Legalize it! Und zwar alle Drogen!

von Clay Ikarus, April 2024

Seit Jahren wird auf sie gewartet und ab heute scheint sie endlich da: die Legalisierung von Cannabis. Aber ist das neue Gesetz wirklich die ersehnte Legalisierung und wieso setzen wir uns als Revolutionär:innen überhaupt für die Legalisierung von Drogen ein?

Wieso berauschen wir uns?

Diese Frage dürfte so viele Antworten haben, wie Menschen, die es gibt. Auf die ein oder andere Art und Weise berauschen sich nämlich fast alle Menschen und Rausch gehört letztendlich zum Leben dazu. Es bringt zumindest zeitweise Entlastung, Entspannung, Euphorie und außeralltägliche Erfahrungen und ist auch überhaupt nicht an Substanzen gebunden, auch wenn es in diesem Text vor allem darum gehen wird. Doch in einer unfreien Gesellschaft wie dem Kapitalismus ist letztendlich auch der Rausch unfrei: Sucht droht gerade deswegen, weil viele Menschen kaum wirkliche Erfüllung in ihrem Leben erreichen können und unter Arbeitsdruck, Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung leiden. Drogenkonsum kann kurzzeitig für Befriedigung sorgen und dabei helfen, sich aus der Realität zu flüchten. Da der Kapitalismus keinen leichten Zugang zu Hilfe in (psychischen) Notlagen liefert und dadurch eine nachhaltige Lösung unmöglich wird, kann der Drogenkonsum eine notwendige psychische Funktion übernehmen, weil sonst keine Entlastung erfahren werden kann. Doch langfristig verhindert das eine innere Aufarbeitung und bringt noch mehr Probleme mit sich, aber dann stecke viele schon drin in der Sucht nach dem kleinen bisschen Glück. Solange wir also in einer Welt leben, in der Menschen ausgebeutet und unterdrückt werden und sich nicht frei entfalten können, wird es auch Sucht geben. Und solange es überhaupt Menschen gibt, wird es auch den Wunsch nach Rausch und dementsprechend eine Nachfrage nach Rauschmitteln geben, unabhängig von irgendwelchen Verboten. Wir müssen also eine Perspektive im hier und jetzt erkämpfen, Antworten auf die Probleme geben und gleichzeitig aufzeigen, dass wir dieses mörderische System beenden müssen, damit Menschen nicht mehr in die Sucht getrieben werden. Wir stimmen also nicht nur einer Legalisierung von Cannabis zu, sondern setzen uns dafür ein, dass alle Drogen legalisiert werden, denn die Argumente sind nicht an einzelne Substanzen gebunden, sondern an die Drogenpolitik als Ganzes!

Auswirkungen der Illegalisierung

Heute existieren in der Illegalität auf der gesamten Welt milliardenschwere Märkte für illegale Drogen. Daraus ergeben sich vielfältige Probleme. Alle Arbeiter:innen, die irgendwie an diesem Geschäft beteiligt sind, arbeiten außerhalb von jeglichem Arbeitsrecht und haben keine Sozialversicherungen. Das Geschäft wird meistens von gewalttätigen Gangs kontrolliert, die ihre eigenen Mitglieder bedrohen und oftmals im Kampf um Schmuggelruten blutige Feden mit anderen Gangs austragen. Durch das lukrative Drogengeschäft können diese ihre Macht ausweiten, was mit einer Terrorisierung der Zivilbevölkerung einhergeht. Doch auch für die Konsument:innen sieht es nicht besser aus. Da es keine Qualitätskontrollen gibt werden Drogen gestreckt. Dadurch wird der Konsum extrem riskant und es kann (besonders bei Opiaten) zu tödlichen Überdosen kommen. Doch auch Gras wird gestreckt, um das Gewicht zu erhöhen, mit giftigen Substanzen optisch aufgehübscht oder mit gefährlichen synthetischen Cannabinoiden besprüht.

Die Strafverfolgung selbst stellt ein weiteres großes Problem da. So können Konsument:innen schnell ihren Führerschein verlieren, ohne durch das THC in ihrem Blut fahruntüchtig zu sein. Die Kriminalisierung kann auch weiterhin empfindliche Geldstrafen für den Besitz von Gras nach sich ziehen. Dabei ist auffällig, dass die Verfolgung von Cannabiskonsum und -besitz bis heute eine rassistische Komponente hat: Migrantisierte Menschen sind oft von Armut betroffen oder haben keine Arbeitserlaubnis, weshalb sie gezwungen sind, illegal Geld dazu zu verdienen, sei es durch Schwarzarbeit oder eben kriminalisierte Geschäfte. Menschen, die in Armut leben und so kaum die Chance haben, an der Gesellschaft teilzunehmen, gehören auch verstärkt zum Konsument:innenkreis. Durch Racial Profiling werden überdurchschnittlich viel People of Color in diesem Zusammenhang angezeigt. Sowieso ist die Geschichte der Drogenprohibition eng verknüpft mit rassistischer Unterdrückung.

