Europa hat gewählt, doch wer hat gewonnen?

Felix Sommer

Juni 2019

Vom 23. Bis zum 26. Mai haben die EU-Bürger_Innen ein neues Parlament gewählt. In diesem Artikel wollen wir die einzelnen Fraktionen, in die sich die nationalen Parteien eingliedern, kurz vorstellen und einen Ausblick geben, wie die Wahl sich auf die Politik der EU in den kommenden Jahren auswirken wird. Vorweg ist es jedoch wichtig zu verstehen, dass die Europäische Union seit Längerem in der Krise steckt. Ursprünglich gegründet, um an der Vorherrschaft der USA zu kratzen, ist sie aktuell in viele unterschiedliche Positionen zersplittert und kann sich auf Wenig einigen. Das liegt zum einen an der Vormachtstellung von Frankreich und Deutschland sowie den Spardiktaten, die sie Ländern wie Griechenland auferlegt und selber daran verdient haben. Zum anderen gab es in den einzelnen Ländern einen Rechtsruck und gerade in der Frage der Migration gibt es viel Spaltpotenzial, da jede_r seine eigene Position durchsetzen möchte. Der Grundwiderspruch ist der, dass es keine langfristige Einigung von verschiedenen kapitalistischen Staaten geben kann, die immer in erster Linie Konkurrenten sein müssen.

Die Ergebnisse

Die stärkste Fraktion bildet weiterhin die Europäische Volkspartei (EVP), die Fraktion der CDU und CSU, aber auch der ÖVP und der ungarischen Fidesz von Victor Orban. Die EVP ist innerlich stark zerstritten. Viele Länder kritisieren die CDU und Merkel für ihre Rolle in der Aufnahme von Geflüchteten im Sommer 2015, insbesondere Vertreter_Innen aus den nationalkonservativen Strömungen wie Polen und Ungarn. Dieser Konflikt ist der Ausdruck von unterschiedlichen Interessen des Großkapitals und den „abgehängten“ Teilen der Bourgeoisien, die sich einen stärkeren Fokus auf den Nationalstaat wünschen. Wie scharf dieser Kampf geführt wird, konnte man an der Blockade Polens und Ungarns in der Frage des EU-Ratspräsidenten sehen, als Polen und Ungarn den eigenen Spitzenkandidaten Weber von der CSU abgelehnt haben.

An zweiter Stelle im EU-Parlament sind die Sozialdemokraten S&D, denen die deutsche SPD angehört. Wie wir es auch bei deutschen Wahlen in den letzten Jahren beobachten konnten haben die Sozialdemokraten europaweit verloren. Lediglich in Spanien, Portugal und Schweden haben die Parteien der S&D mehr Stimmen bekommen als 2014. Doch insgesamt geht ihre Wähler_Innenschaft zurück und damit auch ihr Einfluss in der EU.

Drittstärkste Kraft sind nach wie vor die Liberalen. Nach der Umbenennung der Fraktion stellen sie sich als neue Reformer_Innen und Vordenker_Innen gegen den Rechtsruck und Zerfall der EU dar. Prozentual konnten sie damit auch den stärksten Zuwachs aller Fraktionen verzeichnen. Die Liberalen konnten besonders in Großbritannien einen massiven Zuwachs verzeichnen. Die Liberaldemokraten fordern eine zweite Abstimmung über den Brexit und konnten somit viele Stimmen gewinnen. Für die Europäische Union haben die Liberalen jedoch keine fortschrittlichen Lösungen, was man beispielsweise an den Äußerungen der FDP in Deutschland zu Themen wie dem Klimaschutz sieht.

An vierter Stelle kommt die Grüne/EFA. Die Grünen gehen eine Allianz mit Parteien für Nationale Selbstbestimmung ein, was ihre starken Ergebnisse in Schottland oder Katalonien erklärt. Deutschland ist das Land, wo die Grünen wohl am ehesten für ihre Umweltpolitik gewählt wurden. Die Wahl der Grünen kann als Protest gegen die AfD und die Klimapolitik der aktuellen Regierung verstanden werden. Viele aus bildungsbürgerlichen Schichten sehen in den Grünen eine Kraft, mit der gegen Rechtspopulismus und gleichzeitig gegen die Zerstörung der Erde gekämpft werden kann. Dass Beides Quatsch ist, beweisen die Grünen regelmäßig hierzulande. Sie segnen rassistische Gesetze der großen Koalition ab und waren mitverantwortlich für die Abholzung des Hambacher Forst. Deswegen sollten wir nicht erwarten, dass die Grünen ihre Versprechen einhalten, sondern wenn sie Verantwortung tragen, ihre Ziele jederzeit Wünschen der Kapitalist_Innen unterordnen.

Die Auswirkungen

Die Wahlen zeigen uns zum einen, dass

a) die Bürgerlichen sich weiter zersplittern und uneinig sind. Das bedeutet, dass es unterschiedliche Kapitalinteressen gibt, die schwer zu vereinen sind. Für uns bedeutet das, dass die Spannungen innerhalb der Europäischen Union zunehmen werden, die bei Hereinbrechen einer neuen Krise bis zum Zerfall der EU führen können.

b) Der Rechtsruck der letzten Jahre hat sich auch in dieser Wahl wieder bestätigt und stellt eine akute Gefahr dar. Aktuell ist das rechte Lager noch zersplittert, aufgrund der Uneinigkeit untereinander. Würden sich jedoch alle Parteien des rechten Spektrums in einer Fraktion vereinen, würden sie die größte Fraktion im Europaparlament stellen. Die rechten Fraktionen werden in Zukunft für einen Ausbau der Festung Europa und noch schärfere Asylgesetze eintreten, wie es der italienische Außenminister Salvini aktuell schon präsentiert. Mit dieser Politik werden sie insbesondere die konservativen Parteien herausfordern und ihnen Wähler_Innen streitig machen.

c) Die Führungskrise der Arbeiter_Innenklasse bleibt bestehen. So verliert die Sozialdemokratie immer weiter Stimmen und die Linke (GUE/NGL) ist die kleinste Fraktion und ebenfalls sehr zersplittert. Das liegt zum Großteil an fehlender Programmatik, Anbiederung an die Kapitalist_Innen in der Vergangenheit und aktuell an die Rechten und nationalistischen Kräfte. Letztlich kann diese Führungskrise nur beantwortet werden, durch den Kampf für neue revolutionäre Parteien im Rahmen einer Internationalen. Diese muss für „Vereinigte sozialistische Staaten von Europa“ anstelle von EU-Imperialismus und kapitalistischer Konkurrenz kämpfen.

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