Warum kommt jetzt die Wehrpflicht und wie können wir als revolutionäre uns dagegen wehren?

Von Urs Hecker, Dezember 2025, 8 Minuten Lesezeit

Einleitung: Wehrpflicht und Schulstreik am 05.12

Am 05.12 will der Bundestag, nach langem Streit in der Koalition, das neue Wehrdienstgesetz abstimmen. Für Jugendliche bedeutet das in Zukunft Zwangsmusterung und bei „Bedarf“ (d.h. wenn sich nicht genug Freiwillige für Morden und Sterben finden) die direkte Wiedereinführung der Wehrpflicht. Das es diesen „Bedarf“ geben wird, ist dabei sicher wie das Amen in der Kirche. Wenn wir uns nicht wehren, müssen wir also bald wieder für das deutsche Kapital in den Schützengraben steigen. Wir wehren uns aber! Am 05.12. wird in über 90 Städten im ganzen Land die Schule bestreik und eine Bewegung gegen die Wehrpflicht befindet sich im Aufbau. Wenn diese Bewegung erfolgreich sein will, müssen wir uns auch mit den Hintergründen der aktuellen Aufrüstungspolitik beschäftigen, die eben nicht nur hunderte Milliarden an Euro für den Krieg verbrennt, sondern jetzt auch wieder uns Jugendliche direkt in die buchstäbliche Feuerlinie stellen will. Im folgenden Artikel wollen wir diese Hintergründe ein wenig beleuchten.

Krise und Kampf um die Neuaufteilung der Welt

Da wir als Marxist:innen davon ausgehen, dass wir politisch-ökonomische Phänomene erst richtig verstehen können, wenn wir diese in ein weltgeschichtliches Gesamtes (Totalität) einordnen, müssen wir uns zunächst kurz mit der aktuellen Epoche des globalen Kapitalismus auseinandersetzen: dem Imperialismus.
Der Imperialismus bildet sich als Weltsystem Ende des 19.Jh heraus, ökonomisch kennzeichnet ihn, dass die größten Industriekapitale beginnen mit dem Finanzkapital (Banken und Co.) zu verschmelzen und große Monopole zu bilden, die dann auf dem gesamten Weltmarkt agieren. Diese Monopole sind allerdings vom Finanzkapital dominiert und beginnen nun auch die bürgerlichen Staaten (West)Europas, der USA und Japans zu dominieren. Diese bürgerlichen Staaten dienen von nun an vor allem den Interessen eben dieser riesigen Monopole. Von nun an ist der Export von Kapital entscheidender als der Export von Waren. Um den Bedürfnissen dieser Kapitale nach deutlich erhöhtem Kapital- und Warenexport gerecht zu werden, beginnen die imperialistischen Staaten eine neue Kolonialisierungswelle. Am Ende des 19.Jahrhundert ist die Welt vollständig unter den imperialistischen Staaten aufgeteilt. Alle anderen Länder wurden entweder zu deren Kolonien oder befanden sich in wirtschaftlicher Abhängigkeit und wurden somit zu Halbkolonien. Da sich die Kräfteverhältnisse zwischen den Imperialist:innen aber aufgrund der Gesetze des Kapitalismus immer wieder neu verschieben, können sich die Imperialist:innen nicht lange mit der gegebenen Aufteilung der Welt zufriedengeben. Aufstrebende Imperialist:innen wollen neue Einflussbereiche und Kolonien gewinnen, während stagnierende oder absteigende Imperialist:innen krampfhaft versuchen, ihre bereits eroberte Ausbeutungssphäre zu erhalten. Diesen Kampf zwischen den Imperialismen, wer welchen Teil der Welt ausbeuten und unterdrücken kann, nennen wir Kampf um die Neuaufteilung der Welt. Dieser Kampf war Auslöser der letzten beiden Weltkriege und euch heute bestimmt er das weltpolitische Geschehen.
Denn die aktuelle Krise verschärft diesen Kampf um ein Vielfaches. Große Teile der imperialistischen Kapitale sind inzwischen nicht mehr profitabel und mit ihnen stürzen auch die imperialistischen Staaten in die Krise. Für die imperialistischen Kapitale kann die Krise aber nur gelöst werden, wenn zum einen große Teile des unprofitabel gewordenen Kapitals vernichtet und zum anderen neue Kapital- und Absatzmärkte im großen Stil von anderen Imperialist:innen erobert werden. Die Krise macht also aus der Frage der Neuaufteilung der Welt für die imperialistischen Kapitale eine Frage des nackten Überlebens. Umso weiter die Krise also voranschreitet, umso erbitterter wird der Kampf um die Neuaufteilung der Welt.
Das führt nun soweit, dass wir seit dem imperialistischen Angriff Russlands auf die Ukraine einen Umbruch der alten Weltordnung erleben. China und Russland stellen als neue Imperialist:innen die Hegemonie der USA in Frage, diese vollziehen unter Trump selbst einen radikalen Kurzwechsel und eine Neuausrichtung. Der Hegemon demontiert seine eigene Weltordnung und gibt sich gleichzeitig als Architekt einer neuen. Die europäischen Imperialist:innen sind dadurch abgehängt worden und in eine tiefe Krise geraten. Das betrifft allen voran Deutschland.

