Von Mareike Kombüse
Wie bereits im vorherigen Artikel „Wer kommt für die Kosten der Krise auf?“ beschrieben, leiden die ökonomisch am schlechtesten gestellten Menschen am meisten unter der Krise. Besonders trifft das bei systemrelevanten Berufen, wie z.B. dem Einzelhandel, der Pflege oder der Sozialarbeit zu. Was diese Berufe gemeinsam haben ist nicht nur ihre Unterbezahlung, sondern auch ihre Zusammensetzung.
Pädagogisches Personal in Krippen, Kitas und Horten ist nur zu 3-15% männlich1. In der Pflege sind es ebenfalls um die 15% und im Einzelhandel arbeiten nur etwa 27% Männer, während sie jedoch ¾ aller Führungspositionen innehaben2. Es zeigt sich also, dass Frauen in systemrelevanten Berufen deutlich überrepräsentiert sind. Dabei sind die Arbeitsbedingungen besonders während der Krise schlecht und Unterbezahlung ist Standard. Während das durchschnittliche Einkommen hierzulande 3.994€ beträgt3, bekommen Frauen in der Pflege bloß 2.315€, Männer 318€ mehr4. Als Erzieherin liegt das Gehalt bei durchschnittlich 2.450€5 und im Einzelhandel bei Frauen bei nur 1.850€6. Die Unterbezahlung in diesen Berufen ist also enorm und insbesondere Frauen verdienen nochmal an die 10% weniger als Männer.
Das ist kein Zufall, denn in der patriarchalen Welt des Kapitalismus werden Frauen durch die üblichen Rollenbildern in diese prekäre Situation gedrängt: Das Bild von der „umsichtigen und unterstützenden“ Frau passt eher zu all den Berufen, in der zwar bitternötige Arbeit geleistet wird, die aber für Menschen und damit aus ökonomischer Sicht für Arbeitskraft sorgt (Reproduktionsarbeit), statt Waren im engeren Sinne herzustellen. Da sich Pflege, Erziehung und Einzelhandel deutlich schlechter verwerten lässt, z.B. weil es nicht exportiert oder durch technische Investitionen leicht optimiert werden kann, sind die Löhne direkt niedrig angesetzt. Aber selbst im gleichen Beruf haben Männer bessere Chancen: Zum einen besteht für den Chef nicht die Gefahr, dass sie durch Schwangerschaft ausfallen, zum anderen hemmt Frauen das „brave und zurückhaltende“ Ideal in Streits und Verhandlungen um den eigenen Lohn. Wir fordern dem bezüglich unbedingt eine Angleichung unter Kontrolle der Beschäftigten und die transparente Offenlegung der Löhne aller!
Tropfen auf dem Heißen Stein
Eine Einmalzahlung von bis zu 1000€ im Pflegebereich ist eine Farce, denn selbst mit ihr ist das Gehalt aus dem einen entsprechenden Monat immer noch weitaus niedriger, als das durchschnittliche Gehalt. Außerdem bekommen die allermeisten Beschäftigten viel weniger bis gar nichts. Es handelt sich bei der Einmalzahlung also nicht einmal um eine einmalige durchschnittsangleichende Zahlung, geschweige denn um eine „gerechte“ Sonderzahlung für die zusätzlichen Belastungen während der Krise, wofür die Bundesregierung sie verkauft. Berücksichtigt man die Millarden, die in Konzerne fließen, die danach trotzdem massenhaft Stellen abbauen, darf man also in den Staat kein Vertrauen hegen.
Dabei springt eine Sache aus den Statistiken ins Auge: Je nach Branche verdienen diejenigen Arbeiter_Innen in den systemrelevanten Berufen, die eine Tarifanbindung haben, zwischen 9 und 24% mehr Geld7. Daraus ergeben sich zwei Dinge: Erstens lohnt es sich, sich zu organisieren und kollektiv für höhere Löhne zu kämpfen. Zweitens scheinen die Gewerkschaftsführungen nicht in der Lage zu sein, eine auch nur annähernde Angleichung der Löhne in diesen Branchen an das durchschnittliche Einkommen zu erkämpfen. Die Arbeitskämpfe in diesen Berufen müssen als Teil der Antikrisenbewegung aufgegriffen und organisiert und die Gewerkschaftsführungen unter Druck gesetzt werden, denn in der momentanen Situation tun sich hier besondere Chancen auf: In dem vergangenen Jahr wurde klar, welche Rolle die beschriebenen Personen für den Staat und den Kapitalismus haben. Zum einen kann die „Systemrelevanz“ genutzt werden, um flächendeckend zu organisieren und dann effektiv zu streiken, um bessere Arbeitsverhältnisse zu erhalten. Zum anderen besteht eine große gesellschaftliche Solidarität, bei der aus Klatschen aus dem Fenster ganz schnell auch Backpfeifen für die Kapitalist_Innen im Arbeitskampf werden können. Denn wir wollen alle ein funktionierendes Pflege- und Gesundheitssystem und das funktioniert am besten mit zufriedenen Arbeiter_Innen und zwar fernab der Profitlogik!
1https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/mehr-maenner-in-kitas-erwuenscht/ [13.12.2020]
2https://www.n-tv.de/wirtschaft/Frauen-im-Einzelhandel-sind-selten-Chefin-article21935339.html [13.12.2020]
3https://de.statista.com/themen/293/durchschnittseinkommen/
4https://www.lohnspiegel.de/pflegeberufe-13899.htm
5https://www.lohnspiegel.de/erzieher-innen-13912.htm
6https://www.lohnspiegel.de/verkaeufer-in-im-einzelhandel-13893.htm
7Siehe Links vom „Lohnspiegel“