Antwort von Pat auf den offenen Brief vom Jugendwiderstand

Liebe Genossinnen und Genossen vom Jugendwiderstand,

euer Solibrief vom 31. Mai hat die Mauern der JVA-Waldheim am 28.10.17 überwunden. Da euch offenbar die Fähigkeiten fehlen, mir das Schreiben selbst zu schicken, habe ich einen meiner „Martin-Schulz-Atzen“ gefragt und 4 Tage später hatte ich euer „agitatorisches Meisterwerk“ dann in meinen Händen. Erstmal danke ich euch für die solidarischen Worte und eure Denkanstöße und möchte euch versichern, dass ich mir einige davon bereits vor Erhalt eures Briefes zu Herzen genommen habe. Wegen verschiedener Brandstiftungen, Raube und gefährlicher Körperverletzungen habe ich 6 Jahre und 8 Monate Haft abkassiert. Mein Anwalt kümmert sich derzeit um die Bildung einer Gesamtstrafe, dann sind´s mit Glück nur 4 bis 5 Jahre. Aber machen wir uns nichts vor! Für massiv Sport, Literatur und den Aufbau von Gefangenenstrukturen bleibt da noch mehr als genug Zeit.

Ich bin inzwischen Sprecher der GG/BO Ortsgruppe Waldheim, konnte ‘ne Menge Literatur pumpen und treibe seit August jeden Tag Sport. Ich will zum Zeitpunkt meiner Entlassung bereit sein, Teil der Maschinerie zu sein, die die bestehende „Ordnung“ aus den Angeln heben wird, den Kapitalismus zerschlägt und eine sozialistische Weltordnung aufbauen wird.

Doch WIE kommen wir dahin? Wir ihr in eurem Brief bereits angedeutet habt, ist der Feind unglaublich mächtig. Armee und Polizei stehen ideologisch fest auf seiner Seite, die „Linke“ versinkt durch ihre inkompetente, inkonsequente Führung in Reformismus und die Gewerkschaften werden größtenteils von Bürokrat_Innen angeführt, die den Bossen näher stehen, als dass sie konsequent die Interessen ihrer Basis vertreten. Da stellt sich natürlich die Frage, WARUM eine revolutionäre Organisation wie REVOLUTION so viel Kraft in Bündnisarbeit steckt. Ganz einfach: REVOLUTION agitiert zwar im Gegensatz zu euch in der ganzen Klasse und nicht nur in den Vierteln, die uns subkulturell nahestehen. Doch reicht auch das noch lange nicht aus, die Klasse als Ganzes ohne Taktiken, ohne Arbeit in Bündnissen zu erreichen. Lenin und die Bolschewiki haben das damals auch schon gepeilt und sind in Zweckbündnisse, in Einheitsfronten gegangen. Das erlaubte ihnen durch die Erfahrungen in der gemeinsamen Praxis, bei schonungsloser Kritik an der reformistischen oder zentristischen Führung, die Klasse im Kampf zu vereinen, sich letztlich an die Spitze dieser Einheit zu stellen. Sie haben also das genaue Gegenteil der Politik betrieben, die ihr betreibt.

Man muss schon hysterische Angst vor der argumentativen Verteidigung des eigenen Programms haben, wenn man als Führung einer revolutionären Organisation einen so taktisch wichtigen Punkt außer Acht lässt. Da verfault man lieber wie die Antideutschen im eigenen Sumpf und verzichtet komplett auf die Diskussion mit anderen Gruppen, prügelt und beleidigt sich stattdessen ins Abseits, weil man schlicht und einfach Angst hat, die Diskussion zu verlieren und sich eventuell eingestehen zu müssen, dass das Programm der anderen Gruppe das effektivere ist. Die Leute von REVOLUTION brauchen diese Angst nicht zu haben, da sie voller Selbstbewusstsein mit einem selbst erarbeiteten Programm in die Debatte gehen und dieses auch verteidigen können.

