Wer kommt für die Kosten der Krise auf?

Von Mareike Kombüse

Lange wurde die Krise beschworen, jetzt ist sie da: Bereits 2019 hat sich in einigen Bereichen der Industrie der wirtschaftliche Niedergang abgezeichnet. Mit der Pandemie hat sie sich auf die restliche Wirtschaft ausgedehnt und die Krise ungemein befeuert: Das erwartete Wirtschaftswachstum für 2020 in Deutschland liegt je nach Quelle zwischen -4,7% und -7,1%1. Sprich die Kosten der Krise sind enorm. Doch wer trägt sie? Ein Blick in die Nachrichten: Kurzarbeit, Massenentlassungen in der Gastronomie und bei Lufthansa, Coronaausbrüche bei Tönnies, Überstunden im Pflegebereich. Einige Beispiele von vielen, die bereits erahnen lassen, wen die Krise besonders hart trifft und wen nicht.

Der Schuldenberg wächst

Doch zunächst werfen wir einen Blick auf die Staatshilfen: Diese werden mehrheitlich zur Rettung großer Konzerne, wie z.B. Lufthansa mit 9 Milliarden Euro2, genutzt. 9 Milliarden? Das klingt schon nach viel Geld? Insgesamt plant die Bundesregierung 400 Milliarden Euro alleine für die Rettung großer Konzerne auszugeben. Weitere 200 Milliarden sind im Rahmen von Kreditmaßnahmen eingeplant3. Das diese Milliarden nicht einfach gedruckt werden, sondern letzten Endes von jemanden getragen werden müssen, ist klar. Der Staat treibt diese Gelder mittels Steuern ein. Diese bezahlen zu einem großen Teil Arbeiter_Innen. Sprich die Rettung der Konzerne geschieht zu einem Teil auf Kosten derjenigen, die von eben denselben ausgebeutet werden. Dabei können wir aufgrund der Verschuldung von kommenden Steuererhöhungen ausgehen. Hierbei leiden in einem besonderen Maße diejenigen unter den Steuerabgaben, die in absoluten Zahlen ein besonders geringes Einkommen haben. Dort heißt es nämlich oftmals Schauen, wie die Miete überhaupt zu bezahlen ist, während es bei den Steuern der Kapitalist_Innen letztlich um die Frage geht, ob der Champagner 100 oder 80€ kostet.

Für die Aktionäre waren die Milliarden aber ein regelrechter Segen: 2020 wurden allein in Deutschland 43,8 Milliarden US-Dollar für das Jahr 2019 an Aktionäre ausgeschüttet4. Gleichzeitig erhalten viele dieser Konzerne enorme „Staatshilfen“. So hat BMW 1,6 Milliarden Euro Dividende ausgeschüttet und zugleich Kurzarbeit eingeführt. Die BASF schüttete 3,4 Milliarden Euro aus und erhält Milliarden Staatshilfen aus Großbritannien. Genauso Bayer mit 3,4 Milliarden Euro Ausschüttung und 670 Millionen aus einem britischen Nothilfefond5. Alles Beispiele dafür, wie der Kapitalismus es immer wieder schafft, Gewinne einigen wenigen zukommen zu lassen und Kosten auf die ökonomisch Schwachen abzuwälzen.

Als ob der übliche Stress nicht reicht

Die Arbeiter_Innen sind es auch, die aufgrund ihrer ökonomischen Abhängigkeit gegenüber ihren Ausbeuter_Innen oftmals dazu gezwungen sind, unter mangelnden Hygienebedingungen ihre Arbeit fortzusetzen. Bei Tönnies hat sich gezeigt, welche fatalen Folgen das bedeutet, denn es ist nicht bloß bei einem Corona-Ausbruch geblieben. Die Gesundheit der Arbeiter_Innen findet in der Profitlogik der Kapitalist_Innen keinen Platz.

Im Bereich der Care-Arbeit zeigt sich Ähnliches. Zwar ist die Hygieneversorgung im Vergleich besser, wenn auch nicht ausreichend, allerdings wird massiv Druck auf die Arbeiter_Innen ausgeübt, indem ihnen jede Menge Überstunden aufgebrummt werden und eine Intensivierung der Arbeit stattfindet. Eine späte Einmalzahlung von bis zu 1000€, die insgesamt 0,1 Milliarden Euro gekostet hat6, ist bloß ein Tropfen auf den heißen Stein. Im Vergleich zu den 400 Milliarden Euro für große Konzerne ist es jedoch eine einzige Dreistigkeit – vor allem in Anbetracht der durch die Pflegearbeiter_Innen geretteten Menschenleben. Im folgenden Artikel zur Sonderzahlungslüge gibt es dazu noch mehr Hintergründe!

Eine zusätzliche Belastung stellte sich während der Corona-Krise für arbeitende Eltern, die auf der einen Seite während des Präsenzunterrichts ihrer Kinder Sorge um deren Gesundheit hatten und auf der anderen Seite während des schlecht organisierten Homeschoolings zusätzliche Unterstützung bereitstellen mussten. Schließlich fanden alle Schulprüfungen trotz der inadäquaten Vorbereitungsbedingungen statt.

Was muss jetzt passieren?

Insgesamt können wir also festhalten, dass mal wieder die Schwächsten am meisten unter der Krise leiden. Da hilft kein Klatschen und keine scheinheilige Einmalzahlung. Was den Arbeiter_Innen wirklich hilft, sind drastische Lohnerhöhungen und bessere Hygienebedingungen. Dabei wird es nicht ausreichen, den Staat nur auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam zu machen. Schließlich geschieht das ganze nicht unbemerkt, sondern ist gewollt. Historisch ist der Staat nämlich als „ideeller Gesamtkapitalist“ entstanden. Das heißt, er vertritt die allgemeinen Interessen aller Kapitalist_Innen zusammen. Konkret bedeutet das beispielsweise die Aufrechterhaltung des Privateigentums an Produktionsmittel oder des Erbrechts. Auch wenn es sicher einige erkämpfte Rechte der Arbeiter_Innenklasse innerhalb des Staats gibt und wir diese auch weiter erkämpfen müssen, kann dieser Staat nicht so reformiert werden, dass wir tatsächlich eine gerecht Gesellschaft haben. Das Eingestehen gewisser Rechte diente nämlich einzig und allein der Beschwichtigung der sich wehrenden Arbeiter_Innenklasse. So erweisen sich diese oft als unvollständig und scheinheilig. Das Wahlrecht ist zum Beispiel derartig eingeschränkt, dass kaum von einer Demokratie die Rede sein kann: nur alle 4 Jahre wird gewählt, keine Rechenschaftspflicht, keine Abwählbarkeit, staatliche Kontrolle über die Bildungsinhalte, Lobbyismus und so weiter. So gelingt dem vermeintlich demokratischen Staat die Abwälzung der Kosten der Krise auf die Arbeiter_Innenklasse. Doch was können wir machen um das zu verhindern?

Um unsere Ziele höherer Löhne und besserer Hygienebedingungen zu erreichen, müssen wir uns kollektiv in den Unis, Schulen und Betrieben organisieren. Wir müssen die verschiedenen gesellschaftlichen Kämpfe zu einer gemeinsamen Bewegung gegen die Krise und ihren Auswüchsen aufbauen! Dabei brauchen wir Forderungen, die auch die Finanzierungsfrage beantworten. Wir brauchen eine starke Besteuerung derjenigen, die während der Krise Sonderprofite erzielten (Desinfektions- und Maskenhersteller). Gleichzeitig müssen wir die Ausschüttung von Dividenden verhindern und diese Gelder für bessere Hygienebedingungen und höhere Löhne in den systemrelevanten Sektoren nutzen. Allerdings werden das die großen Konzerne sicher nicht so einfach mit sich machen lassen. Sie drohen mit Stellenabbau oder Standortverlagerung, um ihre Interessen durchzusetzen. Das dürfen wir nicht zulassen. Kommt es dazu müssen wir die Konzerne bestreiken, die Kontrolle über die Produktion übernehmen und sie letztendlich enteignen. Nur so können wir Corona-Ausbrüche in den Fabriken wie bei Tönnies, die Abwälzung der Kosten auf uns und die Überlastung sowie schlechte Bezahlung der Arbeiter_Innen in systemrelevanten Sektoren beenden.

1https://www.tagesschau.de/wirtschaft/konjunkturprognose114.html [10.12.2020]

2https://meta.tagesschau.de/id/145964/lufthansa-bekommt-milliardenhilfen-vom-staat [10.12.2020]

3https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/coronavirus/wirtschaftsstabilisierung-1733458 [10.12.2020]

4https://de.statista.com/statistik/daten/studie/422114/umfrage/gesamtsumme-der-gezahlten-dividenden-in-deutschland/ [11.12.2020]

5https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/trotz-wirtschaftskrise-und-staatshilfen-konzerne-schuetten-hohe-summen-an-aktionaere-aus/26173670.html [11.12.2020]

6https://www.bundesgesundheitsministerium.de/pflegebonus.html [10.12.2020]

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