Nach SPD-Parteitag: Das Ende der Groko?

#NoGroKo, SPD, Große Koalition, 02.2018, Urabstimmung

Alex Metzger

Anfang Dezember hat die SPD eine neue Parteispitze gewählt. Dabei wurde dem neoliberalen Kurs der Befürworter_Innen der Großen Koalition, also dem traditionell rechten Flügel eine Absage erteilt. Eindeutig war das Ergebnis aber nicht. Von den gerade einmal 54% der Mitglieder, die überhaupt an der Abstimmung teilgenommen haben, schaffte es das Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gerade einmal auf knapp 115.000 Stimmen, gegen die gut 98.000 Stimmen für Scholz/Geywitz. Dass das Ergebnis trotzdem eine massive Niederlage für die etablierte Führungsriege darstellt, ist mehr als offensichtlich. So hatten die meisten prominenten Mitglieder der SPD, so wie die Mitglieder des Regierungskabinetts, für die konservative Ausrichtung Stimmung gemacht und sind damit gescheitert.

Zum Parteivize wurde Kevin Kühnert, Vorsitzender der Jusos, gewählt. Auch er steht für einen regierungskritischen Kurs, hat nach der Bundestagswahl eine Kampagne gegen den Eintritt der SPD in die Bundesregierung angeführt und konnte sich so in der Parteibasis einen Namen machen (zumindest stimmten damals 30 % gegen den Eintritt in die Regierung, wobei die Parteiführung sich stark dafür aussprach). Gleichzeitig zeigt er sich versöhnlerisch und reicht dem Konservativen Flügel mit Kommentaren wie „Ich nehme nicht wahr, dass irgendjemand in der sozialdemokratischen Partei eine Oppositionssehnsucht in sich trägt“ die Hand. Praktisch sieht dass dann so aus, dass neben Kühnert auch Hubertus Heil als Vize gewählt wurde. Um weiteren politischen Kämpfen zu entgehen, wurde das Gremium kurzerhand aufgestockt.

Diese Wahl kann durchaus als Aufforderung zu einem eindeutigen Kurswechsel der Politik der SPD verstanden werden. Schließlich sind seit knapp 20 Jahren jene Kräfte in der SPD an der Spitze, die sich für die unsoziale Politik der Agenda 2010, also für Leih- und Zeitarbeit, für Hartz 4, die Erhöhung der Mehrwertsteuer und für Kriegseinsätze ausgesprochen haben und letztlich dafür verantwortlich, dass die SPD bei der letzten Bundestagswahl lächerliche 20,5 Prozent einfuhr, das schlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit.

Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die neue Führung bereit ist, gegebenenfalls den Bruch mit der großen Koalition und damit einhergehende Neuwahlen durchzuziehen, oder ob sie doch vor der etablierten Führungsriege der Partei kuschen und den versprochenen Kurswechsel auf die Zeit nach der nächsten Bundestagswahl verschieben.

„Nikolaus ist Groko aus“ ?

Auch wenn Esken und Walter-Borjans auf der Seite der Regierungsgegner_Innen stehen, konnten sie sich bis jetzt erfolgreich um eindeutige Aussagen über den Verbleib in der Bundesregierung drücken. Dem unmittelbaren Austritt aus der Regierung wurde auf dem Parteitag Anfang Dezember erstmal eine Absage erteilt. Die flügelübergreifende Argumentation war, dass man zunächst auf die Verhandlungen der „Halbzeitbilanz“mit der CDU warten wolle. Je nach Ausgang wird der Austritt dann entweder durchgezogen oder eben nicht.

Die „Halbzeitbilanz“ war ein Kompromiss, den der linke Flügel der Gesamtpartei nach den langwierigen Verhandlungen um die Groko abringen konnte.

Diese uneindeutige Positionierung wird aber zumindest von einigen guten Inhalten begleitet. So machte das neue Führungsduo mit der Forderung nach einem Mindestlohn von 12 Euro, eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer und dem Ende der „schwarzen Null“, also dem de facto Investitionsstopp der Regierung in die soziale Infrastruktur, auf sich aufmerksam. Weiterhin stimmte die Partei darüber ab, in Städten mit hohem Wohnkosten Mieten für die nächsten 5 Jahre einzufrieren oder Mieterhöhungen zumindest an das Inflationsniveau zu koppeln.

