Blockupy – This is, what bourgeois democracy looks like

Das Demonstrationsrecht wurde am 1. Juni zur Farce. Unter fadenscheinigen Vorwänden wurden hunderte GenossInnen im ersten Block der Demonstration nach nur einem Kilometer eingekesselt. Die Seitentransparente wären „zu lang“ und Sonnenbrillen, gar Regenschirme wären zur Vermummung (!) mitgeführt worden. Andere wiederum sollen gar einen Farbbeutel geworden haben.

Selbst die bürgerliche Presse fand diesen „Schutz der BürgerInnen“ „unverhältnismäßig“. Laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ – sicher keiner großen Sympathien für die Linke verdächtig – hätten sogar einige Polizeibeamte den „Einsatz nicht nachvollziehen“ können.

Bei Blockupy gehört dieses Vorgehen offenkundig zur Norm. Während im letzten Jahr die Blockaden untersagt, Hunderte festgehalten und auch kein Camp zur Übernachtung genehmigt wurden, zeigte sich die Repression in diesem Jahr an anderen „Schwerpunkten“. So wurden Berliner Busse mit DemonstrantInnen 6 (!) Stunden lang bei der Anreise durchsucht und die Flüchtlinge, die an den Aktionen teilnehmen wollten, zur Rückfahrt gezwungen. Bei der Aktion gegen Abschiebungen am Frankfurter Flughafen ging die Polizei überaus provokant vor, nachdem zuvor schon die Demonstration im Flughafen auf 200 Menschen eingeschränkt wurde.

Warum die Provokation?

Viele wundern sich, warum wurde dieses Jahr eine kämpferische Demonstration mit rund 15.000 TeilnehmerInnen – die Hälfe davon aus verschiedenen Spektren der radikalen Linken (Interventionistische Linke, Ums Ganze, A3-Bündnis, Migrantenorganisationen, kommunistische Organisationen, darunter Arbeitermacht und REVOLUTION, Gruppen aus dem NAO-Prozess), Gruppen aus dem Spektrum des Reformismus (Linkspartei, attac, Gewerkschaften) – nach nur rund einem Kilometer gestoppt wurde?

Die Abschlussdemonstration „endete“ so nach kurzer Strecke, aber erst nach vielen Stunden, weil sich die Bullen weigerten, den Kessel aufzulösen – und weil sich 15.000 DemonstrantInnen weigerten, auf das „Angebot“ der Bullen einzugehen, auf einer anderen Route weiter zu ziehen, und die Eingekesselten nicht im Stich ließen.

Dieser Akt der Solidarität und Einheit machte die Demonstration trotz der Provokation und Repression zu einem politischen Erfolg. Die Polizei und mit ihr die politischen Verantwortungsträger in Frankfurt und darüber hinaus wollten Blockupy und allen, die am Aufbau eine kämpferischen Bewegung gegen das kapitalistische Krisenmanagement arbeiten, eine Niederlage zufügen.

1. Sie wollten uns spalten in „Friedliche“ und „Krawallmacher“. Damit erlitten sie Schiffbruch. Selten wurde ein solcher Versuch von den DemonstratInnen so einhellig und entschlossen zurückgewiesen, als sie stundenlang ausharrten, Solidarität mit den Einkesselten zeigten und den „Rest“ der Demonstration gegen heftige Polizei-Angriffe, gegen Pfefferspray und Knüppel verteidigten.

2. Sie wollten DemonstrantInnen und AktivistInnen demoralisieren, in dem die Demonstration nicht nur nicht zum Endpunkt kommt, sondern ungeordnet auseinander strömt. Es sollte eine Gefühl der Ohnmacht, der Vereinzelung und des Misserfolgs erzeugt werden. Auch das gelang nicht, weil die gemeinsame Weigerung, ohne die Einkesselten nicht weiter zu ziehen, ein Gefühl des Zusammenhalts und der Solidarität erzeugte, die weit über Blockupy hinaus bedeutsam sein könnte.

