Corona-Impfstoff: Das Wundermittel gegen die Krise?

Ersteller: ABEL F. ROS | Qapta.es | Urheberrecht: 2018 © Qapta.es Lizenzdetails: https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/

Von Marcel Möbius

Auch wenn inzwischen wieder härtere Lockdown-Maßnahmen verhängt wurden, lassen die internationalen Infektionszahlen leider wenig Raum für Hoffnung auf ein Ende der Corona-Pandemie. Die USA, Brasilien und Indien sind weiterhin Spitzenreiter der Neuinfektionen und Großbritannien kämpft mit einer Mutation des ursprünglichen SARS-Virus, die weitaus ansteckender sein soll als bisher. Insgesamt haben sich weltweit bisher rund 70 Millionen Menschen infiziert, wovon rund 1 Millionen an den Folgen starben. Die Folge dessen ist eine enorme Belastung für die Arbeiter_Innen im Care-Sektor.

In Deutschland sind die Infektionszahlen damit wieder auf einem Höchststand, wie zuletzt im Mai diesen Jahres. Die zweite Welle ist also voll angekommen und sie ist härter als die erste.

Konkurrenz statt Kooperation:

Was den Impfstoff angeht: Während die Suche danach lief, gab es kaum internationale Zusammenarbeit. Durch den Konkurrenzdruck versuchte jedes Land, als erstes einen Impfstoff zu entwickeln, um diesen dann möglichst profitbringend an andere verkaufen zu können. Mittlerweile hat sich der Impfstoff des deutschen Unternehmens Biontech in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Partner Pfizer als wahrscheinlichster Kandidat für die Zulassung in Deutschland herausgestellt.

Gegen SARS-CoV-2, das erst seit etwa Neujahr 2020 bekannt ist, sind binnen kurzer Zeit laut der Weltgesundheitsorganisation WHO mindestens 214 (Aufstellung vom 08.12.2020) Impfstoffprojekte weltweit angelaufen. In der Liste der Unternehmen finden sich vorrangig Pharmakonzerne aus imperialistischen Staaten, da es natürlich gewisse Grundbedingungen braucht, um ein solches Projekt angehen zu können: Zum einen benötigt man große Mengen an Kapital, um diese Forschung zu finanzieren. Zum anderen benötigt man eine entsprechend gut ausgebaute Bildungs- und Infrastruktur, um dieses Projekt effektiv angehen zu können, wozu man eben entsprechend gut ausgebildetes Personal benötigt. Und natürlich forschen die Pharmakonzerne nicht aus gutem Willen am Impfstoff: Zum einen gibt es das ökonomische Interesse bürgerlicher PolitikerInnen, die Wirtschaft nicht länger einschränken zu müssen, sodass diese möglichst bald wieder ihre Produktion uneingeschränkt aufnehmen kann. Zum anderen wollen die Unternehmen selbst, die die Forschung vorantreiben, den Impfstoff möglichst gewinnbringend verkaufen.

Zum Impfstoff selbst:

Bei dieser Corona-Variante erweisen sich vor allem die RNA-Impfstoffe als effektiv. Der Impfstoffkandidat von Biontech ist ein RNA-Impfstoff und verspricht eine Wirksamkeit von 95%, nachdem er zwei Mal verabreicht wurde. Diese RNA-Impfstoffe gehören zu den ersten ihrer Art, sodass es nicht sicher abzusehen ist, was sie für Langzeitnebenwirkungen haben könnten, auch wenn deren Wirkweise (mRNA) schon lange bekannt ist:

Diese Impfstoffe enthalten Teile der Erbinformation des Virus in Form von RNA, die den Bauplan für ein oder mehrere Virusproteine bereitstellen. Nach der Impfung wird die RNA von einigen wenigen menschlichen Körperzellen aufgenommen. Die Körperzellen nutzen die RNA als Vorlage, um die Virusproteine selbst zu produzieren. Da aber nur ein Bestandteil des Virus gebildet wird, ist ausgeschlossen, dass auf diesem Weg komplette vermehrungsfähige Viren entstehen können. Die neu gebildeten, ungefährlichen Virusproteine werden als Antigene bezeichnet, denn sie aktivieren das Immunsystem und erzeugen so die schützende Immunantwort.

Der Impfstoff schützt uns nicht vor kapitalistischer Ungleichverteilung:

Zwar darf man sich natürlich nicht durch Verschwörungstheorien um Bill Gates, implantierte Chips oder Ähnliches blenden lassen. Die Wirkungen der Impfstoffe werden gut erforscht und ihre kurzfristigen Nebenwirkungen damit einhergehend auch. Da die Wirtschaft allerdings nicht zu sehr gehemmt werden darf, können keine Langzeitfolgen erforscht werden. Dies bedeutet ein Risiko auf weitere langfristige Nebenwirkungen für die Bevölkerung, das durch die Profitinteressen verschuldet wird. International betrachtet zeigt sich dies noch deutlicher, da beispielsweise in Russland im November bereits mit den Impfungen begonnen wurde. Bis Jahresende 2020 sollen hier 400.000 Militärangehörige gegen das Virus geimpft sein.

