Warum wir Trumps Deal ablehnen und wir stattdessen fordern.
Die Veröffentlichung von Trumps “Deal of the Century” am 28.1. in Washington war eine Party für ihn und Netanyahu, und die erlesene Auswahl von Vertreter_Innen der evangelikalen Rechten, der Siedler_Innenbewegung und erzkonservativen Republikaner_innen, die eingeladen waren. In den ersten Reihen saßen jedoch auch die Botschafter der ölreichen sunnitischen Golfmonarchien. Ganz im Sinne der geostrategischen Interessen des US-Imperialismus soll hier eine Anti-Iran Allianz im Bündnis mit Israel zusammengezimmert werden. Trumps Pläne stießen dabei auf freudestrahlende Gesichter. Nicht eingeladen waren die Palästinenser_Innen. Um die geht es offensichtlich nicht, und diverse absurd anmutende Forderungen stellen sicher, dass Trumps Deal niemals tatsächlich zu Verhandlungen mit den Vertreter_Innen der Palästinenser_Innen führen wird. So schickte er auch die Drohung vorweg, sein “Friedensplan” könnte die letzte Möglichkeit für die Palästinenser_Innen sein, Frieden mit Israel zu schließen. Form und Zeitpunkt der Veröffentlichung des Plans sind dabei kein Zufall sondern haben innenpolitische Gründe: Während sich Trump in Washington gerade gegen ein Amtsenthebungsverfahren wehrt, wurde Netanjahu nur wenige Stunden vor Veröffentlichung des Plans wegen Korruptionsvorwürfen angeklagt. Ganz praktisch ist dieser “Plan” jedoch eine Ermächtigung für den Staat Israel, seine strategischen Ziele ohne weitere Konsultationen durchzusetzen, und folgt Trumps bisheriger Politik: der Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt, der Anerkennung der Annexion der Golanhöhen und seiner Entscheidung, die israelischen Siedlungen nicht mehr als Verletzung internationalen Rechts zu betrachten
Der „Staat Palästina“ würde nach dem Trump-Plan gerade 9% des britischen Mandatsgebiets Palästina von 1947 ausmachen. Fast alle israelischen Siedlungen in der Westbank und das Jordantal würden zu israelischem Staatsgebiet, Jerusalem wäre allein israelische Hauptstadt. Trumps Plan geht sogar darüber hinaus, nur den Status Quo der faktischen Souveränität Israels über die Westbank anzuerkennen, und schlägt die Abtrennung des sog. „Triangle“ (Muthallath), einer Gegend mit hohem palästinensischem Bevölkerungsanteil, von Israel vor, d.h. die Ausbürgerung eines Teils der Palästinenser_Innen mit israelischem Pass – wie es auch seit Langem von Rechtsextremen wie Avigdor Lieberman gefordert wird.
Apartheid in Staatsform gegossen
Trumps „Deal of the Century“ beinhaltet die vollständige Anerkennung der von der zionistischen Rechten geplanten Annexionen in der Westbank. Dagegen spricht der Plan einem zukünftigen palästinensischen Staat das Recht auf Kontrolle seiner Grenzen und seines Luftraums ab. Er verweigert dem „Staat Palästina“ das Recht, militärische Kräfte aufzustellen und behält dem Staat Israel ein militärisches Interventionsrecht in palästinensischen Gebieten vor. Der Staat Palästina würde noch nicht einmal das Recht haben, seine Beziehungen zu anderen Staaten eigenständig zu gestalten, sofern israelische Interessen davon betroffen sein sollten. Diesem “Staat” würde es an allem fehlen, was einen unabhängigen Staat ausmacht.
Die Niederlage der ersten Intifada mündete Anfang der 1990er-Jahre in die Verhandlungen um die Osloer Verträge. Für das vage Versprechen, irgendwann eine begrenzte Souveränität zugestanden zu bekommen, sollten die Palästinenser_Innen den Kampf gegen die rassistischen Verhältnisse, die ihnen Tag für Tag auferlegt werden, einstellen. Damals erlaubte die politische Kapitulation der PLO und die Demobilisierung der Intifada dem Staat Israel, mit dem massiven Ausbau der Siedlungen in der Westbank das Ziel eines unabhängigen palästinensischen Staates zu verunmöglichen. Mit der Gründung der palästinensischen Autonomiebehörde wurde darüber hinaus ein autoritärer Bürokratenapparat geschaffen, der als verlängerter Arm der Besatzungsmacht in der Westbank agiert.
