Paul Meyer
Bei der Corona-Krise wird häufig über Risikogruppen und die Gefährdung dieser geredet. Wir, die Jugend, werden in den Nachrichten häufig als die dargestellt, die die Corona-Parties feiern und das Virus verbreiten. Es wird dabei leider außer Acht gelassen, dass auch wir unter dieser Krise zu leiden haben. Wir haben häufig keine Folgen durch das Virus an sich, aber sehr wohl aus der daraus folgenden Quarantäne. Vor allem durch die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen, die uns quasi zu Hause einsperren. Diese treffen aber besonders ärmere Menschen, die es sich nicht leisten können, ein Netflix- oder Spotify-Abo zu haben und kein Rückzugsort besteht, in dem sie ihre Schulaufgaben in Ruhe machen und sich entspannen können. Dieses Fehlen des Rückzugsortes beinhaltet häufig auch das Fehlen eines eigenen PCs oder der Hilfe der Eltern. Wenn die Schule wieder anfängt, ist das ein großer Nachteil, weil die anderen Schüler_Innen viel weiter im Lernstoff sind, als die ohne Endgerät und Ruhe. Wir können auch nicht mehr unsere Rückzugsorte besuchen, wie zum Beispiel Jugendclubs, in welchen wir Raum für Selbstbestimmung haben, eigene Erfahrungen sammeln und aus den Augen unserer Eltern sind. Zu Hause müssen wir dann häufig Hausarbeit übernehmen, also einkaufen gehen, putzen, kochen und Care-Arbeit, also uns z.B. um Verwandte kümmern, die krank sind. Der Anstieg an häuslicher Gewalt trifft nicht nur Frauen, sondern auch Kinder. Das kommt unter anderem daher, dass wir unseren Familienmitgliedern nicht mehr aus dem Weg gehen können. Diese sind vielleicht frustriert, weil sie ihren Job verloren haben durch die Krise oder durch Kurzarbeit nur noch 60% ihres Gehaltes bekommen. Die Kinder der Gewaltopfer können sich dann auch häufig nicht bei einer Stelle melden, die dafür zuständig ist, weil sie unter dauerhafter Kontrolle ihrer Eltern stehen. Es fallen nicht nur Jugendclubs weg, wo wir uns mit unseren Freund_Innen treffen, sondern auch der Ort, wo wir sie tagtäglich sehen würden, die Schule. Es gibt aber auch einige unter uns, die schon arbeiten oder eine Ausbildung machen. Dort sind wir die ersten, die entlassen werden, weil wir häufig nur Zeit- oder Honorarverträge, nur als Minijob angestellt sind, oder gar keinen offiziellen Arbeitsvertrag haben. Das macht es den Arbeitgeber_Innen leichter, uns zu kündigen. In anderen Fällen, zum Beispiel im Supermarkt, Essenslieferanten, Landwirtschaft, sind wir die, die noch zur Arbeit geschickt werden, weil wir zu jenen gehören, die nicht in der Risikogruppe sind. Höhere Löhne will uns unser_E Chef_In trotzdem nicht zahlen. Wir sind aber essentiell wichtig zum Fortbestand vieler Firmen. Die AfD-Bundestagsfraktion schlägt vor, dass Schüler_Innen zur Zwangsarbeit in die Landwirtschaft geschickt werden, um „dem Vaterland unter die Arme zu greifen“ und „Disziplin zu lernen“. Die AfD benutzt hier Rhetorik, die an den Faschismus erinnert.
Warum ist das alles so? Der Grund liegt im Kapitalismus, also der Form unserer Gesellschaft und des Wirtschaftens. Dieser ist darum aufgebaut, den Besitz einiger weniger krass zu vergrößern, die restliche Gesellschaft von diesem Reichtum fernzuhalten und trotzdem alles stabil laufen zu lassen, indem zum Beispiel gesagt wird, dass einem Sachen nur zustehen, wenn man sie sich „verdient“ hat und nicht bloß, weil man sie braucht oder es gerecht wäre. So werden einige der verschiedenen Unterdrückungsformen erklärt, die der Kapitalismus braucht, um zu funktionieren. Auch wir Jugendlichen werden unterdrückt, da uns nicht zugestanden wird, selbstbestimmt zu sein. So haben wir weder das Recht, frei über unseren eigenen Körper zu entscheiden noch das Recht auf Eigentum, da jeder Besitz, der eigentlich uns gehören müsste, im Zweifelsfall gesetzlich noch unseren Eltern gehört und wir von ihnen abhängig sind, weil wir eigenes Geld und darauf folgenden Möglichkeiten noch nicht „verdient“ haben. Falls wir schon arbeiten, werden wir deutlich schlechter bezahlt, weil wir es vor oder während der Ausbildung noch nicht „verdient“ haben, genauso viel (oder eher wenig) wie die anderen Arbeiter_Innen zu verdienen. Und Menschen wählen, die unsere Interessen vertreten, dürfen wir auch erst viel zu spät, weil wir es uns vorher noch nicht „verdient“ haben, mitzusprechen. Die Bevormundung und Prekarisierung wird uns immer wieder eingehämmert, sodass sich viele von uns schon damit abgegeben haben und keinen Widerstand leisten wollen. Wir aber schon! Wir bestehen trotzdem auf unsere Rechte und Freiheiten und fordern deshalb: