Das Massaker von Odessa, dem mindestens 46 Menschen zum Opfer fielen, verdeutlicht, mit welcher Regierung wir es heute in der Ukraine zu tun haben. Die Koalition aus Neo-Liberalen, Oligarchen und Faschisten führt einen Krieg gegen die Linke, gegen AntifaschistInnen, gegen jeden Widerstand aus der eigenen Bevölkerung.
Seit Wochen führt sie einen „Antiterroreinsatz“ gegen alle Kräfte im Osten und Süden des Landes, welche die neue Regierung nicht anerkennen wollen. Sie alle werden umstandslos als „Separatisten“ und „Agenten Moskaus“ diffamiert, um das Vordringen der ukrainischen Armee, der aus „zuverlässigen“, nationalistischen und faschistischen Kräften bestehenden „Nationalgarde“ und der Privatarmeen der Oligarchen zu rechtfertigen.
Die Nazi-Banden des “Rechten Sektors” verbreiten Terror. In den von der Regierung kontrollierten Gebieten sind alle Linken, die sich klar gegen die neuen Machthaber stellen, praktisch in die Illegalität gezwungen. Die Büros der sozialistischen Organisation „Borotba“ (Kampf) und der „Kommunistischen Partei“ wurden verwüstet, Versammlungen werden von Schlägertrupps gesprengt, auf die Mitglieder wird öffentlich Jagd gemacht. Es wird wird nichts anderes als eine Pogromstimmung verbreitet.
Konterrevolutionärer Vorstoß
Die ‚Revolution’ vom Maidan führte zu einer konterrevolutionären Machtverschiebung. Sie hat eine Koalition von rechten Nationalisten (neoliberale Agenten des Westens), eine faschistische Frontpartei (Swoboda) und eine Koalition von faschistischen Banden (Rechter Sektor), die als Ordnungstruppe der neuen Regierung fungiert, an die Regierung gebracht.
Sie soll nun vollenden, was die „Orangene Revolution“ früher nicht vermochte – die gesamte Ukraine dem westeuropäischen und US-Kapitals zu unterstellen und das Land zu einem Anhängsel des westlichen Imperialismus zu machen.
Natürlich standen auch die Vorgängerregierungen des aktuellen Regimes unter imperialistischen Einfluss. Auch die Regierung Janukowitsch war eine der „Oligarchen“. Aber sie spiegelten eine Balance zwischen dem Einfluss der EU, der USA und Russlands wider, die sich politisch in einem Zick-Zack-Kurs zwischen den konkurrierenden Mächten ausdrückte.
Damit soll jetzt Schluss sein, geht es nach de Kiewer Regierung, v.a. aber nach dem Willen der USA und ihrer Verbündeten. Zweifellos gibt es auch im westlichen Lager Widersprüche. Während es den USA v.a. darum geht, Russland zurückzudrängen und zugleich auch die Festigung des europäischen imperialen Rivalen zu behindern, drängen die deutsche Regierung u.a. EU-Regime auf eine möglichst rasche Anbindung an die EU, um den ukrainischen Markt zu erschließen und zugleich den Schaden für das Russland-Geschäft gering zu halten. Dazu sind sie auch eher als die USA zu Verhandlungen und zur Berücksichtigung der Interessen der „östlichen Oligarchen“ und Russlands bereit – wenn auch als untergeordneter Faktor unter der Dominanz der EU.
Für diese Zwecke greifen die westlichen Imperialisten auch auf die faschistischen Banden zurück, welche die Kiewer Regierung stützen. Dazu wurden auch alle reaktionären Gesetze und Vorhaben der Kiewer Regierung gedeckt, die sich gegen die russischsprachige Bevölkerung richten. Dazu wird die „Demokratie“ in Kiew über den grünen Klee gelobt und der Mainstream der Medien spielt munter mit. Die wirklichen wirtschaftlichen und politischen Pläne der Kiewer Regierung und der westlichen Imperialisten werden dabei praktisch ausgeblendet:
Dazu nehmen die westlichen Regierung, einschließlich der Bundesregierung einen Bürgerkrieg in der Ukraine billigend in Kauf. Allenfalls heuchelt Außenminister Steinmeier Mitgefühl mit den Opfern von Odessa – und schüttelt davor und danach Faschisten die Hand.
Um den russischen Imperialismus und seine Machtansprüche zurückzudrängen, investierten die USA und Deutschland nicht nur in Unternehmen, sondern auch Milliarden in die „Zivilgesellschaft“. Die USA haben sich die „Demokratiebewegungen“ in den letzten beiden Jahrzehnten rund 5 Mrd. Dollar kosten lassen. Mit Klitschkos UDAR hält sich die CDU-nahe Adenauer-Stiftung gar eine eigene Partei im Land – und jammert zugleich über zu viel „russische Einmischung“.
