Österreich: ein Jahr Schwarz-Blau

von Arbeiter*innenstandpunkt, Fight, Revolutionäre Frauenzeitung Nr. 7, März 2019

Vor einem Jahr, am 15. Dezember 2017, wurde die aktuelle ÖVP-FPÖ-Regierung angelobt. Kanzler und Vizekanzler nahmen das und ihre bisherigen Reformen vor kurzem zum Anlass für einträchtiges Eigenlob. Doch Reformen sind nicht immer gut – immer und überall lautet die Frage: „Wem nützt das?“

Dass die schwarz-blaue Politik zugunsten der Reichen und der Kapitalist*innen und auf Kosten der Lohnabhängigen, Arbeitslosen und sozial Schwächeren betrieben wird, haben wir in unseren Analysen zum Regierungsprogramm ausreichend dargelegt (zuletzt in der jüngsten Ausgabe unseres Theoriejournals „Revolutionärer Marxismus“ Nr. 50). So ist das zentrale Vorhaben der Senkung der Abgabenquote in letzter Konsequenz eine große Umverteilung von unten nach oben, wie eines der zentralen Projekte, der Familienbonus, zeigt. Das wird natürlich begleitet von Einsparungen, die vor allem jene treffen, die sich schlechter dagegen wehren können: die Arbeitslosen (AMS-Budgets, Haushalte des Arbeitsmarktservices), die Frauen (Förderungen von Frauenvereinen), die Geflüchteten (Integrationsmaßnahmen, Mindestsicherung), die Lehrlinge (Ausbildungsbeihilfe) etc. Zusätzliche Maßnahmen zur „Stärkung des Wirtschaftsstandorts“ treffen direkt die Kernschichten der Arbeiter*innenklasse, hier besonders die Ausweitung der Höchstarbeitszeit auf täglich 12 (wöchentlich 60) Stunden. Auch muss man festhalten, dass diese Politik unter kontinuierlichen rassistischen Vorstößen gegen Geflüchtete betrieben wird und die Möglichkeiten staatlicher Repression, insbesondere der Überwachung, ausgebaut werden.

„Der rot-weiß-rote Reformzug wird 2019 mit demselben Tempo unterwegs sein“, verkündet Bundeskanzler Sebastian Kurz feierlich. Dabei rückt er natürlich vor allem eines seiner „Prestigeprojekte“ in den Vordergrund – die Steuerreform. Dazu soll es Mitte Jänner eine Regierungsklausur geben. Im April soll ein passender Budgetrahmen geschaffen und im Oktober das entsprechende Doppelbudget beschlossen werden. Diese Steuerreform, geplant für 2020, muss als wesentlicher Teil der Abgabenquotensenkung verstanden werden. Auch wenn Kurz hier die Entlastung für kleinere und mittlere Einkommen ankündigt, sollte man sich keine Illusionen darüber machen, wem diese Reform tatsächlich nützen soll. Vermutlich wird sich innerhalb eines Gesamtpakets die schon angekündigte Halbierung der Körperschaftssteuer (Steuer auf Unternehmensgewinne) auf nicht entnommene Gewinne finden. Nicht unwahrscheinlich wäre auch eine Senkung des Höchststeuersatzes oder eine Reduktion der Steuerprogression.

Auf eine endgültige Umsetzung wartet auch das „Arbeitslosengeld neu“, das die Arbeitslosenversicherung auf ein Hartz-IV-Modell umstellen soll. Dispute zwischen ÖVP und FPÖ über das Ausmaß des Angriffs haben das Projekt bisher verzögert. Wird die Notstandshilfe tatsächlich abgeschafft, um Arbeitslose nach einiger Zeit mit Vermögenszugriff in die Mindestsicherung zu schicken, dann wäre das ein bedeutender Angriff nicht nur auf die Arbeitslosen, sondern auch auf die Arbeiter*innenklasse. Auf sie würde dadurch ein stärkerer Druck zur Hinnahme schlechterer Arbeitsbedingungen ausgeübt.

Es stehen also durchaus noch bedeutende politische Auseinandersetzungen bevor und weitere sind zu erwarten. Immerhin stellt sich die Frage, wie die Regierung ihr Ziel eines anhaltenden Nulldefizits garantieren möchte. Für das Budget 2018/19 war es vor allem die gute Konjunktur, die trotz Einsparungen mehr Einnahmen brachte. Aber die Spielräume für 2020/21 werden sich deutlich verengen. In ihrer gesamtwirtschaftlichen Prognose 2018 hatte die Österreichische Nationalbank schon ein Abflauen des Wachstums von + 3,1 % (2018) auf + 2,1 % (2019) und + 1,7 % (2020) konstatiert. Nun wurde aufgrund einiger Revisionen innerhalb der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung jenes für 2018 auf + 2,8 % korrigiert. Im kommenden Doppelbudget wird die Regierung also wohl auch zu zusätzlichen relevanten Sparmaßnahmen greifen, noch dazu da für Ende 2019 eine Pflegereform zur langfristigen Finanzierung angekündigt wurde – und die wird vermutlich nicht billig. Womöglich wird deshalb, obwohl noch nicht angekündigt, das Pensionssystem zur neuen Zielscheibe erklärt.

Trotz der offen unsozialen, neoliberalen, rassistischen und autoritären Regierungspolitik scheint das politische Kräfteverhältnis in Österreich seit Anfang der Legislaturperiode zwar nicht gänzlich unverändert, aber auf jeden Fall unerschüttert. In den regelmäßigen Wahlumfragen zeigt sich, dass die Stimmenverhältnisse von ÖVP, SPÖ und FPÖ seit den Wahlen ungefähr gleich geblieben sind. Der rechtskonservative Block ist also durchaus in der Lage, einen großen Anteil der österreichischen Bevölkerung ideologisch für seine politische Agenda zu gewinnen. Das bedeutet auch, dass der Widerstand einen langen Atem haben muss. Vor allem braucht er aber ein politisches Programm, mit dessen Hilfe der Charakter dieser Regierung entlarvt werden, das die Spaltungsmechanismen unter den Arbeitenden überwinden kann und eine Alternative zum scheinbar alternativlosen Kapitalismus aufzeigt. Nur durch ein solches entschlossenes Handeln können wir den gesellschaftlichen Rechtsruck an seinen Wurzeln bekämpfen!

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