Betrachtet: Zwei Halbkolonien
Leila Cheng
Teil 2: Bolivien (Stand Mitte September 2020)
Wie sind die Auswirkungen von Pandemie und Wirtschaftskrise?
- Vor der Covid19 Pandemie hatte Bolivien (bis auf einen Einbruch 2019) ein konstantes Wirtschaftswachstum von knapp über 4 %. Für dieses Jahr erwartet der IWF einen Einbruch von knapp 5,9%.
- Durch Corona hat die Arbeitslosigkeit massiv zugenommen (perspektivisch bis zu 8%).
- Der Sturz von Evo Morales wurde maßgeblich von der US-Bourgeosie vorangetrieben, um uneingeschränkten Zugriff auf bolivianische Ressourcen wie zB. Lithium zu bekommen
- Aktuell nehmen die ausländischen Investitionen insgesamt ab, nicht zuletzt wegen Verstaatlichungen im Bergbau. Derzeit investiert jedoch vor allem China in bolivianische Infrastrukturprojekte und baut konsequent seinen Einfluss in Südamerika aus
- Während Umfragen derzeit den MAS-Kandidaten (Movimiento al socialismo) und früheren Wirtschaftsminister Luis Arce in Führung sehen, geht es der Übergangsregierung darum, Zeit zu schinden und länger an der Macht zu bleiben.
Welche Proteste gibt es?
- Anlass der Proteste: Beschluss des Obersten Wahlgerichts, die Neuwahlen, angeblich wegen der Pandemie ein weiteres Mal zu verschieben (von Mai auf Mitte Oktober).
- Hauptforderung: Durchführung der Wahl wie ursprünglich vorgesehen am 6. September , Rücktrittsforderung gegen Añez (Präsidentin der Putschregierung).
- Der Dialog zwischen dem Obersten Wahlgericht und den Gewerkschaften scheiterte.
- Dutzende Blockaden haben mehrere Städte von der Versorgung abgeschnitten. An einigen Orten geht der Kraftstoff aus, das Trinkwasser wird knapp und die Lebensmittelpreise steigen immer weiter. Die medizinische Versorgung ist an manchen Orten gefährdet. So muss die Armee dringend benötigten Sauerstoff für die Behandlung von Corona-Patienten auf dem Luftweg transportieren.
- Der vergangene Generalstreik zeigte seine Wirkung und setzte die Regierung zunehmend unter Druck. Rechte und kleinbürgerlich geprägte „Bürgerkomitees“ stellten sich den Bauern und Gewerkschaftern entgegen, um deren Blockaden zu verhindern.
- Die Putschregierung hat ein härteres Vorgehen angekündigt und mit dem Einsatz „aller Mittel“ gedroht, um die Blockaden aufzulösen.
Wie können sie erfolgreich sein?
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Ein
Generalstreik für eine demokratische Wahl Anfang September muss mit
sozialen Forderungen verbunden werden. Nicht nur die Regierung und
der US-Imperialismus sind schuld am Elend der Bevölkerung. Das
Wirtschaftssystem muss als objektive Grundlage für
Unterdrückung verstanden werden. Statt
einer bestenfalls reformistische Regierung der MAS (Bewegung zum
Sozialismus), die durch teilweise Verstaatlichung und Investitionen
in Gesundheit und Bildungswesen die Lage nur kurzfristig verbessert,
braucht es eine revolutionäre
antikapitalistische Bewegung, die auch die inländische Bourgeoisie
enteignet und sich dem Einfluss des US-Imperialismus widersetzt.
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Diese
Errungenschaften müssten langfristig gegen die politischen
Interventionen und die wirtschaftlichen Sanktionen aus den USA
verteidigt werden. Die Revolution muss auf
die umliegenden Länder
Südamerikas (z.B. nach Chile).
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Die
MAS als führende Kraft muss revolutionäre Forderungen aufwerfen
und die Gewerkschaften unter Druck setzen, sich ihnen anzuschließen,
statt weiterhin mit der Putschregierung verhandeln.
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Um
den Generalstreik konsequent weiterführen zu können, sollten
„Volxküchen“ und Praxen zur Gewährleistung der Ernährung und
Gesundheit der Bevölkerung eingerichtet werden.
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Außerdem
sollten alle proletarischen Kräfte in Anbetracht der zu erwartenden
und bereits geschehenden Angriffe des Staates und faschistischer
Milizen bewaffnete Arbeiter_Innen und Bäuer_Innenmilizen gründen.