Redaktioneller Kommentar: Mit dem zunehmenden Kampf um die imperialistische Neuaufteilung der Welt sind Rechtsruck, Militarismus und Kürzungen stärker denn je. Schüler:innen und Jugendliche auf der ganzen Welt leiden unter der Krise. Deshalb haben Schüler:innen in Palermo (Italien) im vergangenen Jahr Teile ihrer Schule besetzt, um für ein sicheres Lernumfeld zu kämpfen. Da wir als REVOLUTION der Meinung sind, dass es für die Jugend international notwendig ist, sich an den Orten zu organisieren, an denen wir unseren Alltag verbringen, an Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz, haben wir die Student:innen der Partito Comunista dei Lavoratori (Kommunistische Arbeiter:innenpartei, PCL) interviewt, um von ihren Erfahrungen zu lernen und zwischen jungen Kommunist:innen international zu diskutieren. Wir glauben, dass der Sturz des Kapitalismus nur durch eine internationale Revolution möglich ist, weshalb wir über Kämpfe auf der ganzen Welt diskutieren müssen. Wir fordern Student:innen und andere Teile der Jugend weltweit auf, sich mit uns in Verbindung zu setzen, um Interviews über ihre Kämpfe mit dem kapitalistischen System zu führen und mit uns zu diskutieren, wie man diese führen kann – damit wir eines Tages gemeinsam eine kommunistische Welt erreichen können.
Die PCL ist die italienische Sektion der Internationalen Trotzkistischen Opposition (ITO), mit der unsere Kampfpartnerin, die Liga für die Fünfte Internationale (L5I), zusammen mit der Internationalen Sozialistischen Liga (ISL) Gespräche über eine Neugruppierung führt. Vereinbarung zwischen ITO, L5I und ISL unter: Für eine Umgruppierung von revolutionären Kräften (https://arbeiterinnenmacht.de/2024/11/22/fuer-eine-umgruppierung-von-revolutionaeren-kraeften/)
Warum habt Ihr Eure Schule besetzt?
Wir haben uns für die Besetzung entschieden, weil die baulichen Bedingungen unserer Schule sehr prekär sind. Tatsächlich haben wir die Schule gleich nach einem Regen besetzt, weil das Abwassersystem kaputt war und ein Stück Dach fehlte. Aber das war nicht einmal das einzige Problem, wir hatten auch Schimmel an den Wänden der Klassenzimmer im Erdgeschoss, einen Mäusebefall und eine schlecht funktionierende Internetverbindung.
Was ist vor, während und nach der Besetzung passiert?
Wir hatten bereits mehrere E-Mails an unsere Schulleiterin geschickt und sie gebeten, diese Probleme zu lösen, aber wir haben keine Antwort erhalten. Folglich haben wir uns entschieden, das Lehrer:innenzimmer zu besetzen. Wir hätten lieber das Büro der Schulleiterin besetzt, aber es befindet sich nicht in unserer Schule, sondern in einer anderen mit derselben Schulleiterin (eine Schule, in der die baulichen Bedingungen viel besser sind, aber das überrascht uns nicht …). Zwei Monate vor der Besetzung hatten wir bereits das Gebäude für unsere Schule gewechselt, weil in der Vergangenheit einige Teile der Struktur heruntergefallen waren, darunter auch Dächer. Zum Glück wurde nie jemand verletzt, aber dadurch war der dauerhafte Aufenthalt in der Schule sehr unsicher und unangenehm.
Folglich war die Mehrheit der Schüler:innen bereits wütend und hatte die Nase voll von den Zuständen in der Schule, da wir von einer bereits schlechten Situation dorthin versetzt worden waren und auf eine bessere gehofft hatten. Als wir sahen, dass die Schulleiterin nicht auf unsere E-Mails antwortete, begannen wir, die Idee einer Besetzung zu diskutieren, sowohl in Gesprächen mit Schüler:innen als auch in Treffen mit Schülervertreter:innen. Dann stimmten die Vertreter:innen, darunter auch einer unserer Genoss:innen, für die Besetzung, und am 10. Mai 2024, nach der ersten Unterrichtsstunde, besetzten wir das Lehrer:innenzimmer.
Gab es noch andere Gruppen, die daran teilnahmen?
Es gab keine anderen Gruppen, die die Besetzung organisiert haben, da unsere Schule nicht einmal eine Schüler:innenvertretung hat, nicht sehr aktiv in der Student:innenbewegung ist und nur selten an Protesten teilnimmt. Trotzdem wurden wir von den älteren Schüler:innen unterstützt, die in unserer Schule waren, als es noch eine Vertretung gab, auch wenn diese nicht mit dem Kommunismus oder dem allgemeinen Linkssein verbunden war. Dieses Kollektiv bestand nur von 2021 bis 2022, einige Monate vor unserem Eintritt in die High School, hauptsächlich weil die Mehrheit derjenigen, die ihm beitraten, bereits ihren Abschluss machte und 2022 nur noch wenige von ihnen an unserer Schule waren.
