Von Yorick F.
Am 14. und 15.06.2025 fand der 81. NATO-Gipfel in Den Haag statt. Dieser Text ist Teil eines Flugblatts, das wir als REVOLUTION beim Gegengipfel und Protest verteilt haben.
Die Kriegsvorbereitungen sind im vollen Gange: Der Plan des NATO-Gipfels 2025 ist nicht nur die praktische Koordination auf eine Konfrontation mit dem strategischen Rivalen Russland, sondern vor allem eine massive Aufrüstung der NATO-Staaten auf 5 % (!) des BIP. In Deutschland wären das etwa 215 Milliarden Euro – ungefähr die Hälfte des Bundeshaushalts – jährlich für Militärausgaben.
Gleichzeitig wird der Gipfel wahrscheinlich ein Ort sein, an dem die inneren Widersprüche der NATO und die unterschiedlichen Interessen hinter verschiedenen Ideen zur langfristigen Ausrichtung sichtbar werden. Um gemeinsam über Taktiken gegen den Gipfel, seine Akteure und Beschlüsse zu diskutieren, ist es daher wichtig, sich dieser Widersprüche bewusst zu sein und einen Blick auf Geschichte und Gegenwart der NATO zu werfen.
Gründung und Anfangsjahre
Die NATO entstand aus den Querelen der Nachkriegsordnung. Die USA traten erst 1941 in den Zweiten Weltkrieg ein, um nach dem Sieg über Faschismus den Einflusszuwachs der Sowjetunion einzudämmen und ihre Vormachtstellung zu sichern. Nach der Befreiung Europas herrschte eine fragile Nachkriegsordnung, in der beide Supermächte jede eigenständige revolutionäre Bewegung unterdrückten, die in vielen Ländern aufflammte. Die USA bereiteten schon vor Kriegsende die NATO vor, lösten Großbritannien als weltweit mächtigste Macht ab und zementierten ihre Position durch Bretton-Woods, das den Dollar an Gold band und zur sicheren Weltwährung machte. Zugleich entstand mit dem IWF der finanzpolitischer Arm der NATO, der maßgeblich als Werkzeug zur ökonomischen Auspressung und Niederhaltung halbkolonialer Länder dient.
Diese Instrumente waren Teil der Containment-Politik gegen die Sowjetunion, die direkt zur Gründung der NATO führte – von Beginn an ein Bündnis des Imperialismus gegen die SU. Gründungsmitglieder neben den USA waren Kanada, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, die Niederlande und Portugal. Die NATO ist jedoch nicht einfach als verlängerter Arm der USA zu verstehen, war sie doch von Anfang von Konflikten ihrer Mitglieder geprägt; Frankreich trat 1966 aus und wies 40 000 Soldaten aus. Solche Spannungen, später etwa zwischen Griechenland und der Türkei, blieben kennzeichnend.
Zusammenbruch Stalinismus und „War on Terror“
Im Kalten Krieg führte die NATO vor allem Stellvertreterkriege gegen die Sowjetunion oder von ihr unterstützte Bewegungen wie in Vietnam oder Afghanistan. Das änderte sich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991, indem nicht nur die bipolare Weltordnung starb, sondern bald die neuen Mächte China und Russland aus den Trümmern aufstiegen und damit eine neue Epoche des Imperialismus einläuteten. Auch innerhalb des Bündnisses verschob sich das Gewicht: Die BRD wuchs durch die Annexion der DDR über seine Juniorpartnerrolle hinaus und bildete mit Frankreich einen EU-Block.
Voraussetzung für die „Wiedervereinigung“ Deutschlands war die Zustimmung der Sowjetunion. Beim 2+4-Vertrag versprach Washington, nicht nach Osten zu expandieren. Trotzdem traten bis 2009 zwölf Staaten der NATO bei; US-Truppen rückten bis an Russlands Grenze. Deutschland suchte zugleich immer wieder Annäherung an Moskau, um sich auch etwas Unabhängigkeit von Washington zu ermöglichen.
Unter US-Führung gab sich die NATO in den 1990ern eine neue Doktrin: Mobile Einheiten sollten „Failed States“ und Terrororganisationen bekämpfen. Statt Massenarmeen dominieren seither kleinere, spezialisierte, gut ausgebildete und ausgerüstete Eingreiftruppen. Die blutigen Einsätze in Irak, Iran, Syrien und Afghanistan zeugen genau davon. Alle wurden darüber hinaus als „humanitäre Interventionen“ oder vor allem nach dem 11. September 2001 als „Kampf gegen den Terror“ legitimiert. Der antimuslimische Rassismus wurde in diesem Zuge zur Schlüsselideologie der meisten westlichen imperialistischen Staaten und dient bis heute dazu, innenpolitisch zu spalten und außenpolitisch Verbrechen wie Foltergefängnisse im Irak, das Abschlachten von Zivilist:innen in Afghanistan oder den Genozid in Gaza zu legitimieren.
Die NATO heute
Im Zuge der sich zuspitzenden imperialistischen Blockbildung steht die NATO vor neuen Aufgaben. Auch wenn man nicht von einem „neuen Kalten Krieg“ mit Russland oder vielmehr China als strategischem Hauptrivalen sprechen kann, da kein grundlegender Systemkonflikt besteht, ähneln die Anforderungen an die NATO zunehmend denen vergangener Konfrontationen.