Die Wahlen am 25. Mai sind eine einzige Inszenierung, um der Machtergreifung von pro-westlichen Oligarchen einen demokratischen Anstrich geben. Dabei hat die neue Regierung mit undemokratischen Mitteln die Rada, das ukrainische Parlament, gesäubert, der Kommunistischen Partei droht das Verbot. Ein Wahlkampf für Oppositionelle ist praktisch nicht möglich. Das Wahlgesetz wurde – entgegen den ach so heiligen demokratischen Gepflogenheit der EU – kurzfristig geändert, so dass der neue Präsident auch dann rechtmäßig im Amt wäre, wenn in ganzen Landesteilen wie Donezk und Lugansk gar nicht gewählt wird.
Widerstand
Der Widerstand gegen dieses Regime, der sich im Süden und Osten des Landes entwickelt hat, ist daher vollkommen legitim. Gegen die faschistischen Schläger des „Rechten Sektors“, gegen die „Anti-Terrorkampagne“ der Nationalgarde sind Selbstverteidigung und bewaffneter Widerstand nicht nur gerechtfertigt, sondern unerlässlich – allein schon, weil sonst weitere Massaker wie in Odessa nicht zu verhindern sind. Als Revolutionäre und Anti-FaschistInnen haben wir immer militanten antifaschistischen Widerstand verteidigt. Wenn das hier gegen NPD und Kameradschaften richtig ist, dann gegen die viel gefährlicheren Mörderbanden in der Ukraine erst recht!
Zweifellos verfolgt auch der russische Imperialismus seine eigenen Interessen, wenn er sich als „Unterstützer“ des Widerstands darstellt. Er ist jedoch ein falscher Freund und verräterischer Bundesgenosse.
Das Genfer Abkommen mit den westlichen Imperialisten, die Unterstützung für den Parlamentswahltermin am 25. Mai, die Opposition gegen die Volksabstimmung am 11. Mai zeigen: Putins Ziel ist eine Annäherung v.a. an die EU und den deutschen Imperialismus, mit denen er eine Aufteilung der Ukraine vereinbaren möchte. Sein Problem ist jedoch, dass die USA und ihre engsten Verbündeten in der EU Britannien und Polen jede Art von Kompromiss blockieren wollen.
Der politischen Ausrichtung der Führungen der „Volksrepubliken“ von Donezk und Lugansk stehen wir kritisch gegenüber. Etliche von ihnen stehen unter dem politischen Einfluss der russischen Regierung, andere unter dem von lokalen Großkapitalisten. Viele sind eher zufällige Größen. Aber es ist schlichtweg eine Verleumdung durch die Kriegshetzer im Westen, die Bewegung im Osten und Süden des Landes als eine von „russischen Agenten“ hinzustellen.
Anders als beim Maidan gibt es jedoch keine fest gefügte Führung aus Parteien der Oligarchie und der Faschisten, die von Beginn an einen dominierenden Einfluss auf die dortige Bewegung hatten. Die „Partei der Regionen“ des Ex-Präsidenten Janukowitsch ist zerfallen. Faschistische Organisationen, die hinsichtlich Größe, Kampfkraft und Einfluss mit Swoboda oder dem „Rechten Sektor“ vergleichbar wären, gibt es im Osten oder Süden des Landes nicht.
Ursprünglich waren die Besetzungen von Rathäusern im Osten des Landes wahrscheinlich auch nur von einer Minderheit getragen. Die Brutalität der Reaktion, der „Anti-Terrorkampf“ und die Angriffe des „Rechten Sektors“ z.B. in Mariupol, wo ein zweites Odessa verhindert werden konnte, haben ihr jedoch Massenzulauf oder jedenfalls deren Unterstützung gebracht. Armee- und Polizeieinheiten weigerten sich, gegen die eigene Bevölkerung vorzugehen, zogen sich zurück, desertierten oder wechselten gleich die Seiten. Daher wurde auch das Referendum am 11. Mai zu einer Massendemonstration gegen die Kiewer Regierung.
Mit ihrem Ruf nach Abtrennung und einem Anschluss an die russische Föderation steuern die Führer der Donezk-Republik allerdings einen gefährlich-abenteuerlichen Kurs und entfremden sich großer Teile der Bevölkerung, deren nationale Identität und Sprache ukrainisch ist. Außerdem erschwert es zusätzlich, den Widerstand im östlichen Teil mit dem möglichen Aufbegehren gegen die Kürzungspläne von EU und IWF in der gesamten Ukraine zu verbinden.
Solidarität mit der ukrainischen Linken!
In dieser Situation stehen die ukrainischen Linken vor einer extrem schweren Aufgabe.
