imperialistischen Blöcke haben den Drang, Konflikte zwischen ihnen immer weiter zuzuspitzen, um konkurrierendes Kapital und Produktionsstätten zu vernichten. Beides wird zwangsläufig immer zu Kriegen führen. Wenn wir gegen diese Kräfte ankämpfen wollen, müssen wir uns ihre Rolle in allen Ebenen des globalen Systems anschauen. Gegen Kriege zu kämpfen ist immer auch ein Kämpfen gegen den Kapitalismus!
Krise
Krisen wirken bei diesem Prozess wie Brandbeschleuniger, da sie die Konkurrenz zwischen den einzelnen Kapitalfraktionen erhöhen. So ist es kein Wunder, dass in den letzten 10 Jahren die Militärausgaben in die Höhe geschnellt sind und internationale Konflikte wieder zunehmen. Denn die Weltwirtschaftskrise von 2007/8 prägt immer noch das aktuelle Geschehen. Damals wurden für kapitalistische Staaten Rettungspläne gebastelt, die zu einem Ende dieser Krise führen sollen. So erleben wir eine langjährige Niedrigzinspolitik der US-Notenbank und der Europäischen Zentralbank, staatliche Konjunkturprogramme des chinesischen Staates und das Anwachsen von neuen Spekulationsblasen. Statt dass in der Krise Kapital vernichtet wurde, wurden ihre Kosten auf die Arbeiter:innenklasse abgewälzt und weitere Kriseneinbrüche mittels der Rettungspläne künstlich herausgezögert. Die Folgen waren eine massive Verarmung und Verschuldung, ein internationaler Rechtsruck und zunehmende Konkurrenz. Mit dem Zusammenbruch der internationalen Wirtschaft in der Corona-Pandemie hat sich nun die Lage nochmals verschärft – und wurde der Kampf um die Neuaufteilung der Welt zusätzlich befeuert. Dabei besteht der Hauptkonflikt zwischen den USA und China, die sich darum streiten, wer die dominierende Kraft auf der Weltkarte sein wird. Zeitgleich mischen aber auch andere Kräfte mit, die versuchen, sich vor dem Abstieg im Rahmen der Konkurrenz zu retten.
Blockbildung und drohende Auseinandersetzungen
So hat sich im Zuge des Ukrainekrieges die totgeglaubte NATO wieder formieren – und sich um Finnland und Schweden sogar erweitern können. Darüber hinaus haben sich imperialistische Staaten wie Deutschland und die EU als Ganzes nach dem Angriffskrieg näher zu den USA bewegt. Auch wenn schlussendlich jeder für sich allein kämpft, bilden sich beim aktuellen Kräftemessen unterschiedliche Blöcke heraus. Nicht jede Kraft kann zu 100 % zu einem Block dazugezählt werden. Das Ringen um Einflusssphären erzeugt auch Kräfte wie Indien oder Pakistan, die zwar nicht eigenständig ihr Interesse international durchsetzen können, aber durch wechselnde Allianzen versuchen, das Beste für sich herauszuschlagen. Doch auch wenn die Blockbildung noch nicht komplett abgeschlossen ist, sicher ist, dass die Konfrontationen aufgrund des zugespitzten Verteilungskampfes zunehmen werden. Wo diese stattfinden werden, ist nicht eindeutig zu sagen, aber schaut man sich die Blockbildung und die Verschärfung der Weltwirtschaftskrise an, können einige Regionen mehr als andere immer mehr zum Schauplatz der Austragung werden. Neben der Ukraine, ist auch Taiwan ein Land, welches von den Großmächten China und USA immer wieder ins Visier gelangt. Taiwan bekommt dabei von chinesischer Seite seine nationale Unabhängigkeit abgesprochen, denn Xi Jinping, welcher aktuell mit immer wieder auftretenden Unruhen zu kämpfen hat, schlägt immer stärker vor den aufkommenden Wahlen die Trommel des Chauvinismus. Außerdem versucht Chinas schon seit etlichen Jahren, mit teilweise großen Erfolgen, auf dem Land und auf dem Wasser eine neue Seidenstraße zu etablieren und macht dadurch viele Halbkolonien von sich abhängig. Der schwindende Machteinfluss der USA auf Nordafrika, dem Nahen Osten und Teilen Asiens, führt es einerseits zu einem Machtvakuum und lässt andererseits die Tür für andere imperialistische Mächte offen. Dass dies aber nicht ohne militärische Mittel stattfinden wird, sollte uns allen klar sein.
