Die im Kapitalismus auftretenden Krisen beschränken sich nicht nur auf die Finanzwelt oder den Arbeitsmarkt, die Auswirkungen der Marktwirtschaft zeigen sich auch immer mehr in den Sphären der Natur. Nicht nur die Quellen der begrenzten Rohstoffe wie z.B. Öl sind mittlerweile überstrapaziert, sondern auch die Kompensationsmöglichkeiten der Ökosysteme von Abfallstoffen oder Klimaveränderungen. Da durch den Konkurrenzdruck gezwungen, so billig wie möglich zu produzieren, ist Umweltschutz für die Kapitalist_innen nur ein lästiger Kostenfaktor. Die Ergebnisse dieses profitorientierten Handelns zeigen sich schon heute in Form von verschlechterten Lebensbedingungen wie vergiftetem Grundwasser, Artensterben und immer häufiger auftretenden Naturkatastrophen. Besonders Halbkolonien haben unter Stürmen oder Erdbeben zu leiden, zum einen wegen ihrer geographischen Lage, aber auch weil sie oft nicht die Möglichkeiten haben sich effektiv zu schützen. Extreme Naturereignisse wie diese sind auch für die Wirtschaft ein enormer Risikofaktor, wenn man bedenkt, dass in den Industrieländern rund ein Viertel der Wertschöpfung vom Wetter abhängig ist.Zum Glück findet sich im Kapitalismus für alles eine Lösung; in diesem Fall ist es die Verlagerung der Versicherung gegen extreme Naturereignisse und allem, was damit zusammenhängt Prämien, Gefahrenanalyse, Entschädigung der Opfer – auf die Finanzmärkte.
So gibt es zum Beispiel die Möglichkeit mittels Wetterderivaten „Wetten“ auf die Veränderung des Wetters abzuschließen, um sich so gegen mögliche, den Profit mindernde Wetterumschwünge abzusichern. Wenn ein bestimmter Parameter erreicht wird, bekommt der_die Käufer_in eine festgelegte Summe Geld, z.B. können sich so Energieunternehmen gegen warme Winter versichern. Es können aber auch direkt Naturkatastrophen verbrieft werden; sogenannte cat bonds (=catastrophe bonds) sollen natürliche Risiken zeitlich und räumlich so streuen, dass sie finanziell tragbar werden. Je globaler der Markt, auf dem die Risiken gehandelt werden, desto größer die Streuung.Gehandelt werden diese Katastrophenpapiere auf ihrer eigenen Börse, der Catastrophe Risk Exchange. Der Marktpreis hängt unter anderem von der Eintrittswahrscheinlichkeit eines Katastrophenfalls und den Parametern Windgeschwindigkeit, Ausdehnung von Wirbelstürmen, Temperaturen und Eigenheiten des betroffenen Gebiets (Bevölkerungsdichte, etc.) ab. Diese werden von Agenturen (z.B. Applied Insurance Research AIR, Eqecat) ermittelt, welche so den Ablauf von Katastrophen und die vielleicht entstehenden Kosten voraussagen können. Aufgrund von Finanzknappheit sind immer weniger Staaten in der Lage die Kosten von Naturkatastrophen auf herkömmliche Art zu begleichen, weshalb immer mehr Staaten auf diese Art von Anleihetyp zurückgreifen. Eine Vorgehensweise die von der Weltbank aktiv unterstützt und propagiert wird.
Ein Beispiel: Mexiko ist ein Land mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit für Naturkatastrophen. Ab 2006 wurden auf betreiben der Weltbank Erdbebenrisiken, ab 2009 Wirbelstürme verbrieft. Ausgehandelt wurden die Papiere vom mexikanischen Finanzminister sowie Goldman Sachs und Swiss Re Capital Markets. Die Parameter für beide Programme wurden von AIR erstellt. Wann immer nun Mexiko von einer Katastrophe heimgesucht wird, prüft AIR ob das Ereignis den vereinbarten Parametern entspricht. Wenn ja müssen die Investoren an den Staat zahlen. Im negativen Fall müssen sie nichts bezahlen und kassieren weiter eine gute Prämie. Als im April 2010 der Bundesstaat Baja California durch ein Erdbeben verwüstet wurde, lag das Epizentrum etwas zu weit nördlich – es wurde nicht gezahlt. Zwei Monate später kam es zu einem Wirbelsturm über Tamaulipas, die Windgeschwindigkeit blieb jedoch knapp unter der festgelegten Schwelle, wieder keine Auszahlung. Die Kriterien sind meistens so eng gefasst, dass nur bei einem Bruchteil der abgeschlossenen cat bonds der Zahlungsfall eintritt.
Ein weiteres Problem wird hier offensichtlich: Agenturen wie AIR sind dafür zuständig eine Sachlage zu bewerten, ihre Unabhängigkeit bleibt dabei unwahrscheinlich. An dem geschilderten Sachverhalt werden zwei Punkte deutlich.
Erstens:
Auf die Probleme, die im Kapitalismus und den ihm zugrunde liegenden Gesetzen entstehen, wird oftmals mit einer Privatisierung und „Verwertbarmachung“ reagiert.
Zweitens:
Diese Vorgehensweise löst nicht das Problem, sondern verschlimmert für die meisten die Situation. So führte die Verbriefung im Beispiel dazu, dass das versicherte Land trotzdem selbst für die Schäden aufkommen muss, die Anleger aber weiter ihre Rendite bekommen.
Im Kapitalismus können dessen Nachteile, Begrenzungen und Probleme höchstens abgemildert, jedoch nicht aufgehoben werden. Dafür bräuchte es eine andere Gesellschaft den Sozialismus!
Ein Artikel von Felix Ernst, REVOLUTION