Einerseits müssen die den Kampf gegen die Kiewer Regierung, gegen faschistische Angriffe, gegen die Unterordnung des Landes unter USA, EU und NATO führen.
Andererseits geht es darum, unter den Widerständischen für eine internationalistische, klassenkämpferische und revolutionären Perspektive einzutreten, den Einfluss russisch-nationalistischer Kräfte oder von Anhängern einzelner Oligarchenfraktionen zurückzudrängen.
Heute ist in der Ukraine die Verteidigung der Städte im Osten und Süden gegen die Angriffe der Faschisten und der Regierung eine Vorbedingung, um überhaupt eine Massenbewegung gegen die Regierung aufbauen und darin für eine revolutionäre Ausrichtung kämpfen zu können. Ein Sieg der Regierung über den Osten würde zu Pogromen wie in Odessa
führen und jede Opposition den faschistischen Schlächtern preisgeben.
In den „Volksrepubliken“ des Ostens werden auch soziale Forderungen erhoben wie die nach der Enteignung der Oligarchen. Das gleiche gilt für vom Imperialismus kontrollierte Unternehmen wie der größten Bergbaugesellschaft Burisma, in deren Vorstand Hunter Biden, der Sohn des US-Vizepräsidenten, seit Mitte Mai sein Unwesen treibt. Wir unterstützen diese Forderungen. Werden sie mit dem Aufbau von demokratischen Strukturen der Bevölkerung und v.a. der ArbeiterInnen verbunden, so können sie zu einem Hebel werden für die Umgestaltung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft im Interesse der Lohnabhängigen.
Im Osten ist der staatliche Zwangsapparat praktisch zerfallen. Es fragt sich, wer und was an seine Stelle tritt. Solange die „Regierungen“ in Donezk oder Lugansk unter keiner demokratischen Kontrolle der Bevölkerung stehen, können sie selbst leicht zum Spielball äußerer Mächte, von Oligarchen oder Abenteurern werden. In einer solchen Situation unterstützen wir den Aufbau von demokratischen Organen der Selbstverwaltung und Verteidigung. Wo sie bestehen, sollte die Macht in ihren Hände konzentriert sein. Die bewaffnete Milizen, Soldaten u.a. bewaffnete Einheiten, die die Bevölkerung gegen die Kiewer Regierung verteidigen wollen, sollten ihnen unterstellt sein.
So kann ein Kurs gewahrt werden, der sich einerseits gegen die Regierung wendet und zugleich gegen jede Unterordnung unter den russischen Imperialismus. Die sozialistische Organisation „Borotba“ wendet sich gegen eine russische Annexion der Ostukraine (und Illusionen, die in Teilen der Bevölkerung bestehen), fordert die Enteignung der Oligarchie und der westlichen Kapitale und tritt für eine sozialistische Umwälzung ein.
Unsere Solidarität gilt daher besonders „Borotba“. Sicher haben auch wir in einzelnen Punkten Differenzen – auch deshalb, weil „Borotba“ selbst eine Organisation mit verschiedenen politischen Strömungen ist. Sie stellt unserer Meinung nach aber den einzigen realistischen Ansatzpunkt für den Aufbau einer revolutionären Organisation in der Ukraine dar.
Internationalismus
Auf sich allein gestellt bzw. in Isolation werden die ukrainische Arbeiterklasse und die Linke nicht in der Lage sein, den Klassenkampf gegen die eigene Oligarchie erfolgreich zu Ende zu führen und sich der imperialistischen Unterwerfung unter das Diktat von USA, EU oder Russland zu widersetzen. Sie braucht und verdient daher starken internationalen Rückhalt!
Besonders für Menschen in den imperialistischen Staaten, die gerade dabei sind, die Ukraine zu unterwerfen, besteht die Verpflichtung, den Kampf gegen ihre eigene herrschende Klasse zu führen, deren Pläne auf die Unterwerfung der ganzen Ukraine über EU und NATO oder eine Teilung in Interessensphären entlang ethno-linguistischer Linien hinauslaufen. Die Rolle von Obama, Merkel und Co. als „Verteidiger von Demokratie und Menschenrechten“ bzw. Putins Rolle als „Schützer der russischen Bevölkerung in der Ukraine“ müssen als Schmierentheater entlarvt werden.
SozialistInnen und AntikriegsaktivistInnen in den imperialistischen Ländern können am besten Solidarität üben durch Bildung einer internationalen Bewegung der Kriegsgegner gegen die Kriegstreiberei aller imperialistischen Mächte und in Solidarität mit dem antifaschistischen Widerstand.
Die Grundlage dafür sollte sein:
Gemeinsamer Aufruf von ARAB und der NaO-Berlin zur Demonstration am 31. Mai