3. Sie wollen zeigen, dass wir uns nicht wehren können – und doch haben wir die Demonstration stundenlang verteidigt. So hatte die Polizei nach mehreren Stunden Verhandlung, die Demonstration „aufgelöst“ und den nach dem Kessel folgenden Abschnitt mit Pfefferspray und Knüppeln angegriffen. Aber sie konnten das nicht durchsetzen. Die Ketten hielten – und damit die Manifestation.

Dieser Ausgang führte dazu, dass Blockupy trotz unbestreitbarer Schwächen letztlich ein politischer Erfolg wurde. Wir haben Solidarität gezeigt, wir haben gezeigt, dass wir unser Demonstrationsrecht verteidigen wollen – und auch dazu bereit und in der Lage sind.

Eine weitere Stärke von Blockupy war in diesem Jahr, dass neben der symbolischen Blockade der EZB am Morgen des 31. Mai auch Aktionen in der Stadt durchgeführt wurden. Zudem fand eine Demonstration am Frankfurter Flughafen statt, um gegen das rassistische Abschieberegime der BRD und der EU zu protestieren. Vor Banken und Immobilienbesitzern wurden wichtige Profiteure der Krise gebrandmarkt. In der Zeil, eine zentralen Einkaufsstraße, wurde vor Läden gegen die Überausbeutung der ArbeiterInnen in den Sweatshops der „Dritten Welt“ protestiert und Solidarität mit Beschäftigten bekundet, die ihrerseits mit immer geringeren Löhnen und immer mieseren Arbeitsbedingungen konfrontiert sind. Wir – Arbeitermacht und REVOLUTION – beteiligten uns aktiv an diesen Aktionen, v.a. an der Blockade von Karstadt, um den dort Streikenden unsere Solidarität in der aktuellen Tarifrunde im Einzelhandel zu bekunden.

Aber auch die zentralen Schwächen von Blockupy, die wir schon in unseren Beiträgen in der letzten Ausgabe der „Neuen Internationale“ (Strategische Fragen der Bewegung; Wie radikal ist die „radikale Linke“?) angesprochen haben, sind evident. Es fehlt an einer gemeinsamen, über die Aktion hinaus gehende Kampfperspektive. Es fehlt sowohl an konkreten Forderungen wie an politische Strategie. So ist Blockupy – wie auch andere, ähnlichen Manifestationen – zwar in der Lage, in Deutschland 10 bis 20.000 Menschen zu mobilisieren. Aber es ist bislang nicht fähig, eine dauerhafte Bewegung aufzubauen, die mit den Arbeiterkämpfen in Südeuropa verbunden ist und hier gegen die Angriffe von Kapital und Kabinett mobilisiert.

Angriff auf demokratische Rechte

Frankfurt hat hier gezeigt, dass die bürgerliche Demokratie im Kapitalismus eine Schönwetterveranstaltung ist. Auch wenn die ökonomische Misere hier längst nicht so ausgeprägt ist wie in Südeuropa, so zeigen selbst Tarifkämpfe wie jene im Einzelhandel und bei Amazon, dass auch hier längst nicht Schluss ist mit Angriffen auf die Arbeiterklasse, dass ein Billiglohnsektor längst etabliert ist. Auch wenn die Gegenwehr hier – nicht zuletzt mit partnerschaftlicher Hilfe der Gewerkschaftsführungen – weit zurück blieb, so verschärfen sich auch hier die Anzeichen einer weiteren Verschlechterung der sozialen Lage nach der Bundestagswahl.

Diese kommende Verschärfung des Klassengegensatzes und die sozialen Zuspitzungen, die unvermeidlich auch Abwehrkämpfe hervorbringen werden und neue Möglichkeiten zum Anschluss an eine wirklich europaweite Bewegung, sind der herrschenden Klasse, den KapitalistInnen, wie ihren politischen und polizeilichen Funktionsträgern nur allzu bewusst.

