von Alex Metzger
Seit bald 5 Monaten, hinter der Fassade und auch darüber hinaus, herrscht Uneinigkeit in der SPD. Nach 4 Jahren Großer Koalition und Mitverwaltung der undemokratischen, militaristischen EU, der Unterdrückung von Teilen Südeuropas durch eine rigorose Sparpolitik und der generellen Abwälzung der Kosten der Finanz- und Wirtschaftskrise auf den Rücken der Arbeiter_Innenklasse wollte sie nun einen Schlussstrich unter diese Politik ziehen. Mit einem inszenierten „Linksruck“ der Partei, angeführt von dem ehemaligen EU-Parlametsvorsitzendem Martin Schulz, sollten wieder einmal soziale Themen in den Vordergrund gerückt werden. Gleichzeitig wurde aber auch immer wieder auf die angeblichen „Erfolge“ der SPD verwiesen, die man gegen den Widerstand der CDU/CSU durchsetzen konnte. Das Paradebeispiel hierfür ist die Einführung des Mindestlohns, welcher aber nicht für alle gilt, wie z. B. Azubis oder Leiharbeiter_Innen.
Mit hohlen Floskeln, die die Sozialdemokratie seit eh und je in den Mund nimmt, wollte die SPD auf Stimmenfang gehen. Nach dem schlechtesten Wahlergebnis, das sie je einfuhr, nur ein wenig mehr als 20 Prozent, mussten weitere Floskeln her. Die konsequente Ablehnung einer Regierungsbeteiligung und die daraus resultierende Oppositionsführerschaft der SPD schien ausgemachte Sache zu sein. Allerdings kamen in diesen 5 Monaten von verschiedenen Seiten der Parteibürokratie und Spitze Kritik an diesem Kurs. Erst recht nach dem Scheitern der Verhandlungen zu einer Jamaika-Koalition zwischen CDU/CSU, der FDP und den Grünen wurde die SPD von allen Seiten dazu gedrängt, sich ihrer Verantwortung als „staatstragende Volkspartei“ doch bitte gerecht zu werden. Die Schlüsselfrage der SPD: Politik für die eigene soziale Basis zu betreiben oder im Interesse der herrschenden Klasse. Statt in einem politischen Kampf um tatsächliche soziale Forderungen, wie einer wirklichen Erhöhung des Mindestlohns, die Abschaffung der Zeitarbeit, oder der Absicherung der Renten für Geringverdiener_Innen, verbunden mit der Forderung nach einer klar antirassistischen Ausrichtung zusammen in einer Minderheitsregierung mit der Linkspartei, ruderte die SPD zurück. Somit wurde sie am Ende ihrer Rolle als die oben genannte „staatstragende Volkspartei“ einmal mehr gerecht und blieb sich am Ende in ihrer Tradition des Rückziehens vor der Auseinandersetzung mit der herrschenden Klasse treu, wie sie es schon seit inzwischen 100 Jahren mehr oder weniger erfolgreich macht. Der Vorstand sprach sich für die GroKo aus, der außerordentliche SPD Parteitag Ende Januar entschied sich für die Aufnahme der Sondierungsgespräche für eine Fortsetzung der Großen Koalition.
Der Koalitionsvertrag ist seit Donnerstag ausgehandelt und die Ministerposten werden verteilt. Dabei ist der SPD-Messias aus Würselen auf jeden Fall raus. Das Vertrauen der Mitgliedschaft der SPD, das Schulz 100 % der Stimmen in der Wahl zum Parteivorsitz im Januar 2017 beschert hat, scheint gebrochen. Sigmar Gabriel, der alte Parteivorsitzende, hat ihm in Form einer offenen und harschen Kritik an seiner Person und seinem Führungsstil die Falltür geöffnet, durch die er letztlich in die Versenkung gestürzt ist. Diese den Inhalten vorgeschobene Personaldebatte, mit der sich die Partei kopflos präsentiert könnte der Spitze letztlich aber die „Ja´s“ bei der GroKo Abstimmung sichern. Schließlich war es Schulz, der versprach nicht in die Regierung einzutreten, ohne ihn: kein Wortbruch. Vielleicht reicht das schon für ein Ja zum Koalitionsvertrag bei der Abstimmung der Mitglieder ab 15. bis Ende Februar. Dabei war es doch genau das Handeln von Schulz, das den wahren Charakter des Reformismus zu Schau stellte. Konkret: das dieser in der Stunde der Not, also wenn das Kapital nicht zu Zugeständnis fähig ist, sein wahres Gesicht zeigt. Als bürgerliche, da klassenversöhnlerische, Ideologie innerhalb der Arbeiter_Innenbewegung.
