Von Lia Malinovski, Mai 2023
Seit dem 2. Mai sind deutschlandweit mehrere Besetzungen an Schulen und Unis im Gange oder geplant. In Berlin startete End Fossil: Occupy! am Dienstag, den 2. Mai, der Emil Fischer Hörsaal der Humboldt Universität wurde besetzt! Mittlerweile wurde sich dort entschlossen, die Besetzung zu beenden. In Hamburg begann die Besetzung des Hörsaals am Von-Melle-Park 9 (VMP9) der Universität Hamburg am Mittwoch und hält bis heute an. Seitens des Präsidiums der Uni war die Besetzung zunächst bis Montag den 8. Mai geduldet. Wie lange die Besetzung nun noch durchhält, ist von mehreren Faktoren abhängig. Darunter die Motivation der Besetzenden und deren Errungenschaften. Die aktuelle Besetzungswelle ist aber nicht nur in Deutschland, sondern international: Neben Besetzungen in Spanien und Italien finden auch Aktionen in Portugal und Tschechien statt.
EndFossil: Occupy! (EFO) wirft mit seinen Besetzungen erneut die Frage nach der Strategie und der Neuaufstellung der Umweltbewegung in Deutschland und international auf. Mit Antikapitalismus und der Aktionsform der Besetzung sollen neue Gruppen angesprochen werden und die Stagnation der Umweltbewegung, die sich besonders an FFF zeigt, überwunden werden. Damit ist EFO nicht alleine: Ende Gelände, Extinction Rebellion oder die Letzte Generation versuchen das ebenfalls, jeweils ihre andere Art und Weise und mal mehr, mal weniger erfolgreich. Alle EFO haben aber eine Problematik gemeinsam: Obwohl in Teilen ein gewisser Antikapitalismus vertreten ist, gibt es keine Perspektive zur Überwindung des Kapitalismus. Es wird an die Politik appelliert oder schlicht zur Organisierung und „Überwindung der Verhältnisse“ aufgerufen, ohne dabei ein klares Ziel oder Weg dorthin zu formulieren. Um das zu verdeutlichen, wollen wir hier auf einige Forderungen von EFO Bundesweit eingehen: „Energieproduktion vergesellschaften!“. Im Erklärungstext zu der Forderung sieht EFO, dass die Konzerne den kurzfristigen Profit an erster Stelle sieht, auch wenn dabei die Lebensgrundlagen der Menschheit zerstört werden.
Sie erkennen richtig, dass die Produktion in den Händen von einzelnen Konzernen und deren Bossen nicht im Interesse der Mehrheit, besonders der Arbeiter_Innen ist. Aber geht es darum, das zu verändern, schließen sie sich der Forderung „RWE&Co. Enteignen“ an. Dabei ersetzen sie den Begriff Enteignung durch Vergesellschaftung, klären aber nicht die Frage der Kontrolle. In den Händen des Staates wird die Energieproduktion nicht im Interesse der Mehrheit, dem Proletariat, organisiert, sondern zur Sicherung der Profite anderer Wirtschaftsbranchen, siehe hier Vattenfall. Damit ist es auch keine Forderung, die im Interesse der Umweltbewegung ist: Denn Profite für wenige gehen immer auf Kosten der Mehrheit, ohne Rücksichtnahme auf die Umwelt. Die Forderung muss also durch die Frage der Kontrolle über die (Energie) Produktion ergänzt werden. Wir schlagen hier vor, dass Konzerne wie RWE und Co unter demokratische Kontrolle der Beschäftigten enteignet wird, realisiert durch die Organisierung der Arbeiter_Innen in Betriebskomitees.
Auch wenn wir Kritik an den Forderungen haben, die nicht weit genug gehen, sind sie ein großer Schritt in die richtige Richtung: Denn während FFF und die Letzte Generation an die Politik auffordern, geht EFO den Schritt weiter zu sagen,, dass reines Appellieren nicht reicht! Sie machen deutlich, dass es Selbstorganisierung braucht in Form von Streiks und Besetzungen, an Schulen und Unis und langfristig auch im Betrieb!
Die Berliner Besetzung hat sich mittlerweile aufgelöst, die Hamburger Besetzung geht in die Verhandlungen und Besetzungen in anderen Städten beginnen erst jetzt. Optimalerweise hätten sich die Städte konsequent abgesprochen sollen, dass alle Besetzungen gleichzeitig starten, aber das ist bei einer jungen Bewegung nicht immer leicht. Es hätte jedoch eine bundesweite Planung gebraucht, die das gesamte Geschehen koordiniert und in Verhandlungen nicht nur als absprechende Position, sondern auch als leitende fungiert. Damit könnte die Einhaltung der Forderungen kontrolliert, und die Aufmerksamkeit für die Besetzungen entscheidend erhöht werden.
Für die Berliner Besetzung gilt einerseits, dass sich das Bündnis ausweiten sollte und auf erneute Besetzungen vorbereiten muss, bis die Forderungen erfüllt sind. Für Hamburg und die jetzt Startenden gilt andererseits, dass sie sich vor der Uni nicht klein machen dürfen, sondern auf ihren Forderungen beharren müssen! Aber sie müssen sich auch mit den studentisch Beschäftigten vereinen, denn wenn die anstehenden Streiks noch mit den Besetzungen verbunden werden, kann die Uni nicht länger wegsehen oder die Besetzung isolieren! So können die Verhandlungen rund um TV Stud eine Möglichkeit sein sich aktiv mit den Beschäftigten, zunächst denen an der eigenen Uni, zu solidarisieren und gemeinsam zu kämpfen! Deren Forderungen durch Besetzungen zu untermauern und sie gleichzeitig als Verbündete im Kampf für Klimagerechtigkeit zu gewinnen! Außerdem ist es zentral sich auch mit Arbeiter_innen aus anderen Bereichen in Verbindung zu setzen, wie es zwischen den ÖPNV-Streikenden und linken Ortsgruppen von Fridays for Future bereits geschehen ist! Denn nur gemeinsam mit den Arbeiter_innen ist es möglich die Kraft zu erlangen, die es braucht, um Klimagerechtigkeit durchzusetzen!
Richtigerweise fordert EFO auch einen Klimageneralstreik. Streiks und Besetzungen müssen bis zu einem Generalstreik geführt werden, der die Macht des fossilen Kapitalismus bricht und eine ökologische Transformation unter Kontrolle der Arbeiter_innen und Jugendlichen ermöglicht!