Antikriegsbewegung aufbauen – aber wie?

Jaqueline Katherina Singh

Seit der Invasion des russischen Imperialismus in die Ukraine hört man öfter das Wort „Zeitenwende“, denn der Krieg hat eine neue eine neue Phase der Weltpolitik eingeläutet. Millionen Menschen sind bisher zur Flucht gezwungen worden, Tausende sind der Kriegsführung zum Opfer gefallen und Unzählige werden noch folgen. Das wirft Fragen auf, die sich viele deswegen stellen: Wie kann das Morden gestoppt werden? Wie kann Frieden hergestellt werden? Diese Fragen haben sich auch die Millionen Menschen gestellt, die ihre Solidarität mit den Menschen in der Ukraine Woche für Woche auf die Straße tragen. In unserem Artikel wollen wir beleuchten, auf welcher Grundlage eine Antikriegsbewegung erfolgreich sein kann und wie wir sie aufbauen können.

Was ist Krieg?

Bevor wir uns jedoch konkreten Forderungen widmen, brauchen wir jedoch das Verständnis, dass Kriege ein Ergebnis von Klassengegensätzen im Kapitalismus sind und nicht nur durch machtpolitische Kalküle entstehen oder von „verrückten Diktatoren“ gemacht werden. Auf den ersten Blick wirkt Krieg wie etwas Vermeidbares. Da im Kapitalismus jedoch alle Kapitalfraktionen weltweit in Konkurrenz zueinander stehen und immer mehr Profite akkumulieren müssen, während die Ressourcen der Welt aber endlich sind, kommt es immer wieder zu der Situation, dass sich die Nationalstaaten, die hinter den jeweiligen Kapitalfraktionen stehen, darum bekriegen, wer das größere Stück vom Kuchen abbekommt.

Was bedeutet das konkret?

Anders ist es auch nicht im Falle der Ukraine wie wir an anderer Stelle in dieser Zeitung ausführlich beschrieben haben. Sagt man in diesem Krieg zwischen verschiedenen imperialistischen Blöcken jetzt nur „Hände weg von der Ukraine“ – wie bei dem großen Protesten Ende Februar – und sonst nichts, blendet man die strukturellen Gründe aus, die zu diesem Krieg geführt haben. Aber auch reiner Pazifismus á la „Legt doch einfach alle die Waffen nieder!“ kann nicht die Grundlage einer internationalistischen Antikriegsbewegung sein, weil auch dieser nicht die Wurzel des Problems
angreift und deswegen praktisch recht wenig bringt. Historisch ist leider auch oft geschehen, dass sich die überzeugtesten Pazifist_innen in der Konfrontation der eigenen herrschenden Klasse anbiedern und im schlimmsten Fall zu Kriegsbefürworter_innen werden. Das kann man nicht nur bei ehemaligen Pazifist:innen aus der SPD und den Grünen sehen, die jetzt 100 Milliarden für die Bundeswehr durchgewunken haben, sondern auch bei den NGOs, den Gewerkschaftsführungen und den Spitzen der Linkspartei, die allesamt die Wirtschaftssanktionen akzeptieren. Das lässt uns mit der Frage zurück: Was müssen stattdessen die Grundlagen einer Antikriegsbewegung sein?
Kernforderungen sind:

1. Der Hauptfeind steht im eigenen Land! Klassenkampf statt nationaler Einheit!

Deutschland und der Westen verteidigen nicht das Selbstbestimmungsrecht der Ukraine, sondern verfolgen vielmehr das Ziel, Russland als imperialistischen Konkurrenten auszuschalten und die Ukraine dauerhaft zu ihrer Halbkolonie zu machen. Die Behauptung, dass es den herrschenden Klassen Deutschlands oder seiner NATO-Verbündeten um einen Kampf zwischen Demokratie und Diktatur, zwischen Willkür und Menschenrechten ginge, ist eine Lüge. Sie soll nur die Bevölkerung auf Aufrüstung, NATO-Expansion nach Osten, Unterstützung der Sanktionen und ggf. ein direktes militärisches Eingreifen ideologisch vorbereiten und einstimmen. Deswegen ist es wichtig, dass wir hierzulande nicht zu den deutschen Interessen schweigen, sondern klar sagen:

•Nein zu jeder NATO-Intervention! Gegen alle Sanktionen, Aufrüstung, NATO-Truppenverlagerungen und Waffenlieferungen! Gegen NATO-Ausweitung, sofortiger Austritt aus der NATO!

