Kritik des Feminismus

Stefan Katzer, Gruppe ArbeiterInnenmacht, Fight! Revolutionäre Frauenzeitung No. 6

Die feministischen Kämpfe und Bewegungen lassen sich grob in drei „Wellen“ aufteilen.

Die erste Welle des Feminismus bezeichnet die bürgerliche Frauenbewegung, die bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts (bis in die 1920er Jahre) eine wichtige politische Rolle spielte. Ausgehend und Bezug nehmend auf die Ideale der französischen Revolution forderten die FeministInnen der ersten Welle vor allem gleiche Rechte (Wahlrecht; politische Teilhabe), gleichen Lohn, den Zugang zu Universitäten und öffentlichen Ämtern und die Beendigung der Vorherrschaft und Gängelung der Frauen durch Ehemänner und Väter.

Stark vertreten waren diese FeministInnen vor allem in Europa, den USA und Australien. Trotz zu unterstützender, progressiver demokratischer Forderungen, welche auch im Interesse der ArbeiterInnen waren, machte sich allerdings schnell die Klassenschranke dieser Art des Feminismus bemerkbar. Er war wesentlich ein von bürgerlichen Frauen getragener und auf die Bedürfnisse der Frauen jener Klasse zugeschnittener Feminismus, welcher blind blieb für die materiellen Ursachen der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen in der kapitalistischen Epoche. Diese Klassenschranke trat besonders deutlich hervor, als große Teile der ersten Welle der Frauenbewegung in Bezug auf den ersten Weltkrieg den Standpunkt ihrer, d. h. der herrschenden Klasse, einnahmen und offen für die „Vaterlandsverteidigung“ eintraten, d. h. für den imperialistischen Krieg. So kam es zu einer Spaltung dieser bürgerlichen Frauenbewegung, wobei ein kleinerer Teil hinüberwechselte in das proletarische Lager. Der bürgerliche Feminismus dieser Periode zerfiel oder ging auf im Nationalsozialismus, mit dessen Ideologie man sich fortan arrangierte.

Die zweite Welle der Frauenbewegung, die sogenannte Frauenbefreiungsbewegung, entstand nach dem Ende des 2. Weltkriegs. Im Zuge veränderter materieller Verhältnisse, welche Frauen die Möglichkeit höherer Bildung, besserer Einkommen und den Zugang zu Verhütungsmitteln verschafften, veränderte sich auch das Bewusstsein der Frauen, die noch immer einer klaren rechtlichen und sozialen Diskriminierung ausgesetzt waren.

Die soziale Basis dieses neuen Feminismus bildeten aber wiederum nicht die Gesamtheit der ArbeiterInnen, sondern vor allem Frauen der Intelligenz und höhere proletarische Schichten. Dies hatte Einfluss auf den politischen Charakter dieser Frauenbefreiungsbewegung, welcher als kleinbürgerlich klassifiziert werden kann. Doch unterschieden sich die Zusammensetzung und Inhalte dieser Frauenbefreiungsbewegung je nach konkreter gesellschaftlicher Situation, wobei in Europa der Einfluss der ArbeiterInnenbewegung und der intensiver geführte Klassenkampf (im Gegensatz zu den USA) eine stärkere Orientierung auf sie beförderte.

So gingen von der 2. Welle der Frauenbewegung wichtige Impulse aus, die auch den vorherrschenden Sexismus in der ArbeiterInnenbewegung thematisierten und die Frage der Frauenbefreiung in die ArbeiterInnenbewegung hineintrugen. Tatsächlich waren solche Fragen in der ArbeiterInnenbewegung lange Zeit ausgeklammert worden oder wurden nur sehr verkürzt behandelt.

Gleichzeitig gelang es den FeministInnen jedoch nicht, ihre eigenen Beschränkungen zu überwinden und eine revolutionäre Klassenposition zu entwickeln. Vielmehr zerfiel die zweite Welle nach dem Ende des Nachkriegsbooms in verschiedene Strömungen, welche allesamt ihre je spezifischen theoretischen und politischen Verkürzungen nicht überwinden konnten.