Mehr Kohle für den Tod
Das zeigt uns auch ein Blick auf die Rüstungsausgaben: 2020 erreichen die weltweiten Militärausgaben einen neuen Rekord: laut dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri liegen diese bei 1,981 Billionen Dollar, so viel wie noch nie. Das sind 5,4 Milliarden Dollar pro Tag und 226 Millionen pro Stunde. Würde man die Summe, die pro Stunde für Rüstungsausgaben ausgegeben wird, im Jahr gegen den Hunger ausgeben, könnte man innerhalb von 15 Jahren den Hunger auf der Welt beseitigen[1]. 39% aller Militärausgaben weltweit werden von der USA getätigt (778 Milliarden Dollar). An nächster Stelle folgt China, welches innerhalb der letzten Dekade (seit 2011) dessen Rüstungsausgaben um 76% auf 252 Milliarden Dollar erhöhte, was 13% der weltweiten Ausgaben deckt. Auch Deutschland erhöht seine Militärausgaben, 52,8 Milliarden und einem Plus von 5,9% hat es damit seine Ausgaben im Vergleich zum letzten Jahr sogar mehr erhöht als die USA und liegt damit auf Platz 7 hinter China, Indien, Russland, Großbritannien und Saudi-Arabien. Ein weiteres Beispiel für die fortschreitende Militarisierung der Welt ist Japan. Seine pazifistische Außenpolitik hat das Land in den letzten Jahren bereits aufgeweicht und 2022 den Verteidigungshaushalt nochmals massiv erhöht. Die Zahlen sprechen für sich, und machen deutlich: die imperialistischen Staaten rüsten auf und bereiten sich auf kommende Kriege vor.
Zukunft: Kanonenfutter?
All diese Entwicklungen zeigen, dass „das schöne Leben“ nicht automatisch Teil unserer Zukunft ist, wenn wir nichts dafür tun. Insbesondere wir Jugendlichen werden oftmals zuerst an Fronten geschickt, während vorher eine Welle von Nationalismus nochmals versucht, dass es in unserem Interesse ist, fürs Vaterland zu sterben. Doch dass Nationalstaaten nicht in unserem Interesse handeln, konnten wir während der Pandemie sehen. Die Wirtschaft schrumpft, der Gesundheitssektor war in vielen Ländern am Zusammenbrechen – doch statt darin zu investieren, wuchsen die Rüstungsausgaben weiter und weiter. Und das ist nur eines von unzähligen Beispielen, das klarmachen soll: die Kriege, die aktuell geführt werden, sind Kriege des Kapitals. Sie finden im Interesse der Herrschenden statt, um die eigenen Profite zu sichern. Doch Werbung und Verpflichtung fürs Sterben sind für viele von uns Alltag. Denn die Jugend ist ein essenzieller und wichtiger Teil der Armeen. Wir sind noch nicht komplett in der Produktion eingebunden, kann somit ohne große Einbrüche für die Wirtschaft einbezogen werden und muss oftmals nicht einmal entlohnt werden. Dadurch, dass Jugendliche kein Mitspracherecht in politischen Themen und gesellschaftlichen Entscheidungen besitzen, wird es bewusst erschwert, dass sich dagegen Widerstand erhebt oder formuliert.
Bittere Realität: Jugend im Kreuzfeuer
Aktuell werden weltweit 250.000 Kinder und Jugendliche als Soldat:innen in kriegerischen Auseinandersetzungen sowohl von regulären Armeen als auch von Rebellengruppen eingesetzt. Sie bilden immer mehr einen festen Bestandteil in der militärischen Infrastruktur, ob an der Waffe, als Spion:innen, Informationsübermittler:innen oder bei anderen aufkommenden Tätigkeiten. Darüber hinaus wird oft vergessen, dass sexuelle Gewalt in militärischen Auseinandersetzungen immer stark ansteigt und auch gezielt als Kriegswaffe eingesetzt wird. So sind 5 bis 20 Prozent der Kindersoldat:innen Mädchen, die vor allem als Zwangsprostituierte eingesetzt werden[2]. Massenvergewaltigungen sind dabei die höchste Gewaltform und leider vor allem in Massakern, Kriegen gegen Minderheiten etc. eine immer wiederkehrende Kriegsführung. Myanmar (2017), Äthiopien (2021/22) und Demokratische Republik Kongo (seit 2007) sind traurige Beispiele unserer Zeit, in welchen mehrere Tausende Frauen vergewaltigt wurden, um den Willen der Menschen zu brechen und aufs brutalste zu entmenschlichen.
So gab es weltweit 2022 67 Länder, in denen eine Wehrpflicht existiert[3]. Zu erkennen ist, dass die meisten Länder der Welt irgendeine Form von Armee besitzen, sie sich aber vor allem in der Art und Weise der Rekrutierung unterscheiden. Länder ohne Wehrpflicht besitzen oftmals große Anwerbekampagnen und verschiedene Angebote, die sowohl leistbare Möglichkeiten auf Bildung bieten als auch die Option, ein Leben lang im Militär zu arbeiten. Außerdem besitzen einige Länder eine Wehrpflicht de Jure, was bedeutet, dass Männer und in einigen Ländern auch Frauen sich zwischen einem bestimmten Alter bei der Armee melden müssen und bei „Bedarf“ rekrutiert werden. Aktuell melden sich aber in den meisten Ländern genügend Freiwillige, sodass dies in den wenigsten Fällen umgesetzt wird.