Besonders international sitzen viele Menschen wegen dem Schmuggel von Cannabis und anderen Drogen im Gefängnis, wodurch ihre Biografien zerstört werden. Insgesamt sind die Kosten für die polizeiliche Strafverfolgung, die Arbeit der Gerichte und zum Teil auch den geschlossenen Vollzug im Zusammenhang mit Cannabis gewaltig. Dieses Geld könnte viel besser in Prävention und Therapie gesteckt werden. Auch eine Ausweitung von Jugendarbeit mit diesen Mitteln könnte den Konsum von Cannabis eher reduzieren als ein Verbot.

Dass ein Verbot den Konsum von Drogen reduzieren würde, ist ein Irrglaube. Studien aus den USA, die den Konsum von Cannabis nach der Legalisierung in den einzelnen Staaten untersucht haben, kamen zu dem Schluss, dass eine Legalisierung wahrscheinlich keine Auswirkung auf das Konsumverhalten hat. Und selbst wenn: Unser Ziel ist nicht, dass sich möglichst niemand berauscht, sondern unser Ziel ist eine Gesellschaft, in der die Menschen möglichst wenig unter ihrem Konsum leiden! Das heißt: Ein aufgeklärtes, freies, kontrolliertes, aber selbstbestimmtes Verhältnis zum eigenen Konsum.

Inhalt und Schwächen des beschlossenen Gesetzes

Der Gesetzesvorschlag, der am 1. April in Kraft getreten ist, sieht vor, dass jede/r 3 Cannabispflanzen privat zuhause oder im Cannabis-Club mit anderen zusammen anbauen und sharen darf. Der Besitz von 50 g Cannabis ist jetzt legal, von denen 25 g mitgeführt werden dürfen. Für Vielkiffer:innen ist diese Menge allerdings zu gering, um ihren jährlichen Bedarf mit einem Anbau zu decken. Ursprünglich sollte Gras auch verkauft werden, doch dies soll zunächst nur in Modellprojekten erprobt werden, wofür es jedoch noch keinen Gesetzesentwurf gibt. Das ist problematisch, weil so immer noch viele Menschen auf den Schwarzmarkt angewiesen sind.  

In weniger als 100 m Entfernung von Schulen, Kitas und Spielplätzen darf nicht geraucht werden. Wenn man auf Karten anschaut, welche Gegenden gebannt sind, scheint es so, dass gerade in Großstädten in der Öffentlichkeit kiffen verboten bleibt. Für Jugendliche und junge Erwachsene gelten andere Regelungen, trotz der hohen Konsument:innenzahlen. Es soll wie Alkohol erst ab 18 konsumiert werden dürfen und bis 21 Jahre nur 30 Gramm besessen werden können. Der Verkauf an Minderjährige wird nun sogar härter bestraft.

Es soll zudem auch eine große Aufklärungskampagne zu den Risiken von Cannabis geben und die Länder sollen sich auch um Präventions- und Interventionsmaßnahmen kümmern, Extragelder werden hierfür jedoch nicht bereitgestellt. Das ist ein großes Problem, weil gerade hier ein großes Potential liegt, tatsächlich besonders Jugendliche über Risiken, Langzeitfolgen, Safer Use usw. aufzuklären, damit sie einen gesunden Umgang mit dem Graskonsum finden können. Obwohl wir für die Legalisierung eintreten, ist uns nämlich durchaus bewusst, dass der Konsum von Cannabis gefährlich ist und im Idealfall (wenn überhaupt) in einem sehr beschränkten Rahmen stattfinden sollte. Für Süchtige braucht es zudem eine ernsthafte Ausweitung der Suchthilfe, wie z.B. mehr Therapieplätze. Dafür muss Geld in die Hand genommen werden, welches z.B. bei den Strafverfolgungsbehörden eingespart werden kann.

Auch eine Erhöhung der Grenzwerte des THCs im Blut ist bisher nicht beschlossen, weshalb das Gesetz für alle, die ein Fahrzeug führen und mind. einmal die Woche kiffen im Prinzip wertlos ist. Der Grenzwert sollte von 1,5 Nanogram pro Mililiter auf 3,5 Nanogramm erhöht werden. Dies wurde Ende März auch von der vom Verkehrsministerium eingesetzten Arbeitsgruppe vorgeschlagen. Bleibt zu hoffen, dass eine Umsetzung dessen zeitnah erfolgt. Falls nicht, kann man den niedrigen Grenzwert als „Prohibition durch die Hintertür“ bezeichnen!

Perspektive

Auch mit dem neuen Gesetz sollte unser Engagement für eine bessere Drogenpolitik nicht aufhören. Richtigerweise wird es auch nur als eine Teillegalisierung bezeichnet und die Prohibition für alle anderen Substanzen gehen weiter inklusive Schwarzmarkt und staatlicher Verfolgung. Wichtig ist jedoch, dass die Betriebe von Herstellung bis Vertrieb durch Arbeiter:innenhand und nicht privatwirtschaftlich geregelt sind. Durch das Profitstreben des Marktes wären beschissene Arbeitsbedingungen, das Unterlaufen der Qualität und ein Interesse am Süchtigmachen der Konsument:innen nicht gebannt.