Umso deutlicher macht sich Unmut in den linken Teilen der SPD-Basis breit, die Abstimmung Ende Januar ging mit 56 % für und 44 % gegen die Verhandlungen zur Regierungsbildung (Sondierungsgespräche) aus. Besonders die Jugendorganisation der SPD, die Jusos, wollen einen politischen Kampf um Positionen, nicht um Posten führen. Zumindest wird ihr Vorsitzender Kevin Kühnert bei seiner #NoGroKo-Tour nicht Müde das zu betonen. Im Zuge dieses Kampfes traten knapp 25.000 Menschen in die SPD ein. Ähnlich wie bei dem vermeintlichen Linksruck, angeführt vom ehemaligen Parteichef Martin Schulz Anfang 2017. Zusammen sind das fast 10 % der SPD Mitgliedschaft. 10 %, die offen für einen linken Kurs in der SPD sind, ihn sogar herbeiführen wollen, das finden wir gut, diese Bewegung müssen wir mit unseren eigenen Forderungen und Perspektiven begleiten.
Entgegen der Meinung pseudolinksradikaler Gruppen, die in der SPD einen Haufen den Kapitalist_Innen nahestehenden Verräter_Innen am Proletariat sehen, denken wir, dass diese Dynamik von Revolutionär_Innen genutzt werden muss. Wenn eine Welle der Kritik von links, von der Basis einer bürgerlichen Arbeiterpartei, also einer Partei welche ihre Mitgliedschaft und Verankerung in der ausgebeuteten Klasse verortet, eine Welle der Kritik an der Führung dieser Partei losbricht, dann ist das immer auch eine Chance im Kampf für ein revolutionäres Programm. Nicht weil wir glauben mit neuen Mehrheiten selbst um die Führung zu kämpfen, sondern weil wir desillusionierte junge Sozialdemokrat_Innen in unser Boot holen wollen. Diesen Punkt gilt es unversöhnlich zu-zuspitzen. Hierum muss von den Jusos die Frage des Regierungsprogramms diskutiert werden, beispielsweise unter der vollen Rücknahme der Agenda2010-Reformen im Schulterschluss mit den Tarifauseinandersetzungen, wie sie im öffentlichen Dienst bevorstehen oder bei der IG Metall in Ostdeutschland noch fortgesetzt werden müssen.
Mit ihren Forderungen werden sie schnell an die Grenzen des in ihrer Partei und mit den parlamentarischen Mehrheiten machbaren kommen. Klar, denn in der bürgerlichen Demokratie dient der Staat den herrschenden Kapitalist_Innen. Die Abschaffung der Agenda Reformen zum Beispiel, die Verringerung des Renteneintrittsalters bei einer allgemeinen Rentenerhöhung, staatlicher Wohnungsbau, oder Forderungen um die Demokratisierung der Partei, oder sogar der imperialistischen EU im Schulterschluss mit dem europäischen Proletariat werden spätestens von ihrer eignen Führung blockiert. Diese als bürgerliche Marionetten zu entlarven, verbunden mit sozialen und politischen Forderungen, zum Beispiel nach der Integration Geflüchteter in Gewerkschaften, um den Antirassismus in breitere Teile der Klasse zu tragen, sollte das erklärte Ziel von Kommunist_Innen sein. Wir fordern alle Mitglieder der SPD auf in der Urabstimmung mit Nein zu stimmen. Gegen die GroKo kämpfende Mitglieder in der SPD müssen unter diesen Losungen die Auseinandersetzung in der SPD politisieren und hiermit um die Führung der Partei kämpfen.
