Warum der Sieg von AKK kein Grund zur Freude ist…

von Marvin Schutt

In einer knappen Stichwahl für den neuen CDU-Vorsitz setzte sich Annegret Kramp-Karrenbauer (im Folgenden AKK) mit nur 35 Stimmen mehr gegenüber ihrem Kontrahenten Friedrich Merz durch. Die neue Chefin der Konservativen löst damit Kanzlerin Angela Merkel ab, die einige Monate zuvor angekündigt hatte, ihr Amt als Parteivorsitzende niederlegen zu wollen. Nachdem auf Twitter, in der Tagesschau und am Stammtisch überall vom Ende der „Ära Merkel“ und einer Neuausrichtung der Partei die Rede war, blickten viele gespannt auf die Ergebnisse der Vorstandswahl. Ein erleichtertes Aufatmen war nach dem Sieg von AKK nicht nur aus den Reihen von SPD, Grünen, Linken und Gewerkschaften zu vernehmen, sondern auch einige aus der radikalen Linken und viele unserer linken Freund_Innen haben sich heimlich gefreut, dass nicht Merz oder Spahn das Rennen gemacht haben.

Ist AKK das geringere Übel?

Natürlich wirkt die taffe Frau mit kurzen Haaren und Brille aus dem gemäßigteren CDU-Lager erst einmal wie das geringere Übel gegenüber ihren erzkonservativen Kontrahenten Spahn und Merz. Als ehemaliger Investmentbanker und Aufsichtsratsvorsitzender eines Hedgefonds hat Merz keinen Hehl daraus gemacht, eine Wirtschaftspolitik im Sinne seiner Kumpels aus dem Finanzkapital durchsetzen zu wollen. Zum Beispiel indem der Multimillionär vorschlug, Reiche steuerlich zu entlasten und Sozialleistungen zu kürzen. Aber nein, Merz wollte nicht nur, dass es uns wirtschaftlich noch beschissener geht. Mit seiner Law-and-Order-Politik wollte er gleichzeitig noch härter gegen Proteste, die aus solchen Missständen entstehen könnten, repressiv durchgreifen und gleichzeitig die EU-Außengrenzen stärker abschotten. Stimmen wollte er sich damit erkaufen, indem er versprach, durch ein solches Programm AfD-Wähler_innen zurück in „die Mitte“ zu holen. Jens Spahn, der bereits in der Vorrunde ausgeschieden war, hatte wohl unter anderem deshalb keine Chance, da er sich politisch kaum von Merz unterscheidet. Für die CDU sollte er lediglich das junge und frische Gesicht für diese extrem konservative Neuausrichtung sein. Kleine Anmerkung: Spahn ist fast 40 Jahre alt.

AKK steht stattdessen für Merkels „Weiter so!“. Schon im Vorhinein hatte die Kanzlerin durchblicken lassen, dass AKK ihre Favoritin für den Vorsitz sei. Im Wahlkampf hatte sich AKK auf den unterschiedlichen CDU-Parteitagen damit profiliert, die Politik der CDU im Sinne Merkels fortführen zu wollen. Also lieber „Weiter so“ anstatt erzkonservativer Neuausrichtung? Wofür steht das merkelsche Credo eigentlich? Was soll „weiter so“ fortgeführt werden?

Was bedeutet „Weiter so…“?

In 13 Jahren Merkel hat die CDU so einige gefährliche Dynamiken überstanden. Mit dem Atomausstieg, der Abschaffung der Wehrpflicht oder der Einführung eines (mickrigen) Mindestlohns hat sie sogar eine gute Arbeit gemacht, könnte man denken. Das alles sind jedoch nur winzige soziale Brotkrumen im Vergleich zu dem, was ihre Politik noch auf dem Kerbholz hat: In der Ära Merkel hat die Einkommensverteilung in der BRD das höchste Maß an Ungleichheit in der ganzen EU angenommen; jede fünfte Person in Deutschland ist von Armut bedroht; demokratisch gewählte Regierungen wurden auf Drängen der deutschen Wirtschaft entmachtet und mit Sparzwängen geknechtet, die wiederum Arbeitslosigkeit und Armut in Südeuropa in die Höhe schießen ließen; die europäischen Außengrenzen wurden massiv abgeschottet und tausende Geflüchtete mussten im Mittelmeer ertrinken. Gleichzeitig wurde mit neuen Polizeigesetzen nicht nur nach innen sondern durch eine stetige Erhöhung des Bundeswehretats auch nach außen gewaltig aufgerüstet. AKKs „Weiter so“ steht also für ein weiter so mit Privatisierung, weiter so mit Sozialkürzung, weiter so mit Austeritätspolitik, weiter so mit der Festung Europa sowie weiter so mit Repression nach innen und Aufrüstung nach außen.

