Während der größten antifaschistischen Protesten des neuen Jahres in Wien, den Mobilisierungen und Blockaden des FPÖ-Burschenschafterballs in der Hofburg, kam es zu massiven Polizeiübergriffen auf Antifaschist_innen. Die Polizeitaktik, die von Anfang auf Repression, Kriminalisierung und Zerschlagung abzielte, wurde ergänzt durch individuelle Übergriffe, Schlagstockeinsätze gegen Journalist_innen1 und Pfefferspray auch gegen Sitzblockaden. Der Polizeipräsident Pürstl, der „seit Jahren in der SPÖ tief verankert“ ist2, kündigte für die Zukunft noch härteres Vorgehen „mit Waffengewalt“3 an und drohte auch, Protestierende über Rettungseinsätze ausfindig zu machen.
Seit auch noch bekannt ist dass der Verantwortliche für die vermummte Schläger_innentruppe, die am 24.1. Wiens Straßen für alle außer die Besucher_innen des rechtsradikalen Vernetzungstreffen „Akademikerball“ unsicher gemacht haben, beste Verbindungen zu deutschnationalen Burschenschaften pflegt kommen laute Rücktrittsforderungen auf. Aber an die Stelle von Pürstl würde der oder die Nächste treten um die Rechtsradikalen zu schützen und fortschrittliche Aktivist_innen zu bedrohen. Nicht die Unfähigkeit (oder Bösartigkeit) von Pürstl sind das Problem, sondern die Aufgaben der Polizei die den kapitalistischen Staat und auch seine rechtsradikalen „Leistungsträger_innen“ mit aller Gewalt schützt und schützen wird. Wie können wir unsere Bewegung also wirklich vor der Polizeibrutalität schützen?
Die Polizei hat 2014 mit noch mehr Beamt_innen als in den letzten Jahren massive Einschränkungen von demokratischen Rechten (wie die riesige Schutzzone oder das absurde Vermummungsverbot in den Bezirken 1 bis 9) und Prügelorgien beim Burgtheater und dem Volkstheater durchgesetzt. Mit ihrer offenen und bedingungslosen Parteinahme für den Akademikerball, die auch in den letzten Jahren an Verhaftungen, Platzwunden und anderen Übergriffen klar ersichtlich war, haben sie auch einige Aktivist_innen einschüchtern können – und andere enorm empört. Diese Aufregung ist mehr als verständlich, aber die Antworten die auch fortschrittliche Gruppen wie die Linkswende und Sozialistische Jugend4 anbieten gehen nicht weit genug – und teilweise auch in eine falsche Richtung.
Die Polizei nimmt als Staatsapparat, also als bewaffnete Einheiten des bürgerlichen politischen Systems, eine besondere Rolle im Kapitalismus ein. Sie ist nicht nur wegen ihrer ökonomischen Interessen an die Herrschenden gebunden – in einer klassenlosen Gesellschaft gäbe es nämlich keine gutbezahlten Hooligans, die die Herrschaft sichern sondern demokratisch kontrollierte Milizen der Arbeiter_innen und Jugendlichen – und gehört deshalb nicht zur Arbeiter_innenklasse, obwohl sie auch „lohnabhängig“ ist. Sie schützt jeden Aspekt des Systems gegen fortschrittliche Bestrebungen und vor allem gegen revolutionäre Bestrebungen. Deshalb erscheint die Exekutive auch oft „auf dem rechten Auge blind“, weil sie gewaltbereite und legalistisch arbeitende Rechtsradikale als potentielle Verbündete der herrschenden Klasse gegen eine Revolution am Leben erhalten will und muss. Das kann man geschichtlich unter anderem am faschistoiden Kornilow-Putschversuch gegen die russische Revolution, an der Zusammenarbeit von Polizei und rechten Freikorps gegen die Kommunist_innen in der Weimarer Republik oder dem gemeinsamen Kampf von faschistischer „Paramilitar“ und Armee gegen Aktivist_innen in Lateinamerika sehen. Die Forderung nach einem Rücktritt ihres Anführers lenkt daher die Hoffnungen der fortschrittlichen Aktivist_innen in eine falsche Richtung und würde auch wenn sie erfüllt wird einen brutalen Einsatz bei der nächsten Gelegenheit nicht verhindern.