Die kleinbürgerlichen RadikalfeministInnen gingen davon aus, dass Frauen eine eigene unterdrückte Kaste bzw. Klasse darstellen. Deren Hauptfeind seien „die Männer“, welche in Form des „Patriarchats“ eine Klassenunterdrückung geschaffen hätten, welche grundlegender sei als alle anderen Formen der Unterdrückung. Grundlage dieser patriarchalischen Unterdrückung der Frauen sei die Gewalttätigkeit der Männer, welche zugleich das Mittel zur Aufrechterhaltung der Unterdrückung darstelle. Nicht die herrschenden Produktionsverhältnisse seien also der Hebel zur Überwindung der „Männerherrschaft“, sondern die Bekämpfung der Männer als feindlicher Klasse. Dies führte nicht nur zum Ausschluss von Männern aus diesen Zusammenhängen, sondern selbst heterosexuelle Frauen wurden teilweise ausgeschlossen, da sie ja mit dem Klassenfeind „kollaborierten“.

Darüber hinaus bestand die Strategie dieser RadikalfeministInnen häufig darin, sich an den bürgerlichen Staat zu wenden, um von diesem die Bekämpfung diskriminierender und unterdrückerischer sexistischer Praktiken einzufordern. Dies führte zu teilweise reaktionären Anti-Porno-Kampagnen, von denen vor allem Homosexuelle negativ betroffen waren, da der Staat hier in besonderer Weise „unsittliches Verhalten“ ausmachte.

Letztlich waren also auch die RadikalfeministInnen blind für die materiellen Ursachen der Frauenunterdrückung. Sie verkannten, dass „das Patriarchat“ kein von den jeweils herrschenden Produktions- und Klassenverhältnissen zu trennendes, selbstständiges Ausbeutungsverhältnis darstellt, sondern immer mit diesen vermittelt ist und selbst historischen Wandlungen unterliegt. Entsprechend konnten sie auch keine Perspektive entwickeln, welche es ihnen ermöglicht hätte, die Klassenfrage angemessen zu berücksichtigen und entsprechende politische Strategien zu entwickeln, welche in den (proletarischen) Männern nicht den Hauptfeind ausmachen, sondern (potentielle und letztlich notwendige) Verbündete Im Kampf um die allseitige Befreiung.

Die „sozialistischen FeministInnen“ versuchten, auf diese Verkürzungen eine Antwort zu geben, indem sie sich verstärkt auf die ArbeiterInnenklasse fokussierten. Gleichzeitig machte es ihnen der herrschende Stalinismus unmöglich, im so verfälschten „Marxismus“ eine Alternative zu sehen. Dies führte dazu, dass sich diese „sozialistischen FeministInnen“ zwar an Marx orientierten, aber gleichzeitig eigene theoretische Konzepte entwickelten, welche die bei Marx ausgemachten „Verkürzungen” überwinden sollten. Der Vorwurf gegenüber der Marx’schen Theorie lief auf die Feststellung hinaus, dass dieser bei seiner Analyse „geschlechtsblind” gewesen sei und nicht erkannt habe, welche Rolle speziell die Reproduktion, also die Arbeit im Haushalt, für die Kapitalverwertung spiele. Es seien besondere, von den herrschenden Produktionsverhältnissen relativ autonome „Reproduktionsweisen”, welche eine besondere Dynamik der Frauenunterdrückung begründeten, welche wiederum tiefer liege als die Klassengegensätze.