Mit welchen Methoden habt Ihr die Menschen organisiert? Verteilen von Flugblättern, Zeitungen Demonstrationen?
Aufgrund der Umstände war es sehr einfach, die Schüler:innen von einer Teilnahme zu überzeugen. Es genügte, in Schulversammlungen und Sitzungen des Schüler:innenvertretungsausschusses darüber zu sprechen. Folglich haben wir keine Flyer oder Zeitungen verteilt, aber im März, einige Wochen nach dem Beitritt zur PCL, haben wir versucht, die Schüler:innen zu radikalisieren und sie zum Beitritt zu bewegen, aber leider ohne Erfolg.
Gab es Strukturen, um die herum Ihr Euch organisiert habt? Habt Ihr bestehende Strukturen der Schüler:innenbeteiligung genutzt? Wie funktionieren diese?
An unserer Schule gibt es keine politischen Strukturen, außer dem Schüler:innenausschuss, der jedoch nicht politisch ausgerichtet ist, sodass wir uns nur um ihn herum organisiert haben.
Konntet Ihr Eure Forderungen durchsetzen? Wenn nicht, hattet Ihr einen Plan zur Eskalation?
Letztendlich konnten wir unsere Forderungen durchsetzen, nachdem die Besetzung drei Stunden gedauert hatte und anschließend ein Treffen zwischen dem/r Schülerrepräsentant:in, der Rektorin und dem/r Bürgermeister:in stattfand, das eine Stunde dauerte, konnten wir unsere Forderungen durchsetzen. Unsere Forderungen waren die Reparatur des Abwassersystems, des Daches und der Heizkörper, die Entfernung des Schimmels von den Wänden und die Beseitigung der Ratten. Ich glaube, der Grund, warum die Schulleiterin unseren Forderungen so schnell zustimmte, nachdem sie uns wochenlang ignoriert hatte, war die Angst vor der Berichterstattung in den Medien, wenn die Besetzung länger gedauert hätte, was ihr einen schlechten Ruf eingebracht hätte. Das liegt auch daran, dass sie zuvor damit gedroht hatte, einige der Lehrer:innen zu entlassen, wenn sie sich über die Schulbedingungen beschweren würden, und dass sie sowohl bei den Schüler:innen als auch bei den Lehrer:innen generell unbeliebt ist.
Obwohl wir Glück hatten und unsere Forderungen erfüllt wurden, hatten wir keinen Plan für eine Eskalation, falls unsere Forderungen nicht akzeptiert würden, außer einer längeren Besetzung. Wir haben durch diese Besetzung aber nicht nur die Behebung der strukturellen Probleme, sondern auch die Wiederbelebung eines minimalen politischen Bewusstseins in einer Schule erreicht, die vor 2022 seit Jahrzehnten keine Besetzung oder Demonstration mehr erlebt hatte.
Gab es Repressionen?
Glücklicherweise haben wir keine Repressionen erlitten, aber gleichzeitig sind Repressionen in Italien sehr verbreitet. So wurden beispielsweise im Februar Student:innen in Pisa und Florenz von der Polizei verprügelt, weil sie gegen die Beteiligung der italienischen Regierung am Völkermord an den Palästinenser:innen durch Israel protestierten, und im Dezember wurden zehn Schüler:innen in Rom für 15 Tage suspendiert, zu stundenlangem gemeinnützigen Dienst verurteilt und bei der Polizei gemeldet, nachdem sie die Cavour-Oberschule für eine Woche besetzt hatten. (1)
Auch mit dem neuen DDL Sicurezza (Sicherheitsgesetzentwurf), einer Reihe von Gesetzen, die von der Regierung verabschiedet werden, gibt es viele neue Normen, die verabschiedet werden und den politischen Aktivismus extrem schwierig gestalten. Abschnitt 14 beispielsweise sieht für Straßenblockaden im Rahmen von Protesten eine Gefängnisstrafe von sechs Jahren vor, Abschnitt 19 führt das Verbrechen des passiven Widerstands ein, Abschnitt 28 erlaubt Polizeibeamt:innen, bestimmte Arten von Waffen zu tragen, auch wenn sie nicht im Dienst sind, und Abschnitt 31 erlaubt Mitgliedern des Geheimdienstes, mit Genehmigung des Präsidenten Terrorakte begehen zu dürfen und fordert die Universitäten auf, die Identitäten von Professor:innen und Student:innen, die den Geheimdiensten gegenüber oppositionell eingestellt sind, preiszugeben. (2)
Wie haben die Schüler:innen auf die Besetzung und die Organisation reagiert?
Wie ich bereits sagte, waren die Schüler:innen der Zustände an der Schule und der Nachlässigkeit des Schulleiters überdrüssig, sodass sie sehr positiv auf die Besetzung reagierten und einige von ihnen bei der Organisation halfen.
Sind diese Probleme spezifisch für Eure Schule, Eure Region oder das ganze Land? Welche Perspektive habt Ihr propagiert?
