Yuna Hibbelig
,,Humans are the virus, corona is the cure.” (deutsch: Menschen sind das Virus, Corona ist die Heilung) Sprüche wie diese sind innerhalb der Umweltbewegung auf social media-Kanälen und online häufig vertreten – doch so eine Position finden wir ziemlich fascho. Warum? Weil es die Begründung enthält, dass es bestimmte Menschen verdient hätten, an Covid-19 zu sterben, während andere dann eine menschenleerere und angeblich ökologischere Erde genießen könnten. In dieser Aussage steckt also, dass das Leben einiger Menschen nicht so viel wert ist, wie das Leben anderer. Zum Beispiel Älterer und Risikogruppen sowie Menschen aus Ländern mit schlechteren Gesundheitssystemen bis hin zu Geflüchteten, die wie zum Beispiel in dem Geflüchtetencamp Moria auf der griechischen Insel Lesbos, auf engstem Raum ausharren müssen. Diese Menschen sollen also sterben, um die Erde zu heilen.
Es wird dabei außerdem unsichtbar gemacht, wie und warum gerade diese Menschen in Lebenssituationen gedrängt wurden, in denen sie besonders von der Pandemie betroffen sind. So wurde das Gesundheitssystem in Deutschland jahrzehntelang heruntergespart, sodass nun nicht mehr genügend Intensivbetten, Schutzkleidung und Beatmungsgeräte für alle Erkrankten da sind. In anderen Ländern hat Deutschland fleißig mitgeholfen, Spardiktate zu verhängen, sodass diese auch dazu gezwungen wurden, ihre Gesundheitssysteme abzubauen und zu privatisieren. Deutschland hat sie zusammen mit der Troika oder dem IWF mit Krediten erpresst und so selber viel Geld verdient. Menschen in ärmeren Regionen werden durch die Ausbeutung ihrer Heimatländer dazu gezwungen, auf weitaus engerem Raum zu leben und haben häufig keinen Zugang zu fließendem und sauberem Wasser, um sich an die Hygienevorschriften zu halten. Versuchen sie vor diesen Lebensbedingungen zu fliehen, werden sie an den europäischen Außengrenzen zu Tausenden in Lager gesteckt und angesichts der drohenden Pandemie ihrem Schicksal überlassen. Auch sind Menschen in sogenannten „systemrelevanten“ Berufen stärker gefährdet, als Menschen, die von zu Hause aus arbeiten können. Gleichzeitig sind diese Berufe (wie z.B. Reinigungskraft oder Einzelhandel) oft die, die von Frauen gemacht und schlechter bezahlt werden. Werden Menschen in Ländern mit schlechterer medizinischer Versorgung oder mit weniger finanziellen Mitteln zur Verfügung krank, sind ihre Chancen darauf gesund zu werden weitaus geringer. Vor Allem in Ländern ohne Krankenkassenvorsorge, wo die Menschen privat für ihre Behandlung aufkommen müssen, wie den USA, sieht man dies besonders deutlich. Dementsprechend sind nicht alle Menschen gleichmäßig von dem Coronavirus betroffen, sondern die, die am meisten unter Unterdrückung und Ausbeutung leiden. Und nun wird von diesen wird nun auch noch verlangt zu sterben, damit sich der Rest ein geiles Leben im Grünen machen kann.
Die vermeintliche „Überbevölkerung“
Die Rede von der Überbevölkerung der Welt ist nichts Neues, sondern wurde schon immer von Rechten und Herrschenden als Rechtfertigung genutzt. Die Idee von der „Überbevölkerung“ kam auf, als sich der Kapitalismus in Europa ausgebreitet hat und immer mehr Menschen der Arbeiter_Innenklasse an Überausbeutung und Verelendung starben. Die Herrschenden erklärten einfach, dass sowieso zu viele Menschen auf der Welt leben würden und es deshalb schon ok wäre, wenn einige davon wegsterben. Stattdessen waren die Arbeiter_Innen ja nur so arm, weil die Kapitalist_Innen sich alle Profite in die eigenen Taschen steckten. Da sich die Arbeiter_Innenklasse jedoch durch viele Kämpfe einen gewissen Status erobern konnte, mussten die Herrschenden ihre Theorie ein wenig umformulieren. Aktuellere Übervölkerungstheorien besagen nun, dass wir weiterhin zu viele Menschen auf der Erde sind, und deshalb einige sterben müssen, um wieder genügend Platz oder Ressourcen wie Nahrungsmittel zu haben. Wenn sich gefragt wird, wer sterben soll, wird heute vor allem auf die ärmeren Länder geschaut, in welchen tatsächlich mehr Menschen auf engerem Raum leben. Das liegt aber nicht unbedingt an der Menge der Menschen, sondern wie die Ressourcen auf unserem Planeten aufgeteilt sind. Es gibt also eine ungleichmäßige Aufteilung an Ressourcen wie Nahrungsmitteln, keinen Mangel an diesen.
