Rezession, Angriffe, Revolutionen: Warum wir eine Jugendinternationale brauchen!

Lars Keller

Wenn wir die aktuellen Geschehnisse in der Welt betrachten, wird eines sofort klar: nichts ist sicher, nichts bleibt wie es ist. In Lateinamerika finden fortschrittlich sowie rückschrittlich geprägte Proteste statt, in Chile kam es zu einer Revolution, welche das gesamte Volk umfasst. In den USA leiten die Demokraten ein Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump ein.

Die EU befindet sich weiter in einer schweren Krise: der Brexit ist nach wie vor Dauerthema, die Allianz Berlin – Paris bröckelt, die Festung Europa lässt Tausende Menschen im Mittelmeer ertrinken. In Frankreich findet seit Anfang Dezember ein Generalstreik gegen Macrons Rentenreform statt. Nicht zu vergessen ist Europa das Zentrum der globalen Klimabewegung geworden, mehrere Klimastreiks mobilisierten Millionen von Menschen.

Im Nahen und Mittleren Osten erheben sich ebenfalls die Volksmassen: der Libanon, der Iran und der Irak werden von Massenprotesten erschüttert. Auch in Ägypten gehen wieder Menschen gegen das diktatorische al-Sisi Regime auf die Straße. Vor einigen Monaten konnten wir eine erfolglose Revolution im Sudan sehen. Gleichzeitig sind fortschrittliche Errungenschaften des arabischen Frühlings bedroht: Die Türkei startete vor einigen Wochen einen militärischen Angriff auf das fortschrittliche Projekt Rojava.

Reisen wir weiter Richtung Asien, so kommen wir an vielen Pulverfässern vorbei: Afghanistan und der Irak befinden sich seit über 15 Jahren im Kriegszustand. Dem Iran droht weiterhin ein militärischer Überfall durch die USA. Zwischen Pakistan und Indien gibt es einen fortwährenden Konflikt um die Region Kashmir und Jammu. Und dann bleibt noch Hongkong als Ort, wo Menschen seit Monaten auf die Straße gehen um sich gegen die Unterdrückung durch die chinatreue Regierung zu wehren.

Krise

Im Hintergrund all dieser Kämpfe und Krisen steht, dass die globale Wirtschaft in eine Rezession * rutscht und auf die nächste große Krise zusteuert. Diese Krise ist eine Verschärfung der tieferen Krise im Kapitalismus, welche 2008 zuletzt heftig ausbrach und die Weltwirtschaft an den Rande des Abgrunds brachte. Die Kapitalist_Innen stehen vor dem Problem, dass sie kaum noch Möglichkeiten haben, ihr Kapital so zu investieren, dass ein ausreichend großer Profit erzeugt wird. Daher geht es den mächtigsten Ländern und Staatsverbünden um eine Neuaufteilung dieser Welt. Sie streiten sich darum, wer Platz machen muss, damit die anderen kapitalistischen Mächte weitermachen können, mit der Jagd nach Profit und ewigem Wachstum. Wir nennen diese starken Mächte imperialistisch – sie sind in der Lage bei allen möglichen Weltfragen mitzureden und üben im gesamten Weltgeschehen Einfluss aus. Zu diesen Ländern zählen wir hauptsächlich die USA, China, Russland, Japan, Kanada, Australien sowie viele Staaten Europas, allen voran Deutschland, Frankreich und Großbritannien, aber auch Länder wie Italien oder Spanien, als schwächere Mächte.

Bei diesem Kampf um Einflusssphären, Rohstoffe, Produktionsstandorte und Märkte wollen dann auch Regierungen mit regionalem Einfluss mitspielen, die aber in globalen Fragen weniger zu melden haben. Für den arabischen Raum sind das Saudi-Arabien, die Türkei, der Iran und Israel. Sie lavieren teilweise zwischen Großmächten und sind auf deren Unterstützung angewiesen, während die Großmächte gleichzeitig um diese Regionalmächte kämpfen.