Spezifische Krise des deutschen Imperialismus

Denn als ehemaliger Exportweltmeister war das wirtschaftliche Modell des deutschen Imperialismus lange auf weltweite Stabilität und offene Märkte durch die Dominanz des US-Imperialismus auf der einen Seite, sowie auf der anderen Seite billigen Rohstoff Import aus Russland, um eine relative Unabhängigkeit zu bewahren, ausgerichtet. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine brach dieses Modell zusammen, Deutschland ordnete sich zunächst vollständig unter die USA unter, nur um jetzt noch schwerer von Trumps Zollpolitik und außenpolitischen Kurswechsel getroffen zu werden. Und auch auf wichtigen Absatzmärkten, wie dem chinesischen, wird das deutsche Kapital zunehmend von der Konkurrenz ausgestochen.

Der deutsche Imperialismus gerät also aktuell mächtig ins Wanken. Eine Antwort der Herrschenden ist der Rechtsruck, die rassistische Politik und die massiven Kürzungen im Sozialen Bereich. Das allein reicht aber nicht, um das deutsche Kapital wieder profitabel zu machen. Der deutsche Imperialismus muss aufgrund seiner Krise zwangsläufig besonders stark beim Kampf um die Neuaufteilung der Welt mitmischen. Und zwar im Zweifelsfall auch kriegerisch. Daher plant der Deutsche Imperialismus da Mittel, dass er nach der jüngsten Weltkriegsniederlage eher scheute erneut aufzubauen und im Zweifelsfall auch einzusetzen: eine riesige Großmachtarmee. Daher kommt die aktuelle massive Aufrüstung und jetzt auch die Wehrpflicht!

Wir als Jugendliche sollen also nicht nur für die Krise der Herrschenden zahlen, wir sollen sogar für ihre Krise sterben. Die Herrschend bieten uns Schützengraben statt Schule und Friedhof statt Freizeitangeboten.

Wie können wir uns als revolutionäre Jugendliche wehren?