Zudem ist dieses Denken zum einen ist zutiefst sexistisch, da Frauen in Ländern mit einer höheren Bevölkerungszahl vorgeworfen wird, sie sollen weniger Kinder bekommen, da sie ja sonst Schuld an der Übervölkerung trügen. Zum anderen lässt es den Gedanken vollkommen aus, dass manche Menschen viele Kinder benötigen um in einer kapitalistischen Gesellschaft, in welcher sie die Benachteiligten sind, zu überleben. Warum sollen die Menschen in den Ländern mit höheren Geburtsraten, welche am meisten von Globalisierung und Ausbeutung betroffen sind, wegen einer vermeintlichen „Übervölkerung“ auf gewisse Vorteile, die andere Länder schon haben, verzichten und Opfer bringen müssen, um unter Anderem gegen die Klimakrise und Ressourcenknappheit vorzugehen.
Die Umweltbewegung braucht einen Klassenstandpunkt!
Doch wie konnte sich so eine rassistische und sexistische Kackscheiße gerade in der Umweltbewegung ausbreiten, die doch eigentlich für eine gute Sache kämpft? Paradoxerweise gab schon immer eine Offenheit in der Rechten für ökologische Positionen. Ihnen geht es jedoch dabei nicht um die Erhaltung des Planten und Klimagerechtigkeit, sondern um die Erhaltung ihres „Volkes“. Ihre obskuren Abstammungstheorien erklären sie damit, dass jedes „Volk“ mit seinem Land „verwurzelt“ sei. Im Nationalsozialismus wurde das die „Blut-und-Boden-Ideologie“ genannt. Doch das ist einfach nur faschistische Propaganda. Im Nationalsozialismus wurde sich praktisch kaum um die Natur gekümmert. Auch in bürgerlich-konservativen Kreisen entstand ein Wunsch nach verbessertem Umgang mit der Natur, damit man den Wochenendausflug am Meer so richtig schön genießen kann. Doch den muss sich erst einmal leisten können.
Fridays for Future, Extinction Rebellion oder Ende Gelände sind alles coole Bewegungen, die viel auf die Beine stellen. Jedoch werden sie entweder von NGOs oder Einzelpersonen angeführt, die keinen Klassenstandpunkt haben. Das heißt, dass sie sich nicht auf die Arbeiter_Innenklasse beziehen und nicht die Überwindung des gesamten Kapitalismus anstreben. Das wird dann wiederum zum Einfallstor für rechte Ideologien wie die Überbevölkerungstheorie, wie sie zuletzt in einzelnen XR-Ablegern aufgetaucht ist.
Kapitalismus ist das Problem – nicht der Mensch
Für uns als REVOLUTION ist eins klar: Der Grund für Umweltzerstörung und Klimaerwärmung ist nicht die Menschheit oder unser Wesen an sich, sondern der Kapitalismus und dessen Ausbeutung der Menschen und des Planeten. Der Kapitalismus ist also das Problem – nicht der Mensch an sich. Doch die Überbevölkerungstheorie geht davon aus, dass alle gleichwertig an der Klimakrise Schuld hätten. Natürlich ist das falsch, denn die Schäden an unserem Klima werden vor Allem durch die kapitalistische Produktionsweise und deren ständigen Kampf um Profitwachstum gefördert. Außerdem geht sie davon aus, dass der Mensch kein Teil der Natur wäre, was falsch ist. Der Mensch stammt von Tieren ab und kann wie alle Lebewesen auf diesem Planten nur durch die Wechselwirkung mit der Natur überleben. Da er eigentlich ziemlich schwach ist, muss er das, mit anderen Menschen zusammen, tun. Die Bearbeitung der Natur ist also eine natürliche Aufgabe des Menschen, um zu überleben. Wie das jedoch genau passiert ist eine politische Frage, die damit zusammenhängt, wie der Mensch, die Gesellschaft, in der er lebt, organisiert. Aktuell sehen wir da nur 2 Optionen: Sozialismus oder Barbarei.
Barbarei bedeutet, dass der Entwicklungsstand der Produktivkräfte auf ein Niveau unter dem Kapitalismus zurückfällt. Konkrete Szenarien oder Beispiele dafür wären Naturkatastrophen in Folge des Klimawandels, ein Welt-/Atomkrieg oder eben eine Pandemie (die auch Folge des Klimawandels sein kann). Eine Welt in solchen Szenarien hängt oft zusammen mit Hungersnot und grundsätzlich verschlechterten Umständen. Eindeutig keine coole Option.
Stattdessen lohnt es sich, für eine sozialistische Revolution zu kämpfen und die kapitalistischen Widersprüche positiv aufzuheben, indem man die Gesellschaft an den Bedürfnissen des Proletariats und dementsprechend an den Bedürfnissen der Menschheit (und damit auch den Bedürfnissen der Natur, denn eine intakte Natur ist ein menschliches Bedürfnis) ausrichtet. Stattdessen für Corona und eine Dezimierung der Menschheit einzutreten ist nur eine reaktionäre Verschiebung des Problems und keine gute, langfristige Lösung.