Soziale Angriffe und Revolution

Die kapitalistische Krise ist aber nicht nur mit dem Aufteilungskampf um die Welt verbunden. Für die Kapitalisten ist klar: die Kosten der Krise sollen einerseits ihre Konkurrenten, aber vor allem die Lohnabhängigen, die breite Masse der Bevölkerung tragen. Daher folgen schwere Angriffe auf soziale und demokratische Errungenschaften. Sie bereiten einerseits die Grundlage für Aufstände und Revolutionen, die sich gegen Regierungen und Kapitale zur Wehr setzen, andererseits kann sich auf der Grundlage von sozialem Abstieg auch der Rechtspopulismus bis hin zum Faschismus breit machen.

In der ersten Reihe von fortschrittlichen politischen Kämpfen stehen oft Jugendliche. Sie sind weniger demoralisiert von Niederlagen und haben noch einen längeren Lebenszeitraum vor sich, für den es zu kämpfen gilt. Außerdem spielt immer auch der Kampf gegen Jugendunterdrückung – sei es durch Familie oder den Staat – eine Rolle. Die Jugend ist dabei allerdings keine eigenständige Klasse. Sie kommt aus der Arbeiter_Innenklasse, Mittelschichten, Kleinbürger_Innentum oder eben der Kapitalist_Innenklasse, ökonomisch ist sie meist abhängig vom Elternhaus und zusätzlich oft auf besonders prekäre Jobs angewiesen.

Ob ein fortschrittlicher Aufstand oder eine Revolution erfolgreich ist, misst sich daran, welche Kräfte die Situation zu nutzen wissen, um dem Großteil der Bevölkerung einen Ausweg aus der Misere zu weisen – wir würden sagen hin zu einem sozialistischen Umsturz und dem Aufbau einer Rätedemokratie mit demokratischer Planwirtschaft. Wenn dieses Ziel erreicht werden soll, braucht es wen des es vorschlägt und taktische Schwachstellen des Gegners ausnutzen kann. Es braucht also eine politische Führung für den Kampf. Dafür schlagen wir allen militanten und fortschrittlichen Jugendlichen den Aufbau einer Jugendinternationale vor!

Was ist das und wieso brauchen wir das? Wie oben bereits beschrieben sind wir einem international agierendem Gegner ausgesetzt. Die Bosse und Herrscher sind trotz aller Konkurrenz gut gegenüber der Arbeiter_Innenklasse organisiert und verfügen mit Geheimdiensten, Militär und Institutionen wie Weltbank oder internationalem Währungsfonds über mächtige Mittel Volksaufstände zu unterdrücken. Daher müssen auch wir uns international aufstellen und organisieren. Doch wir als Jugend können alleine nicht gewinnen. Wir besitzen nicht die Macht die Produktion zu stoppen oder diese gar selbst zu übernehmen, auch wenn viele von uns für wenig Geld arbeiten gehen. Daher muss eine Jugendinternationale die Verbindung zur Arbeiter_Innenklasse suchen. Diese braucht aus denselben Gründen wie die Jugend eine internationale Organisation – eine Weltpartei, eine neue, fünfte Internationale. Diese muss Kämpfe international zusammenführen und in den jeweiligen Ländern in Aufstände intervenieren um ihnen eine sozialistische Perspektive zu weisen.

Wir wollen das anhand des Beispiels der chilenischen Revolution veranschaulichen.

Das Beispiel Chile

Seit Oktober befindet sich Chile in Aufruhr. Die Proteste entzündeten sich an der Ticketpreiserhöhung von U-Bahnen und entwickelten sich rapide weiter bis zu den Forderungen nach einem Sturz der rechten Regierung von Sebastian Pinera, einer Verfassungsänderung durch eine konstituierenden Versammlung sowie umfangreichen Reformen in Sozialversorgungssystem wie Renten und Gesundheitsversorgung.

Teile der Opposition haben sich durch einen faulen Kompromiss mit der Regierung Mitte November kaufen lassen: Eine Verfassungsreform soll kommen, aber erst im April 2020. Die verfassungsgebende Versammlung soll zur Hälfte aus Delegierten der Bevölkerung und zur anderen Hälfte aus Parlamentsmitgliedern bestehen und mit einer 2/3 Mehrheit in einem Volksentscheid angenommen oder abgelehnt werden. Zu Recht kritisiert der Vorsitzende der Chilenischen Kommunistischen Partei (PC), Guillermo Teillier, dass dieser Schlüssel den Rechten Kräften ein Veto über die Verfassung ermöglicht.

