Die Grünen: Warum sind die gerade so in? 5 Fragen, 5 Antworten

von Felix Ruga

1. Wie groß ist der Erfolg?

Seit 2011 regieren die Grünen in Baden-Württemberg, doch dass sie im deutlich konservativeren Nachbarland Bayern mal fast 18 Prozentpunkte und damit mit Abstand den zweiten Platz bekommen würden, wie bei der Landtagswahl im Oktober, hätten bis vor kurzem wohl nur wenige geglaubt. Auch in Hessen haben sie nach einer Legislaturperiode Koalition mit der CDU ähnlich deutlich zusetzen können, in beiden Fällen knapp 9%, sodass es eine Weiterführung der Regierung in Hessen geben wird. Damit sind sie in der Hälfte aller Landesregierungen und koalieren dabei mit so ziemlich jeder größeren Partei außer der AfD.
Auch bundesweit sehen neueste Umfragen nicht schlecht aus, in denen sie momentan auf um die 20% geschätzt werden und damit zweitstärkste Partei wären. Sie würden damit ihr letztes Ergebnis aus 2017 von 8,9% mehr als verdoppeln! Kein Wunder also, dass in den bürgerlichen Medien die Grünen mittlerweile als die nächste Volkspartei gehandelt werden, auch wenn sie nach außen dieses Konzept ablehnen (Robert Habeck).

 

2. Wer wählt die Grünen? Wen vertreten sie? 

Abgeleitet vom Infratest bei den jüngsten Landtagswahlen in Bayern sind die Grünen besonders beliebt bei Menschen, die ein gehobenes Einkommen haben, unter 50 Jahre alt sind und in den Städten wohnen. Die Bildung spielt dabei anscheinend eine große Rolle, so haben anteilig 4 mal so viele Hochgebildete die Grünen gewählt wie Menschen mit niedriger Bildung. Außerdem werden sie vor allem von Personen gewählt, die entweder selbstständig sind oder Kopfarbeit verrichten, was oftmals mit dem hohen Bildungsstand zusammenfällt. Bei klassischen Arbeiter_Innen ist sie dagegen unbedeutend. Aus diesen Dingen lässt sich klar erkennen, dass die gesellschaftliche Basis eine klein- und bildungsbürgerliche ist.

Nach außen geben sie sich als ökologisch, feministisch, pazifistisch und sozial, bemühen sich also um ein linkes Image, ohne dabei tatsächlich soziale Kämpfe voranzutreiben, sind sie einmal in der Regierung. Im Gegenteil, sie haben unter Schröder die Agenda 2010 und damit massiven Sozialabbau unterstützt, seit dem Kosovokrieg fast jeden Kriegseinsatz befürwortet und in der Regierung in NRW die Rodung des Hambacher Waldes beschlossen, wobei sie jetzt selbst als Vorreiter der Hambi-Proteste gelten wollen. Man könnte die Praxis der Grünen am ehesten als klassische bürgerlich-liberale Politik mit humanistischem Anstrich beschreiben, wobei in der Basis sicherlich viele aufrechte Humanist_Innen sind.

3. Woher kommt der Erfolg?

Man kann den Erfolg der Grünen nicht verstehen, ohne die Krise der Großen Koalition zu berücksichtigen. In ihrer Unfähigkeit, den Problemen der Gesellschaft wie Wohnungsnot, Pflege- und LehrerInnenmangel eine Antwort zu liefern, hat die GroKo für viel Enttäuschung gesorgt. So sind in Bayern viele Wähler_Innen von den großen Parteien zu den Grünen abgewandert. Vor allem die, die vom miefigen Profil der Protestpartei AfD nicht angesprochen wurden. Dass die politisch nahestehende und fallende SPD viele an die Grünen verlor, überrascht nicht, doch dass die CSU dies auch massiv tat, war nicht so leicht vorhersehbar. Es lässt sich aber mit dem Rennen zwischen CSU und AfD erklären, in dem es darum geht, wer die rechtere Politik macht: Das beschlossene Polizeiaufgabengesetz als Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten und die ständigen Diskussionen um den sogenannten „Asyltourismus“ und die AnkER-Zentren haben neben einigen anderen Sachen die CSU zu rechts für viele gemacht, sodass man sich links davon umschauen musste. Die SPD gilt als verknöchert, die Linke konnte sich auch nicht als überzeugende Alternative präsentieren. So waren es die Grünen, die sich nicht nur in Bayern sondern bundesweit als humanistische Alternative zur AfD als Oppositionspartei profilieren konnten. Ihr Image ist jung und freundlich und sie haben darin den Spagat zwischen einem kosmopolitisch-urbanen Zeitgeist und einer Wellness-Heimatverbundenheit geschafft.

 

4. Können wir also auf Linksruck hoffen?

Wie schon vorher herausgestrichen dient die tatsächliche Politik der Grünen dem deutschen Imperialismus, verraten damit selbst viele ihrer Kernthemen. Dies konnte man auch wunderbar an den geplatzten Jamaika-Verhandlungen sehen, in denen die Grünen ein Zugeständnis nach dem anderen gemacht haben, wie beispielsweise keine Fristen für den Kohleausstieg oder Autos mit Verbrennungsmotoren zu setzen. Sie waren sogar anpassungsfähiger als die FDP, die eine gewisse Tradition darin hat, schlichte Steigbügelhalterin der großen Parteien zu sein. Doch jetzt waren es die Grünen, die bereitwillig Merkel ins Kanzleramt hiefen wollten. Diese Nachgiebigkeit ist wohl auch der Hauptgrund, warum sie problemlos mit allen außer der AfD koalieren, von Linkspartei bis CDU. Deswegen sollten wir uns nichts vormachen, wenn es darum geht, ob die Grünen in der Regierung für eine bessere Situation der Lohnabhängigen sorgen werden.

Und deswegen sollte man auch bei der Frage vorsichtig sein, wie lange dieser Aufschwung anhalten wird. Die Menschen stecken Hoffnung in das humanistisch-ökologische Profil, doch die Grünen haben jetzt schon gezeigt, wie wenig dahinter steckt und wie schnell man vor dem Kapital einknickt, wenn es um Wirtschaftlichkeit, Wachstum und Abschiebungen geht. Es könnte zwar sein, dass bei den nächsten Bundestagswahlen keine Regierung mehr ohne die Grünen auskommt oder sie sogar selbst die/den Kanzler_In stellen, aber ihre Versprechen eines „grünen und menschenfreundlichen Kapitalismus“ müssen an den Zwängen des Systems zerbrechen, denn in der globalen Konkurrenz um Profite und Märkte bleibt kein Platz für ökologische oder humanistische Begrenzungen. Und dies wird entweder zum offenen oder versteckten Verrat an ihren hehren Zielen führen.

5. Wie sollte man sich nun dazu verhalten?

Natürlich ist es ein besseres Zeichen, wenn die Grünen statt die AfD gewählt, auch wenn man da auch nicht zu viel Hoffnung reinstecken sollte. Die Politik ist weiterhin bürgerlich und wird keine Lösung gesellschaftlicher Probleme anbieten können. Sie handeln nicht in unserem Interessen, denn sie vertreten nicht die Interessen unserer Klasse! Somit sollten man auf gemeinsame Aktionen und Bündnisse versuchen, ihre tatsächliche Politik zu enttarnen und damit erst recht nicht die eigenen Inhalte von ihnen abhängig machen. Schlussendlich ist es eine Partei, die das System aktiv stützt und davon gestützt wird!

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