Die Erfahrungen der letzten Jahre, als es zu Kesselung von Demonstrationen, willkürlichen Verhaftungen und Schlagstockangriffen auf Antifaschist_innen kam haben auch bewirkt, dass die Demonstrationen dieses Jahr besser vorbereitet waren. Statt auf Sitzblockaden und individuelle Störaktionen vertrauten die Meisten auf Massenblockaden, eingehakte Arme als Schutz gegen Verhaftungen und disziplinierte, gemeinsame Aktionen. So konnten auch schlimmere Gewaltorgien hinter dem Burgtheater und die meisten Verhaftungsversuche erfolgreich abgewehrt werden.Wir von REVOLUTION haben diese Taktiken an der Stelle von Illusionen in die Friedlichkeit der Polizei oder individuellen Angriffen schon in den letzten Jahren vertreten und angewendet. Wir laden auch in diesem Jahr alle Aktivist_innen und Organisationen ein, mit uns das Vorgehen und die Lehren der Aktion zu diskutieren. Denn es ist auch klar, dass die Aktionen noch besser vorbereitet werden und auch die Versorgung von Verwundeten sicher gestellt werden muss wenn wir der Eskalationsstrategie der Polizei etwas entgegen setzen wollen.
Außerdem muss klar sein, dass wir in die Polizei und den ganzen kapitalistischen Staat keine falschen Hoffnungen haben oder wecken. Während rechtsradikale kriminelle Banden wie das „Objekt 21“ in Oberösterreich, die „Identitären“ und die Faschist_innen die im Dezember das Ernst-Kirchweger-Haus angegriffen hatten mit Samthandschuhen angefasst werden (und nur im Notfall eingeschritten wird) müssen wir uns als Revolutionär_innen im Klaren darüber sein, dass gegen uns jede erdenkliche Mittel eingesetzt wird. Wie Polizeipräsident Pürstl in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ klar gemacht hat werden Videoüberwachung, Verfassungsschutz und möglicherweise sogar Patient_innendaten verwendet, um jede_n Teilnehmer_in der Proteste zu finden und „zur Strecke zu bringen“ (Originalzitat). Wir müssen deshalb nicht nur unsere eigene Sicherheit, die von Faschist_innen und Polizei bedroht wird, sondern auch den Antifaschismus in unsere eigenen Hände nehmen. Wir müssen die Rechtsradikalen Hetzer_innen und Schlägerbanden aus unseren Bezirken gemeinsam, als Arbeiter_innen, Jugendliche und Migrant_innen vertreiben. Wir müssen Vernetzungstreffen wie den Akademikerball und Hetzveranstaltungen wie sie die FPÖ organisiert gemeinsam blockieren und verhindern. Wir müssen organisiert verhindern, dass Einzelne verhaftet, misshandelt oder kriminalisiert werden.
Die Aktivist_innen, die am 24.1. die Taktiken des Schwarzen Blocks verwendet haben, um Polizeistationen, Autos und Schaufensterscheiben anzugreifen haben auch bewiesen, wie es nicht geht. Statt die Hofburg zu blockieren und ihre Aktion gegen den drohenden Polizeiangriff zu schützen haben sie zwar gezeigt, wie schlecht die Polizei am Stefansplatz organisiert waren, konnten aber nichts erreichen. Trotzdem dürfen wir uns nicht auf die Hetzkampagne von FPÖ und Medien gegen den Schwarzen Block einlassen, dürfen unseren Antifaschismus nicht spalten lassen. Das Problem sind nicht ein paar Fensterscheiben oder ein Polizeiauto weniger, mit dem Migrant_innen abgeschoben und Aktivist_innen verhaftet werden können sondern die Gewalttaten und die reaktionäre Politik, die auf den Vernetzungstreffen von FPÖ und Burschenschaften geplant werden. Aber es muss auch klar sein, dass Flaschen- und Pyrotechnikwürfe, die die eigenen Genoss_innen gefährden und individuelle, wirkungslose Provokationen gegen die Polizei in antifaschistischen Demonstrationen nicht geduldet werden sollten.
Die bürgerlichen Medien, die jetzt antifaschistische Aktivist_innen mit Namen und Fotos in der Zeitung abdrucken und so die Gewalttaten der Faschist_innen mit ermöglichen, die bürgerlichen Parteien, die eine willkommene Ausrede gefunden haben sich vom Antifaschismus zu distanzieren und die Polizei arbeiten im Moment Hand in Hand gegen die antifaschistische Bewegung. Wir müssen daher alle verteidigen, die jetzt oder in den nächsten Wochen und Monaten mit Geldstrafen, Hausdurchsuchungen und Anklagen die Härte des „Rechtsstaates“ zu spüren bekommen. Solidarität ist unsere Waffe, und nur der gemeinsame Kampf der Arbeiter_innen, Jugendlichen und Unterdrückten kann die braune Gefahr stoppen!
Wir von REVOLUTION fordern daher:
1 http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/medien/602688_Polizei-schlug-Journalisten.html am 3.2.2014
2 http://derstandard.at/1389858816736/Puerstls-Jugend-als-Stachel-im-Fleisch-linker-Schmarotzer am 3.2.2014
3 „Im Zentrum“ am 25.1.2014