Die breite Masse ließ sich durch den verräterischen Kompromiss nicht blenden und geht nach wie vor auf die Straße. Zwar haben Gewerkschaften, PC und Frente Ampilo (linke Sammelbewegung „Breite Front“) dem Kompromiss nicht zugestimmt – von dessen Verhandlungen sie ohnedies ausgeschlossen waren – dennoch machen sie politische Fehler und bremsen den Kampf aus. Sie beschränken sich letztlich auf umfassende politische und soziale Reformen und richten sich nicht auf eine Revolution der Arbeiter_Innenklasse aus.

Was sollte stattdessen eine kommunistische Jugendorganisation und Partei tun? Die Lage in Chile stellt die Machtfrage: Behalten die chilenischen Kapitalist_Innen, Militärs und damit verbunden das Finanzkapital imperialistischer Staaten wie den USA die Macht wie bisher, oder übernimmt die Arbeiter_Innenklasse die Macht? Dazwischen gibt es nichts. Solange das Kapital über die ökonomischen Mittel der Gesellschaft bestimmen kann und den nicht wählbaren Teil des Staates (Militär, Polizei, Geheimdienst, Justiz) kontrolliert, wird die Bevölkerung früher oder später niedergeworfen, werden die Reformen angegriffen. Derzeit versucht sich Pinera noch auf dem Wege fauler Kompromisse zu halten, doch wenn der Protest seine Energie verlieren sollte, kann schnell der entscheidende Schlag gegen ihn erfolgen.

Daher müssten sich Kommunist_Innen auf die Mobilisierung der Arbeiter_Innenklasse fokussieren und folgendes Programm vorschlagen:

Für einen unbefristeten Generalstreik, der die Regierung stürzt, durch eine Arbeiter_Innenregierung ersetzt und sich auf Räte und Milizen der Arbeiter_Innen, einfachen Soldat_Innen und armen Bäuer_Innen selbst stützt!

Enteignung des Großgrundbesitzes, der Schlüsselindustrien, Banken, Bergwerke und ausländischen Kapitale unter ArbeiterInnenkontrolle!

Für einen massiven Ausbau von Sozialem und Infrastruktur: Kostenloser ÖPNV, massive Erhöhung von Löhnen und Renten und der Aufbau einer staatlichen Gesundheitsversorgung sind nur Teile dessen! – Für einen demokratischen Plan gesellschaftlich notwendiger Arbeiten!

Für eine verfassungsgebende Versammlung, die unter Kontrolle der Arbeiter_Innenklasse steht! Nein zu jedem Kompromiss mit bürgerlichen Kräften!

Zerschlagung des bürgerlichen Staatsapparates und Ersetzung durch einen Staat, der die Macht der Arbeiter_Innen sichert!

Sollten diese Forderungen von der breiten Masse aufgegriffen und umgesetzt werden, wären natürlich sofort internationale Angriffe auf die chilenische Revolution zu erwarten. Hier kommt die Jugendinternationale und eine kommunistische Internationale der Arbeiter_Innenklasse ins Spiel: Ihre chilenische Sektion müsste die oben aufgeführten Punkte aufwerfen, doch letztlich ginge es darum die Perspektive in alle Länder, insbesondere Lateinamerikas zu tragen und die Angriffe auf Chile in ihren eigenen Ländern mit Generalstreiks und Massenprotesten bis hin zu weiteren sozialistischen Revolutionen zu beantworten. Daher lautet unser Gesamtslogan für Lateinamerika:

Für die vereinigten sozialistischen Staaten Lateinamerikas!

*Einfach gesagt ist eine Rezession ein wirtschaftlicher „Abschwung“. Während dieser Phase stagniert, oder schrumpft die Wirtschaftsleistung eines Landes/Kontinents o.ä. Damit einher geht der Anstieg der Arbeitslosenquote. Die Nachfrage (vornehmlich in der Industrie) sinkt….

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