In Sachen Umweltpolitik ist auf diesem Parteitag wenig konkretes zustande gekommen. Die Partei sprach sich dafür aus, das Klimapaket nachzubessern. Im Leitantrag des Parteitages wird ein sozialdemokratischer „Green New Deal“, der einen ökologischen Umbau der Gesellschaft sozial Verträglich gestalten soll. Ein Auszug, der den Kern dieser Dealpolitik gut beschreibt: „Wenn wir die Transformation richtig gestalten, wird aus ihr eine neue Phase der Prosperität hervorgehen“, die Ausrichtung auf Wirtschaftswachstum und den Erhalt der Profite der Industrie bleibt immer im Blick. Letztlich werden durch staatliche Investitionsprogrammen die Kosten für den Kampf gegen die ökologische Krise auf die Arbeiter_Innenklasse abgewälzt. Ein klassenkämpferischer Ansatz, der Industrie und Kapital selbst für Ihre Krise aufkommen lässt, fehlt völlig.

Wohin der Kurs führt, wird direkt damit zusammenhängen, ob sich der linke Flügel mit dem Austritt aus der Regierung durchsetzt, oder ob die guten Ambitionen in faulen Kompromissen untergehen. Indes ist eindeutig, wofür sich Medien, aber auch die Bürokratie in den Gewerkschaften positionieren: für die Bundesregierung, für den neoliberalen Kurs, für ein „weiter so“, unabhängig davon, was dieser Kurs für die SPD für die nächste Bundestagswahl bedeutet.

Wo steht die Partei?

Die SPD befindet sich in einer historischen Krise. Neoliberale Agenda-Politik, Waffenexporte, fehlende Solidarität in der Grenzpolitik und der militaristische Ausbau der EU und damit auch die Militarisierung hier in Deutschland sind in den letzten 20 Jahren von ihr mitgetragen oder sogar initiiert worden. Die Konsequenzen, wie massive Stimmenverluste zu den letzten Bundestagswahlen und das fehlende Vertrauen der Millionen von Arbeiter_Innen, die unmittelbar unter der „Verarmungspolitik“ der SPD leiden müssen, sind mehr als offensichtlich.

Natürlich führt das auch innerhalb der Partei zu massiven Bruchpunkten. Der ständige Führungswechsel der letzten Jahre hilft dabei wenig, das Vertrauen in die Partei zu bestärken. Im Gegenteil: Die letzten SPD Vorstände seit Sigmar Gabriel, der die Partei mit seinem rechten Kurs von 2009 bis 2017 anführte, gab es schon 2 gescheiterte Parteiführungen, Andrea Nahles und Martin Schulz. Beide waren weniger als ein Jahr im Amt und mussten als Bauernopfer für die schlechten Wahlergebnisse der SPD so wie ihren halbherzigen Linksruck herhalten.

Die Fortführung der Regierungspolitik der SPD bei gleichzeitiger inhaltlicher Stagnation, wie es in den letzten Jahren geschehen ist, werden dabei garantiert dazu führen, dass die SPD in der Bedeutungslosigkeit versinkt und bei der nächsten Wahl von der AfD und den Grünen überholt wird.

Sehenden Auges wird das von der alten Führungsriege, dem Parteiapparat und ebenso von der DGB Führung in Kauf genommen. So äußerten sich DGB Chef Hoffmann: „Die Menschen brauchen Sicherheit im Wandel.“ SPD und Union müssen gemeinsam darüber reden, „welche neuen Perspektiven in Angriff genommen werden“

Ähnlich äußert sich IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis, der betont in einem offenen Brief an seine Gewerkschaftsführung die Notwendigkeit einer funktionierenden Regierung für den Standort Deutschland.

Auch der ver.di-Vorsitzende Wernecke bezieht sich positiv auf die Koalition: „Die Halbzeitbilanz der Regierung kann aus Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerinnensicht sowie gesamtgesellschaftlich in mehreren Punkten Positives vorweisen.“