Dies führt direkt zur nächsten Diskrepanz im Zusammenhang mit dem Impfstoff, da nicht überall zuerst gefährdete Menschen geimpft werden sollen, sondern auch Polizist_Innen und Angehörige des Militärs. Hier sieht man, wo die Prioritäten bürgerlicher Politik liegen. Beispielsweise hat die bayerische Landesregierung am 10. Dezember geäußert, zuerst Polizist_Innen impfen zu wollen, wenn ab dem 03. Januar womöglich der Impfstoff zur Verfügung steht. Der Aussage schlossen sich neben Bundesinnenminister Horst Seehofer auch die Innenminister der Landesregierungen von Hamburg, Baden-Württemberg und Niedersachsen an. Die Gesundheit von Polizist_Innen ist für sie einzig und allein so wichtig, um auch in Pandemiezeiten das Recht auf Profit und Eigentum weiter durchsetzen zu können.

Noch stärker stellt sich die Ungleichverteilung des Impfstoffes international heraus. Dies manifestierte sich beim jüngsten, digitalen G20-Treffen. Dort haben sich fast alle imperialistischen Zentren gegen einen Antrag von Südafrika und Indien gestellt, der durch China unterstützt wurde. Dieser Antrag widerspricht dem bis heute gültige TRIPS-Abkommen, welches seit 1995 international das Patent- und Eigentumsrecht bezüglich Medikamenten und Impfstoffen garantiert, um die Profite der Pharmakonzerne durch den Verkauf oder dem Gewähren von Produktionsrechten zu garantieren. Südafrika und China hatten hierfür im Falle von COVID-19-Produkten eine Ausnahmeregelung beantragt, die allerdings von den anderen G20-Mitgliedsstaaten abgelehnt wurde.

Daneben, dass sich China gerne mal als Anwalt der kleiner Länder darstellen will, begründet sich dies dadurch, dass China bereits einen Impfstoff besitzt und diesen billig und massenhaft auf dem Weltmarkt verkaufen wollte, um selbst die größten Profite zu erlangen und die anderen Staaten niederzukonkurrieren. Die anderen Mitgliedsstaaten der G20 wollen vor allem zu einem hohen Preis sowie die Patentrechte verkaufen und haben dies durch eine Öffnung der Patente bedroht gesehen. Da eine Aussetzung abgelehnt wurde, werden sich halbkoloniale Staaten den Impfstoff nicht leisten können, um ihre Bevölkerung damit zu versorgen. In Staaten ohne gesetzliche Krankenversicherung, wie den USA, wird dies auch für große Teile der Arbeiter_Innenklasse bedeuten, dass sie keinen Zugang zum Impfstoff haben werden. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass sich imperialistische Länder wie die USA oder Kanada laut Informationen der OECD bis zu 7,5 Mal mehr Impfstoff gesichert haben, als sie Einwohner haben. Dadurch wird eine Bekämpfung des Virus‘ verhindert, da er sich in vielen Ländern weiter verbreitet, mutiert und damit weltweit gefährlich bleibt.

Hieran zeigt sich, dass alleine durch die Entwicklung eines Impfstoffs die Widersprüche des Kapitalismus und die damit verbundene Krise nicht gelöst werden können und dass das Problem stets das Privateigentum an den Produktionsmitteln bleibt. Dieses muss gebrochen werden, um die Versorgung der Arbeiter_Innenklasse mit Medikamenten und Impfstoffen weltweit gewährleisten zu können. Es braucht die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaftsordnung weltweit. Hier kann eine Produktion aufgebaut werden, die sich an den Bedürfnissen der Patient_Innen orientiert. Räte aus Ärzt_Innen, Pfleger_Innen und Patient_Innen sollten die Verteilung und Koordinierung dessen übernehmen. Die Impfstoffforschung sollte nicht an mehreren Orten parallel ablaufen, sondern durch die Räte international koordiniert werden, um eine effektivere Forschung gewährleisten zu können. Die Forschung wäre in einer sozialistischen Gesellschaft nicht durch die Fortsetzung der Produktion unter Profitzwang abgekürzt, sondern würde Langzeitfolgen abschätzen um die gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung zu minimieren.

Hierzu fordern wir:

  • Krankenversicherungen für alle international – jeder muss Zugang zu Medikamenten, Masken, Behandlungen und Impfstoffen erhalten!
  • Für die Aufhebung von Patentrechten auf Medikamente und Impfstoffe zur Versorgung der Weltbevölkerung ohne Rücksicht auf Profitinteressen!
  • Für die entschädigungslose Enteignung und Vergesellschaftung der Pharmaindustrie unter internationaler Arbeiter_Innenkontrolle!
  • Für die internationale Koordinierung der Impfstoffforschung durch ein Antikrisenkomitee aus Arbeiter_Innen (insbesondere aus dem Care-Sektor), Forscher_Innen und Patient_Innen!
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