In den ersten beiden Teilen
dieser Artikelreihe haben wir uns zunächst mit den Gewerkschaften und dann mit
der radikalen Linke auseinandergesetzt.
Zuletzt, wollen wir uns anschauen, was die beiden größten bürgerlichen
Arbeiter_Innenparteien im Parlament während der Corona-Zeit so getrieben haben.
Mit „bürgerlichen
Arbeiter_Innenparteien“ meinen wir Parteien wie die SPD oder die Linke, weil
sie im Parlament bürgerliche Politik, das heißt Politik im Interesse der
herrschenden Kapitalist_Innenklasse machen, aber gleichzeitig aufgrund ihrer
Tradition und sozialen Zusammensetzung eine starke Verbindung zur
Arbeiter_Innenklasse haben.
Das erste „Rettungspaket“
Um deren Politik einschätzen zu können sollten wir zunächst auf die Anfänge des
Covid-19-Virus blicken, auch wenn der Ausbruch in Deutschland schon etwa 3
Monate her ist. Das erste Paket an Maßnahmen wurde damals von einer großen
Mehrheit im Bundestag verabschiedet. Es
beinhaltete neben mehreren Billionen Euro, die die Unternehmen quasi geschenkt
bekamen, auch das sogenannte „Kurzarbeitergeld“, welches eine weitere
Millionensubvention für Unternehmen bedeutete, da die Lebensunterhaltskosten
ihrer Angestellten nun aus Steuergeldern und nicht aus der Konzernkasse
finanziert werden. Für alle anderen, die leider keine Produktionsmittel
besitzen, heißt es nun den Gürtel enger zu schnallen. Wer hier gerettet wird
und wer dafür zahlen soll ist eine eindeutige Klassenfrage: Die Armen zahlen,
damit die Reichen gerettet werden. Die Corona-Pandemie hat dabei die ohnehin
massive soziale Ungleichheit zusätzlich verstärkt. Zu dieser massiven
Umverteilung von Steuergeldern zugunsten der Reichen gab es wenig Widerspruch
von der SPD, aber auch von der Linken. Katja Kipping (Parteivorsitzende der
Partei die Linke) feierte das „Hilfs-Paket“ sogar als „sozialen Fortschritt“.
Die bürgerlichen Arbeiter_Innenparteien haben sich also, wie die Gewerkschaften, zu einer Burgfriedenspolitik (das heißt: Zurückstellen von Kritik im Sinne der nationalen Einheit zur Bewältigung der Krise) entschieden. Während die SPD als Teil der Großen Koalition auch heute noch die arbeiter_Innenfeindliche Politik der Bundesregierung zu verantworten hat, probiert die Linke seit ein paar Wochen wieder mehr einen auf Opposition zu machen.
Die Linke zurück in der Opposition?
Die Linke veröffentlichte am 28. März ein umfassendes Papier unter dem Titel „Solidarisch aus der Krise – Menschen vor Profite!“. Dieses Papier mit dem netten Titel besteht aus Beschlüssen der Partei und legt damit die Grundlage der Politik der Linken während der Corona-Pandemie fest. Es liest sich eigentlich gar nicht schlecht: „ Für ein krisenfestes Gesundheitssystem“, „Die Kosten der Krise gerecht verteilen“, „ Solidarität über Grenzen hinweg – Leben weltweit schützen“ sind einige der Überschriften aus dem Papier.
Also alles supi-dupi-solidarisch? Na dann brauchen wir ja alle nur die Linke wählen und alles wird gut? Nein! Das Problem sind aber nicht die teilweise richtigen sozialdemokratischen Forderungen, sondern das, was nicht drinsteht. Es fehlt zum Beispiel eine Begründung, warum denn unser Gesundheitssystem nicht krisenfest ist, warum die Kosten der Krise nicht gerecht verteilt werden und warum die Solidarität im Nationalismus verpufft. Es fehlt eine Antwort auf die Frage, wo die strukturellen Ursachen der sozialen Verwerfungen der Corona-Krise liegen und wie eine Gesellschaft aussehen kann, deren Zweck es ist, die Bedürfnisse der Menschen zu erfüllen anstelle möglichst viel Profit anzuhäufen. Ebenso fehlt es an einer Antwort auf die Frage, was mit den Zehntausenden Geflüchteten passieren soll, die in überfüllten Lagern an den Außengrenzen der Festung Europa leben müssen. Statt internationale Solidarität auszuüben, indem sie sich z.B. für offene Grenzen aussprechen würde, will Die Linke vor allem den Wirtschaftstandort Deutschland retten.