In einem Ton mit den großen Nachrichtenhäusern, „Es wird mit einem Wimmern enden“(Zeit), „Sozialdemokraten geben die „Mitte“ auf“(FAZ), „Gut gemacht, Genossen!“(Zeit), zerreißen sich stellvertretend für die CDU Kramp-Karrenbauer und Merz die Mäuler. Während AKK alle Pläne der SPD zumindest verbal sofort an sich abprallen lässt „Wir können nicht wieder bei Null anfangen“, hier ging’s um die Nachbesserung des Klimapakets, oder bezüglich der Abkehr von der „schwarzen Null“: „Es mangelt doch nicht an Geld!“. Auch im Bezug auf die 12 Euro Mindestlohn Pläne erteilte sie eine klare Absage. Merz bleibt dabei weit unsachlicher und sieht die Sozialdemokraten „in der letzten suizidalen Phase ihrer Existenz als Volkspartei“ fragt weiter „Leben die eigentlich noch in der Wirklichkeit dessen, was zurzeit in Deutschland, in Europa und in der Welt passiert?“. Das erinnert schon eher an Stammtischrhetorik als an einen ernstzunehmenden Kommentar.

Was sagen die Jusos?

„Nikolaus ist Groko aus“, zumindest wurde das von den Jusos auf Ihrem letzten Bundeskongress Ende November abgestimmt. In einem vierseitigen Grundsatzpapier erklären sie ihre Haltung zur aktuellen Politik der SPD und ihre Vorstellungen von einer gerechten Sozialdemokratie. Im dabei vertretenden Anspruch setzen sie sich ein hohes Ziel:„50 Jahre nach der Linkswende der Jusos im Dezember 1969 wollen wir jetzt die SPD auf Links wenden“, im Aufwind der studentischen Bewegung der 60er Jahre rückten sie nach links und fanden viele Anhänger_Innen in den mehrheitlich reformistischen Teilen der Bewegung. So konnten sie bis in die Mitte der 70er auf 300.000 Mitglieder anwachsen (heute sind es 80.000). Was bedeutet das heute?

Mit einer linken Ausrichtung und als Teil kämpfender Bewegungen schafften es die Jusos Massen hinter sich zu organisieren. „Ein Bruch mit einer Koalition, die nur unzureichende Antworten auf die großen Zukunftsherausforderungen liefert, bietet uns damit eine Chance diesen Abwärtstrend zu beenden.“ („Zeit für Zukunft“-Papier, abgestimmt vom Bundesvorstand Ende November 2019). Diesen Bruch mit der Koalition wollen sie schnellstmöglich erreichen: „Spätestens im Jahr 2021“, also zu den nächsten Bundestagswahlen.

Wie auch schon in der „No Groko“-Kampagne stellen die Jusos sich klar auf die Seite des linken Flügels der SPD und reden offen über sozialistische Transformation (kommt zwar Sozialismus drin vor, bleibt aber trotzdem eine zahnlose Formel). Gleichzeitig heben sie die Notwendigkeit hervor, diesen Kampf gemeinsam mit den rechteren Teilen der Partei zu führen und verbleiben dabei in der Logik gefangen, dass in der Politik Kompromisse gemacht werden müssen.

Anstatt selbst einen „Green New Deal“-Vorschlag mitzutragen, müssten die Jusos die Kapitalist_Innen auffordern, für Ihre Krise zu zahlen. Statt gegen „sinkenden Lohnquoten“ einzustehen, könnten sie für eine 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich einstehen. Anstatt im Nahverkehr „hin zum ÖPNV“ zu kommen, könnten sie diesen kostenlos für alle fordern, finanziert aus den Taschen der Reichen.

Der Parteitag der SPD hat gezeigt, dass der alte Parteiapparat rechts von der Basis der SPD steht. Die Mehrheiten für progressive Positionen wurden trotz der massiven Gegenpropaganda seitens der Medien und seitens des alten Parteiapparats errungen. Jetzt könnten die Jusos einen politischen Kampf um Ihren Kurs unter der Bedingung führen, aus der Groko auszutreten.

Juso-Vorsitzender Kevin Kühnert ließ aber schon vor der Wahl zum Vize der SPD die Luft raus: „Wer eine Koalition verlässt, gibt einen Teil der Kontrolle aus der Hand, das ist doch eine ganz nüchterne Feststellung. Auch das sollten die SPD-Delegierten bei ihrer Entscheidung berücksichtigen.“

Aufgepasst, Jusos! Ihr müsst Eure Führung mit einer breiten programmatischen Kampagne der Basis dazu zwingen sich an den Beschluss über ein schnellstmögliches GroKo-Aus zu halten! Keine Kompromisse…der Verrat hat schon wieder begonnen!

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