Stalinisten in Europa: Assads fünfte Kolonne

Die syrische Revolution kann nur siegen, wenn sie zu einer sozialistischen wird. Die Demagogie oder Passivität großer Teile der Linken blockieren eine progressive Entwicklung – die Einflussnahme reaktionärer Kräfte wird dadurch erst bedingt.

In Syrien erhebt sich seit 18 Monaten ein revolutionärer Aufstand. Selten hat sich eine Revolution über so lange Zeit gegen die schrecklichste Repression verteidigt – selten waren Menschen mutig genug, um solch große Leiden und Opfer hinzunehmen für den Kampf um eine bessere Zukunft.

Gerade als Jugendorganisation sehen wir uns in der Pflicht, den Aufstand mit dem uns Möglichen zu unterstützen – denn er wird hauptsächlich von der unterdrückten syrischen Jugend geführt. Zehntausende von ihnen haben sich der Freien Syrischen Armee angeschlossen, und sie unterscheiden sich von uns selbst einzig durch ihre größeren Leiden, ihre weitaus stärkere Entschlossenheit und die völlige Aufopferung für die Revolution.

Doch ein großer Teil der deutschen Linken verteidigt das Assad-Regime – und sieht sich dabei gar in „anti-imperialistischer“ Tradition. Von autonomen Gruppen über DKP, SDAJ, MLPD, Teile von „DIE LINKE“ bis zur Friedensbewegung erstreckt sich diese linke Allianz der Konterrevolution, deren Sprachrohr „junge welt“ täglich Verleumdungsartikel druckt und die Kriegspropaganda der staatlichen syrischen Medien verbreitet.

Selbst die glühendsten Unterstützer der Befreiungskämpfe in Kurdistan oder Palästina sprechen der unterdrückten syrischen Bevölkerung das Recht ab, im Kampf gegen ihren Unterdrücker das angemessene Mittel – den bewaffneten Aufstand – zu wählen.

So hat die Kommunistische Jugend Schweiz einen Appell geschrieben, in dem es heißt: „(Uns) […] wird vorgegaukelt, es ginge in Syrien um den Kampf […] um mehr Demokratie und gegen ein schreckliches Regime. Doch das ist eine Lüge. […] Die Bewegung gegen den syrischen Staat war nie friedlich. Von Anfang an wurde in Syrien geschossen, stets waren die Rebellen gut gerüstet. Ihre Waffen und ihr Geld beziehen sie von den westlichen und arabischen Staaten. […]“

Allen Ernstes fordert diese „kommunistische“ Erklärung nichts anderes, als die Imperialisten selbst: eine „Verhandlungslösung“ zwischen Assad und der ihn hofierenden „friedlichen Opposition“ – vermittelt durch die „internationale Gemeinschaft“, also die Imperialisten:

„Kommunisten“, auf Linie mit Kofi Annan und Brahimi

„Der Dialog zwischen Regierung, Opposition und der Zivilgesellschaft ist die Voraussetzung, um die Gewalt zu beenden. Auch die Friedensanstrengungen der internationalen Gemeinschaft, einschliesslich des Annan-Plans, setzten diese Bedingung voraus […]“ und weiter: „Damit es eine Lösung ausserhalb von Gewalt geben kann, müssen die westlichen Staaten, muss die Schweiz in die Pflicht genommen werden.“

Die SDAJ Rosenheim schreibt am 4. Oktober: „Wir möchten uns nicht voll und ganz hinter die Regierung Assad stellen,nein wir möchten auch kritisieren. 40 Jahre nach dem Hafez-al-Assad das Banner des Sozialismus über Syrien gehisst hatte,wurden Maßnahmen zur Liberalisierung der Syrischen Wirtschaft ergriffen. Wir verurteilen diese Abkehr hin zum Neoliberalismus doch denken wir das die Regierung Assad im Amt bleiben sollte.“

Verschwörungstheorien

Die SDAJ hat auch schon eine Begründung gefunden, warum die deutschen Imperialisten gerne Syrien angreifen würden – sie wollen eine Eisenbahn nach Bagdad bauen: „Die Deutsche Bahn plant z.B. seit einigen Jahren wieder weiter an der bereits vor 100 Jahren angedachten Bagdad-Bahn, hat also ganz handfeste Profitinteressen, die sie durch die Unabhängigkeit des syrischen Staats gefährdet sieht“

Hier steht die Welt auf dem Kopf. Die Syrische Revolution kämpft gegen ein vor allem vom russischen Imperialismus gestütztes Terrorregime – daran ändert auch die Tatsache nichts, dass u.a. der deutsche Außenminister das Regime verurteilt hat.

Offensichtlich ist, dass die Stalinisten sich gegen die berechtigte Revolution stellen und dies mit kruden Verschwörungstheorien begründen. Mit ihren politischen Vorschlägen stehen sie aber sogar genau auf der Linie der Imperialisten. Wir wollen hier die häufigsten „Argumente“ der Assad-Freunde widerlegen.