Ähnlich wie die RadikalfeministInnen sehen die sozialistischen FeministInnen im „Patriarchat” eine eigenständige Unterdrückungsstruktur „der Männer” gegenüber „den Frauen”. „Die Familie” wird gewissermaßen als selbstständige Unterdrückungsinstanz konzeptualisiert, wobei deren Wandlungen und je spezifischen Vermittlungen mit den herrschenden Produktionsverhältnissen nicht zur Kenntnis genommen werden. So kam es, dass auch die sozialistischen FeministInnen eher Bündnisse mit ihren (falschen) bürgerlichen Schwestern eingegangen sind, als gemeinsam mit ihren proletarischen Brüdern gegen die Klassenherrschaft der Bourgeoisie und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse zu kämpfen, welche die materielle Grundlage der Frauenunterdrückung darstellen. Dies war freilich, wie bereits angeführt, nicht nur die „Schuld” der sozialistischen FeministInnen, sondern ist auch auf die Haltung der StalinistInnen zurückzuführen, welche es den sozialistischen FeministInnen beinahe unmöglich machte, ihre Perspektiven in die ArbeiterInnenbewegung zu tragen.

In den 1990er Jahren entwickelte sich in den USA eine dritte Welle der Frauenbewegung. Sie war vor allem eine Reaktion auf einen populären Antifeminismus und auf die Ansicht, dass Feminismus obsolet sei, weil er alle Ziele erreicht hätte.

Angesichts der Ausdifferenzierung innerhalb des heutigen Feminismus scheint eine einfache Einordnung aber nicht ausreichend. Dieser reicht vielmehr von den verschiedenen Spielarten des offen bürgerlichen Feminismus, welcher auch bei konservativen PolitikerInnen auf offene Ohren stößt – vor allem dann, wenn dessen Forderungen den Bedürfnissen der Kapitalverwertung entgegenkommen und etwa der sinnlosen Verschwendung „weiblichen Humankapitals” durch die gezielte Förderung der Aufstiegschancen von (vor allem gut ausgebildeten) Frauen (aus der Mittelschicht) entgegenwirken – bis hin zu solchen Ansätzen, die sich nach wie vor auf Marx beziehen und einen emanzipatorischen Anspruch vertreten.

Hausarbeitsdebatte

Eine einflussreiche Debatte, welche von FeministInnen in den 70er Jahren angestoßen wurde (insbesondere Maria Rosa Dalla Costa, einer italienischen politischen Kämpferin und späteren Dozentin und Selma James, einer US-amerikanischen Theoretikerin/ pol. Kämpferin), ist die sogenannte „Lohn für Hausarbeit”-Debatte oder „Hausarbeitsdebatte”. In der Annahme, dass Marx für wesentliche Formen der Unterdrückung und ökonomischen Ausbeutung blind gewesen sei, konstruierten einige TheoretikerInnen die Familie und die darin geleistete Hausarbeit als eine Form produktiver Arbeit, welche in gewisser Weise die Grundlage der gesamten Mehrwertproduktion darstelle und selbst Mehrwert produziere.

Die zentrale These lautet, dass die Hausarbeit zwar oberflächlich betrachtet den Eindruck erwecke, als sei sie eine persönliche Dienstleistung außerhalb des Kapitalverhältnisses, weil nicht der/die KapitalistIn, sondern der Ehemann als ausschließliche/r AdressatIn der häuslichen Dienstleistungen erscheine. Tatsächlich aber gehe die Hausarbeit direkt in die Mehrwertproduktion des Kapitals ein, sei also produktive, Mehrwert erzeugende Arbeit. Indem nämlich die Hausarbeit die Ware Arbeitskraft des männlichen Arbeiters hinter dem Rücken der industriellen Produktion, also in verschleierter Form, ohne Lohn reproduziere, sorge sie für die Vergrößerung der Mehrwertproduktion, so Dalla Costa. Marx habe dies in seiner Analyse nicht berücksichtigt, da er nicht erkannt habe, dass die kapitalistische Produktionsweise ohne die Reproduktion der Ware Arbeitskraft nicht funktionieren könne. Ohne die Reproduktionsarbeit gebe es aber keine Ware Arbeitskraft, ohne Ware Arbeitskraft gebe es keine Ausbeutung von Mehrarbeit und ohne Ausbeutung von Mehrarbeit gebe es keine kapitalistische Produktionsweise. Die Familie sei also die hauptsächliche Stütze der kapitalistischen Organisation der Arbeit.