REVOLUTION hat, wie die Bolschewiki damals auch, erkannt, dass es einen Zusammenhang zwischen Tageskämpfen und dem Kampf um das große Ganze gibt. Nicht umsonst waren es maßgeblich trotzkistische Organisationen, welche in den letzten Jahren Tausende aus den Schulen in die Streiks geführt haben, um Seite an Seite mit den Geflüchteten oder für ihr Recht auf Bildung zu kämpfen. Jugendliche wie wir waren es, die diese Proteste angeführt haben – und wo wart ihr? Ihr hättet ‘zig Schüler_Innen für die Sache rekrutieren können. Aber Gesamtschule ist euch anscheinend nicht Proletariat genug. REVOLUTION hat verstanden, dass es zur Erreichung der Ziele eine revolutionäre Partei braucht, die von organisierten Kampfgruppen verteidigt wird, im Namen der Klasse auch offensiv agieren kann. Als Kampfgruppe wollt ihr euch verkaufen – und „belegt“ das, indem ihr Leuten auf die Fresse haut, die es wagen, euch öffentlich zu widersprechen, in euren Augen kleinbürgerlich aussehen oder den „falschen“ Namen tragen.

Die roten Fahnen welcher Vorväter wollt ihr eigentlich ausgraben? Die von Pol Pot und den Roten Khmer? Leuten vorwerfen, sie würden eine kleinbürgerliche Politik vertreten und kaltmachen wollen, weil sie eine Brille tragen, intellektuell sind oder Ismael mit Nachnamen heißen? Na wenn das für euch Traditionssozialismus ist, würde sich wahrscheinlich selbst Stalin im Grabe umdrehen…

Keiner der „verkappten Martin-Schulz-Verschnitte“ hat mir jemals gesagt, ich soll nicht gegen den Staat kämpfen. Sie haben mich viel mehr dazu ermutigt, sie tun es immer noch! Ich sagte nicht, dass es individueller Terror sei, den Staat anzugreifen. Individueller Terror ist, wenn einige wenige glauben, sie könnten ein von der Klasse abgespaltenes Kampforgan schaffen, welches mittels „terroristischer“ Aktionen die Klasse zum Kampf bringt. Doch haben schon die selbsternannten Sozialrevolutionäre im zaristischen Russland vor 1917 bewiesen, dass die Taktik nach hinten losgeht, weil eine revolutionäre Organisation die ganze Klasse braucht – so wie die Klasse die Organisation braucht. Als Hintergrundlektüre empfehle ich „Der ‚Linke Radikalismus’, die Kinderkrankheit im Kommunismus“ von Lenin. Oder um es mit den Worten eures Propheten zu sagen: „Beginne nie einen Kampf, bevor Du weißt, ob Du ihn gewinnen kannst!“ (Mao). Und die momentane Klassenkampfsituation dürfte die Frage wohl beantworten. Nicht die Mittel bestimmen die Situation, nein, die Situation bestimmt die Mittel. Und das Mittel der politischen Brandstiftung führt normalerweise eben eher zu Verwirrung innerhalb der Klasse und zur Inhaftierung fähiger Genoss_Innen, die beim Aufbau unserer Bewegung auf der Straße gebraucht werden. Darum waren meine Aktionen in Leipzig & Hamburg großer Bullshit.

Darüber hinaus besteht die Klasse eben nicht nur aus ihren ärmsten Teilen von Neukölln bis Leipzig-Grünau – sie ist weit größer und wir müssen sie in ihrer Gesamtheit gewinnen. „Keine zahnlose sozialdemokratische Pseudobewegung mit einer roten Fahne hat das Recht, die Führung unserer Klasse zu übernehmen.“ Da gebe ich euch zu hundert Prozent Recht. Ein Haufen Macker, die „Zerstöre nicht Dich, zerstöre den Feind!“ propagieren, dann aber besoffen selbst in linken Kneipen randalieren und obendrein ‘ne wandelnde Adidas/Nike-Werbekampagne darstellen könnten, hat dieses Recht aber schon gar nicht. Wir sind eben keine Pseudobewegung, die außer Lesekreisen nichts geschissen bekommt. Wir rekrutieren uns aus allen Teilen der Klasse: Vorstadtkids, Ghettokids, Studis, Hauptschüler_Innen, Industriearbeiter_Innen, Supermarktkassierer_Innen, Laute, Leise, Große und Kleine… Sie alle werden gebraucht und haben ihren Stellenwert für die revolutionäre Bewegung. Und ja, auch bei uns sind die meisten selbst aus den ärmeren Schichten und mussten sich im Kindesalter schon durchbeißen.