Wir fordern deshalb:

– Die Legalisierung aller Drogen, um den Schwarzmarkt und die Verfolgung der Konsument:innen zu beenden!

– Gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiter:innen, die bisher auf dem Schwarzmarkt arbeiten. So könnten sie für Arbeitsrechte und auch für eine demokratische Kontrolle des Drogenmarktes gemeinsam mit Wissenschaft und Konsument:innen kämpfen. 

– Verbot von Werbung für Drogen jeglicher Art! Verkauft werden sollen sie nur im speziellen Shops, das inkludiert Tabak und Alkohol, um Menschen nicht so einfach zum Kauf zu verleiten und Support einfacher zu machen!

– Massiven Ausbau von Präventionsmaßnahmen und sinnvoller Aufklärung ohne Verteuflung oder Beschönigung!

– Massiven Ausbau und kostenloser Zugang von Suchthilfen und Therapieplätzen! 

– Gegen racial Profiling! Offene Grenzen und Staatsbürger:innenrechte für Alle!

– Für die Freilassung aller Gefangenen! Hilfen und Resozialisierung statt Strafe!

Nachwort von der Autorin:

Ich verstehe die Debatte um Drogen sehr gut und klar am Ende ist ein aktiv süchtiger Mensch auch nur bedingt für den Klassenkampf zu gewinnen, doch die Zahlen zeigen, dass ein Weg aus der Sucht nur mehr Hilfe sein kann und eben die Überwindung dieses Klassensystems, dass uns erst in die Sucht bringt, braucht. Kriminalisierung durch den Staat muss bekämpft werden, nur die organisierte Arbeiter„lnnenbewegung sollte Verbote umsetzen und das auch nur, wo sie nötig sind!

Ich bin selbst süchtig, mein Hauptsuchtmittel ist Cannabis und ich weiß, dass es schädlich für mich und mein Leben ist. Doch ich habe jahrelang konsumiert, weil ich der Welt, meinen Traumatas und Emotionen entfliehen wollte und nie gelernt habe, wie ich das auch ohne Konsummittel hinbekomme, es fällt mir heute noch schwer. Ich habe meine politische Arbeit dadurch weniger gut ausführen können, am Ende ging kaum noch was außer konsumieren, weder Alltag noch Schlaf waren möglich nach meinen Bedürfnissen statt nach den Bedürfnissen der Sucht auszurichten und es hat mich an den Rand meines Lebenswillen geführt. Daher möchte ich hier nochmal klar sagen, dass keine Droge zu unterschätzen ist und es wichtig ist, sich mit sich selbst, seinem Leben und Gefühlen auseinanderzusetzen und bewusst zu konsumieren oder eben garnicht. Ich möchte hier auch jede„n bestärken sich Hilfe zu suchen, wenn auch ihr betroffen von Sucht seid! Es ist natürlich im Kapitalismus keine perfekte Hilfe aber ihr habt zumindest hier in Deutschland die Chance, egal bei welcher Droge, medizinische und psychische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Aus der Sucht kommt man auch schlecht alleine raus, auch das hab ich versucht und nicht geschafft und auch wenn es immer mal Rückschläge geben kann, weiß ich doch, dass ich nur ohne Konsum ich selbst bin, dass ich nur ohne Konsum die Kraft und Energie entwickeln kann mir und anderen zu helfen, dass ich nur ohne Konsum gegen dieses System kämpfen kann. Daher lasse ich euch hier noch ein paar Nummern für Hilfe da:

  • Bundesweite Sucht- und Drogen-Hotline (24 Stunden): 01806 – 31 30 31 (kostenpflichtig, 0,20 € pro Anruf aus dem Festnetz und aus dem Mobilfunknetz), www.sucht-und-drogen-hotline.de
  • Die Telefonseelsorge bietet kostenlose und anonyme Beratung rund um die Uhr und kann an geeignete Beratungsstellen weiter verweisen. Telefonisch zu erreichen unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 222;  Es gibt zudem auch die Möglichkeit einer Online- bzw. Chatseelsorge. Weitere Infos unter www.telefonseelsorge.de
  • Nummer gegen Kummer: Kinder und Jugendtelefon 116 111, Elterntelefon 0800-111 0 550. Hier kann man sich auch online beraten lassen: www.nummergegenkummer.de/online-beratung
  • Informationstelefon zur Suchtvorbeugung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unter 0221-89 20 31. (Preis entsprechend der Preisliste Ihres Telefonanbieters für Gespräche in das deutsche Festnetz). Auf Wunsch wird Ihnen hier eine Beratungseinrichtung in Ihrer Nähe genannt.



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