2. Keinen Cent für den deutschen Imperialismus! Wir zahlen nicht für den Krieg!

Dem neuen militärischen Kurs und der „Zeitenwende“ eines Olaf Scholz sollen wir nicht nur zustimmen, sondern auch noch dafür zahlen. Die 100 000 000 000 Euro für die Bundeswehr sind dabei nur die Spitze des Eisbergs. Es kommen steigende Preise infolge der Sanktionen, die schon jetzt beim Einkaufen deutlich zu spüren sind. Folgen können Sozialabbau, Kürzungen und Steuererhöhungen sein, um die Aufrüstung der Bundeswehr zu finanzieren.

•Keinen Cent für die imperialistische Politik, für die Bundeswehr! Nein zum 100-Milliarden-Programm der Ampel-Koalition!
•Die Kosten der Preissteigerung müssen die Herrschenden zahlen! Wir wollen weder hungern, noch frieren für ihren Krieg!
•Enteignung des Energiesektors und anderer Preistreiber_innen unter Arbeiter_innenkontrolle! Übernahme gestiegener Lebenshaltungskosten der
Arbeiter_innenklasse, der Rentner_innen, von Erwerbslosen durch Besteuerung des Kapitals!
•Keine Profite mit dem Morden: Verstaatlichung der Rüstungsindustrie und Umwandlung in z.B. die Produktion von Beatmungsgeräten unter Arbeiter_innenkontrolle!

3. Nein zu Putins Angriffskrieg! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung und Antikriegsbewegung in Russland!

Eine Antikriegsbewegung, die diesen Namen verdient, muss die Invasion in der Ukraine verurteilen, den sofortigen Abzug der Truppen und die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Ukraine fordern (genauso wie von der Ukraine jenes der Krim und des Donbass zu verlangen ist). Eine Bewegung, die glaubwürdig gegen die Politik der NATO-Mächte kämpfen will, darf zum russischen Imperialismus nicht schweigen. Gleichzeitig dürfen wir die Kräfte in Russland, die gegen den Krieg kämpfen, nicht isolieren, sondern sollten sie unterstützen.

•Sofortiger Abzug der russischen Armee! Solidarität mit der ukrainischen Bevölkerung, Anerkennung ihres Rechts auf Selbstverteidigung gegen die Invasion!
•Solidarität mit der Antikriegsbewegung und der Arbeiter:innenklasse in Russland; Verbreitung der Aktionen gegen den Krieg; Freilassung aller Festgenommen!
•Aufnahme aller Geflüchteten, Bleibe- und Staatsbürger_innenrechte für alle – finanziert durch den Staat; Integration der Geflüchteten in den Arbeitsmarkt, Aufnahme in die Gewerkschaften!

4. Politischer Massenstreik und Massendemonstrationen gegen jede direkte NATO-Intervention!

Sollten die NATO-Länder zu einer direkten militärischen Intervention z. B. durch die Errichtung von Flugverbotszonen schreiten, muss die Arbeiter_innenklasse unmittelbar gegen diese Eskalation mobilisiert werden, um mit einem politischen Streik bis hin zum Generalstreik die gefährliche Katastrophe zu verhindern und die Kriegstreiberei zu stoppen! Wie sinnvoll solche Aktionen sind, zeigen schon jetzt Arbeiter_innen in Belarus, Italien oder Griechenland, die die Lieferung von Waffen verhindert haben, indem sie sich weigerten, diese zu liefern. Die Ablehnung jeder Klassenzusammenarbeit, jeder Unterstützung der Regierung und ihrer militärischen und wirtschaftlichen Interessen ist nicht nur unerlässlich im Kampf gegen den „eigenen“ Imperialismus, den Hauptfeind im eigenen Land. Sie schafft zugleich auch die besten Voraussetzungen für den Aufbau einer internationalen Antikriegsbewegung – insbesondere auch in Russland und in der Ukraine. Wenn sich die Lohnabhängige und wir Jugendlichen in Deutschland und anderen
westlichen Ländern gegen die eigenen Regierung stellen, untergraben wir auch den reaktionären völkisch-nationalistischen großrussischen Nationalismus.

image_pdfimage_print

Related Posts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

− 4 = 1

Besuch uns auch auf

Unser Programm

Neueste Zeitung

Zeitung Februar 2024

Archiv