Manchmal kommt es vor, wenn man sich in der Öffentlichkeit als Sozialist_In outet, dass man so abstruse Sätze wie: „Sozialismus? Das wollten die Nazis doch auch, nur halt national, oder so…“ zu hören bekommt. Und wenn man sich ausgewählte Parolen von damals oder von den heutigen Faschist_innen anschaut, könnte auf den ersten Blick durchaus dieser Eindruck entstehen. Die NPD stellt sich gerne als antikapitalistische, gegen das korrupte System gerichtete Kraft dar, die NSDAP hatte Parolen gegen das (natürlich jüdische/ausländische) Finanzkapital. Könnte es also stimmen, dass Nazis den Sozialismus wollen, nur halt national?
Die Antwort hierauf muss immer ein klares Nein! sein. Um das zu verstehen, sollte man sich zuerst einmal anschauen, was der Faschismus überhaupt ist, wessen und welche Interessen hinter ihm stehen.
Der Faschismus als Bewegung entsteht dort, wo die Gesellschaft durch soziale und ökonomische Krisen erschüttert wird. Am Anfang des 20. Jahrhunderts kam es in Deutschland durch die Ausweitung der industriellen Produktionssphäre sowie der Ausweitung des Kapitalismus an sich, zu einer Verarmung des Kleinbürgertums und der Bauern. Diese verunsicherten Schichten wollten ihre Privilegien gegenüber dem anwachsenden Proletariat und ihren Lebensstandard nicht aufgeben. Deshalb waren sie auf der Suche nach Antworten auf ihre Probleme, fündig wurden sie bei der faschistischen Bewegung. Obwohl diese mit ihren hohlen antikapitalistischen Phrasen nur vom eigentlichen Klassenwiderspruch ablenken wollte, konnten die Faschist_Innen große Teile der Mittelschichten für sich gewinnen.
Sie appellierten an die „germanische Rasse“, versprachen die Ausschaltung der jüdischen Konkurrenz und lieferten so einen Sündenbock, mit welchem schon im Mittelalter die Menschen gut von den eigentlichen Problemen abgelenkt werden konnten. Trotzki schrieb 1933 in seinem „Porträt des Nationalsozialismus“:
„Der deutsche wie der italienische Faschismus stiegen zur Macht über den Rücken des Kleinbürgertums, das sie zu einem Rammbock gegen die Arbeiterklasse und die Einrichtungen der Demokratie zusammenpressten. Aber der Faschismus, einmal an der Macht, ist alles andere als eine Regierung des Kleinbürgertums. … Die Mittelklassen sind nicht fähig zu selbständiger Politik. … Dem Faschismus gelang es, sie in den Dienst des Kapitals zu stellen. … Die gewaltsame Zusammenfassung aller Kräfte und Mittel des Volkes im Interesse des Imperialismus – die wahre geschichtliche Sendung der faschistischen Diktatur …“
In einer Krise steigt nämlich nicht nur die soziale Unsicherheit, die Angst vor dem Abstieg oder schlicht der Armut, sondern auch die Wahrscheinlichkeit für soziale Unruhen, Aufstände und Revolutionen. Das Proletariat in Europa begann sich gegen die Bourgeoisie zu erheben, der Faschismus war sozusagen die letzte Rettung des Kapitals und half die Organisationen, wie Gewerkschaften und Parteien, der Arbeiterklasse zu unterdrücken und zu zerschlagen. Trotz Parolen gegen das Finanzkapital, wollten die Nazis nichts an den Eigentumsverhältnissen verändern, der Faschismus war und ist eine reaktionäre Bewegung.
Das Besitzbürgertum, allen voran die Großindustrie und das Finanzkapital, sahen in Hitler und den „Nationalsozialisten“ einen willfährigen Helfer der ihre Profitbestrebung gegenüber der Arbeiterklasse verteidigen sollte. Als eine der ersten politischen Aktionen nach der Machtergreifung, fand die Zerschlagung des gesamten Gewerkschaftsapparates statt, der Interessenvertretung der Arbeiterschaft, sowie der Beschlagnahmung des vollständigen Vermögens der Gewerkschaften. Die führenden Personen und viele der Mitglieder wurden eingesperrt, gefoltert und ermordet. Die verbliebenen wurden genötigt in die faschistische Dachorganisation NSBO einzutreten. Das geraubte Geld wurde in großen Teilen zum Aufbau der Volkswagenwerke genutzt.
Ein zentraler Punkt der Betrachtung des Nationalsozialismus ist, dass das Eigentum der Unternehmerschaft unangetastet blieb. Wer sich den Plänen der Nationalsozialisten fügte, konnte sich weiterhin, sogar durch den Einsatz von Zwangsarbeiter_Innen, an der Arbeiterklasse bereichern. Die herrschende Klasse blieb in ihrer Macht- und Vermögensstellung unangetastet, es kam folglich zu keiner Aufhebung der Klassengegensätze. Auch sind weder im alltäglichen Leben noch in den Betrieben demokratische Basisstrukturen der Massen vorgesehen.
Im Sozialismus wird durch die Auflösung der Klassen auf eine klassenlose Gesellschaft (auch bekannt als Kommunismus) hingearbeitet – dafür essentiell sind unter anderem die Räteherrschaft der Bevölkerung sowie ein langsam absterbender Staatsapparat. Die systematische Unterdrückung der Organe der Arbeiterklasse sowie der Aufbau einer repressiven Diktatur, welche auf industrielle Weise Juden, Sinti, Roma, politische Oppositionelle und andere „nicht lebenswerte“ Menschen vernichtet, hat nichts mit Sozialismus zu tun. Genauso wenig wie Kriege gegen andere Nationen auf Grund einer rassistischen Ideologie, dem Gieren nach mehr „Lebensraum“ für eine konstruierte „Herrenrasse“, etwas mit Internationalismus und Solidarität zu tun haben.
Da im Kapitalismus immer wieder Krisen entstehen, ist es wahrscheinlich, dass es auch immer wieder ein Anwachsen faschistischer Strömungen und Bewegungen geben wird. Ein deutliches Beispiel hierfür liefern die aktuellen Zustände in der Ukraine. Der Kampf gegen den Faschismus muss daher mit dem Kampf gegen das kapitalistische System verknüpft werden.
Antifa heißt Klassenkampf!
Ein Artikel von Felix Ernst, REVOLUTION Leipzig