Lokführer_Innenstreik: Wer ist schuld, wenn meine Bahn nicht kommt?!

Von Lars Keller

Gründe, warum wir auf dem Bahnsteig stehen und vergeblich auf unseren Regio oder die S-Bahn warten, gibt‘s ja viele. Mal sind es die ominösen Verzögerungen im Betriebsablauf, mal ist der Zug kaputt, dann eine Weiche oder es fehlt einfach an Personal, also an Lokführer_Innen. Das ist alles nichts Neues, bei einer Bahn, die als Erstes Gewinn machen soll und erst als Zweites gut funktionieren soll. Personal ausbilden, Signale schnell entstören, Züge rechtzeitig reparieren, das alles kostet und bringt keinen Gewinn. Also schauen wir auf die Anzeigetafel und ärgern uns: „Heute ca. 15 Minuten später.“ oder gleich „Zug fällt aus.“. Übrigens gilt für die Deutsche Bahn ein ausgefallener Zug nicht als verspätet…so kann man sich die eigene Zuverlässigkeit natürlich auch schön rechnen.

Demnächst kann es allerdings sein, dass wir auf dem Bahnsteig stehen, der Zug nicht kommt und der Blick auf die Anzeigetafel uns verrät: „+++GDL-Streik+++Zug fällt aus+++“. Vielleicht ist dir genau das auch schon passiert, entweder, weil du beim letzten großen Lokführer_Innenstreik 2015 auch schon betroffen warst oder weil neue Streiks stattgefunden haben, seitdem wir die Zeitung gedruckt haben. Das ärgert dich vielleicht, und du fragst dich:

Warum streiken die denn? Und das auch noch ausgerechnet jetzt!

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) verhandelt mit der Deutschen Bahn (DB) derzeit um einen neuen Tarifvertrag, also darüber, wie viel Lokführer_Innen und andere Arbeiter_Innen bei der Bahn demnächst verdienen sollen, wie viel sie arbeiten müssen und noch vieles mehr. Bisher wird darüber nur im Hinterzimmer zwischen GDL und DB verhandelt (öffentlich wäre natürlich besser), aber wenn sich aus den Bossen der Bahn kein gutes Angebot heraushandeln lässt, kann die GDL versuchen, durch Streiks mehr Druck zu machen.

Die Forderungen der GDL solltest du auf jeden Fall unterstützen. Warum? Es geht z.B. um 4,8 % mehr Lohn, was dringend nötig ist, wenn wir uns anschauen, wie Mieten explodieren oder Lebensmittelpreise steigen. Außerdem soll‘s eine Coronaprämie von 1300 Euro geben für die, die während der Krise den Schienenverkehr aufrecht gehalten haben, damit Menschen ohne Auto auch weiterhin zur Arbeit kommen konnten.

Die Deutsche Bahn wirft der GDL vor, dass sie mit ihren Forderungen die Verkehrswende aufhalte. Aber das Gegenteil ist der Fall! Wer einen guten Schienenverkehr will, braucht auch gut bezahlte Zugbegleiter_Innen und Lokführer_Innen! Nicht die Lokführer_Innen sind es, die die Verkehrswende ausbremsen, sondern die Deutsche Bahn AG und der deutsche Staat sind es. Beweis? In den letzten 25 Jahren wurden in Deutschland 6000 km Gleise abgebaut und ungefähr genauso viele Bundesstraßen und Autobahnen gebaut, außerdem wurden Tausende Jobs gestrichen und die Arbeitsbedingungen der Lokführer_Innen wurden um einiges schlechter.

Klingt ja, als würden die alles richtig machen?!

Naja, nein. Die Forderungen der GDL sind schon richtig, aber das heißt nicht, dass sie alles richtig machen. Beispielsweise tat die GDL bei vergangenen Streiks wenig dafür, die Fahrgäste miteinzubeziehen und das, obwohl es von allen Seiten die widerlichste Hetze hagelte, vor allem aus jenen dreckigen Fingern der BILD-Zeitungsredaktion. Das wird sicher wieder passieren.

Die GDL könnte auf die Fahrgäste zugehen, indem in einer ersten Stufe des Streiks Lokführer_Innen die Züge zwar weiterfahren, aber angekündigt keine Ticketkontrollen mehr durchführen (ein indirekter Aufruf zum kostenlosen ICE fahren). Oder dass der Fokus des Streiks auf den Güterverkehr gesetzt wird, was bei den deutschen Autoindustrien und anderen Großindustrien schnell zu derart großen wirtschaftlichen Problemen führen würde, dass ein großer Druck auf die Bundesregierung und den Staat als Eigentümer der Deutschen Bahn daraus hervorgehen würde. Am Ende ist aber natürlich auch ein Streik im Personenverkehr legitim, gepaart mit einer Kampagne unter den Fahrgästen. Unserer Ansicht nach sollten die Kolleg_Innen das selbst durch Streikkomitees demokratisch entscheiden und kontrollieren, wie sie was bestreiken und es nicht einfach dem Gewerkschaftsvorstand überlassen.

Denn letztlich verdient die GDL auch dafür Kritik, dass sie den Vorstoß der Grünen (richtig, die Partei, die Wälder für Autobahnen fällen lässt) unterstützt, die Deutsche Bahn zu zerschlagen, also für mehr Konkurrenz („Wettbewerb“) auf der Schiene zu sorgen. Erfahrungsgemäß führt das zu einer noch beschisseneren Betriebsqualität, also mehr „15 Minuten später“ oder „Zug fällt aus“ oder generell Fahrpläne die gar nicht zusammenpassen. Der Grund ist einfach der, dass mehr Wettbewerb auch mehr Kosten einsparen bedeutet, womit wir wieder bei nicht reparierten Zügen und unterbezahltem Personal wären…

Demgegenüber sollten wir und alle, die es ernst meinen mit der Verkehrswende und dem Klimaschutz, dafür eintreten, dass der gesamte Transportsektor entschädigungslos enteignet und verstaatlicht wird und von Arbeiter_Innen, Pendler_Innen usw. demokratisch kontrolliert wird. Denn die Eisenbahn soll keinen Gewinn machen, sondern uns nachhaltig und sicher von Hier nach Dort bringen!

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