Behauptung: „Die FSA wird von Israel und USA bewaffnet“

In Wirklichkeit hat es nie nennenswerte Waffenlieferungen von westlichen Staaten an die Freie Syrische Armee gegeben. Sie bezieht ihre Waffen aus den Depots der Regierungsarmee und kauft am Schwarzmarkt ein. Wenn auch die westlichen Imperialisten längst den Sieg der FSA hätten herbeiführen können, bleibt nur festzustellen, dass sie sich dagegen entschieden haben. Sie versuchen auch mit aller Macht, die Versorgung der FSA mit Luftabwehrraketen zu unterbinden – um zu verhindern, dass eine so ausgestattete Armee bspw. die israelisch besetzten Golan-Höhen befreien könnte.

In Wirklichkeit ist es aber unerheblich, ob und in welchem Maß der Aufstand von anderen Staaten unterstützt wird. Als Kommunist_innen fordern wir selbstverständlich, dass unter keinen Umständen politische Zugeständnisse an Imperialisten gemacht werden – wenn diese jedoch bereit sind, Unterstützung zu leisten, wäre es dumm, dies abzulehnen (bspw. hat selbst die UdSSR während des zweiten Weltkrieges massive Rüstungshilfe von den USA angenommen – und dadurch den Sieg über Deutschland beschleunigt)

Behauptung: „Die FSA wird von der Türkei unterstützt“

In Wirklichkeit hält sich die Türkei weitgehend aus dem Bürgerkrieg heraus. Im August hat sie die Grenze für Flüchtlinge geschlossen und lässt nur noch Syrer mit Pass durch. In den Grenzgebieten sind Syrer (Flüchtlinge wie Kämpfer) Repression und Anfeindungen ausgesetzt, viele werden gezwungen, nach Syrien zurückzukehren.

Behauptung: „Der Aufstand dient imperialistischen Interessen“

Zunächst muss hervorgehoben werden, dass sich die imperialistischen Mächte keinesfalls einig sind. Russland und China unterstützen bekanntermaßen die Assad-Regierung. Unstrittig ist außerdem, dass die USA und andere westliche Mächte sich mit dem baldigen Sturz Assads abgefunden haben und versuchen werden, daraus Kapital zu schlagen. Dennoch sehen sie die größte Gefahr nicht in Assads Regime oder den rivalisierenden imperialistischen Mächten – sondern im Aufstand selbst. Wenn auf den Sturz Assads die Zerschlagung seiner Repressionsorgane und die Errichtung einer revolutionären, vom Aufstand selbst getragenen Regierung folgt, könnten sie diese unmöglich kontrollieren. Darum setzen sie alles daran, sich jetzt „verlässliche Partner“ aus der „gemäßigten“ Opposition zu suchen, die für einen „geordneten“ Übergang sorgen sollen. Die westlichen Imperialisten warten also den Sieg des Aufstandes ab, um ihn dann politisch zu kapern und seiner Früchte zu berauben.

Behauptung: „Berichte über Kriegsverbrechen der Regierung sind gefälscht“

Stündlich werden aktuelle Berichte und Videos im Internet veröffentlicht, die es uns ermöglichen, die Geschehnisse direkt mitzuverfolgen. Tausende Videos zeigen wahllose Bombardierungen auf Wohnviertel, Folter und Massaker an Regierungsgegnern, Massengräber. Als Kommunist_innen verlassen wir uns auf das, was wir sehen – und weder auf die bürgerlichen Medien, noch auf obskure Verschwörungstheorien. Hier nur eine kleine Auswahl von Seiten, die aktuelle und authentische Infos liefern:

syriaupdate.wordpress.com

www.facebook.com/SyrianDayOfRage

freehalab.wordpress.com

Behauptung: „Die Assad-Regierung gewährleistet den Zusammenhalt der verschiedenen Religionen in Syrien“

Nur das Assad-Regime selbst ist für die religiösen Konflikte in Syrien verantwortlich. Es stützt sich seit 40 Jahren auf die religiöse Minderheit der Alawiten, unter denen es Offiziere, Beamte und Regierungsmitglieder rekrutiert – und die berüchtigten Shabiha-Milizen. Die Sunniten – sie machen 75% der Bevölkerung aus – werden wie Sklaven behandelt. Von Beginn an war also die Assad-Herrschaft von schwerer religiöser Unterdrückung geprägt.

Behauptung: „Hafiz al-Assad hat Syrien zu einem sozialistischen Land umgestaltet“

Seit 40 Jahren sind unabhängige Arbeiter_innenorganisationen brutaler Repression ausgesetzt. Große Teile der Wirtschaft sind in Besitz der Assad-Familie, die insbesondere die Exportgewinne abschöpft. Die „Kommunistische Partei Syriens“ (bzw. deren zwei namensgleiche
Flügel seit der Spaltung 1986) ist seither Teil der „National Progressive Front“ und hat zugesagt, weder den Führungsanspruch der Baath-Partei anzugreifen, noch das bürgerliche Privateigentum.

Behauptung: „Der Aufstand wird von Islamisten geführt“

Islamistische Bewegungen spielen eine untergeordnete Rolle und werden von der Mehrheit politisch kritisiert. Ohne Zweifel aber unterstützen auch sie den Aufstand. Ihre Anziehungskraft erklärt sich bereits aus dem Fehlen einer revolutionären Partei der Arbeiter_innen und Unterdrückten.

Ein Artikel von Bruno Lahrius, REVO Stuttgart

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