Diese Probleme betrafen nicht nur unsere Schule, sondern betreffen die Schulen des ganzen Landes. Letztes Jahr gab es 69 Einstürze in Schulen in Bezug auf Dächer und Wände, 8 mehr als 2023. Der Süden, die Gegend, in der sich unsere Schule befindet, ist mit 28 Einstürzen am stärksten betroffen (40,5 %). Dies unterstreicht den Zusammenhang zwischen unzureichenden Schulstrukturen und dem Meridionale (soziale, kulturelle und wirtschaftliche Kluft zwischen Nord- und Süditalien), der die Gesamtheit aller sozioökonomischen Ungleichheiten zwischen Nord- und Süditalien darstellt.
59,16 % der Schulen haben kein Nutzungszertifikat, 57,68 % keinen Brandschutz. 41,5 % haben keine statischen Tests. Auch die Luftqualität ist sehr schlecht, 94 % der Schulen verfügen über keine Klimaanlagen und Lüftungssysteme. 10 % der Schulen haben keine Heizung.
Diese Probleme sind auch mit Behindertenfeindlichkeit verbunden. Tatsächlich verfügen 65 % der Schulen nicht über Treppenlifte, 74 % haben keine behindertengerechten Toiletten und 76 % haben keine Rollstuhlrampen. Außerdem wurden nur in 11 % der Schulen Bauarbeiten zur Beseitigung architektonischer Barrieren durchgeführt. (3)
Diese Bedingungen sind wahrscheinlich auf die Korruption einiger Schulleiter:innen und noch mehr, weil das Bildungswesen nicht genügend staatliche Mittel erhält, zurückzuführen. Tatsächlich erhält das Bildungswesen in Italien 2,9 % des gesamten BIP, gegenüber dem OECD-Durchschnitt von 3,2 %. (4) Dies, während die Militärausgaben um 13 Milliarden Euro steigen, was darauf hindeutet, dass die derzeitige postfaschistische Regierung ihre imperialistischen Interessen und die Unterstützung Israels bei seinem Völkermord an den Palästinenser:innen über die Bedürfnisse der Menschen in dem Land, das sie regiert, stellt. (5)
Ein Beispiel für korrupte Schulleiter:innen ist die ehemalige Direktorin der Falcone-Mittelschule, Daniela Lo Verde, die Lebensmittel und technologischen Hilfsmittel, die für die Schüler:innen bestimmt waren, gestohlen und EU-Mittel veruntreut hat, indem sie Kurse erfand, die in der Schule nie stattfanden. Der ohnehin schon inakzeptable Akt wird durch die Tatsache verschlimmert, dass er im ärmsten Bezirk Palermos, ZEN, stattfand. Jetzt wurde sie zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt. (6)
Werdet Ihr weiterhin in Schulen aktiv sein?
Wir werden auf jeden Fall weiterhin in unserer Schule aktiv sein. Einer unserer Genossen wurde als Klassensprecher wiedergewählt und nächstes Jahr möchten wir uns bei den Schüler:innenwahlen als Schulsprecher:in aufstellen lassen. Wir haben auch Flugblätter über Proteste, an denen wir teilgenommen haben, und Veranstaltungen, die wir in unserem politischen Kreis sowohl an unserer Schule als auch an der anderen High School in der Stadt organisiert haben, verteilt. Leider zog dies niemanden zur Partei, aber sie trugen dazu bei, uns in der Schule als Partei und als Kommunist:innen bekannt zu machen, und halfen uns, die Schüler:innen im Kampf gegen die Bourgeoisie zu organisieren und uns mit der Arbeiter:innenbewegung in unserer Schule zu verbünden.
Quellen:
(1) https://corrierefiorentino.corriere.it/notizie/24_febbraio_24/cariche-sugli-studenti-pro-palestina-a-pisa-e-firenze-sindaci-e-rettori-e-inaccettabile-97e8e528-e551-412d-805f-ff8a134eexlk.shtml und https://www.romatoday.it/politica/scuole-occupate-roma-sospensioni-liceo-cavour.html)
(2) https://www.sistemapenale.it/it/documenti/pacchetto-sicurezza-il-testo-del-disegno-di-legge-e-il-dossier-del-servizio-studi-del-senato und https://ilmanifesto.it/il-grande-fratello- (alle Universitäten)
(3) https://www.ilfattoquotidiano.it/2024/09/25/aumentano-i-crolli-nelle-scuole-e-il-60-degli-istituti-non-ha-certificato-dagibilita-e-prevenzione-incendi/7706942/
(4) https://www.tuttoscuola.com/education-at-a-glance-2024-valditara-investimenti-e-innovazioni-per-una-scuola-italiana-piu-equa-e-competitiva/
(5) https://www.milex.org/2024/10/30/esplosione-per-le-spese-militari-italiane-nel-2025-a-32-miliardi-di-cui-13-per-nuove-armi/
(6) https://www.palermotoday.it/cronaca/scuole-falcone-zen-corruzione-condanna-preside-lo-verde.html