Als revolutionäre Jugendliche müssen wir also an vorderster Front gegen die Wehrpflicht kämpfen und anderen Jugendlichen klar machen, dass die Interessen des deutschen Imperialismus niemals unsere Interessen sein können! Deshalb reicht es auch nicht, einfach ein spontan pazifistisches Bewusstsein zu unterstützen. Der Appell an Verhandlungen und Frieden, die Idee einen starken Sozialstaat ohne Rüstung aufzubauen, ist in Zeiten der imperialistischen Krise, die den Kampf um die Neuaufteilung der Welt zu einer Überlebensfrage fürs Kapital macht, eine Utopie. Wir müssen uns also bewusst gegen die Interessen des deutschen Imperialismus richten und ein Bewusstsein für den wahren Charakter der Krise, und für das, was es braucht, eine Lösung in unserem Interesse zu erkämpfen, in den Streik am Freitag hineintragen! Dabei muss uns auch klar sein, dass es ein langer und harter Kampf wird, wenn wir gewinnen wollen. Die Wehrpflicht ist, wie oben dargestellt, keine einfache Laune für die Herrschenden, sondern Notwendigkeit, um die eigenen imperialistischen Interessen zu wahren. Das heißt für uns, dass wir dafür kämpfen müssen, dass der Kampf dorthin getragen wird, wo wir uns langfristig verankern können und tatsächliche Kraft entwickeln: an den Schulen. Wir müssen dafür kämpfen, dass an jeder Schule auch ein eigenes Streikkomitee gegründet wird, dass den Kampf gegen die Interessen des deutschen Imperialismus mit dem Kampf gegen lokale Probleme verbindet. An FFF können wir sehen, dass jede noch so große Jugendbewegung scheitert, wenn sie diesen Schritt nicht geht. Wir müssen auch in diesen Komitees konstant um das Bewusstsein der anderen Schüler:innen kämpfen und auch die Verbindungen zu anderen Bewegungen gegen die Interessen des deutschen Imperialismus, wie der Palästinabewegung, herstellen. Um wirklich gewinnen zu können, müssen wir aber auch die Kraft für den Kampf gewinnen, die den Imperialismus tatsächlich überwinden kann: die Arbeiter:innenklasse. Die Linkspartei und die Jugendgewerkschaften unterstützen zwar in Worten den Schulstreik am 05.12 nutzen aber nicht ihre eigene Kraft, um auch an den Betrieben zu streiken. Die „richtigen“ DGB-Gewerkschaften bleiben sogar komplett passiv zum Streik und die SPD führt die Wehrpflicht selbst mit ein. Das liegt an der bürokratischen und reformistischen Führung dieser Organisationen. Das „Verbot“ politscher Streiks in Deutschland kommt diesen Führungen dabei noch gelegen.
Da wir aber die Arbeiter:innenklasse für den Kampf gewinnen müssen, müssen wir Taktiken finden, um sie zum Bruch mit der bürokratischen Führung und dem reformistischen Bewusstsein zu bringen. Eine davon ist die Einheitsfronttaktik.
Durch den Aufruf an die Gewerkschaftsführungen tatsächlich im Betrieb zu streiken und mit der Partnerschaft mit dem deutschen Kapital zu brechen, können wir die bürokratischen Führungen vor den Augen ihrer Mitglieder, die durch den Kriegskurs auch dahingerafft werden, herausfordern. Sollte dann tatsächlich eine gemeinsame Aktion zu Stande kommen, dürfen wir nicht hinter den Reformist:innen und Bürökrat:innen hinterherlaufen, sondern müssen diese für ihre Fehler und Inkonsequenz unnachgiebig kritisieren und auch hier das Bewusstsein gegen den deutschen Imperialismus hineintragen.

Unsere Aufgabe als Revolutionär:innen ist es also zum einen das Bewusstsein, dass die Wehrpflicht aus der Lage des deutschen Imperialismus folgt, in den Streik hineinzutragen und darüber auch die Verbindung zur Palästinabewegung herzustellen und zum anderen dafür zu kämpfen, dass die Bewegung tatsächliche Kraft aufbaut, indem sie sich an den Schulen verankert und die organisierte Arbeiter:innenklasse mit in den Kampf zieht! Daher gegen wir morgen zum Schulstreik, und kämpfen wir dafür, dass er kein einmaliges Ereignis bleibt, sondern der Auftakt zu einer großen Jugendbewegung gegen den neuen deutschen Militarismus und für eine fortschrittliche Lösung der imperialistischen Krise: durch dessen Sturz!

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