In ihrem Versuch, die Frauenunterdrückung „materialistisch” zu erklären und eine eigenständige Frauenpolitik (Frauenstreik etc.) zu begründen, biegt sich Dalla Costa allerdings wesentliche Begriffe der marxschen Analyse so zurecht, dass sie am Ende für die Analyse kapitalistischer Gesellschaften überhaupt nicht mehr zu gebrauchen sind.

Zwei wesentliche Konzepte bilden dabei die Grundlage für die Theorie von der Hausfrau als produktiver Arbeiterin: die Produktion von Arbeitern/Arbeitskraft (d. h. Kindererziehung, Dienstleistung am Ehemann/Arbeiter) und ihre Rolle bei der Konsumtion – Einkaufen, Kochen usw.

Die Behauptung, diese beiden Aspekte der Hausarbeit brächten Mehrwert hervor, ignoriert allerdings zwei wesentliche von Marx gemachte Unterscheidungen, nämlich der zwischen industrieller und privater Konsumtion (d. h. Konsumtion in der Familie) und zum anderen zwischen produktiver Arbeit und einfacher Arbeit, die nur einen Gebrauchswert erzeugt.

Zum Verhältnis von industrieller und privater Konsumtion schreibt Marx:

Die Konsumtion des Arbeiters ist doppelter Art. In der Produktion selbst konsumiert er durch seine Arbeit Produktionsmittel und verwandelt sie in Produkte von höherem Wert als dem des vorgeschossenen Kapitals. Dies ist seine produktive Konsumtion. Sie ist gleichzeitig Konsumtion seiner Arbeitskraft durch den Kapitalisten, der sie gekauft hat. Andrerseits verwendet der Arbeiter das für den Kauf der Arbeitskraft gezahlte Geld in Lebensmittel: dies ist seine individuelle Konsumtion. Die produktive und die individuelle Konsumtion des Arbeiters sind also total verschieden. In der ersten handelt er als bewegende Kraft des Kapitals und gehört dem Kapitalisten; in der zweiten gehört er sich selbst und verrichtet Lebensfunktionen außerhalb des Produktionsprozesses.“ (Das Kapital, Bd. 1, 21. Kapitel)

Zwar wird die private Konsumtion von den KapitalistInnen berücksichtigt, da sie zur Aufrechterhaltung und Reproduktion der Arbeitskraft notwendig ist – und als solche wird sie als „ein notwendiges Moment des Produktionsprozesses“ angesehen. Aber „der Kapitalist kann ihre Erfüllung getrost dem Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungstrieb der Arbeiter überlassen.“ Die Tatsache, dass es notwendig ist, zu essen, zu leben und sich fortzupflanzen macht die Familien also nicht zu einem „Zentrum gesellschaftlicher Produktion”. Diese Dinge finden vielmehr ungeachtet der gesellschaftlichen Produktionsform statt. Individuelle Konsumtion zu Hause ist also keine kapitalistische Produktion.

Der/die LohnarbeiterIn gehört sich selbst und verkauft dem/r Kapitalisten/in seine/ihre Arbeitskraft, besser: vermietet sie auf Zeit. Der/die KapitalistIn muss sich also nicht darum kümmern, wie der/die ArbeiterIn sich fortpflanzt und lebt – außer dass er/sie sicherstellen muss, dass die ArbeiterInnen weiterhin dazu gezwungen sind, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Während also diese individuelle private Konsumtion im weitesten Sinne ein „Moment“ der Produktion ist, d. h. berücksichtigt wird vor allem bei der Lohnberechnung, so ist sie keinesfalls kapitalistische Produktion. Aus diesem Grunde sagte Marx, die individuelle Konsumtion finde außerhalb des Produktionsprozesses statt.