In Europa haben aktuell nur Dänemark, Schweden, Finnland, Estland, Zypern, Griechenland, Schweiz und Österreich eine Wehrpflicht, aber angesichts des Ukrainekrieges denken einige weitere Staaten über eine Reform ihrer Militärdienste nach. Lettland war das erste Land, welches schon Anfang Juli einen Wehrdienst wegen des Krieges einführen möchte. Ein Gesetzesentwurf dazu soll im kommenden Jahr vom Parlament verabschiedet werden. Der Verteidigungsminister Pabriks macht dabei in seiner Aussage um die Wiedereinführung deutlich: „Damit dürfe sich das Risiko verringern, dass Russland Lettland nach Belieben angreift“[4]. Dass andere Länder folgen werden ist sicher, in den meisten Ländern der EU (z.B. Niederlande) wurden über die Aufstockungen der eigenen Armee diskutiert und Studien zur Wiedereinführung des Militärdienstes in Auftrag gegeben. Auch Deutschland ist in der Debatte nicht stumm geblieben. Aus den Reihen aller Parteien wurden Stimmen nach einer Wiedereinführung der Wehrpflicht laut, was in diesem Kontext eine Stimme für eine fortschreitende Militarisierung ist.
Krieg dem Krieg: kein Cent, kein Mensch dem Militarismus!
Wir wollen kein Kanonenfutter sein oder zusehen, wie unsere Lebensgrundlage immer weiter zerstört wird. Denn Kriege töten nicht nur unmittelbar, sondern befeuern auch die Klimakrise. Was also tun? Wir verurteilen nicht per se, wenn Jugendliche zur Waffe greifen, um für ihre Interessen, gegen Kapitalismus, Ausbeutung und Imperialismus zu kämpfen. Oftmals bleibt ihnen nichts anderes übrig, wenn es um die Selbstverteidigung erkämpfter Räume geht. Jugendliche kämpfen Seite an Seite in Befreiungskämpfen von Kurdistan bis Palästina, aber eben für ihre Interessen, gegen Besetzung und Vertreibung. Dies ist nicht gleichzusetzen mit den Kriegen der imperialistischen Staaten für die Profite einer Elite.
Wenn wir uns diesen effektiv entgegenstellen wollen, müssen wir aus der Geschichte lernen. Hier sind die Oktoberrevolution sowie die Anti-Kriegsbewegungen des Ersten Weltkrieges als relevante Beispiele zu nennen, in denen Arbeiter:innen massenhaft und organisiert gegen das imperialistische System vorgingen. Denn nur wenn wir das Problem an der Wurzel packen – den Kapitalismus mit seinem ewigen Konkurrenzzwang – können erfolgreich sein. In der Oktoberrevolution wurde ein Arbeiter:innenstaat errichtet, welcher in Kombination mit der gescheiterten Novemberrevolution zum Ende des Ersten Weltkrieges führte. Anhand dieser historischen Ereignisse muss man die angewandten Strategien analysieren und von ihnen methodische Wege für die Überwindung imperialistischer Kriege und des Imperialismus als Ganzes ableiten. Ein weiteres wichtiges Beispiel sind die Aufstände im Arabischen Frühling, welche von großer Bedeutung für Anti-Imperialismus-Bewegungen in halbkolonialen Ländern sind.
Doch die bloße Analyse und Übertragung der Strategien und Taktiken der vergangenen Arbeiter:innen- und Jugendbewegung ist nicht ausreichend. Wir müssen die Lehren, die wir aus diesen ziehen können, auf die heutige, veränderte Situation der Weltpolitik und die veränderten Gegebenheiten in der Lage der Arbeiter:innenklasse anwenden. Es bleibt die Notwendigkeit des Aufbaus einer Arbeiter:innen- und Jugendbewegung gegen imperialistische Konflikte! Aber wie und wo kann uns das gelingen? Um erfolgreich zu sein, muss ein solcher Kampf zwangsläufig auf einer internationalen Ebene stattfinden. Klar, müssen jene von uns in imperialistischen Ländern, sich gegen die Kriegsinteressen der eigenen Nation stellen. Doch da auch der Imperialismus ein globales System ist, können wir nur erfolgreich sein, wenn wir uns ebenfalls international organisieren. Das heißt: Eine erfolgreiche Antikriegsbewegung muss international sein und den Kampf gegen die Auswirkungen des Krieges mit dem Kampf gegen das kapitalistische System verbinden. Dabei ist es wichtig, dass wir uns nicht vom Nationalismus spalten lassen und trotzdem das Selbstbestimmungsrecht unterdrückter Völker und Halbkolonien verteidigen.
[1] https://www.handelszeitung.ch/politik/welt-ohne-hunger-kostet-267-milliarden-dollar-810985#:~:text=Um%20in %2015%20Jahren%20den,650%20Millionen%20Menschen%20Hunger%20leiden.
[2] https://www.tdh.de/was-wir-tun/themen-a-z/kindersoldaten/
[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1334153/umfrage/verteilung-der-laender-nach-status-der-wehrpflicht/
#:~:text=Im%20Jahr%202022%20gab%20es,ist%20oder%20nicht%20angewandt%20wird.
[4] https://de.euronews.com/my-europe/2022/07/27/welche-lander-in-europa-wollen-wieder-eine-wehrpflicht-einfuhren