Und was hat Die Linke eigentlich aktiv versucht, um diese Forderungen umzusetzen? Bis auf ein paar kritische Redebeiträge in Bundestag und Landesparlamenten war dahingehend still um die Partei. Keine Spur von Protestaufrufen. Keine Spur von Aufrufen an die Gewerkschaftsführungen gegen die geplanten Massenentlassungen und Umverteilungsmaßnahmen zu Gunsten der Reichen zu streiken.
Die Linke erkennt in ihrem Beschlusspapier zwar richtig: „Die Krise trifft die am härtesten, die am wenigsten haben“. Sie stellt dort auch Forderungen auf, was dagegen getan werden sollte: Zum Beispiel die Anhebung des Kurzarbeiter_Innengeldes, höhere Besteuerung von Reichen oder Schluss mit Schuldenbremse. Bei den Arbeiter_innen scheint sie damit aber nicht so richtig anzukommen: Während bei den aktuellen Sonntagsumfragen zur Bundestagswahl die Werte der CDU während der Corona-Krise von 27% (07.02.2020) auf 39% (29.05.2020) stiegen, sank der Wert der Linken leicht von 10 auf 8 Prozent (von Forschungsgruppe Wahlen). Gleichzeitig dominieren rechte Kräfte die „Hygiene-Bewegungen“ auf der Straße. Das Erstarken von dubiosen Bewegungen, die durch Verschwörungstheorien bis hin zu offen faschistischen Ideen einen Ausweg aus der Krise propagieren, lässt sich auch durch die Abwesenheit einer linken Alternative besser verstehen.
Wenn wir den Rechten die Rolle der Opposition jedoch nicht überlassen wollen, brauchen wir jetzt eine klassenkämpferische Antikrisenbewegung, die die Probleme der Menschen wahrnimmt, eine linke Kritik am Corona-Management der Bundesregierung formuliert und internationale Solidarität lautstark auf die Straßen trägt. An SPD, Linke und Gewerkschaften kommen wir mit diesem Vorhaben jedoch nicht vorbei, denn ein Großteil der organisierten Arbeiter_Innenklasse zählt zu ihren Mitgliedern. Doch um aktiven Widerstand zu leisten, brauchen sie scheinbar einen kräftigen Arschtritt!
Auch wir von REVOLUTION treten für Reformen ein, die direkt die Lebensbedingungen von uns allen verbessern und die auch schon im Kapitalismus umgesetzt werden können. Zum Beispiel die Forderung nach Weiterzahlung des vollen Gehalts während der Corona-Krise. Allerdings machen wir uns auch Gedanken darüber, was passieren muss, wenn die Chefetagen der Unternehmen nicht dazu bereit sind. Deshalb fordern wir in einem zweiten Schritt die Offenlegung der Geschäftsbücher sowie die Verstaatlichung der Unternehmen und die demokratische Kontrolle durch die Beschäftigten. Letztendlich werden wir die großen Krisen, denen wir gegenüber stehen (ob Corona-Pandemie, Klimakrise, Wirtschaftskrise oder Festung Europa), jedoch nur solidarisch bewältigen können, wenn wir der kapitalistische Profitlogik die Perspektive des Aufbaus einer kommunistischen Gesellschaft entgegenstellen. Dazu braucht es ein revolutionäres Programm, das einen Weg dahin aufzeigt. Eine Anti-Krisenbewegung muss auf der einen Seite geeint kämpfen und auf der anderen Seite über das richtige Programm streiten.
Wenn’s der Wirtschaft gut geht, geht’s allen gut?
Seit Jahrzehnten erzählen uns Finanzminister_Innen, dass Deutschland seine Staatsschulden abbauen müsse. Etliche Sozialkürzungsmaßnahmen, Bildungsabbau und Sparprogramme wurden mit dem Argument gerechtfertigt, die Neuverschuldung möglichst gering halten zu müssen. Die Corona-Krise veranlasste die Bundesregierung nun zu einer 180 Grad-Wende: Plötzlich ist massig Geld da und die Milliardenkredite sprudeln aus der Staatskasse. Allerdings fließen diese nicht in öffentliche Dienstleistungen oder Sozialhilfe sondern in die Privatwirtschaft. Geld scheint also eigentlich da zu sein, wenn es einen politischen Willen dafür gibt. Mit dem neuen Konjunkturpaket sollen nun weitere 130 Milliarden Euro investiert werden, um die Wirtschaft wieder zum Laufen zu bringen. Dabei wurden zuvor bereits mehrere Billionen Euro zu diesem Zweck an Unternehmen verschenkt. Trotzdem prognostizieren Wirtschaftsforschungsinstitute immer noch einen Abfall des BIPs, wie ihn Deutschland seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr gesehen hat. Entweder denkt die Bundesregierung also, dass es 130 weitere Milliarden jetzt rausreißen oder sie sieht angesichts ihrer pro-kapitalistischen Haltung keine andere Möglichkeit als noch mehr Geld in die Unternehmenskassen zu pumpen.