Und doch wird bei uns niemand zum/r Mitläufer_In erzogen. Und mit dieser Vielzahl an Menschen haben wir immer Erfolge erzielen können – sei es der 11.01.16 in Leipzig, die Schutz bietenden Blöcke bei Blockupy, in Elmau, Magdeburg oder Hamburg oder im Kampf gegen Legida, Pegida und die faschistischen Mobilisierungen der letzten Jahre. Und die Klasse nimmt das auch wohlwollend an. Unser Lob ist der Hass der feindlichen Klassen. Unsere Führer_Innen wurden mit Stichwaffen attackiert, mit Schusswaffen bedroht, verfolgt, medial diffamiert und auf Naziportalen per Kopfgeld gesucht. Als antiimperialistische Gruppe ist es nicht leicht in Sachsen, wo die Antideutschen in der „Linken“ dominieren und Nazis die Straßen unsicher machen. Doch das politische Programm und der innere Zusammenhalt von REVOLUTION haben dafür gesorgt, dass wir uns trotzdem durchsetzen können.

Und was geht bei euch in Neukölln? Ein paar Antideutsche oder Yuppies, die vor euch die Hosen voll haben, dass sie sogar die Fresse halten, wenn ihr ihre Cafés demoliert und bekritzelt. Wenn das euer Maßstab ist… aber in der Berliner Wohlfühloase kann sich so ziemlich jede Gruppe, die 2–3-mal in der Woche ins FitX geht, als Stadtmiliz verkaufen. Kommt mal nach Leipzig oder Dresden und beweist, dass ihr was drauf habt! Rummackern, Leute boxen und Beleidigungen verbreiten kann jede zweite unpolitische Hooligantruppe, aber unser Anspruch ist ein anderer.

Die Scheißtrotzkisten_Innen, die ihr als „Martin-Schulz-Verschnitte“ beleidigt und ohne Argumentationsgrundlage versucht zu diffamieren und ihnen obendrein noch Kollaboration mit dem Klassenfeind vorwerft, haben mehr geleistet, als ihr je könntet. Und auf die Art und Weise denkt ihr, mich für eure Organisation gewinnen zu können? Sorry, aus dem Alter bin ich raus, in dem ich mich mit markigen Sprüchen und ein bisschen Rap überzeugen lasse. Schickt mir euren Zündstoff und versucht, mich von eurer Politik zu überzeugen, nicht mit der Scheiße, die ihr als „Solibrief“ zu verkaufen versucht! Zeigt, dass ihr für die Klasse als Ganzes kämpfen wollt, und kämpft mit uns gemeinsam an der Seite der Entrechteten! Alleine werdet ihr das nicht schaffen, denn mit dieser unsäglichen Sektiererei stärkt ihr lediglich den Klassenfeind und spaltet die Bewegung – oder die Bewegung, die es mal werden soll. Das läuft praktisch auf das Gleiche hinaus, was die Antideutschen anrichten. Oder wollt ihr das sogar?

Der Klassenfeind würde euch mit Freude als Agenten aufnehmen, da er selbst keinen Finger krumm machen muss. Zeigt in der gemeinsamen Praxis, dass eure Ideologie die richtige ist – oder traut ihr euch das nicht? Die Klasse muss in der Aktion einig sein, um den Kampf zu gewinnen. Streitet mit uns über die Ausrichtung dieser Aktion! Aber kämpft mit uns in der Aktion!

REVOLUTION ist die solidarischste Organisation, die ich kenne. Eure Behauptung, sie würden wollen, dass ich voller Demut das Knie beuge, ist eine widerliche Lüge. Ich habe meine Seite gewählt. Ich stehe mit REVOLUTION an der Seite des revolutionären Proletariats und ich hoffe, euch irgendwann auch dort zu treffen. Angriffe außer jenen, die mit Argumenten ausgefochten werden, lassen wir uns aber nicht gefallen. Ich danke euch trotzdem für die gut gemeinten Worte. Antwortet mir doch per Post und schickt mir eure Lektüre! Meine Adresse ist bekannt, meinen Klarnamen werden euch einige Genoss_Innen sicher gern verraten.

Wir sehen uns auf den Straßen der Welt – ob Schulter an Schulter oder Kopf an Kopf, entscheidet ihr.

Mit roten Grüßen

Pat

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One thought on “Antwort von Pat auf den offenen Brief vom Jugendwiderstand”

  1. ทางเข้า sbo sagt:

    Das ist ja mal ein informativer, sorgfältig mit Liebe zum Detail geschriebener Artikel. Vielen Dank! 🙂

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