Dafür sind die Debatten in der Partei und in ihrer Jugendorganisation nur ein Schritt unter vielen. Die linken Teile der Partei müssen sich dabei als der Keil begreifen, der den Kampf, der zum Bruch mit der Führung, im Fall der Niederlage zur Spaltung oder zu einer „neuen Ausrichtung der SPD“ im Wort, wie es die Jusos weichgespült gern formulieren, erst ermöglichen kann. Um Druck zu erzeugen und Massen für uns zu begeistern brauchen wir eine dynamische Bewegung, eine Einheitsfront vieler Arbeiter_Innenorganisationen welche die Kämpfe auf die Straße, an die Schulen, Unis und Fabriken trägt. Wir müssen die Frage, danach warum keine Verhandlungen mit der Linkspartei gestartet wurden mit der Perspektive, der antirassistischen Einheitsfront, beantworten.
Gleichzeitig müssen wir unsere Partner_Innen, wo es nötig ist für reformistische Positionen kritisieren. Bei allen guten Ansätzen, die die Jusos in ihrem Kampf gegen die GroKo verfolgen, werden auch von ihnen keine Forderung hin zu einer sozialistischen Umorientierung aufgestellt. Die Kritik, die aus der #NoGroKo-Kampagne laut wird, ist eine Kritik am Führungsstil und an der prinzipiellen Bereitschaft zusammen mit der CDU zu regieren. Die von Kühnert und Co. aufgezeigte Perspektive kann und darf nicht einfach nur die „Neuausrichtung der SPD“ sein. Neben dem guten Ansatz sagt diese Forderung nämlich nichts. Weder was geändert werden muss noch wo´s hingehen soll. Demokratisierung der Partei, eine konsequente Politik für die Ausgebeuteten, Beispiele wurden in diesem Text schon einige genannt, die Ablehnung des imperialistischen Weltsystems, ein konsequenter Internationalismus, der den Charakter des globalen Systems als System von ausbeutenden und ausgebeuteten Klassen begreift, eine Analyse und Kritik am gesellschaftlichen Rassismus, all das sollte von der Juso-Basis gefordert werden. Kurz: eine Kritik am Reformismus und keine bloße Kritik am Führungsstil, die in ihrer Ausrichtung auch vor dem Bruch mit der Partei nicht zurückschreckt, ist jetzt gefragt.
Dass in der Spitze der SPD unter Missachtung der Kämpfe in der Basis mit der CDU und CSU gefeilscht wird, zeugt von der Kompromissbereitschaft ihrer falschen Führer. Die in den Vordergrund rückenden Personalfragen bieten zusätzliche Möglichkeiten eine Debatte um Inhalte zu verschleiern. Letztlich wird sich zeigen, wie weit der linke Flügel bereit ist zu gehen, und wie weit die Bürokratie und der liberale Flügel dazu in der Lage sind die Wogen zu glätten, um zumindest für die nächste Regierungsperiode Ruhe zu haben.
Wir dürfen nicht tatenlos zusehen. Stellen wir uns an die linke Seite der linken Seite, um gemeinsam mit ihnen aus dem Nein zur GroKo ein Ja für eine revolutionäre und antikapitalistische Politik zu machen, die sich gar nicht erst von Gabriel, Nahles und Co. über ihren wahren Charakter hinweg täuschen lässt und Abseits vom Verhandlungstisch soziale Forderungen mit denen nach dem Umsturz des Kapitalismus unter sozialistischer Perspektive verbindet. Nur so können wir aus der Krise der Arbeiter_Innenbewegung, dem Fehlen einer entschlossenen und radikalen Führung, gemeinsam zu einer revolutionären Bewegung kommen die tatsächlich wieder mal, was reißen kann.