Von Emilia Sommer, April 2023, REVOLUTION-Zeitung April/Mai 2023
Vor kurzem jährte sich der Ukrainekrieg zum ersten Mal. Resultat dessen sind mehrere 100.000 Tote und eine massive Fluchtbewegung aus der Ukraine in andere europäische Staaten. Damit einhergehend findet eine massive Annäherung der Ukraine an den Westen statt. Waffenlieferungen und Kredite lassen ihn als Gegenpol Russlands nicht nur für die Ukraine extrem attraktiv wirken. Auch Finnland und Schweden, die bislang keine Mitglieder des Militärbündnis NATO sind, welches mit den USA, Deutschland und 28 weiteren Mitgliedsstaaten schon seit Jahren der größte globale Gegenspieler Russlands ist, haben am 18. Mai 2022 gemeinsam ihre Anträge zum NATO-Beitritt offiziell eingereicht. Gleichzeitig treffen die Sanktionen gegen Russland vor Ort besonders die Arbeiter_Innenklasse und nicht die Machthabenden, während die Folgen im globalen Süden Hungersnöte, Lebensmittelknappheit und eine Hyperinflation sind. Besonders interessant verhält sich hierbei China. Nachdem sie zu Beginn des Kriegs auf Seiten Russlands standen, haben sie nun ihre Neutralität verkündet, rufen zu einer friedlichen Lösung des Konflikts auf und versuchen als Vermittler zu fungieren, obwohl sie weiterhin Hauptgegenspieler der USA sind.
Die aktuelle Entwicklung rund um den Ukrainekrieg ist ein Symptom der sich immer weiter verschärfenden imperialistischen Krise. Wir befinden uns inmitten der Neuaufteilung der Welt unter den imperialistischen Mächten, welche sich durch die geschwächte Wirtschaft immer weiter zuspitzt. Diese Zuspitzung zeigt sich unter anderem im Konflikt zwischen den USA und China. Die amerikanische Vormachtstellung in der globalen Wirtschaft wird durch China ins Wanken gebracht. Erst kürzlich waren die Medien voll mit Meldungen von dem vermeintlichen Spionageballon Chinas, der von Alaska bis zum Atlantik flog, bevor er vom USA-Militär abgeschossen wurde. China wies diese Vorwürfe zwar als Teil eines Informationskriegs ausgehend von den Vereinigten Staaten ab- dennoch ist der Konflikt damit nicht gelöst. So begannen die USA, die NATO massiv zu stärken und so zum Beispiel rund 300.000 schnelle Einsatzkräfte aufstockte. Auch zeigt sich in dieser Auseinandersetzung eine weitere Annäherung der EU, und damit auch Deutschlands, an die USA, die sich z.B. in europäisch-amerikanisch-koordinierten Exportkontrollen gegenüber China ausdrückt.
Auch der Anspruch Chinas auf Taiwan, welches seit der Teilung Chinas 1949 faktisch als unabhängiger Staat gilt, aber formell noch nicht als unabhängig gilt, sorgt für Spannungen. China droht, sollte Taiwan formell ein unabhängiger Staat werden wollen, militärisch einzugreifen um dies zu verhindern. Die USA pflegen zwar keine formellen Beziehungen zu Taiwan als unabhängigem Staat, jedoch unterstützen sie diesen durch Verkäufe von Waffen, informellen diplomatischen Austausch und durch das Aufstocken US-amerikanischer Kräfte in der Region.
Zu diesen ohnehin gefährlichen Spannungen kommt nun der Versuch Russlands durch den Angriff auf die Ukraine wieder an Bedeutung und Einfluss zu gewinnen. Das Aufgeben von wessen Seite auch immer würde automatisch Schwäche bedeuten und damit die jeweilige imperialistische Kraft im Kampf um die Neuaufteilung der Welt zurückwerfen, weshalb nicht zu erwarten ist, dass einer der Beteiligten zurückrudert. Resultat dessen sind nun Auswirkungen auf die ganze Welt und vor allem natürlich auf die ärmeren Teile, auf die Arbeiter_Innen und auf die Jugend. Wir stehen aktuell einer realen Gefahr eines nuklearen Weltkriegs gegenüber. An jeder Ecke wird das Militär massiv aufgerüstet, Deutschland exportiert Waffen in die Ukraine und natürlich sind die 100 Milliarden für die Bundeswehr der Ampel-Regierung noch nicht vergessen. Aber auch unser aller Leben ist aktuell schon von dem Wettringen der imperialistischen Mächte betroffen: Unsere Lebenserhaltungskosten steigen in die Höhe, Gemüse und Obst sind kaum noch bezahlbar und ob die Heizung angeschaltet wird, muss man sich genau überlegen. Von den Profiten, die gerade Deutschland aus dem Aufrüsten macht, spüren Arbeiter_Innen und Jugendliche absolut nichts, sie werden mit den weiter steigenden Preisen weitestgehend allein gelassen.