Wächst auch die deutsche Wirtschaft „weiter so“?

Dass Merkel die deutsche Wirtschaft ohne starke Verluste durch die Auswirkungen der Wirtschafts- und Finanzkrisen manövriert hat, ist auch der Grund dafür, dass für uns das ein oder andere soziale Geschenkchen (wie ein mini-mini-Mindestlohn) übrig war. Die Frage ist aber, ob dies auch für AKK so möglich sein wird. „Weiter so“ funktioniert auf der politischen Ebene nämlich nur, wenn die Wirtschaft auch „weiter so“ läuft. Und danach sieht es mit der EU-Schuldenkrise, dem Brexit und dem schwelenden Handelskrieg zwischen China und den USA gerade nicht aus.

Sollte sich die internationale Konkurrenz wirtschaftlich und militärisch also weiter zuspitzen wird AKK das gezwungen sein, einen aggressiveren Kurs nach außen und nach innen einzuschlagen. Denn letztlich ist es die politische Funktion der CDU, die Interessen der deutschen Konzerne und Unternehmen zu vertreten – schließlich wissen wir ja alle: „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s allen gut!“ (Nicht!). Hinzu kommt, dass AKK durch das knappe Wahlergebnis aktuell fast die Hälfte ihre Partei gegen sich hat. Allein um diese 48%, die für Merz gestimmt haben, im Boot zu halten, wird sie mehr soziale Angriffe, mehr Rassismus, mehr Sexismus und mehr Repression wagen müssen. Dass AKK dazu bereit ist, das Ruder ohne mit der Wimper zu zucken weiter nach rechts zu reißen und sie ohnehin wesentlich konservativer als ihre Vorgängerin Merkel ist, hat sie auch schon bereits in ihren Wahlkampfreden ziemlich deutlich gemacht: So steht sie nicht nur für mehr rassistische Abschottung durch „Transitzentren, Schleierfahndung und bilaterale Abkommen zur schnellen Rückführung“ sondern wünscht sich auch einen autoritäreren „starken Staat […],der sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt, […] von autonomen Chaoten wie hier in Hamburg bei G20“. Daneben hat sie sich auch für einen konservativen Ehebegriff, gegen sogenannte „Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“ und für mehr Selektion im Bildungssystem stark gemacht. Eines steht also fest: Die CDU rückt weiter nach rechts, auch ohne Merz und mit AKK.

Uneinigkeit in der herrschenden Klasse

Die Tatsache, dass man sich sogar innerhalb der CDU – der klassischen parlamentarischen Vertretung der deutschen Wirtschaft – so uneinig darüber ist, wie es weitergehen soll, zeigt auch, dass die Konzerne und Banken selber keinen Plan haben, wie sie in Zukunft ihre Profite generieren wollen. Die verschärfte Konkurrenz unter den Großmächten, die zunehmende Instabilität der EU, wachsende Spannungen zwischen großen und kleineren Unternehmen in der Frage der Grenzpolitik und eine drohende ökologische Katastrophe machen es ihnen schwer, langfristige Konzepte zu entwickeln, mit denen sie weiter an der Spitze der Weltwirtschaft bleiben. Und deshalb wissen sie auch nicht so richtig, auf welches Pferd sie in politischer Hinsicht setzen sollen. Das zeigen uns die zersplitterten Ergebnisse der vergangenen Landtagswahlen.

Während die Welt den Bach runtergeht, sollten wir als diejenigen, die die ganze Scheiße ausbaden müssen, nicht passiv rumsitzen und hoffen, dass uns die herrschende Klasse mit AKK an der Spitze nicht ganz so doll unterdrücken wird. Wenn wir unseren Arsch retten wollen, müssen wir selber aktiv werden, uns organisieren und klare Kante gegen die sozialen Angriffe, den Rassismus und den Sexismus der CDU zeigen! Die Proteste in Frankreich machen es vor, wie man aktiv Druck auf die Herrschenden ausüben kann. Lasst uns deshalb die Politik raus aus den Szenekneipen und Hinterzimmern holen und sie rein in die Schulen, Unis, Betriebe und auf die Straßen tragen!

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