Eine ähnliche Entstellung der Marx’schen Theorie findet sich in Bezug auf den Begriff der „produktiven Arbeit”. Wie gesagt handelt es sich dabei nicht um eine moralisch bewertende Kategorie, sondern eine der Analyse. Als solche wird sie von Marx in Bezug auf jene Arbeiten verwendet, die unmittelbar für den/die Kapitalisten/in erbracht wird und diesem/r zur Aneignung des Mehrwerts dient. Dass Marx einen solchen Begriff von produktiver Arbeit hat, heißt nicht, dass er für alle anderen Formen von Arbeit blind gewesen sei. Ganz im Gegenteil thematisiert er explizit andere Formen der Arbeit, die er bspw. als „einfache”, d. h. Gebrauchswert erzeugende Arbeit benennt.

Wenn Dalla Costa und James allerdings von Hausarbeit als produktiver Arbeit sprechen, dann werfen sie die Marx’schen Begrifflichkeiten durcheinander und verunmöglichen damit eine tatsächlich materialistische Analyse der Frauenunterdrückung im Kapitalismus, welche für die Entwicklung einer revolutionären Perspektive notwendig wäre.

Wenn sie etwa behaupten, dass Frauen Menschen „produzierten”, dann ist das im biologischen Sinne sicherlich richtig. Das bedeutet aber nicht, dass man deshalb schon von produktiver Arbeit (für eine/n Kapitalisten/in) sprechen kann. Genau dies ist der theoretische Fehlschluss, der letztlich auch zu falschen politischen Forderungen führt. Denn die Ware Arbeitskraft wird nicht als Ware produziert, sondern als Ware verkauft. Der „Produktionsprozess” der Ware Arbeitskraft im Haushalt ist selbst nicht kapitalistisch, er steht vielmehr außerhalb des Lohnarbeit-Kapital-Verhältnisses, welches die systematische Grundlage der Klassen- und Ausbeutungsverhältnisse darstellt. Auch geht die (notwendige Reproduktions-)Arbeit nur dann als wertbildende Arbeit in diese besondere Ware (Arbeitskraft) ein, wenn diese in Form von bezahlten Dienstleistungen erbracht wird.

Der Tauschwert der Arbeitskraft wird durch die Konsumtion materieller Dinge (Essen, Kleidung) und Dienstleistungen (medizinische Versorgung, Ausbildung) geschaffen. Der Gesamtwert dieser Mittel zum Lebensunterhalt ist der Wert der Arbeitskraft. Die zur Aufbereitung dieser Verbrauchsgüter von den Hausfrauen geleistete Hausarbeit wird offensichtlich bei dieser Summe nicht berücksichtigt. Hausarbeit fügt der Ware Arbeitskraft keinen Tauschwert hinzu. Das bedeutet nicht, dass Frauen zu Hause nicht arbeiten – aber diese häusliche Schufterei ist keine kapitalistische Produktion und wird daher bei der Analyse kapitalistischer Produktionsverhältnisse nicht berücksichtigt.

Die Tatsache, dass Marx die im Haushalt geleistete Arbeit nicht als produktive Arbeit fasste, hat also nichts mit seiner angeblichen „Blindheit” gegenüber sexistischen Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnissen zu tun als vielmehr mit der Tatsache, dass diese Arbeit unter kapitalistischen Produktionsbedingungen vom Produktionsprozess wirklich ausgeklammert ist und „privat” stattfindet.

Die Forderung nach „Lohn für Hausarbeit” ist aber nicht alleine deshalb problematisch, weil sie auf einer falschen Analyse beruht (auch auf falschen Annahmen beruhende Forderungen können sinnvoll und unterstützenwert sein), sondern vielmehr, weil sie auch politisch-strategisch einige Probleme aufweist. So zielt die Forderung nach „Lohn für Hausarbeit” gerade nicht auf die Überwindung der Trennung von „produktiver und reproduktiver/gebrauchswertbildender” Arbeiten, also auf die Vergesellschaftung der Hausarbeit in einem Programm gesellschaftlich nützlicher Arbeiten, sondern schreibt diese Trennung und die ihr zugrundeliegende sexistische Zuteilung vielmehr fest.

Da die Hausfrauen darüber hinaus in keinem direkten Verhältnis zum Kapital stehen, haben sie auch kein direktes Mittel, das sie nutzen könnten, um Druck aufzubauen (wie etwa der Streik). Eine Niederlegung der Arbeit im Haushalt würde nicht in erster Linie die KapitalistInnen treffen, sondern vielmehr die Familienmitglieder, die ihre Arbeitskraft auch weiterhin verkaufen müssten, da die Kapitalherrschaft ungebrochen fortbesteht.

Zudem ist Lohnarbeit eine falsche Bezeichnung für solche unmittelbaren Gebrauchswert schaffenden Tätigkeiten und wäre gemäß der irreführenden Logik der Forderung vom/von der LohnarbeiterIn einzufordern statt vom/von der KapitalistIn. Bestenfalls wäre es als Variante eines bedingungslosen Grundeinkommens von ihm/ihr bzw. dem bürgerlichen Staat zu verlangen. Letzteres zementiert im Gegensatz zur Forderung nach Verkürzung der Arbeitszeit, Aufteilung der Arbeit auf alle Erwerbspersonen bei vollem Lohn-/Gehalts- und Personalausgleich die Existenz struktureller Arbeitslosigkeit, statt sie zu bekämpfen. „Lohn für Hausarbeit“ verfestigt genauso den Gegensatz zwischen (indirekt, über den Markt vermittelter) gesellschaftlicher (Re-)Produktion und nicht vergesellschafteter, privat im LohnarbeiterInnenhaushalt unter dem Etikett der bürgerlichen Kleinfamilienform erbrachten Dienstleistungen.

Diese zumeist von proletarischen Hausfrauen häufig neben ihrem Lohnverhältnis in der kapitalistischen Produktion geleisteten Tätigkeiten setzen der Arbeitskraft keinen Tauschwert, wohl aber Gebrauchswert zu. In diesem Sinn kann man von Ausbeutung der ArbeiterInnenhausarbeit sprechen. Im Unterschied dazu produzierte in vorkapitalistischen Ausbeutergesellschaften die Frauenarbeit im Haushalt auch Güter des Mehrprodukts für die herrschenden Klassen. Im Kapitalismus, der den Gegensatz zwischen Produktion und Reproduktion auf die Spitze getrieben hat, erzeugt der ArbeiterInnenhaushalt „nur“ das lebendige Arbeitsvermögen seiner Beteiligten. Diese Subsistenzproduktion wird mit der Aufhebung des Kapitalismus nach und nach ebenso direkt vergesellschaftet wie der blinde, hinter dem Rücken der unmittelbaren ProduzentInnen vergesellschaftete kapitalistische Markt durch eine kollektive Planwirtschaft. Beide Sphären gehen in ihr auf. Sie dient der Reproduktion der frei assoziierten ProduzentInnen einzig und allein und findet dort ihre Schranke, ist nicht mehr Produktion um der Produktion willen. Der Kapitalismus ist wie alle vorhergegangenen Klassengesellschaften eine Gesellschaftsformation, in deren Mitte seine Produktionsweise über alle anderen (z. B. Subsistenzproduktion, Knechtschaft, Sklaverei) überkommenen Produktionsverhältnisse herrscht. Die je spezifische Produktionsweise ist das dynamische Element jeder Gesellschaftsordnung, die sich alles andere unterordnet. Im Kapitalismus erreicht der Familienhaushalt seinen Gipfel an Anachronismus und drängt mehr denn je zuvor nach Vergesellschaftung.

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