Der Trump-Plan folgt zunächst der gleichen Methode, die Anfang der 1990er-Jahre in den Oslo-Verhandlungen angewendet wurde, mit einem Unterschied: in den 30 Jahren des Oslo-Prozesses waren die Palästinenser_Innen als Verhandlungspartner_Innen geachtet, um der fortschreitenden Kolonisierung des Westbank eine Scheinlegitimation zu geben. Trumps Schwiegersohn Kushner hingegen hat mit den Palästinenser_Innen noch nicht einmal gesprochen, sie waren bei der Veröffentlichung des „Plans“ nicht eingeladen, und sie werden nicht gefragt, ob sie dem Plan zustimmen werden. Dessen Umsetzung, d.h. die Annexion weiter Teile der Westbank, ist für die zionistische Rechte ohnehin beschlossene Sache. Während der Oslo-Prozess also der Besatzungspolitik Israels eine „Legitimation“ durch Einbindung der palästinensischen Institutionen in aussichtslosen Verhandlungsrunden verschaffen sollte, beschränkt sich die Legitimation nun auf die „Anerkennung der Wirklichkeit“, d.h. die tatsächliche Gewalt des israelischen Staates über die besetzten Gebiete. Trumps „Lösung“ für die illegalen Siedlungen besteht einfach darin, diese zu legalisieren. Seine „Lösung“ für die tausenden Geflüchteten ist es, ihnen das Rückkehrrecht zu verweigern, und die „Lösung“ für Jerusalem ist, dass er die gesamte Stadt (ausgenommen einem kleinen Vorort im Osten) Israel alleine zuspricht.
Sozialismus statt Nationalismus
Die aggressive Politik der US-Regierung gegen die Rechte der Palästinenser_Innen und die (bestenfalls) schweigende Zustimmung vieler anderer Regierungen, wie der deutschen und französischen, macht es dringend notwendig, dass linke Aktivist_Innen und kämpferische Gewerkschafter_Innen weltweit dieser Politik den Kampf ansagen. Das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser_Innen wird nicht von der Vernunft der “Weltgemeinschaft”, also bürgerlichen Regierungen, abhängen. Sondern davon, ob die Bewegung in in Palästina und Israel es schafft, Massen gegen die Pläne der israelischen Rechten und ihrer Verbündeten in Amerika, Europa und den Golfstaaten zu mobilisieren. Sowohl in Ramallah und Gaza als auch in Tel Aviv gab es bereits große Proteste. Linke Kräfte haben nun die Aufgabe eine unabhängige Organisation der Arbeiter_Innenklasse voranzutreiben und ihr eine Perspektive zu geben. Dabei können sie wenig auf die etablierten Kräfte vertrauen: Während die zionistische Linke bestenfalls zurück zu Oslo möchte, können ebenso Fatah und Hamas keine politische Alternative aufwerfen. Die palästinensische Führung hat es sich auf ihre alten Tage im Status Quo bequem gemacht, genießt große Privilegien und hat kein Konzept, wie effektiv Widerstand aufgebaut werden kann. Ein viel wichtigerer Partner sind stattdessen die Massenproteste in der Region: Ob im Libanon, in Rojava, im Irak, in Algerien, in Ägypten oder im Iran: Nicht nur in Palästina sondern überall lehnen sich die Massen gegen die imperialistische Neuordnung der Region und die bereitwillige Unterstützung der lokalen Machthaber auf. Die Arbeiter_Innenbewegung in Europa hat deshalb die Aufgabe, die kolonialen und geostrategischen Pläne ihrer Regierungen zu durchkreuzen. Im Zuge der Niederlage in Antikrisenprotesten und im Taumel der neuaufkommenden Welle des Nationalismus sind jedoch regierungsnahe nationalistische Positionen in der Arbeiter_Innenbewegung hier mehr und mehr zur Normalität geworden sind. Im Falle des Trump-Plans müssen wir hier also auch den profitorientierten und geostrategischen Interessen Deutschlands eine Absage erteilen und für die Einstellung jeglicher finanzieller, wirtschaftlicher und militärischer Unterstützung für den israelischen Staat einzutreten.
Außerdem müssen wir anerkennen, dass die Politik der Zweistaatenlösung, wie sie von der Palästinensischen Autonomiebehörde und den traditionellen Organisationen der PLO vertreten wird, zur Unterordnung dieser Institutionen unter die Bedürfnisse der Besatzungsmacht und zum Verrat am Befreiungskampf geführt hat. Trotz der Empörung von Vertreter_Innen der Palästinensischen Autonomiebehörde wie Mahmoud Abbas über die gezielte Provokation, die der “Friedensplan” darstellt, haben diese Kräfte nicht verstanden, dass ihre Politik, die auf einen Interessensausgleich mit dem Staat Israel abzielt, utopisch ist und die palästinensische Bewegung entscheidend geschwächt hat. Selbst wenn die “Zweistaatenlösung” realisierbar wäre, würde sie nur die bestehende Unterdrückung in eine neue institutionelle Form gießen. Daher treten wir innerhalb der Solidaritätsbewegung für die Perspektive einer sozialistischen Einstaatenlösung ein. Das ist nur realistisch, wenn der Kampf verbunden wird mit den sozialen und demokratischen Kämpfen im ganzen Nahen Osten, wie in Ägypten, im Libanon und im Irak. Ein sozialistischer Staat Palästina würde allen Geflüchteten die Rückkehr erlauben und würde allen Einwohner_Innen, egal welcher Religion, die gleichen Rechte garantieren. Dieses Ziel kann nicht in Verhandlungen mit imperialistischen Regierungen erreicht werden, sondern nur mit Methoden des Klassenkampfes.