Im Osten nichts Neues

Fellix Ernst, Januar 2014

„Deutschland stirbt aus!“ jammern die bürgerlichen Statistiker und Marktforscher, vor allem im „Osten“ steht es schlimm. Die Fertilitätsrate sinkt, während das Durchschnittsalter und die Abwanderungsquote stetig steigen. Außerdem ist die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern stark erhöht und im Durchschnitt etwa doppelt so hoch wie in Westdeutschland. Dass es sich hier um Probleme handelt, für die der Markt und seine ausfüh­renden Organe selbst verantwortlich sind, wird von ih­nen entweder nicht verstanden oder eher wissend verschwiegen. So ist die herkömmliche „Gegensteuern und Anpassen“­Förderpolitik mit Investitionen in ver­meintlich potente Wirtschaftszweige und dem Abbau von öffentlichen Dienstleistungen in den strukturschwa­chen Regionen kein planloser Versuch noch irgendwas zu retten, sondern die kalkulierte Folge der kapitalisti­schen Marktlogik.

Den jüngsten Vorausrechnungen des Statistischen Bundesamtes zufolge dürften sich die Verluste durch Abwanderung und Geburtenrückgang bis 2050 auf et­wa elf bis zwölf Millionen summieren. Manche entlege­nen Regionen haben seit dem Mauerfall etwa ein viertel ihrer Bevölkerung eingebüßt. Vor allem junge Menschen, und davon überproportional gut ausgebil­dete junge Frauen, verlassen die strukturschwachen Regionen. Das wieder führt zu einem Überschuss an Männern, welche ohne Job und Perspektive in einer vom Staat geschaffenen Brachlandschaft sitzen.

Menschen, die in einer ökonomisch unsicheren Situati­on stecken und noch dazu räumlich vom Rest der Ge­sellschaft getrennt sind, sind leichter von faschistischen Demagogen für ihre menschenverachtenden Ideen ge­winnbar. Zwar ist das Bild von ostdeutschen Geister­städten die von Nazihorden übernommen werden übertrieben, jedoch existieren Tendenzen (siehe zum Beispiel Bürgerbüros der NPD in Kahla) in diese Rich­tung bereits.

Wegen der Unterauslastung der öffentlichen Verkehrs­mittel werden entweder kostspielige Anpassungen an den Schwund durchgeführt oder einfach gleich kom­plette Bus­ und Bahnlinien gestrichen. Solche Leistun­gen wie die der Freiwilligen Feuerwehr oder wichtige Freizeitangebote wie Sportvereine und Jugendhäuser sind ebenfalls stark von den Kürzungen betroffen. An­statt mit neuen Schulkonzepten auf die Schrumpfung der Klassen zu reagieren, werden die Schulen einfach geschlossen. Auch die Versorgungssicherheit mit all­täglichen Bedarfsgütern ist in Gefahr. Für die großen Handelsketten, die ihre Standorte nicht nach Bedarf sondern nach Kaufkraft ermitteln, sind die heute schon dünn besiedelten Gebiete wenig attraktiv. Nur solche Inseln wie Berlin, Dresden, Leipzig, Jena und Erfurt können die Situation einigermaßen stabilisieren.

Eine weitere Folge ist ein hoher Leerstand von Woh­nungen, in Dresden zum Beispiel etwa 20%. Dieses
Überangebot führt zu stark fallenden Immobilienprei­sen, worauf auf zweierlei Art reagiert wird. Während die aus dem öffentlichen Bestand einfach „vom Markt ge­nommen“ – also abgerissen – werden, schimmeln die der privaten Eigentümer langsam vor sich hin, oder werden von Spekulanten zu Niedrigstpreisen aufge­kauft. Den Massen an Obdachlosen und Menschen die ihre Miete nicht bezahlen können stehen Quadratkilo­meter von ungenutztem Wohnraum gegenüber.

All diese Zustände zeigen zum einen deutlich, dass es innerhalb des kapitalistischen Systems nicht möglich ist, auf etwaige demografische Veränderungen zu Reagieren und für die Bedarfsdeckung der Bevölke­rung zu sorgen. Zum anderen lässt der Markt selbst solche Probleme entstehen und verstärkt sie noch.

Die Alternative wäre ein auf Rätedemokratie basieren­des sozialistisches System, verwaltet von den Men­schen, die in ihm leben.

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