Wenn es jetzt im gegnerischen Lager auch Kritik an der Polizei gibt, wenn sich kaum noch ein bürgerlicher Politiker findet, der das Vorgehen der Polizei vollauf verteidigen will, so geht es ihnen aber v.a. darum, dass der Polizeieinsatz ein „unerwünschtes“ Ergebnis hatte – die Solidarisierung auf Seiten der DemonstrantInnen. Das ist, was bürgerliche PolitikerInnen und Presse stört, wenn sie von einem „unverhältnismäßigen“ Einsatz sprechen.

Allerdings steht die herrschende Klasse hier vor einem Dilemma. Die DemonstrantInnen gewähren lassen, kann und will sie erst recht nicht. Welches „Signal“ wäre es schließlich, wenn die EZB einfach blockiert werden könnte?, fragt ein Leitartikler in der FAZ. Der weitere Abbau demokratischer Rechte, auf dass die bürgerliche Demokratie vollends zur Farce wird, ist zur Durchsetzung des Krisenmanagements des deutschen und europäischen Großkapitals, zur Lösung der EU-Krise im Interesse des deutschen und französischen Imperialismus unvermeidlich. Wer dazu bereit ist, „Expertenregierungen“ in Griechenland, Italien und jedem anderen Land Südeuropas einzusetzen, um die Politik von Troika, EU und EZB zu exekutieren, der macht natürlich auch im eigenen Land nicht Halt vor weiterer Entdemokratisierung.

Der Polizeiapparat mag dabei in Frankfurt – vom Standpunkt einer möglichst friktionsfreien Herrschaftsausübung betrachtet – über die Stränge geschlagen haben. Das ist aber nur das unvermeidliche Resultat der Tatsache, dass ein autoritäreres Krisenmanagement noch mehr Befugnisse, noch weniger Kontrolle über den polizeilichen Repressionsapparat erfordern würde.

Es ist daher von größter Wichtigkeit, dass wir in den nächsten Mobilisierungen den Kampf um die Verteidigung demokratischer Rechte mit dem Kampf um unsere politischen und sozialen Forderungen verbinden. Einschränkungen des Demonstrationsrechts, willkürliche Durchsuchungen, Schikanen aller Art, Ausweitung von Polizeibefugnissen und Überwachungsmöglichkeiten sind letztlich präventive Akte gegen das Entstehen organisierter Gegenwehr. In der imperialistischen Epoche und zumal in einer Periode der historischen Krise des Kapitalismus wird selbst in den reichsten Ländern die bürgerliche Demokratie mehr und mehr zu einer leeren Hülle. Die Verteidigung demokratischer wie sozialer Rechte wird nicht nur überaus dringlich, sie muss zugleich geführt werden im Rahmen einer Perspektive, die über das bestehende kapitalistische System hinaus weist – im Rahmen des Kampfes für den Sturz des Kapitalismus und die Errichtung einer neuen, sozialistischen Gesellschaftsordnung.

Nach Blockupy ist vor Blockupy

In jedem Fall müssen solche Fragen nun in unserer Bewegung offen diskutiert werden. Im Februar 2014 steht die Eröffnung der „neuen“ EZB in Frankfurt an. Dort werden wir wieder und hoffentlich weitere Zehntausende demonstrieren und blockieren.

Doch wir müssen uns diesmal anders vorbereiten. Die Frage der politischen Ausrichtung der Bewegung, ihrer internationalen, v.a. europäischen Koordinierung, wie von lokalen Handlungsstrukturen und Aktionskomitees ist jetzt
akut. Im Herbst 2013 – möglichst rasch nach der Bundestagswahl – sollte daher eine bundesweite Aktionskonferenz aller linken Organisationen und Parteien, von Gewerkschaften, Blockupy-Bündnissen, Anti-Krisenbündnissen, Solidaritätskomitees mit Südeuropa usw. organisiert werden! Einerseits muss Blockupy 2014 eine internationale Massenaktion werden. Andererseits muss es einen wichtigen Schritt zum Aufbau einer Bewegung in Deutschland und einer internationalen Koordinierung über Blockupy hinaus leisten.

Ein Gastartikel von Martin Suchanek, Arbeitermacht, deutsche Sektion der Liga für die Fünfte Internationale

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