Dabei konnte die SPD sich
immerhin durchsetzen, dass die von der Autoindustrie und von großen Teilen der
CDU geforderte Autoprämie für Verbrenner nicht Teil des Pakets geworden ist. Es
sollen aber die Kaufprämien für E-Autos erhöht werden. Als „ökologische Wende
nach der Krise“ lässt sich dies aber nun auch nicht gerade betiteln sondern
eher als Geschenk an die deutsche Automobilindustrie. Weitere Kernpunkte des
Pakets sind Maßnahmen, mit denen die Bundesbürger_innen wieder in die
Shoppingmalls gelockt werden sollen: einmaliger Kinderbonus von 300€ pro Kind,
zusätzliche Unterstützung von Unternehmen und die Senkung der Mehrwertsteuer
vom 1. Juli bis 31. Dezember von 19 auf 16 Prozent. Während die SPD den ganzen
Mist zu verantworten hat, kritisiert Die Linke immerhin richtiger Weise, dass
damit wenig den geholfen wird, die am meisten auf staatliche Hilfe angewiesen
sind: Geringverdiener_Innen und Arbeitslose. Außerdem meint Sie, dass das Paket
nicht nachhaltig genug sei. Vom Sozialismus aus ihrem neuen Beschlusspapier ist
hier jedoch schon wieder keine Rede mehr. Die Linke wünscht sich vielmehr einen
„zahmeren Kapitalismus“. Ein bisschen soziales und ökologisches Parfum auf die
Verwertungslogik und dann wird die nationale Wirtschaft schon wieder laufen.
Von der demokratischen Kontrolle der Produktion durch die Beschäftigten und
internationaler Solidarität ist hier jedoch nichts zu hören.
Uns als Kommunist_innen geht es nicht darum, wie ein solches Konjunkturpaket hätte sozialer & ökologischer aussehen können. Es geht uns um die Frage, ob die strukturell im Kapitalismus bedingten Wirtschaftskrisen, die alle paar Jahre wieder ausbrechen, damit gelöst werden, dass man die Bevölkerung zum Einkaufen motiviert. Wie Olaf Scholz ganz ehrlich zugegeben hat, geht es in erster Linie darum, das Wachstum wieder anzukurbeln. Dabei sollen für Olaf jedoch nicht das Gesundheitssystem oder der soziale Wohnungsbau wachsen, sondern die Profite der Kapitalist_Innen. Darum geht es dem Konjunkturpaket. Um die Billionenhilfen für die Wirtschaft finanzieren zu können, wird eine gigantisch hohe Staatsverschuldung in Kauf genommen. Zahlen sollen am Ende die Lohnabhängigen in Form von Massenentlassungen und Sozialkürzungen.
Was sollten SPD und Linke tun?
Die SPD muss sich überhaupt erst
einmal wieder auf das Ziel zurückbesinnen, mit dem ursprünglich vor über 150
Jahren gegründet wurde: die Interessen der Arbeiter_innen und Unterdrückten zu
vertreten. Sie sollte sich also gegen jede Abwälzung der Krisenkosten auf die
Arbeiter_Innenklasse stellen. Wenn sie das tut, muss sie allerdings raus aus
der Groko!
Die Linke sollte nicht nur im Parteiprogramm über Antikapitalismus und
Sozialismus reden, sondern auch im aktuellen politischen Geschehen die Zusammenhänge
von Krisen und Kapitalismus mit einer internationalistischen und
sozialistischen Perspektive verbinden.
Zusammen sollten SPD und Linke
nicht nur Reden im Bundestag schwingen sondern aktiv mit den Gewerkschaften
eine Anti-Krisenbewegung auf die Straße bringen, die für eine sozialistische
Perspektive kämpft und sich dem wachsenden Rassismus und rechten
Verschwörungstheorien entgegenstellt. Eine Anti-Krisenbewegung muss eine
unabhängige Stimme der Lohnabhängigen, Migrant_Innen und Jugendlichen darstellen
und ein eigenes Programm für diese demokratisch entwickeln. Dabei muss sie den
Anschluss an bestehende internationale Massenproteste wie die aktuelle
Black-Lifes-Matter-Bewegung suchen und Themen wie Polizeigewalt und Rassismus
in ihr Aktionsprogramm integrieren.
Wir haben allerdings auch keine Illusionen in die Führung der beiden Parteien,
sondern sehen dies eher als Aufforderung an die Basis mit der Führung zu
brechen und selbst auf die Straße zu gehen. Dort müssen wir uns organisieren
und selbst demokratische Strukturen aufbauen, in denen wir frei darüber
diskutieren können wie wir in Zukunft leben wollen und mit welchem Programm wir
da hinkommen.