Pläne wie der sogenannte „Operationsplan Deutschland“, Diskussionen über die Wiedereinführung der Wehrpflicht in verschiedenen NATO-Staaten und nicht zuletzt das für den Gipfel formulierte 5%-Ziel zeigen, dass sich die NATO auf die Möglichkeit eines groß angelegten innerimperialistischen Landkriegs vorbereitet. Die für frühere NATO-Einsätze konzipierten Einheiten – gut ausgerüstet, aber für andere Einsatzszenarien ausgelegt – wären dafür nicht ausreichend.
In nahezu allen NATO-Staaten, ob in den USA, den Niederlanden oder Deutschland, geht diese Aufrüstung mit sozialen Kürzungen, Angriffen auf die Arbeiter:innenklasse und Jugend, massiver rassistischer Mobilisierung und einem globalen Rechtsruck einher.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass innerhalb der NATO Harmonie herrscht oder sie als einheitliches „Empire“ bzw. als Superimperialismus verstanden werden kann. Im Gegenteil: Besonders mit einer weiteren Wiederwahl Trumps steht das Bündnis vor strategisch brisanten Fragen, in denen die Mitgliedsstaaten unterschiedliche Interessen verfolgen.
Zwar gelang es den USA im Zuge des Ukrainekriegs, das zuvor strategisch Richtung Russland schielende Deutschland fester in den eigenen Block zu integrieren und unterzuordnen. Doch geschah dies nicht widerspruchslos und ist keineswegs gesichert. Für die EU-Staaten ist nach dem Abbruch der Handelsbeziehungen zu Moskau Russland der zentrale Konkurrent, während Trump China als langfristige Bedrohung sieht. Daher strebt er eine rasche „Befriedung“ des Ukrainekriegs durch imperialistische Aneignung ukrainischer Ressourcen an, um Kapazitäten für den Genozid in Gaza und eine mögliche Konfrontation mit China freizumachen.
Vor diesem Hintergrund lässt sich die eigenständige Militarisierung Europas nur in ihrer Widersprüchlichkeit begreifen: Einerseits als Versuch, Eigenständigkeit zu gewinnen und sich als eigenständiger Akteur zu etablieren; andererseits als Forderung der USA an Staaten wie die BRD.
Die NATO ist und war also ein in sich widersprüchliches Staatenbündnis – zwar klar vom US-Imperialismus dominiert, jedoch auch mit einem im Inneren rivalisierenden Block um Deutschland und Frankreich.
Wie dagegen?
Für uns als Revolutionär:Innen ist klar: Die NATO gehört zerschlagen! Wir lehnen sie als Organ des Imperialismus ab und sehen im Kampf gegen sie und ihre Kriege ein wichtiges Arbeitsfeld. Gleichzeitig muss uns klar sein, dass es keinen ausschließlichen Kampf gegen die NATO geben kann, um erfolgreich zu sein. Wer beim Kampf gegen die NATO vom Klassenkampf nicht reden möchte, landet schnell bei Illusionen in andere Institutionen der imperialistischen Staaten wie die UN oder in der Vorstellung einer „friedlichen“ multipolaren Weltordnung – letztlich also genau der Ordnung, welche Kriege, Ausbeutung und Krise mit sich bringt.
Ein Kampf, der innerhalb seiner nationalen Grenzen verweilt, kann ebenso nicht erfolgreich sein. Schließlich ist die NATO ein internationales Staatenbündnis, der Kapitalismus ein internationales System und insbesondere im Zeitalter des Imperialismus von nicht voneinander zu trennenden internationalen Entwicklungen bestimmt. Kämpfe, die sich nur im nationalen Rahmen abspielen, müssen deshalb im besten Fall ein Kampf gegen Windmühlen bleiben und haben im schlimmsten Fall campistische Solidarisierungen mit dem, dem eigenen Imperialismus feindlich gegenüberstehenden, Imperialismus zur Folge – frei nach der Devise: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“.
Gleichzeitig führt ein Fokus auf den nicht „hauseigenen“ Imperialismus zu einem Herunterspielen desselben und letztlich zu fatalen taktischen oder strategischen Zugeständnissen, auch wenn der ausgemachte Hauptfeind – z. B. in Form der USA – auf der vermeintlich eigenen Seite steht. Dies ist aber auch eine grundfalsche Politik: Der tatsächliche Hauptfeind steht für jede Arbeiter:Innenklasse in imperialistischen Ländern im jeweils eigenen Land. Eben dieser Staat ist es, der sie tagtäglich ausbeutet, nach innen mit Repressionen überzieht, sollten sie sich dagegen wehren, und sie für seine Interessen bzw. die seiner Verbündeten in den Krieg schickt.
Aus diesen Gründen braucht es unserer Ansicht nach im Kampf gegen die NATO eine neue Internationale. Als revolutionäre Jugendliche treten wir insbesondere für den Aufbau einer neuen Jugendinternationale ein, welche der mörderischen imperialistischen Kriegsmaschinerie ein Ende setzen kann – ob NATO, China oder Russland: Den imperialistischen Mächten in den Rücken fallen!