Keiner der imperialistischen Staaten steht wirklich für die Unabhängigkeit der Ukraine ein. Russland natürlich nicht. Für diese war die Ukraine in Vergangenheit nur Rohstofflieferant. Es galt bei der immer schwächer werdenden russischen Wirtschaft wenigstens mit der militärischen Stärke bestehende Partner zu erhalten und jetzt soll die Eroberung ein Sprungbrett zurück in den Kampf um die Neuaufteilung der Welt sein. Aber auch Deutschland und die USA und damit die NATO, haben keinerlei ernsthaftes Interesse an der Unabhängigkeit der Ukraine, geschweige denn wirklich an Frieden. Zwar propagieren sie das und die NATO nennt sich selbst Friedensbündnis, doch die Realität sieht anders aus. Ziel des amerikanischen und europäischen Imperialismus ist es, die Ukraine möglichst abhängig von westlichen Krediten zu machen, um weitere Geldflüsse an die Durchsetzung von günstigen Investitionsbedingungen für westliche Konzerne zu knüpfen. Diese Perspektive verkörpert die pro-westlich-neoliberale Ausrichtung der Selenskyj-Regierung. Unter dieser Regierung kämpft die Ukraine also nicht gegen die russische Invasion für ihre Unabhängigkeit. Vielmehr kämpft sie dank massiver Militärhilfen aus Europa und den USA dafür, verlängerte Werkbank, Getreidelieferant und Absatzmarkt des Westens sein zu dürfen. Der osteuropäische Raum ist schon länger ein potentiell interessanter Raum für Kapital- und Waffenexporte. Durch die Sanktionen soll die russische Wirtschaft endgültig geschwächt werden und den USA waren die europäisch-russischen Beziehungen (z.B. Bau der Erdgaspipeline Nord-Stream-2) ohnehin ein Dorn im Auge. Ebenso darf nicht vergessen werden, wie massiv vor allem der deutsche Staat und deutsche Rüstungsunternehmen an kriegerischen Auseinandersetzungen profitieren. Der Ukraine-Krieg ist also eindeutig eine Konfrontation zwischen zwei imperialistischen Blöcken. Und genau da liegt das Problem: Es kann keinen friedlichen Imperialismus geben, denn Imperialist_Innen geht es immer um das Ausdehnen des eigenen Einflusses, um wirtschaftliche und politische Macht. Um dies zu erlangen, sind kriegerische Auseinandersetzungen im Kapitalismus unausweichlich.
Wir können uns also nicht darauf verlassen, dass die Staaten gemeinsam eine friedliche und faire Lösung finden, denn das ist nicht in ihrem Interesse. Die, die wirklich Interesse an einem sofortigen Frieden haben, sind vor allem die Arbeiter_Innenklassen, sowohl in der Ukraine, als auch in Russland, denn sie sind die, die am meisten unter der imperialistischen Konfrontation leiden. Deswegen ist es wichtig, gemeinsam mit der russischen und der ukrainischen Arbeiter_Innenklasse eine internationale Antikriegsbewegung aufzubauen, welche sich auf keine Seite stellt, sondern sich gemeinsam gegen alle imperialistischen Mächte auflehnt und die Waffen gegen diese wendet. Denn es gibt in diesem Konflikt keine gute Seite geben und selbst wenn der Ukrainekrieg endet, wird es keinen endgültigen Gewinner geben. Die Konfrontationen der unterschiedlichen Blöcke werden an anderer Stelle weiter gehen und es gibt immer die gleichen eindeutigen Verlierer: Die Arbeiter_Innenklasse und die Jugend.
Deshalb fordern wir: